DER ÖFFENTLICHE FRIEDE

Zu einem Jahr Freiheitsstrafe auf Bewährung und 300 Stunden Sozialdienst wegen Beschimpfung eines religiösen Bekenntnisses und Störung des öffentlichen Friedens verurteilte das Amtsgericht Lüdinghausen einen Frührentner aus dem Münsterland. Der Mann hatte Toilettenpapier mit einem Koranstempel bedruckt und zum Verkauf angeboten, berichtet die Welt.

Das ist wahrscheinlich auch ein Preis des Rechtsstaats. Wir haben eben Paragrafen, welche die Beschimpfung von anderen, unsere Kultur eher nicht prägenden Religionsbekenntnissen verbietet.

So ist es wohl unvermeidlich, dass die – nach der Vorschrift erforderliche – mögliche Gefährdung des öffentlichen Friedens sich zwanglos auch daraus ergibt, dass sich ein islamisches Land bei der Bundesregierung über die Aktion beschwert. Ein Land, in dem schon mal gern Figuren westlicher Politiker verbrannt werden. Oder dessen Präsident den Holocaust leugnet, wenn er nicht gerade Israel mit Auslöschung droht.

Mir hätte sich schon die Frage gestellt, ob die Auseinandersetzung mit einer Religionsgemeinschaft, die derzeit, nun ja, aggressiv auftritt und ihren Heiligen Kriegern jedenfalls nicht so konsequent auf die Füße tritt wie wir unseren Cartoonisten, nicht auch zu etwas gröberen Reaktionen berechtigt.

(Danke an alle, die auf das Urteil hingewiesen haben)

PRIVATVERKAUF ?

Wer regelmäßig bei ebay verkauft, muss im Zweifel beweisen, dass er kein gewerbsmäßiger Händler ist. heise online berichtet über ein entsprechendes Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz.

Wer als Unternehmer eingestuft ist, muss seinen Kunden Widerrufsrechte einräumen.

(Danke an Andrea Altefrone für den Link)

PLATZ DA

Bei Tempo 200 soll ein Motorradfahrer versucht haben, einen Polizei-BMW von der Überholspur zu verscheuchen. Es handelte sich um einen offiziellen Streifenwagen, der mit Blaulicht fuhr.

Die Frankfurter Rundschau schildert einige bizarre Details.

(Danke an Ralph für den Link)

BLOCKIERTE RICHTER

Die Arbeitszeit von ganzen drei Richtern soll in Düsseldorf ausschließlich für die Einspruchsflut wegen einer Radarfalle auf der A 44 draufgehen, berichtet der Express. Die Pläne der Stadt, solch lukrative Blitzer auch noch an der A 46 aufzustellen, stoßen deshalb auf unverhohlenen Widerstand: „Die Stadt kassiert, wir haben die Arbeit“, zitiert das Blatt Amtsrichter Dirk Kruse.

ALLES GUT

Warum treffen sich Leute und hören Leuten zu, die aus ihren Blogs vorlesen? Für mich ist die Frage beantwortet: Es macht Laune. Vielen Dank deshalb ans Handelsblatt für den gestrigen Abend. Und erhebliche Teile der Nacht.

Um die 300 Besucher interessierten sich im Lichtburg-Kino dafür, was Modeste, Das Nuf, Ix, Don Dahlmann, Don Alphonso sowie HB-Hausblogger Thomas Knüwer zu erzählen haben. Ix hat – völlig unnötig, und das gilt für alle Akteure – gedroht, jedem unbotmäßigen Kritiker bei nächster Gelegenheit den Spiralblock aus der Hand zu reißen.

Aber ich muss sowieso ins Büro, bevor hier in wenigen Minuten die Hölle ausbricht, deshalb nur noch kurz zum Randgeschehen. Das Publikum fügte sich erstaunlich geschmeidig ins Messing- und Marmorambiente der Kö-Galerie. Es waren jede Menge Leute da, Blogger meistens, mit denen ich virtuell schon mal zu tun hatte. Interessant, dass der Eindruck aus dem Netz meist auch dem in natura entspricht. Was zumindest für mich bedeutet, dass ich gestern viele durchweg freundliche und interessante Menschen etwas näher kennen gelernt habe.

