BANGKOK

Dem Winter bin ich ja punktgenau entkommen. Während mich LH 477 ziemlich angenehm in 9:50 Stunden nach Bangkok schnurrt, entwickeln sich laut hiesigem Internet (scheint aber dasselbe zu sein) Schnee und Glatteis zur größten News in Deutschland; von „Arafat – Das Musical“ mal abgesehen. Schwer vorstellbar, wenn man aus dem klimatisierten Flughafen tritt und gleich doppelt erschlagen wird – von der Horde „Taxi, Taxi“ zischelnder Agents und satten 38, schwülen Grad Celsius.

Die Stadt selbst liegt noch immer unter der gleichen blauen Dunstglocke, die zu der Handvoll Erinnerungen meines letzten Besuches gehört. Das dürfte mehr als zehn Jahre her sein. Der Fahrer des blitzblanken Taxis zählt die neuesten Errungenschaften auf, die das Leben in Bangkok angenehmer machen sollen: Skytrain, Highways, weniger Tuk-Tuks. Doch links und rechts des Zubringers zur City belegen Dutzende neuer Hochhäuser, dass der Moloch (die Innenstadt Bangkoks ist dreimal so groß wie die Berliner) ungebremst wächst. Bei uns kämen die EU-Gesundheitsminister nicht darum herum, die ganze Stadt in eine Banderole zu wickeln, die mit einem Warnspruch zur tödlichen Wirkung von Kohlenmonoxid versehen ist.

Aber wahrscheinlich fängt man besser gar nicht damit an aufzuzählen, womit man sich in Thailand das Leben verkürzen kann. Auf die Unendliche Geschichte hat ohnehin jemand anderes ein Copyright. Deshalb schnell zu den weniger gesellschaftskritischen Seiten des ersten Tages, von dem sowieso nur noch sechs Stunden übrig waren.

Meine Begleitung hat mir natürlich nicht geglaubt, dass es masochistisch ist, in dieser Stadt viel zu Fuß zu gehen. Die knappen drei Kilometer von der Oriental Pier durch die Straßen des Bangrak erzielten aber erzieherische Wirkung. Der erste Mai Tai in einer schicken, weltstädtisch gestylten Bar an der Silom Road war dann auch der Erkenntnis zu verdanken, dass Abendhitze, Abgaswolken und mit Sand verschüttete Fußwege dem Entdeckerdrang Grenzen setzen.

Als die Shirts nicht mehr ganz so arg am Rücken klebten, stellte sich trotz der unvermeidlichen Erdnüsse die eher rhetorische Frage, ob und wie Bangkok das Lufthansa-Catering toppen kann. Ich überzeugte meine Begleitung von der alten Weisheit, dass man in Thailand überall am besten essen kann, wo man keinen Fuß über eine Türschwelle zu setzen hat.

Zum Beispiel in einer Seitengasse der Silom Road. Aber zunächst passierten wir ein auffallend prächtiges Gebäue, hinter dessen goldenen Zäunen offensichtlich muslimische Bürger speisten. Die Freundlichkeit, mit der sie zu uns Touristen herüberschauten, würde ich nicht unbedingt als herzlich bezeichnen. Ich habe mal die Überlegung gebookmarked, ob es wirklich sinnvoll ist, weiter in den Süden zu reisen als unbedingt nötig. Aber vielleicht bin ich ja auch nur ungerecht. Obwohl es einem ja schon zu denken gibt, wenn jedes Taxi, das am Hotel vorfährt, vor fetten Betonpollern mit Spiegeln auf Sprengkörper gecheckt wird. (Wieso aber direkt neben der Landebahn am Flughafen ein riesiger, belebter Golfplatz liegt, der noch nicht mal mit einem Zaun abgetrennt ist, dürfte wohl nur mit buddhistischer Dialektik zu erklären sein.)

Wir setzten uns am Straßenrand an einen Tisch mit hoher Einheimischenquote. Dass die Chefin der Garküche hinter ihrem Wok außer Chicken und Fish kein Wort Englisch konnte, ließ auf authentisches Food hoffen. Ihre Tochter spielte im Rinnstein stolz mit einem Hündchen. Hoffentlich ein Indiz dafür, dass die Köchin weiß, dass Chicken normalerweise nicht bellt.

Nachdem die T-Shirts – diesmal wegen der unausweichlichen Dosis Chili – wieder klebten, waren Entscheidungen angesagt. Ein deutscher Touri, mit aufgedunsenem Gesicht und viel zu junger „Freundin“, wies uns singhabierselig darauf hin, wenige Straßen weiter sei nachtlebenmäßig richtig was los. Andererseits behauptet der Marco-Polo-Reiseführer, Patpong sei abends genauso gefährlich wie Bielefeld und auch Touristinnen seien dort willkommen (in Patpong).

