BLÖDE KUH

BLÖDE KUH

Spiegel online:

Willkommen in der Beleidigten-Republik. Die Zahl der Eingeschnappten steigt Jahr um Jahr. 2003 vermerkte die Polizei mehr Fälle an Beleidigungen als jemals zuvor, die Justiz wird mit Anzeigen überschwemmt. Der aktuelle amtliche Pöbel-Stand, ausgewiesen in der Kriminalstatistik, gemessen in Fällen pro Jahr: 164 848. … Zugleich sind immer weniger Deutsche gewillt, eine Beleidigung einfach wegzustecken. Ein kurzes Wortgefecht an der Ampel – schon ist die Strafanzeige gestellt. Zuweilen geht es nur darum, dem Kontrahenten zuvorzukommen. „Das ist wie Forechecking im Fußball“, beschreibt Hans-Jürgen Gebhardt, Verkehrsrechtsexperte im Deutschen Anwaltverein, das aggressive Anzeigeverhalten. Wer als Erster Strafanzeige stellt, verspricht sich später vor Gericht bessere Chancen.

Richtig ist auch der Satz im Artikel, wonach bei Beleidigungen zwischen Normalmenschen in der Regel nicht geahndet werden. Scheitert das obligatorische Schiedsverfahren, bleibt nur die Privatklage. Das Gericht hat jedoch die Möglickeit, das Verfahren bei geringer Schuld auch ohne Zustimmung des Privatklägers einzustellen. Davon wird dann auch exzessiv Gebrauch gemacht.

Ob ich das gut finde, hängt immer ganz davon ab, ob ich den Privatkläger oder den Privatbeklagten vertrete :-)

(danke an Mathias Schindler für den link)

EBAY: BEWERTUNGEN MÜSSEN SACHLICH SEIN

EBAY: BEWERTUNGEN MÜSSEN SACHLICH SEIN

ebay-Teilnehmer können die Löschung von Bewertungen verlangen, wenn die Bewertung gegen das Gebot der Sachlichkeit verstößt. Das hat das Amtsgericht Erlangen am 26. Mai 2004 entschieden (1 C 457/04). Der Käufer hatte die Verkäuferin mit einer allgemeinen Floskel („Also ich und ein Freund würden hier ganz bestimmt nichts mehr kaufen, sorry!!“) negativ bewertet. Diese Bewertung gab er schon ab, bevor er selbst den Kaufpreis überwiesen hatte.

Mit der Bewertung verschandelte der Käufer das bislang beanstandungsfreie Bewertungsprofil unserer Mandantin. Da er sich weigerte, seine Bewertung zurückzunehmen, mussten wir ihn verklagen. In der Urteilsbegründung verweist das Amtsgericht Erlangen auf das von ebay in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen aufgestellte Gebot zur Sachlichkeit. Daraus ergebe sich für jeden Teilnehmer die Verpflichtung, „überspitzte Beurteilungen ohne sachlichen Bezug“ zu unterlassen. Anders hat im April 2004 das Amtsgericht Koblenz entschieden (142 C 330/04). Nach dessen Auffassung handelt es sich beim Bewertungssystem von ebay um ein Meinungsforum, in dem lediglich wüste Schmähkritik verboten ist.

Das AG Erlangen betont dagegen, dass ebay sachliche und faire Bewertungen zu Recht vorschreibt. Dies sei unerlässlich, damit sich andere Käufer angemessen informieren könnten. Allgemeine negative Bewertungen, aus denen sich nicht einmal ansatzweise ergebe, was denn jetzt konkret beanstandet wird, schaden nach Auffassung des Gerichts dem Geschäftspartner und führen zu einem Schadensersatz- und Löschungsanspruch.

VORTRAG

Noch ein Veranstaltungstipp:

Rechtsanwälte im Internet

(Standesrecht, Online-Rechtsberatung, Fallstudie law blog)

Rechtsanwalt Udo Vetter (Kanzlei Vetter & Mertens, Düsseldorf)

Mittwoch, 02.06.2004, 18.00h; Hörsaal H5a (Gebäude 25.11), Uni Düsseldorf

Veranstalter ist das Zentrum für Informationsrecht, Juristische Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.