Wenn jetzt der Controller vom Handelsblatt über der Getränkerechnung keinen Herzschlag bekommt, ist wirklich alles gut.

TEXTBAUSTEINE

Ein Ermittlungsrichter am Amtsgericht Kassel hat die Durchsuchung einer Wohnung angeordnet. Sein Beschluss enthält eine merkwürdige Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Beschluss ist die sofortige Beschwerde zulässig. Sie ist innerhalb von zwei Wochen nach der Bekanntmachung schriftlich beim Amtsgericht Kassel oder Landgericht Kassel durch Einreichung einer Beschwerdeschrift oder zu Protokoll der Geschäftsstelle einzulegen.

Nun ja.

Durchsuchungsbeschlüsse sind gemäß § 304 Strafprozessordnung mit der einfachen Beschwerde anfechtbar (Meyer-Goßner, StPO, § 105 Randnummer 15). Diese einfache Beschwerde ist grundsätzlich nicht an eine Frist gebunden.

Überdies beträgt die Einlegungsfrist für eine sofortige Beschwerde im Strafverfahren gemäß § 311 Strafprozessordnung nicht zwei Wochen. Sondern eine Woche.

Liest sich ein wenig, als wäre ein Zivilrichter einfach mit seinen Textbausteinen umgezogen. In § 569 Zivilprozessordnung gibt es nämlich eine ähnliche Regel für die sofortige Beschwerde. Dort beträgt die Rechtsmittelfrist auch tatsächlich zwei Wochen.

FREUNDLICH

Mitunter sieht man halt kein Land bei der Arbeit. Da hilft ein freundliches Wort vom Kollegen:

Soll ich bei irgendwas helfen?

Du kannst mir auch nicht mehr helfen.

Das Angebot war ja auch gar nicht ernst gemeint.

REAKTION

„Hier ist die fristlose Kündigung.“

„Dann nehme ich mir gleich einen Strick.“

Die Situation ist ja ohnehin schon schwierig. Durch solche „Argumente“ wird sie nicht einfacher. Ich habe mit dem Hinweis reagiert, dass sich die Firma in etlichen Betriebsjahren nicht in das Privatleben des Mitarbeiters eingemischt hat. Und dass sie nicht beabsichtigt, dies künftig zu tun.

Hört sich hart an, war aber wahrscheinlich die einzige Möglichkeit klar zu machen, dass die von der Mandantin getroffene Entscheidung endgültig und nicht verhandelbar ist. Und zwar aus guten Gründen.

BESCHLEUNIGT

Wenn der hibbelige Besucher etwas weiter entfernt geparkt und sein Handy im Auto vergessen hat, beschleunigt das die Besprechung. Wohltuend.

KEINE FORMULARE

Post vom Amtsgericht Köln in einem Scheidungsverfahren:

Es wird nunmehr gebeten, unverzüglich die vorgeschriebenen Vordrucke vollständig ausgefüllt mit den notwendigen Unterlagen dem Familiengericht einzureichen. (Vordruck V 1 – neben dem Doppelblatt auch die Seite 1 – , Entgeltsbescheinigung des Arbeitgebers bis zum Ende der Ehezeit, Antrag auf Kontenklärung des zuständigen Rentenversicherungsträgers … und Antrag auf Feststellung von Kindererziehungszeiten …)

Normalerweise schicken die Gerichte alle Formulare mit. Das war hier nicht der Fall. Also ließ ich anrufen und um Zusendung bitten. Rückmeldung aus dem Sekretariat:

Formulare werden ausnahmsweise zugesandt. Machen die normalerweise nicht!

Wenn das so weiter geht, müssen die Parteien demnächst sogar ihre eigenen Richter zur Verhandlung mitbringen.

