Neues Leben

Der Vorwurf lautete: illegaler Aufenthalt.

Ich nahm hierzu Stellung:

Meine Mandantin streitet nicht ab, illegal eingereist zu sein. Jedoch ist sie selbst eher Opfer als Täterin. Meine Mandantin verfügt über praktisch keine Schulbildung. Eine Schlepperorganisation hat ihr in Deutschland das „goldene Leben“ versprochen. Meine Mandantin konnte sich nur mit Hilfe ihres neuen Lebenspartners, der deutscher Staatsbürger ist, vor einem Abgleiten in die Prostitution bewahren. Meine Mandantin hat große Angst, dass man ihr gegenüber ausgesprochene Drohungen wahr macht.

Wegen des gemeinsamen Kindes hat meine Mandantin nun einen vorläufigen Aufenthaltstitel erhalten, wie in der Akte vermerkt. Meine Mandantin hat nun möglicherweise die Chance, ein geordnetes Leben zu führen.

Ich rege vor diesem Hintergrund an, das Ermittlungsverfahren nach § 153 StPO einzustellen.

Die Staatsanwaltschaft antwortet:

Das Ermittlungsverfahren habe ich gemäß § 153 Abs. 1 der Strafprozessordnung mit Zustimmung des zuständigen Amtsgerichts eingestellt.

Eine Entscheidung mit Augenmaß. Das freut mich für meine Auftraggeberin. Ihrem neuen Leben dürfte damit nichts mehr im Wege stehen.

Auch Unschuldige fliehen

Das Landgericht Koblenz verurteilte einen Mann wegen Vergewaltigung. Einen Fluchtversuch lastete ihm das Gericht ausdrücklich an:

Hinzu kommt der Umstand, dass der Angekl. einen Fluchtversuch unternommen hat. Zusammengenommen sprechen diese Gesichtspunkte dafür, dass der Angeklagte die ihm zur Last gelegte Tat begangen hat, aber die Verantwortung dafür nicht übernehmen möchte.

Ein Fluchtversuch ist kein Indiz, das eine Täterschaft belegt, meint dagegen der Bundesgerichtshof. Denn ein Fluchtversuch lasse sich unterschiedlich erklären:

Auch ein Unschuldiger kann sich einem Strafverfahren mit einem für ihn ungewissen Ausgang entziehen wollen. Ein Beschuldigter ist nicht gehalten, an der Aufklärung der ihm zur Last gelegten Tat mitzuwirken. Wie bei der Frage der Würdigung des Scheiterns eines Alibis ist zu beachten, dass ein Angekl. meinen kann, seine Lage durch falsche Angaben verbessern zu können. Ein solches Verhalten lässt regelmäßig keine tragfähigen Schlüsse darauf zu, was sich wirklich ereignet hat. Das LG durfte daher aus dem Fluchtversuch des Angekl. L kein Indiz für seine Täterschaft herleiten.

Der oberste Gerichtshof in Simbabwe oder Birma hätte sich wahrscheinlich nicht so angestellt.

Eigene Sachkunde

„Haben Sie schon mal ein Kaninchen gehalten?“ fragte die Richterin den gegnerischen Anwalt. „Nö“, sagte der. Die Juristin hatte ihm da wohl was voraus. Für sie war jedenfalls nicht zweifelhaft, dass die von der Vermieterin vorgelegten Fotos ramponierter Wände und Türzargen Schäden zeigen, die für unartige Kaninchen in Wohnungen „typisch“ sind.

Der Kollege blieb an dieser Stelle still. Wahrscheinlich wollte er nicht über seine Kindheit reden. Das hat mich für meine Mandantin gefreut, tat mir aber auch ein wenig leid. Wenn da ein weniger domestiziertes Exemplar seiner Art gesessen hätte, wäre ein witziger Dialog denkbar gewesen. Für den hätte ich mir gleich die Filmrechte gesichert.

Ab heute Rauchverbot

Ab heute darf in nordrhein-westfälischen Gaststätten nicht mehr geraucht werden.

Das Gesetz findet sich hier. Die ersten „Raucherclubs“ zur Umgehung des Gesetzes sind auch schon gegründet, berichtet der Express.

Für mich war die Qualmerei in den letzten Jahren (unter anderem) ein Grund, viel weniger in Cafés und Restaurants zu gehen. Mal sehen, vielleicht gewinnen Läden, die das Gesetz konsequent einhalten, mich als Kunden zurück.

Fachanwälte: Fortbildung auch online

Fachanwälte müssen sich fortbilden. Das bedeutete bisher mindestens zehn Stunden Seminare im Jahr, gleich ob „dozierend oder hörend“. Das bedeutet mitunter nicht nur Reisen. Die Veranstaltungen schäumen auch nicht unbedingt wie Henkell trocken. Deshalb ist es interessant, dass die Rechtsanwaltskammer Köln jetzt auch Onlinekurse anerkennt. Hoffentlich ziehen andere Regionen nach.