Verrucht, aber gleichzeitig sicher und familientauglich. Das klang so spannend, dass wir akuten Jetlag vorschützten und uns sagten, morgen ist ja auch noch eine Nacht. Gar keine schlechte Idee. Denn so kriegten wir nach einer halsbrecherischen Fahrt mit einem Tuk-Tuk noch mit, dass es im Royal Orchid Sheraton eine Freiluft-Dinnershow am Flussufer gibt. Die verfolgten wir der Einfachheit halber aus der unmittelbar angrenzenden Uferbar.

Das abendgekleidete Publikum, ein bisschen Paderborner Theaterabend und sehr viel texanisches Barbecue, goutierte die traditionelle thailändische Tanz- und Gesangskunst mit sichtlicher Hingabe. Ein Herr aus Deutschland jedoch (Tipp: Rechtsamtsleiter a.D.) und seine Gattin wären aber nicht hingegangen, wenn sie vorher gewusst hätten, dass die Künstler nach dem Auftritt Sammeln kommen. Wobei die beiden martialischen Schwertkämpfer natürlich zielsicher an seinem Tisch den Tip kassierten.

So, um 5.17 Uhr am Morgen ist der erfolgreich simulierte Jetlag Realität. Aber es gibt wirklich Schlimmeres, als ziemlich hoch oben, mit Blick auf Fluss und Skyline, im bläulichen Licht des Monitors Reiseblog zu üben. Thailändische Gesangskunst zum Beispiel. Aber das bleibt bitte unter uns.

KLEINE VERLOSUNG

Ich verabschiede mich bis zum 25. November 2004 in den Urlaub. Gute Gelegenheit für eine kleine Verlosung. Zu gewinnen gibt es fünf Anwaltskalender 2005 von wulkan, frei Haus und garantiert noch vor Weihnachten. Kostproben sind unten abgedruckt.

Wer mitmachen will, trägt sich einfach mit E-Mail-Adresse in die Kommentare ein.

PS. Den Kalender kann man auch kaufen. Nähere Informationen hier.

KREUZZUG

Die Staatsanwaltschaft Neuruppin führt einen Kreuzzug gegen die Bekleidungsfirma Thor Steinar. Nach einem Bericht der Berliner Zeitung klagt die Behörde Kunden des Unternehmens an, die dessen Produkte tragen. Begründung: Die als Logo auf den Klamotten verwendete pfeilähnliche Tyr-Rune sei einst Abzeichen der SA-Reichsführerschulen gewesen und die Gibor-Rune, einer Wolfsangel gleich, sei von der Waffen-SS benutzt worden. Bei einem Neonazi-Aufmarsch in Potsdam soll die Polizei sogar die Auflage gemacht haben, dass kein Teilnehmer Kleidung von Thor Steinar tragen darf.

Nach § 86a StGB in Verbindung mit § 86 StGB ist es verboten, Kennzeichen ehemaliger nationalsozialistischer Organisationen zu verwenden. Hört sich einfach an, ist in der Praxis aber schwer zu entscheiden. Schon die gesetzliche Regelung hat einige Schranken aufgestellt. Und über allem schwebt das hohe Gut der Meinungsfreiheit nach Artikel 5 Grundgesetz. Ich wäre mir nicht sicher, dass die erwähnten Verurteilungen einer Revision standhalten.

Wenn das im Übrigen der Stil ist, mit dem der Staat künftig die Auseinandersetzung mit Teilen seiner unzufriedenen Jugend führen will, dann sage ich schon jetzt mal gute Nacht.

(Link gefunden bei jurabilis)

MÜNDIG

20 Kilogramm Katjes-Fruchtgummi muss ein Verbraucher essen, um seinen Tagesbedarf von 80 Gramm Fett zu stillen. Deshalb darf die Firma ihre Süßigkeiten auch weiter mit dem Slogan „ohne Fett“ bewerben, entschied das Landgericht Aachen laut beck-aktuell. Dass die Fruchtgummis 75 % Zucker enthalten und deshalb trotzdem dick machen können, spielt nach Auffassung des Gerichts keine Rolle.

