Spitzel auf dem Gerichtsflur?

Ich lerne ja so gerne neue Worte. Schmeißfliegenauftrag ist eines; bei Rechtsanwalt Werner Siebers habe ich es zum ersten Mal gelesen:

Mal sehen, ob beim Landgericht Stendal heute wieder eine Kriminalbeamtin als fleißiges Schreiblieschen im Zuschauerraum sitzt, nachdem ich sie gestern als Zeugin dafür benannt habe, dass sie von der Staatsanwaltschaft einen so genannten „Schmeißfliegenauftrag“ erhalten hat, nämlich in den Pausen ganz unauffällig um die Verteidiger herumzuschwänzeln, um insoweit Gesprächsinhalte oder Kontakte aufzuschnappen, was sogar soweit geführt hat, dass sie Verteidiger in eine nahe Bäckerei verfolgt hat.

Dass Kriminalbeamte ihre „Beobachtungen“ auf dem Gerichtsflur und in der Kantine gerne in Vermerke fassen, ist bekannt. Kein Verteidiger wird sich vom jovialen Umgangston blenden lassen, der in Verhandlungspausen von beiden Seiten angeschlagen wird. Man wartet ja notgedrungen in räumlicher Nähe miteinander und hat – regelmäßig – persönlich nichts gegeneinander. Gegen all das ist ja auch nichts einzuwenden – wenn man sensible Gespräche dann halt außer Hör- und Sichtweite führt.

Gezielte Ausspitzelung, noch dazu im Auftrag des Staatsanwalts, hat eine andere Dimension. Mir persönlich ist sie bisher ebenso wenig begegnet wie das neue Wort. Aber vielleicht habe ich ja auch einfach nur nichts gemerkt.

Verletzungsprodukte

Aus einer Abmahnung Hamburger Anwälte, die für ein französisches Modehaus tätig sind:

Mit Nachdruck weisen wir schließlich noch darauf hin, dass wir binnen der genannten Frist auch die Übersendung des bei Ihnen noch vorhandenen Bestandes an Verletzungsprodukten der streitgegenständlichen Art erwarten.

Dünnes Blech

Eine Hauptstütze der Heftklammerhersteller ist die deutsche Justiz. Es wird alles getackert, was zu tackern ist. Jeder Schriftsatz einzeln. Die Abschriften für die Parteien gesondert. Dann die Ausfertigung für den Anwalt und die Parteien insgesamt. Zuletzt das Deckblatt mit dem gesamten Packen.

Nichts dagegen, die Anwaltschaft tackert seit jeher fleißig zurück.

In Nordrhein-Westfalen scheint jetzt aber jemand, der für die Beschaffung der Heftklammern zuständig ist, einem übertriebenem Sparzwang nachgegeben zu haben. Seit neuestem werden nämlich fisselige Heftklammern aus lächerlich dünnem Blech verwendet. Die reißen durch oder fliegen sogar durch die Gegend, wenn man ihnen mit einem Klammeraffen zu Leibe rückt.

Meine Sekretärin fluchte vorhin jedenfalls mächtig, als ihr so eine halbe Heftklammer um die Ohren schwirrte. Dann musste sie sich wieder konzentrieren und die andere Hälfte mit dem Fingernagel aus dem Papierstapel pulen.

Das Internet – nicht nur böse

„Die Durchführung einer stufenweisen Wiedereingliederung bedarf immer der Zustimmung des Arbeitgebers. Die Lohnfortzahlung des Arbeitgebers ist ausgeschlossen. Der Arbeitgeber kann ohne Benennung von Gründen die Maßnahme ablehnen.“

Früher hätte man sich erst mal in der Bibliothek vergraben, um das rauszufinden.

Danke, Google!

Am einfachsten

Die Verwaltungskraft bei der Staatsanwaltschaft war unwirsch. Um es vorsichtig auszudrücken. Ich erklärte, dass der von ihr verschickte Einstellungsbescheid Fehler enthält:

– falscher Mandantenname
– falsches Delikt
– verdrehtes Aktenzeichen.

„Ich dachte, es ist am einfachsten, wenn Sie das Dokument schnell berichtigen und es mir noch mal zusenden. Deshalb rufe ich Sie an – und nicht den Staatsanwalt.“

Von dem Augenblick war sie dann doch recht freundlich.

Online gegen Zensurpläne

Eine Online-Petition an den Deutschen Bundestag richtet sich gegen Zensurpläne der Bundesregierung, inbesondere gegen die geplante Sperrliste des Bundeskriminalamtes für Internetseiten.

Innerhalb weniger Stunden haben sich schon 21.600 Menschen angeschlossen.