Mehr dazu im LAWgical.

Freizeichen, überall

Der zuständige Beamte hat auf seinem Schreiben eine Durchwahl angegeben, die nicht funktioniert. Also versuche ich, über die Zentrale weiter zu kommen. Aber beim Polizeipräsidium Bonn geht einfach niemand ans Telefon. Trotz etlicher Versuche.

Zum Glück gibt es eine besondere Durchwahl für Beschwerden. Aber auch dort hebt niemand ab.

Ich schicke einen Brief.

Ex-Umweltbeamter wieder auf freiem Fuß

Der Haftbefehl gegen Harald F., den ehemaligen Abteilungsleiter des NRW-Umweltministeriums, ist außer Vollzug gesetzt worden. Die Untersuchungsrichterin in Wuppertal hat eine noch vor vier Wochen angenommene Verdunkelungsgefahr nicht mehr erkannt und F. vor einer Woche auf freien Fuß gesetzt, bestätigte Staatsanwalt Wolf-Tilmann Baumert gestern auf Anfrage.

Allerdings bestehe nach wie vor der Verdacht der Untreue gegen F. Der 55-Jährige, der Mitglied der Grünen ist, soll beispielsweise ein Auto und einen PC nicht rechtmäßig genutzt haben. Eine persönliche Bereicherung aber hatte die Staatsanwaltschaft aber schon früh ausgeschlossen.

F. sieht in der Strafanzeige des von der CDU geführten Umweltministeriums – der Grundlage der Ermittlungen – einen Feldzug gegen seine Person: „Ich habe mich in der Diskussion um das Umweltgift PFT und dessen Einleitung in die Ruhr immer kritisch zum Umweltminister und seiner Politik verhalten“, sagte er gestern.

Genau zu diesem Komplex habe man Dutzende von Ordnern bei ihm beschlagnahmt. „PFT ist hier nicht die Baustelle“, habe die Untersuchungsrichterin der Staatsanwaltschaft gesagt und ihn freigelassen. F. muss aber eine Auflage einhalten: Für ihn besteht eine Kontaktsperre zu weiteren 12 Beschuldigten, darunter einen ehemaligen Institutsleiter der Technischen Hochschule Aachen. (pbd)

Nicht arm genug

Ab dem 1. Juli 2008 dürfen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte mit ihren Mandanten Erfolgshonorare vereinbaren. Dies allerdings nur in bestimmten Ausnahmefällen, da die gesetzliche Regelung grundsätzlich am Verbot von Erfolgshonoraren festhält.

Zulässig sind Erfolgshonorare nur, wenn der Mandant aus wirtschaftlichen Gründen auf diese Möglichkeit angewiesen ist und sonst seinen Anspruch nicht durchsetzen könnte, teilt der Deutsche Anwaltverein (DAV) mit. Die Regelung zum Erfolgshonorar war aufgrund einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts notwendig geworden.

„Nicht jeder Verbraucher kann ohne weiteres mit seinem Anwalt ein Erfolgshonorar aushandeln“, erläutert Rechtsanwalt Cord Brügmann. Dies sei nur in Ausnahmefällen möglich, und zwar dann, wenn sie nicht arm genug seien, um Prozesskostenhilfe zu beantragen, aber auch nicht reich genug, um den konkreten Prozess zu bestreiten.

Klare zahlenmäßige Grenzen gebe es dabei nicht. Ein Erfolgshonorar sei beispielsweise in Bauprozessen denkbar, bei denen es häufig um sehr hohe Streitwerte gehe. Weitere denkbare Fälle wären eine Erbschaft, Ansprüche aus Produkthaftung oder eine hohe Schmerzensgeldforderung.

Der Hauptgeschäftsführer des DAV rechnet damit, dass sich die Honorare bei 10 % bis 20 % des Klageerfolges einpendeln werden. In den USA gebe es eine Obergrenze von ungefähr 30 % bis 35 %, an der sich die deutschen Gerichte orientieren können. Zu beachten ist dabei aber auch, dass Prozesse häufig nicht in einem klaren Sieg für die eine oder andere Seite enden, sondern es oft zu Vergleichen kommt, wo man nur teilweise den Betrag ersetzt bekommt. Daher wird es für Mandanten und Anwälte wichtig sein, vorab für alle möglichen Prozessergebnisse eine entsprechende Vergütung zu vereinbaren.

Nach einer aktuellen Umfrage haben 40 % der befragten Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte signalisiert, in geeigneten Fällen auf Wunsch des Mandanten ein Erfolgshonorar zu vereinbaren.