Ich finde das Urteil gut, weil es offensichtlich vom Bild des „mündigen Verbrauchers“ ausgeht und sich damit an der neuen Rechtslage orientiert. Spätestens seit der eindeutigen Änderung des Gesetzes gegen den Unlauteren Wettbewerb am 1. Juli 2004 dürfen die Gerichte nicht mehr den dummen, manipulierbaren und über die Maßen schutzbedürftigen Bürger zum Maßstab ihrer Bewertung machen. Vielmehr müssen sie davon ausgehen, dass der Verbraucher intellektuell so auf der Höhe ist, dass er nicht jede Werbebotschaft wörtlich nimmt.

Diese Botschaft müssen wir in einem komplexen Rechtsstreit derzeit auch dem Landgericht Köln vermitteln. Da könnte das Katjes-Urteil hilfreich sein.

NOVITEL / OLBERTZ

In der Sache Novitel / Olbertz liegt jetzt das Urteil des Amtsgerichts Berlin Mitte vor. Ich zitiere die wichigsten Ausführungen zur Haftung von Weblogprovidern:

Bei dem vom Verfügungsbeklagten eingerichteten Weblog handelt es sich erkennbar um eine Plattform zum Austausch von Meinungen und Informationen privater Personen. Insofern war es dem Verfügungsbeklagten im voraus nicht zuzumuten, alle von Dritten eingestellten Äußerungen auf mögliche Rechtsverletzungen Dritter zu überprüfen.

Der Verfügungsbeklagte musste noch nicht einmal wissen, ob es die Verfügungsklägerin als Firma gibt und ob die Behauptungen über deren Angestellten falsch sind. Er konnte erst auf Grund des Anschreibens … handeln.

Dem Verfügungsbeklagten ist es aber auch zukünftig nicht zumutbar, jedwede Einstellung ins Weblog darauf zu kontrollieren, ob hier irgendetwas negatives über die Verfügungsklägerin gesagt wird und ob dies der Wahrheit entspricht oder nicht. Die Verfügungsklägerin hat daher jeweils nur Anspruch auf Löschung konkret von ihr gerügter Behauptungen.

Das Gericht erwähnt die Impressumsfrage nicht ausdrücklich. Indirekt kann aber geschlossen werden, dass das Gericht keine verschärfte Haftung annimmt, wenn der Weblogprovider weder ein Impressum zur Pflicht macht noch die Identität der Blogger überprüft.

(AG Berlin Mitte 15 C 1011/04)

VERGLEICH

Immerhin eine Vergleichssumme von 3.000 Euro erhält eine Frau, die bei ebay für 2,50 Euro ein komplettes Haus ersteigert hatte. Das Gericht maß der Klage laut beck-aktuell keine großen Erfolgsaussichten bei, weil der Anbieter darum gebeten hatte, keine Angebote unter 140.000 Euro einzugeben.

(Danke an Andrea Altefrone, Björn Haste und Andreas Krennmair für den Hinweis)

FRAUENARBEIT

Ich zitiere aus dem Rentengutachten eines Arztes für Neurologie und Psychatrie:

Im Übrigen ist die heute 54-jährige Antragstellerin dazu in der Lage, altersentsprechende Frauentätigkeiten vollschichtig durchzuführen.

Und was stellen wir uns darunter vor?

ABMAHNKOSTEN

Ein weiteres Urteil schiebt Serien-Abmahnungen und daraus resultierenden Kostenforderungen einen Riegel vor. Auch das Amtsgericht Eberswalde sieht keinen Erstattungsanspruch, wenn sich ein Unternehmen in einer einfachen Wettbewerbssache eines Anwaltes bedient – obwohl der Hausjurist die Sache ebenfalls hätte erledigen können. Näheres zu der Entscheidung bei den Rechtsanwälten Heyms & Dr. Bahr.

SCHINKEL / GOOGLE

deutsch@google.com

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir vertreten die rechtlichen Interessen von Herrn Engelbert Schinkel.

Unser Mandant wundert sich seit geraumer Zeit, dass seine Homepage www.seelenfarben.de nicht mehr bei Google gelistet ist. Bisherige Anfragen resultierten immer nur in der Auskunft, die Sache liege beim technischen Service. In Ihrer letzten Mail heißt es, eine Aussage darüber, ob die Seite unseres Mandanten wieder gelistet wird, könne nicht getroffen werden. Auch ein zeitlicher Rahmen lasse sich nicht nennen.

Zunächst möchten wir eindringlich darauf hinweisen, dass die Rückfragen unseres Mandanten berechtigt sind. Die Seite www.seelenfarben.de ist in Deutschland beim Homepage-Award der angesehenen Computerzeitschrift com! zur Homepage des Jahres gewählt worden. Das Angebot unseres Mandanten hat täglich mehrere tausend Besucher. Bei Google sind keinerlei Kriterien auffindbar, welche ein Delisting der Seite rechtfertigen würden.