IMMER FESTE DRUFF

Wie Richter den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vergewaltigen, ist in der Stuttgarter Zeitung vom 27. Mai zu lesen:

Lars Besa, der Sänger der deutschen Punkband Normahl, spricht von einem „Schock im Morgengrauen“. Am Mittwoch vergangener Woche um 6 Uhr in der Früh stand ein Polizietrupp vor der Tür seiner Wohnung in Leutenbach. Die Beamten, unter ihnen ein Finanzexperte und ein Fachmann für Datenverarbeitung, durchsuchten auf Anweisung des Waiblinger Amtsrichters D. Besas Büro- und Privaträume. …“

Nach dem Bericht sei die Durchsuchung ausschließlich deshalb erfolgt, damit der Richter im Fall einer Verurteilung das Strafmaß korrekt festsetzen könne. Eine Anfrage hatte der Sänger dahingehend beantwortet, er habe 1200 Euro monatlich zur freien Verfügung. Weil ihm das der Richter nicht abnahm, habe er die Hausdurchsuchung angeordnet – offenbar ohne Einkommensnachweise anzufordern, die nach Angaben von Besas Anwalt jederzeit einsehbar gewesen wären.

Der stellvertretende Leiter des Gerichts wird zitiert, das Gericht handele in anderen Fällen genauso. Und schließlich wird auch der Pressestaatsanwalt Stuttgart mit den Worten wiedergegeben, es handele sich um eine „nicht unübliche“ Aktion.

(zitert nach Simon´s Blawg)

NETZE

Wie es aussieht, werde ich über das Pfingstwochenende eifrig juristische Spinnennetze weben. Alleine heute muss ich eine Klage fertigmachen, für die 22.000 Euro Gerichtskosten eingezahlt werden müssen. Dementsprechend ist auch der Umfang des Prozessstoffes. Da noch andere Sachen warten, wird es hier wohl erst am Dienstag weitergehen.

Allen Lesern wünsche ich ein schönes verlängertes Wochenende.

Quelle: wulkan (www.wulkan-comic.de)

GEPFLEGT

Es geht nichts über eine gepflegte Ausdrucksweise. Wie in diesem Schreiben des Amtsgerichts Mettmann vom 19. Mai:

Sehr geehrte Damen und Herren!

In der vorstehenden Sache erhalten Sie unter Bezugnahme auf Ihr Schreiben vom 2. April 2004 anliegend eine Ablichtung der in dieser Sache ergangenen Schlusskostenrechnung zur gefl. Kenntnisnahme übersandt.

Mit vorzüglicher Hochachtung
W. Justizamtsinspektor

VERSPÄTUNG

VERSPÄTUNG

Gerichte müssen mindestens 15 Minuten mit der Verhandlung warten, wenn eine Partei nicht erscheint. Hat sich der Beteiligte angekündigt und einen Grund für die Verzögerung genannt, kann auch eine Wartepflicht von 30 Minuten angemessen sein. Das hat das Bundessozialgericht entschieden, so beck-aktuell. Der Kläger hatte sich wegen Durchfalls verspätet.

Fairerweise muss man sagen, dass die allermeisten Richter kulant mit Verlegungsanträgen, Stau- und Bahnproblemen umgehen. Ich habe eigentlich noch keinen Richter erlebt, der Terminsprobleme nicht zur Kenntnis nimmt und sich einer vernünftigen Lösung verweigert.

Es gibt allerdings auch Anwälte, die Ärger provozieren. Wer dafür bekannt ist, dass er freitags nie kann, kann beim 150. Verlegungsantrag schon mal auf einen missmutigen Richter stoßen. Vor allem wenn eigentlich jedem bekannt ist, dass der „seit langem feststehende auswärtige Termin“ auf der Finca in Mallorca stattfindet.

MONSTER

Anwaltskollege Michael Kadlicz berichtet aus Österreich:

Meine Mandantin ist in eine tätliche Auseinandersetzung verwickelt. Am Ende hat sie ein wirklich blaues/grünes/gelbes Auge davongetragen. Der Gegner angeblich eine minimale Schürfwunde am Hals. Nun flattert der Strafantrag der Staatsanwaltschaft Korneuburg ein. Und jetzt bin ich mir ganz sicher: Meine Mandantin muss in Notwehr gehandelt
haben, da sie es offenbar mit einem mehrköpfigen Monster zu tun hatte. Ich zitiere: „Tatfolgen: Kratzwunden im Bereich des linken Halses“ Wer weiß wieviele Hälse der Mann hatte – ich hätte mich auch gefürchtet.