Pressemitteilung des DAV

Stets zuverlässig

Diese Geschichte erinnert mich an den Polizeibeamten, der erst beim dritten Mal zu einer Gerichtsverhandlung erschien. Beim ersten Mal hatte er die Ladung verbummelt. Beim zweiten Mal hatte er gedacht, der Termin sei eine Woche später.

Trotzdem hatte das Gericht nicht den leisesten Zweifel daran, dass dieser Beamte nicht zum Schludern neigt. Deshalb sei er „selbstverständlich“ geeignet, mit einer Radarpistole Temposünder zu überführen.

Ungerechtigkeit für alle

Aus einer E-Mail:

Hannover habe ich als Treffpunkt gewählt, weil diese Stadt ein Bahnknotenpunkt aus allen vier Himmelsrichtungen ist (also für alle fast gleich ungünstig ist).

Telefonkultur

Meine Sekretärin stellt Herrn N. durch. Ich höre Stimmengewirr, dann ein unwirsches: „Moment mal.“ Ich hänge in der Leitung und werde akustisch Zeuge, wie N. zwei Marlboro und eine Sprite bestellt.

Mehr weiß ich nicht, denn ich lege auf. Wenn Herr N. zu einem günstigeren Zeitpunkt noch mal anruft, können wir gern über sein Anliegen sprechen. Wahrscheinlich möchte er, dass mein Mandant ihm Ratenzahlung gewährt.

Komplizierte Arbeit schnell erledigt

Von EBERHARD PH. LILIENSIEK

Zoff in der Düsseldorfer Justiz: Nur knapp ist Wilfried F., der wegen Anstiftung zur Bestechung und Untreue angeklagte Fraktionsvorsitzende der CDU in Krefeld, an einer Hauptverhandlung vorbeigeschrappt. Womöglich aber hat er sich zu früh gefreut.

Denn im Hintergrund gibt es einen delikaten Streit zwischen der Staatsanwaltschaft und dem Landgericht Düsseldorf. Dort wird dem 65-jährigen F. Stimmenkauf im Stadtrat und Anstiftung zur Bestechung und Untreue vorgeworfen. Es ging und geht um eine offenbar gängige Kungelei. Die Stadt Krefeld hatte vor sieben Jahren an die Landesentwicklungsgesellschaft (LEG) eine Abwassergebühren-Forderung von 2,6 Millionen Mark – ob die denn nicht, so das Ansinnen der LEG an F., um die Hälfte gekürzt werden könne?

„In unmittelbaren Zusammenhang damit“, so die Staatsanwaltschaft, zahlte die LEG für Scheinrechnungen zweimal rund 260.000 Mark. Eine Tranche soll an den Krefelder Eishockey-Club „Pinguine“ gegangen sein. Dessen Generalbevollmächtigter war, bis die Chose aufflog, besagter Christdemokrat F. Die 4. große Strafkammer des Landgerichts hat die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt – sie sieht keinen hinreichenden Tatverdacht. Nun aber wird das Gegenteil bekannt, dieselbe Kammer hegte sehr wohl genau vom ersten Moment an diesen Verdacht!

Sie hatte „von Anfang an Gesprächsbereitschaft erkennen lassen“, das Verfahren gegen Auflagen einzustellen, was nach dem Gesetz nur dann möglich ist, wenn „die Schwere der Schuld“ einer solchen Einstellung nicht entgegensteht – was nichts anderes bedeutet, als dass die Kammer von der Schuld der Täter (wenn auch keiner schweren) ausging.

„Eine solche Gesprächsbereitschaft zur Einstellung des Verfahrens setzt den hinreichenden Tatverdacht voraus“, bestätigt Rechtsprofessor Helmut Frister von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Von Anfang an.

Die Kammer ging vom ersten Tag von der Wahrscheinlichkeit einer späteren Verurteilung aus – dachte aber sofort und zugleich an eine Einstellung. Als dann aber die Staatsanwaltschaft ihre notwendige Zustimmung zur Einstellung verweigerte, kam es bei der Kammer zum kuriosen Sinneswandel: Sie fegte die Sache quasi vom Tisch, will das Hauptverfahren nicht eröffnen. „Vor dem puren Recht stehen manchmal die praktischen Erwägungen“, sagt ein pensionierter Landgerichtspräsident und deutet damit an…

… wie in der Justiz mitunter – und das ist noch vorsichtig formuliert – komplizierte Arbeit schnell erledigt wird. Die überraschende Erledigungsaktion bringt die Staatsanwaltschaft zum Schäumen: „Selbstverständlich sind wir mit der Entscheidung nicht einverstanden“, sagt Behördensprecher Arno Neukirchen. Die Ankläger haben sich mit einer Beschwerde an das Oberlandesgericht gewandt. Das soll nun eine klare Richtung zeigen. (pbd)