Jurastudent schummelt mit dem rechten Rand

Wer Jura studiert oder studiert hat, kennt die formalen Vorgaben für juristische Hausarbeiten. Diese lasen sich bei der Hausarbeit für den großen BGB-Schein an einer bayerischen Uni so:

Der Umfang der Hausarbeit darf 20 Seiten (ohne Deckblatt, Gliederung und Literaturverzeichnis, aber mit Fußnoten) nicht übersteigen. Schrifttyp: Times New Roman; Schriftgröße: 12pt, Fußnoten Schriftgröße: 10 pt; Laufweite normal; Zeilenabstand: 1,5; rechts 5 cm Korrekturrand, links 2,5 cm Rand.

Ein Kandidat hielt es allerdings für erforderlich, deutlich mehr zu schreiben. Deshalb „kürzte“ er den Korrekturrand auf die Hälfte. Das wiederum stieß seinem Prüfer auf. Der musste nämlich faktisch 23 Seiten lesen. Zur Strafe zog er von der Note jeweils einen Punkt ab, und zwar für jede überzählige halbe Seite. Da die Arbeit auch inhaltlich dürftig war, blieb am Ende ein ebenso dürftiges Ergebnis: 0 Punkte.

Dagegen klagte der Student vor dem Verwaltungsgericht Ansbach. Jedoch ohne Erfolg. Das Gericht hält die Einhaltung der Formalien nämlich nicht für einen Selbstzweck:

Neben der inhaltlichen Bearbeitung soll der Prüfling im Rahmen einer Hausarbeit aufzeigen, dass er auch die formalen Grundsätze des wissenschaftlichen Arbeitens beherrscht und dass er in der Lage ist, unter richtiger Schwerpunktsetzung die im Sachverhalt aufgeworfenen juristischen Probleme auf einer begrenzten Seitenzahl darzustellen.

Wer sich nicht daran hält, muss dann laut dem Gericht auch die Konsequenzen tragen. Im konkreten Fall habe sich der Punktabzug erkennbar im Rahmen des (weiten) Beurteilungsspielraums bewegt, der sowieso jedem Prüfer zusteht. Eines kann sich der Student aber trotzdem zu Gute halten. Er hat mit seinem Prozess eine Vorlage für Hausarbeiten und Klausuren im Verwaltungsrecht geschaffen, an der sich sicher noch einige Studentengenerationen abarbeiten werden.

Link zum Urteil

Gericht muss neu über „Sharia Police“ entscheiden

Der Bundesgerichtshof hat die Freisprüche im Fall „Sharia Police“ aufgehoben. Die Angeklagten, die salafistischen Kreisen zugerechnet werden, hatten in Wuppertal nächtliche Rundgänge gemacht, um junge Muslime zu einem Lebensstil nach den Vorstellungen des Koran zu bewegen. Dabei trugen sie handelsübliche Warnwesten, auf denen hinten „Sharia Police“ aufgedruckt war.

Die Staatsanwaltschaft sah darin einen Verstoß gegen das Uniformverbot (§ 3 VersG). Das Landgericht Wuppertal meinte jedoch, das Tragen der Westen habe keine „suggestiv-militante, einschüchternde Wirkung gegenüber Dritten“ erzielen können. Das sei jedoch Voraussetzung.

Der Bundesgerichtshof trifft keine abschließende Entscheidung, ob die Aktion tatsächlich strafbar war. Die Richter bemängeln vielmehr, das Landgericht habe das Geschehen nicht richtig und teilweise widersprüchlich gewürdigt. Die Sache soll daher von einer anderen Strafkammer des Landgerichts neu verhandelt werden (Aktenzeichen 3 StR 427/17).

Gutes Klima

Ich komme ja ziemlich viel rum an Gerichten. In Bad Säckingen war ich schon mal vor etlichen Jahren, habe an den Termin aber keine so rechte Erinnerung mehr. Nach meinem neuesten Besuch wird das sicher anders sein. Meine jüngste Hauptverhandlung dort werde ich jedenfalls so schnell nicht vergessen.

Das hat ganz handfeste Gründe, die allerdings weitgehend außerhalb des Juristischen liegen. Es war vielmehr die grundsätzlich freundliche Atmosphäre, die mir sehr gut gefallen hat. Das gilt für alle Mitarbeiter, etwa die der Wachtmeisterei, der Pforte, dem Personal der Haftabteilung – und auch für die Richter, denen ich begegnet bin.