ACHTUNG: ÜBUNG! ACHTUNG: ÜBUNG!

ACHTUNG: ÜBUNG! ACHTUNG: ÜBUNG!

Aufgrund einer durch die Täter herbeigeführten dramatischen
Verschärfung der Lage akzeptierte die Polizei ein gefordertes
Fluchtfahrzeug, um das Leben der Geiseln zu schützen. In diesem
Zusammenhang erreichte die Polizei die Freilassung der Frau. Zur Zeit
befinden sich noch drei Menschen in der Gewalt der Täter. Um das
Leben der Geiseln nicht zu gefährden, können derzeit über
Fahrtstrecke und Standort keine Angaben gemacht werden.

ACHTUNG: Für Rückfragen bitte nur die o.a. Rufnummern nutzen!!

Volker Kühl
PD SH Mitte
Einsatzbegleitende Öffentlichkeitsarbeit im Einsatzstab Geiselnahme

Original-Pressemeldung. Ist es das wahre Leben – oder schon RTL?

(danke an Mathias Schindler für den link)

VERLUST

Dass sich das Kaufrecht vor einigen Jahren komplett geändert hat, ist zwar den meisten Anwälten bekannt. Wie es sich geändert hat, scheint dagegen nicht wenigen ein Rätsel zu sein. Ich rede von der Kategerie Kollegen, deren Gesetzessammlung aus dem Jahre 1982 datiert und die keinen Online-Anschluss haben.

So einer saß mir gestern am Landgericht gegenüber. Mit voller Pulle war er für seinen Mandanten ins Feld gezogen. Wegen eines Unfallschadens, den mein Auftraggeber, beim Verkauf eines Gebrauchtwagens angeblich verschwiegen hat. Da musste natürlich gleich ein Privatgutachten her. Das beruhte zwar auf reiner Gefälligkeit, aber über einen unfachmännisch reparierten kleinen Lackschaden am Kotflügel hinten rechts war wohl nicht zu diskutieren. Den Dötscher hatte mein Mandant wohl unwissenderweise vom Vorbesitzer geerbt.

Statt mal über die Sache zu sprechen, kam gleich die Wandlungserklärung. Schon das beweist, dass der Anwalt in den falschen Kategorien dachte. Denn eine Wandlung gibt es nicht mehr. Das heißt jetzt Rücktritt vom Vertrag. Hinzu kommt, dass der Rücktritt nicht mehr so einfach erklärt werden kann. Vielmehr muss dem Verkäufer erst Gelegenheit zur Nachbesserung gegeben werden. Anderenfalls kommen nur eine Preisreduzierung (Minderung) oder der „kleine Schadensersatz“ in Betracht.

Wie nicht anders zu erwarten, bestätigte der gerichtlich bestellte Sachverständige, dass es sich nur um einen Bagatellschaden handelte. Rücktritt war also definitiv ausgeschlossen.

Wir erklärten uns großzügig bereit, die Reparaturkosten von ein paar hundert Euro zu bezahlen. Viel Freude wird der Kläger daran nicht haben. Den Prozess hat er nämlich zu 97 % verloren. Die Kosten, die auf ihn zukommen, übersteigen den Entschädigungsbetrag bei weitem. Denn der Gegenstandswert des Rechtsstreits beziffert sich nach dem Wert des (teuren) Autos, dessen Rückgabe der Kläger verlangt hat. Hinzu kommen noch die Kosten für das Privatgutachten.

Insgesamt ein klares Verlustgeschäft. Ein vermeidbares. Aber dafür hätte der gegnerische Anwalt vorher ins neue Kaufrecht schauen müssen.

IM KELLER

Das Sozialamt der Landeshauptstadt Düsseldorf ist nicht bekannt für seine schnellen Entscheidungen. Das jetzt übersandte Schreiben krönt jedoch die bisher bekannten Bearbeitungszeiten:

Widerspruchsbescheid vom 21. Mai 2004 zum Widerspruch vom 23. März 1998 gegen den Bescheid vom 5. März 1998

Kleiner Trost: Der Widerspruch hat zu 93,94 % Erfolg; und in dieser Höhe übernimmt die Stadt sogar unsere Kosten.

So, jetzt schicke ich die Fachangestellte vom Dienst in den Keller: die abgelegte Akte suchen.