EINE WOCHE POST

Der Unmut im Sekretariat hält sich in Grenzen. Vielleicht liegt es am soeben, zumindest theoretisch, eingetretenen Feierabend. Jedenfalls hätte ich auch für kräftigere Aggressionsentladungen Verständnis. Heute Nachmittag hat nämlich ein privater Postdienst ein paar Pfund Gerichts- und Behördenpost in den Briefkasten gequetscht.

Alles abgestempelt zwischen dem 14. und 20. Februar.

TURBULENZGESCHEHEN

Nebenklagevertretung. So etwas wie ein Sündenfall für einen Strafverteidiger. Aber von Zeit zu Zeit empfehlenswert wie eine Paartherapie. So konnte ich heute mal aus bequemerer Perspektive erleben, wie verhängnisvoll es sein kann, gegen Augenzeugen zu verteidigen. Noch dazu, wenn es sich um Zeugen mit folgenden Eigenschaften handelt: a) gute Sicht auf die Schlägerei; b) intakte Erinnerung; c) absolut kein Eigeninteresse am Ausgang des Prozesses.

Diese beiden Zeugen sagten aus, dass sie eindeutig gesehen haben, wie die drei Angeklagten den Nebenkläger vermöbelt haben. Wie das Opfer zu Boden ging. Und dort noch etwa anderthalb Minuten geschlagen und getreten wurde. Bis es bewusstlos wurde und die Täter sich aus dem Staub machten.

Die Verteidiger wählten folgenden Ansatz: Die Zeugen haben in winzigen Details unterschiedlich ausgesagt. So sagte zum Beispiel ein Zeuge, er habe nicht gesehen, ob sich auch eine Frau – die Schwester des Nebenklägers – am Ort des Geschehens befand. Er könne sich jedenfalls nicht an eine Frau erinnern. Andere Zeugen hatten jedoch von der Frau gesprochen. Hieraus schloss der Anwalt eines Angeklagten, dass wegen dieses „Widerspruchs“ der gesamte Ablauf unklar sei. Keine Frau, keine Schlägerei.

Natürlich sagte er das nicht so banal. Sonst wäre es ja ein Trick aus dem Zauberkasten. Nein, wir schwebten andächtig davon, getragen von der Wucht eines (mir) bis dato unbekannten Wortes.

Turbulenzgeschehen.

Alles, sagte der Verteidiger, war doch ein Turbulenzgeschehen. Er meinte damit: Wo mehrere Menschen sind, geht es rund. Da kommt das Auge des Beobachters gar nicht mit. Für mich fehlte etwas die Behauptung, dass eine Vielzahl von Untersuchungen diese These bestätigt hat. Am besten welche aus Amerika. Trotzdem lauschten alle andächtig.

Turbulenzgeschehen. Das kennt man auch aus den Shows von David Copperfield. Oder Harry-Potter-Filmen. Und vielleicht aus den guten Zeiten, vor der Paartherapie. Ein großes Gewusel, letztlich bleibt nur eine Illusion. Und das, was uns das fehlbare Gehirn als Wahrheit verkauft.

Ich habe mir das Wort gemerkt. Muss allerdings sehen, ob ich es verwende. Geholfen hat es den Angeklagten nämlich nicht sonderlich. Sie kriegten alle Knast.

HARTZ IV: WANN ZÄHLT DER PARTNER ?

Bei Hartz IV darf das Einkommen eines Partners erst angerechnet werden, wenn die Lebensgemeinschaft mindestens ein Jahr besteht. Vorher kann noch nicht von einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft augegangen werden. Dies hat das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg entschieden.

Bei einem Zusammenleben unter einem Jahr fordert das Gericht besondere Umstände, die darauf hindeuten, dass die Partner auch finanziell füreinander einstehen wollen. Zum Beispiel ein gemeinsames Kind.

(Beschluss des LSG; Link gefunden in den Lichtenrader Notizen)