In einer längeren Verhandlungspause durfte ich mich im Zeugenzimmer breitmachen. Überdies unterstützte die Mitarbeiterin der Geschäftsstelle mein Wohlbefinden mit einem Kaffee aus dem Sozialraum, und einen Schokoriegel kriegte ich überdies spendiert. Das war schon echt nett, wenn man bedenkt, dass es rund um das Gericht wenig Infrastruktur gibt – und drinnen nicht mal einen Kaffeeautomaten.

So positive Erfahrungen gibt es Anwaltsalltag auch. Und es ist sicher wert, das auch mal zu erwähnen.

Bloß ein Textbaustein

Behördenschreiben sind ja gerne mal kompliziert formuliert. Mitunter so kompliziert, dass sogar ihre Verfasser sie nicht verstehen…

Wie im Fall der Mandantin, die von der Polizei zu einer erkennungsdienstlichen Behandlung vorgeladen wurde. Es ging um eine ED-Behandlung, also Fotos, Fingerabdrücke etc., „für die Zwecke des Erkennungsdienstes“ nach § 81b StPO.

In dem Schreiben setzte der zuständige Polizeibeamte meiner Mandantin eine Frist, innerhalb der sie freiwillig auf der Woche erscheinen könne. Diese Frist betrug „zwei Wochen ab Bestandskraft dieses Bescheids“. Nach Ablauf der Frist werde meine Mandantin „polizeilich vorgeführt, notfalls mit einfacher körperlicher Gewalt“.

Nun ja, was soll ich sagen. Es waren genau zwei Wochen und zwei Tage seit dem Tag vergangen, als der Brief bei meiner Mandantin ankam. Und jetzt stand der Beamte vor der Tür und wollte meine Mandantin mitnehmen. So wie er sich am Telefon anhörte, hatte er auch jede Menge Spaß dabei. Wobei ich ihm immerhin zu Gute halte, dass er an Ort und Stelle bereit war, erst mal mit mir über die Sache zu sprechen.

Wie sich herausstellte, konnte er mit der Formulierung „zwei Wochen ab Bestandskraft dieses Bescheids“ nur insoweit was anfangen, als er das mit den zwei Wochen verstand. Die seien ja nun mal rum, meinte er. Das mit der Bestandskraft sei ein Textbaustein, das stehe nun mal so drin, spiele aber keine Rolle.

Das sah ich anders. Eine Anordnung zur ED-Behandlung für „Zwecke des Erkennungsdienstes“ (also zur Verbrechensvorbeugung) ist ein ganz normaler Verwaltungsakt. Sofern der Beamte nicht ausdrücklich den Sofortvollzug anordnet, kann er nicht unmittelbar aus dem Bescheid vorgehen. Vielmehr hat man als Bürger einen Monat Zeit, Klage zu erheben (stand so auch in der Rechtsbehelfsbelehrung, gleichfalls ein Textbaustein). Tut man dies innerhalb der Monatsfrist nicht, wird der Bescheid bestandskräftig. Aber auch nur dann.

So ganz glaubte mir der Polizist nicht, was ich ihm erzählte. Aber immerhin rang er sich durch, mal mit einem Juristen im Polizeipräsidium zu sprechen. Das Telefonat dauerte vielleicht zwei Minuten, dann verabschiedete sich der Polizist recht höflich. Ich hatte ein wenig das Gefühl, er war heilfroh, bis dahin die Handschellen am Hosenbund gelassen zu haben.

Er braucht auch gar nicht so schnell wieder zu kommen. Wir haben mittlerweile fristgerecht Klage erhoben. Bis über diese entschieden ist, wird der Bescheid ebenfalls nicht bestandskräftig.

Hoffentlich ist das zumindest klar.

Die Zeugin hat keine Lust

Die heutige Verhandlung verlief erfreulich. Draußen warteten acht von neun geladenen Zeugen, aber keiner von ihnen wurde gebraucht. Nach einem Rechtsgespräch war die Richterin bereit, das Verfahren einzustellen. Die Staatsanwältin erfreulicherweise auch. Die Zeugen durften also wieder gehen.