Ausnahmsweise höflich

Aus der Anweisung eines Staatsanwalts:

Zu Schreiben (G 141) an Frau M. W. Bl. 78 <>: – höflich –

Schon bemerkenswert, dass der übliche Korrespondenzstil mancher – nicht aller – Staatsanwaltschaften diesen Anforderungen offensichtlich nicht genügt.

Hochgekrempelte Hosen

Zitat aus einer Ermittlungsakte:

Auffallend ist, dass der Zeuge angibt, dass der Täter eine hochgekrempelte Hose trug. Auf einer dem Zeugen nicht vorgelegten erkennungsdienstlichen Aufnahme aus dem Jahr 2004 trägt der identifizierte Herr. M. ebenfalls eine hochgekrempelte Hose, was den Tatverdacht erhärtet.

Das Gesicht des „identifizierten“ Herrn M. hat der Zeuge am Tattag übrigens gar nicht gesehen. Er will ihn erst am Tag nach dem möglichen Autoaufbruch an einer Straßenbahnhaltestelle am Hauptbahnhof (!) anhand der gleichen Kleidung wiedererkannt haben; erst da habe er das Gesicht gesehen.

Aber wir haben ja die hochgekrempelten Hosen!

Bei dieser erdrückenden Beweislage wird sich der Staatsanwalt wohl auch nicht davon abschrecken lassen, dass mein heute 23-jähriger Mandant heute ganz anders aussieht als vor fünf Jahren und dass bei einer Hausdurchsuchung kein Diebesgut gefunden wurde.

Übrigens auch keine hochgekrempelten Hosen. Hierbei bleibt allerdings unklar, ob die Polizisten danach gesucht haben. Angeboten hätte es sich ja…

Erst ermitteln, dann durchsuchen

Mehr Glück als Frau Lahmar-Schadler-Lüdenscheid (siehe voriger Eintrag) hatte nun einer meiner Mandanten beim Bundesverfassungsgericht. Bei dem Betroffenen, der in Bayern wohnt, war zu früher Morgenstunde die Polizei angerückt: Er soll über sein Internetforum raubkopierte Filme und Spiele verbreitet haben.

Die Verdachtslage war mehr als dünn. Es lag lediglich die Anzeige eines Bürgers vor, der sich darüber beschwerte, in dem Forum fänden sich Links zu Raubkopien. Den Text der betreffenden Beiträge verstanden die Beamten schon mal nicht. Im Forum wird türkisch gesprochen.

Statt erst mal zu ermitteln, was hinter den Links (zu Rapidshare, nicht zu meinem Mandanten) steckte, wurde einfach eine Hausdurchschung angeordnet. So geht es nicht, befand nun das Bundesverfassungsgericht:

Den angegriffenen Entscheidungen lasse sich nicht entnehmen, dass die Verdachtsgründe über bloße Vermutungen und vage Anhaltspunkte hinausreichten. Die Gerichte hätten keine konkreten Anhaltspunkte dafür genannt, dass die Links überhaupt auf urheberrechtliche geschützte Inhalte verwiesen.

Überdies hätten sich weder Staatsanwaltschaft noch Gerichte mit der Frage beschäftigt, wieso ausgerechnet der Forenbetreiber für mögliche Links zu Raubkopien hafte. Der Umstand, dass jemand ein Internetforum betreibt, mache ihn jedenfalls nicht schon deswegen zum Verdächtigen wegen problematischer Links.

So hätte zumindest überprüft werden müssen, ob in dem Forum auffällig viele Links zu Raubkopien zu finden sind. Dies könne möglicherweise zur Annahme führen, der Betreiber billige zumindest derartige Angebote. Als weitere Möglichkeit nennt das Bundesverfassungsgericht bekannt gewordene Abmahnungen durch Rechteinhaber.

Das Gericht hält die Durchsuchung auch für unverhältnismäßig. Zuvor hätte zumindest überprüft werden müssen, ob die vom Anzeigenerstatter beigefügten Ausdrucke authentisch waren und ob hinter den Links tatsächlich urheberrechtlich geschützte Filme oder Spiele abzurufen sind. Außerdem hätte zumindest versucht werden müssen, den Autor der jeweiligen Beiträge zu ermitteln.

Die Entscheidung vom 8. April 2009 (2 BvR 945/08)

Früherer Beitrag im law blog

Niederlage für Frau Lahmar-Schadler-Lüdenscheid

Frau Lahmar-Schadler-Lüdenscheid hat Pech gehabt: Das Bundesverfassungsgericht entschied heute, dass das Verbot von Dreifach-Nachnamen nicht gegen das Grundgesetz verstösst.

Der Erste Senat entschied damit über die Verfassungsbeschwerde eines Münchner Anwalts, der bereits einen Doppelnamen trägt, und dessen Ehefrau, die ihren bisherigen Nachnamen dem Doppelnamen des Ehemanns – dem Ehenamen der beiden – voranstellen wollte.

(Quelle, mehr Informationen..)