Wie unser Mandant meinen auch wir, dass Ihr Unternehmen relevante Seiten nicht einfach links liegen lassen kann. Dies schuldet Google jedenfalls auch seinen Nutzern, denn diese vertrauen ja darauf, dass Suchergebnisse auf Grund sachlicher Kriterien zu Stande kommen und ein möglichst unverfälschtes Abbild relevanter Seiten anzeigen.

Unser Mandant hat Sie bereits in seinem letzten Schreiben darauf hingewiesen, dass Google in Deutschland nach den aktuellen Statistiken eine marktbeherrschende Stellung hat. Diese begründet letztlich auch die Verpflichtung, sachgerechten Zugang zum Angebot zu ermöglichen. Ein Missbrauch dieser Stellung könnte erhebliche Auswirkungen haben, u.a. im kartell- und wettbewerbsrechtlichen Bereich. Unser Mandant müsste mangels vertraglicher Ansprüche gegen Google überlegen, ob er sich an die zuständigen Aufsichtsbehörden der Bundesrepublik Deutschland und an die Europäische Kommission wendet. Dies in der Hoffnung, etwas mehr Transparenz zu erzielen, als Google sie bislang gezeigt hat.

Am sinnvollsten wäre es allerdings, wenn Sie sich der Sache bevorzugt annehmen und dafür sorgen, dass www.seelenfarben.de wieder einen angemessenen Platz auf Ihrer Suchmaschine findet.

Für eine baldige Antwort wären wir dankbar.

Mit freundlichen Grüßen

Udo Vetter, RA und Fachanwalt für Strafrecht

Es kam zwar eine nichtssagende Reaktion. Aber seelenfarben war plötzlich wieder im Index.

KONTOSCHNÜFFLER

Ab kommenden Jahr sollen praktisch alle Behörden direkten Zugriff auf Kontodaten der Bürger haben. Gegen die Ausweitung der Schnüffelpraxis sind jetzt Verfassungsbeschwerden eingelegt worden, berichtet das manager magazin.

Den Klägern kann man nur viel Glück wünschen.

EBAY: WIDERRUFSRECHT

Wer bei Ebay von einem gewerblichen Händler kauft, hat grundsätzlich ein zweiwöchiges Widerrufsrecht. Er kann die Ware ohne Begründung zurückschicken und sein Geld zurückverlangen. Das hat der Bundesgerichtshof in seiner heute verkündeten Grundsatzentscheidung (Pressemitteilung) festgelegt.

Für gewerbliche Anbieter bedeutet das auch, dass sie jetzt auf ordentliche Widerrufsbelehrungen achten müssen. Ansonsten kann der Kunde das Widerrufsrecht auch noch nach Ablauf der zwei Wochen ausüben.

BÖSER ANWALT

Ja, alles meine Schuld.

1. Die Sache mit dem Führerschein. Der Bußgeldbescheid war rechtskräftig geworden. Das Fahrverbot begann spätestens in vier Monaten. Der Mandant verbummelte den Termin. Begründung: „Sie wollten mir die Adresse des Ordnungsamtes geben.“ Daran konnte ich mich nicht erinnern. Abgesehen davon, dass die Adresse auf jedem Schreiben der Behörde abgedruckt ist. Außerdem haben wir uns in den letzten vier Monaten mindestens dreimal gesehen. Hätte er da nicht fragen können?

2. Die Überweisung. 236,35 Euro. Genau der Betrag, der in meiner Kostenberechnung steht. Jetzt heißt es plötzlich, das Geld sollte an einen Gläubiger weitergeleitet werden. Mit dem waren allerdings Raten von 250,00 Euro vereinbart. Außerdem handelt es sich um eine ganz andere Angelegenheit.

3. Die Sache mit dem Brief. Wenn man mir kommentarlos die Nachricht faxt, dass auf dem Gericht in Mülheim/Ruhr ein Schriftstück niedergelegt ist, heißt das dann, dass ich mich ins Auto setze – und den Brief abhole? Ich meine, für 160 Euro die Stunde mache ich ja viel. Aber dass ich einen Postfachservice unterhalte, war mir neu. Natürlich ist mein entsprechender Hinweis auf der Mailbox nie angekommen. Die Nachricht, dass in einer anderen Akte Geld eingegangen ist, schon. Komisch, hatte ich beide Sachen nicht in die gleiche Nachricht gsprochen?

Bevor es zu 4. kommt, ist jetzt mal ein anderer Anwalt dran mit schuld sein. Es kommt zwar selten vor, aber manchmal habe sogar ich die Schnauze voll.