Ganz zum Schluss verkündete die Richterin noch einen Beschluss. Sie belegte Zeugin Nummer neun mit einem Ordnungsgeld über 100 Euro. Die Zeugin, berichtete die Richterin, habe sie am Vortag angerufen und gefragt, ob sie kommen muss. Das bejahte die Richterin, doch die Zeugin sah das wohl eher als unverbindliche Bitte. Die Richterin dagegen meinte, die Zeugin habe keinen Grund vorgebracht, der sie juristisch entschuldigte.

Nach längerer Diskussion erklärte die Zeugin der Richterin, sie werde auf keinen Fall kommen. Und wenn man sie irgendwann mal zwinge, was man ja gern versuchen könne, dann sei es halt so, dass sie sich an rein gar nichts erinnern werde. Ein schlechtes Gedächtnis sei ja nicht verboten, so sinngemäß.

Ich würde die Geschichte gar nicht erzählen, wäre die Zeugin nicht Polizeibeamtin. Deshalb will es die Richterin auch nicht bei dem Ordnungsgeld belassen. Sie schickt eine Info an den Polizeipräsidenten. Ob das was bringt, würde mich dann bei Gelegenheit doch interessieren.

„… entzieht sich unserer Kenntnis“

Der Mandant geriet in eine Polizeikontrolle und wunderte sich, dass der Beamte gleich gezielt nach Drogenkonsum fragte. Und zwar in einer Art und Weise, die der Mandant als Vorverurteilung empfand.

Anscheinend wussten die Beamten etwas, das sie eigentlich nicht mehr wissen sollten. Denn der Mandant hatte zuletzt in den Jahren 2005 und 2007 Kontakt mit der Polizei. Damals war er noch ein ganz junger Typ, und es ging in der Tat um weiche Drogen.

Spätestens nach zehn Jahren sind solche Sünden aber vergessen. Zumindest in der Theorie. Denn mit den gesetzlichen Löschpflichten nimmt man es bei den Polizeibehörden nicht immer so genau. Ich zitiere aus der Antwort des Polizeipräsidiums, das für den Mandanten zuständig ist:

… kann ich Ihen mitteilen, dass in den Auskunftsdateien der Polizei Baden-Württemberg (POLAS-BW) keine Datensätze zu Ihrem Mandanten vorhanden sind. Allerdings sind derzeit noch zwei erkennungsdienstliche Datensätze in der vom Bundeskriminalamt geführten INPOL-Datei erfasst. Ursächlich hierfür waren zwei Ermittlungssverfahren… Diese beiden Vorgänge wurden jedoch wegen Fristablaufs gelöscht.

Weshalb die hieraus resultierende Löschung der ED-Bestände auch beim BKA nicht durchgeführt worden ist, entzieht sich unserer Kenntnis.

Na ja, immerhin hat die Landespolizei das BKA jetzt nach eigenen Angaben formell angewiesen, die Daten zu löschen und die geführten Unterlagen zu vernichten. Ohne die Eigeninitiative des Mandanten wäre das wohl nicht passiert.

Es kann sich also durchaus mal lohnen, Polizeibehörden mit einem (kostenlosen) Auskunftsverlangen nach § 34 BDSG zu nerven. Vielleicht verläuft die nächste Kontrolle dann weniger nervenzehrend.

Muster für ein Schreiben gefällig? Die Berliner Datenschutzbeauftragte bietet auf seiner Seite alles, was man braucht.

Hier sind 200 Seiten Papier

Manche Anzeigenerstatter machen es sich wirklich leicht. Und deren Anwälte auch. Zum Beispiel eine Rechtsanwältin, die für ihren Mandanten knapp 200 Seiten Papier einreichte. Alles Ausdrucke von Chatverläufen, E-Mails und Facebook-Posts meines Mandanten.

Verbunden war das mit der Behauptung, mein Mandant habe den Anzeigenerstatter beleidigt oder ihm übel nachgeredet. Der Text der Strafanzeige und des Strafantrags sagte aber mit keinem Wort, wo in den 200 Seiten denn die bösen Taten zu finden sind. Bei einer groben Durchsicht konnte ich beim besten Willen nichts finden, was die Grenzen der Meinungsfreiheit erkennbar überschreitet. Und schon gar nichts, was strafbar sein könnte.

Dementsprechend schrieb ich an die Staatsanwaltschaft:

Ein kurzes Blättern in den Unterlagen wird sehr schnell ergeben, dass die Vorwürfe gegen unseren Mandanten nicht tragfähig sind. Es sind keinerlei Äußerungen ersichtlich, die einen Straftatbestand erfüllen könnten.

Es ist überdies nicht Aufgabe der Ermittlungsbehörden, sich ins Blaue hinein durch einen Berg Papier zu kämpfen und jede Zeile „vorsorglich“ auf die Waagschale zu legen. Überdies hat ja auch die Polizei den Abschlussvermerk schon sehr kurz gehalten. Tatsachen, die auf eine konkrete Straftat hindeuten, führt die ermittelnde Beamtin jedenfalls nicht auf.

Ich lag wohl richtig in der Annahme, dass der Staatsanwalt auch Besseres zu tun hatte, als im Trüben zu fischen. Die Einstellungsmitteilung kam postwendend.

Unzulässig

Im Gestrüpp der revisionsrechtlichen Formvorschriften, die weitgehend auch für das Ordnungswidrigkeitenverfahren gelten, kann man sich leicht ganz übel verheddern. Das passiert oft Betroffenen, mitunter Rechtsanwälten und und ganz, ganz selten auch mal Richtern.

Ein Mitglied der letztgenannten Gruppe schickt jetzt ein schneidiges Schreiben an Herrn J. Der hatte in einer Bußgeldsache in die Röhre geschaut, wollte das Urteil aber nicht auf sich beruhen lassen. Deswegen legte er schriftlich Rechtsbeschwerde ein, denn verteidigt hatte er sich ja auch selbst. Das geht problemlos mit einem Brief oder einem Fax, einen Anwalt braucht man hierfür nicht.

Die später fällige Begründung der Rechtsbeschwerde kann man als Betroffener aber nicht schriftlich einreichen. Das geht nur auf der Geschäftsstelle des Gerichts, wo man einem Rechtspfleger die Begründung in den Block diktieren kann. Oder durch einen Rechtsanwalt. Genau darin sah das Gericht die Versäumnis meines Mandanten: Die Begründung der Rechtsbeschwerde sei weder durch eine Erklärung auf der Geschäftsstelle noch durch einen Anwalt erfolgt. Deshalb sei die Rechtsbeschwerde unzulässig und müsse verworfen werden. Das werde auch innerhalb von einer Woche passieren, es sei denn, der Betroffene nehme das Rechtsmittel von sich aus zurück.

Aber halt, es gibt auch noch eine dritte Möglichkeit. Nämlich die, dass die Richterin auf dem Holzweg ist. Sie hat nämlich übersehen, dass die Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde zwar einen Monat beträgt. Aber zu laufen beginnt die Frist nicht am Tag des Urteils, sondern erst wenn dem Betroffenen das (schriftliche) Urteil zugestellt wird (§ 345 StPO).

Nun ja, in dem Fall gibt es aber noch gar kein schriftliches Urteil. Und falls es doch in einer Schublade schlummern sollte – bekommen hat es der Betroffene jedenfalls noch nicht. Vielleicht war auf der Richterseite neben einer Portion Fahrlässigkeit auch etwas Wunschdenken im Spiel. Ein Urteil rechtskräftig zu bekommen, ohne dass es überhaupt geschrieben werden musste, wäre ja irgendwie schon ganz nett.

Wird aber nicht klappen…

Anwaltspostfach geht vorerst offline

Eigentlich gibt es das „Besondere elektronische Anwaltspostfach“ (beA) schon seit einem guten Jahr. Nun aber sollte es 2018 wirklich ernst werden: Ab diesem Datum galt eine „passive Nutzungspflicht“ für Anwälte. Doch daraus wird nichts. Die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) hat das digitale Großprojekt, welches den Rechtsanwälten Kosten im zweistelligen Millionenbereich verursacht, in letzter Minute komplett gestoppt – Sicherheitsbedenken.

Kritik am beA hatte es schon immer gegeben. Keine war aber so explosiv wie die des Hackers Markus Drenger vom Chaos Computer Club. Einzelheiten kann man hier nachlesen oder auch bei heise online.

Noch am 22. Dezember hatte die BRAK Anwälten zugemutet, ein alternatives Sicherheitszertifikat zu installieren und eine 22-seitige Anleitung mitgeschickt. Wer das Zertifikat in der Weihnachtswoche installierte, hat allerdings nicht nur Zeit und Nerven verschwendet, sondern möglicherweise auch die eigene IT gefährdet. Aktuell heißt es nämlich auf der Webseite der BRAK:

Allen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten, die entsprechend der ursprünglichen Empfehlung vom 22.12.2017 das ersatzweise bereitgestellte Sicherheitszertifikat installierten, rät die BRAK dringend zur Deinstallation, um sich aus dem Zertifikat möglicherweise ergebende Sicherheitsrisiken für die individuelle PC-Umgebung auszuschließen.

Dafür reicht immerhin eine Anleitung von 12 Seiten.

Älterer Bericht im law blog

Rund um die Uhr für Sie da

Die Polizei in Nürnberg bietet sehr arbeitnehmerfreundliche Vernehmungstermine:

Auch wenn 21.00 Uhr vielleicht ein Schreibfehler ist, so wäre auch ein Alternativtermin um 12.00 Uhr natürlich eine sehr „kunden“freundliche Geste. Kenne ich von der Polizei so bisher nicht. Und ich sehe viele Vorladungen. Allerdings ändert sich nichts an der jedem Leser altbekannten Empfehlung, das Angebot einer Vernehmung besser nicht einfach so anzunehmen.

Immerhin wollen wir Anwälte doch auch im Jahr 2018 leben…

Karlsruhe schenkt jedem Anwalt ein Postfach

Mit einem heute bekannt gegebenen Beschluss hat das Bundesverfassungsgericht das neue „besondere elektronische Anwaltspostfach“ (beA) grundsätzlich gebilligt. Das Gericht verwirft die Verfassungsbeschwerde eines Anwalts, der gegen die Bereithaltungs- und passive Nutzungspflicht für das beA ab dem 1. Januar 2018 ist.

Der Anwalt argumentierte unter anderem, das beA bringe keine Verbesserung für seine Tätigkeit, sondern erhöhe nur das Sicherheitsrisiko bei der Kommunikation. Das Verfassungsgericht verweist dagegen auf die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung des beA und vermisst in der Verfassungsbeschwerde konkrete Belege, dass das neue Postfach unsicher ist.

Insoweit sorgt die zuständige Rechtsanwaltskammer aber aktuell selbst für Zweifel. So wurde heute eingeräumt, dass ein für den Betrieb des beA notwendiges Zertifikat abgelaufen ist (was anscheinend bis zum 21.12. niemand gemerkt hat). Laut Bundesrechtsanwaltskammer soll jeder Anwalt jetzt kurzfristig ein neues Zertifikat „lokal“ installieren. Wer über die Festtage nichts anderes zu tun und hat, wird sich gerne mit der 22-seitigen Anleitung beschäftigen.

Zurück zum Beschluss aus Karlsruhe: Am Nutzen des beA scheint das Gericht nicht zu zweifeln. Es sei ein allgemeines Anliegen, den elektronischen Rechtsverkehrs zu fördern, dieser sorge für eine rechtssichere und schnellere Kommunikation mit den Gerichten und reduziere außerdem Porto- und Druckkosten. Jedenfalls in der Theorie, möchte sagen. Denn auf der anderen Seite kostet die komplizierte Bedienung des beA natürlich auch viel Arbeitszeit und Nerven.

Eine Befürchtung wird sich aber nicht bewahrheiten, wenn das beA in Betrieb geht. Nämlich die Frage, ob Anwälte über das beA jetzt rund um die Uhr erreichbar sein müssen. Hierzu stellt das Gericht klar:

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers verlangen die angegriffenen Regelungen auch keine jederzeitige unmittelbare und sofortige persönliche Kenntnisnahme der über das beA eingehenden Mitteilungen.

Somit wird es keineswegs so sein, dass beA-Dokumente stets in dem Augenblick als „zugestellt“ gelten, wenn sie ins Postfach einlaufen. Vielmehr muss der Anwalt den Posteingang offenbar nur in regelmäßigen Abständen prüfen und eben nicht ständig überwachen. Ich tippe mal darauf, dass es hier letztlich eine Parallele zur normalen Post gibt. Die muss ja auch seit jeher nur einmal täglich aus dem Briefkasten geholt werden (Aktenzeichen 1 BvR 2233/17).

Kinderbetreuung im Richterzimmer

Ist eine Strafrichterin noch ausreichend bei der Sache, wenn sie mangels Betreuungsmöglichkeit ihr 9-jähriges Kind mit ins Gericht bringt, das dann während der Verhandlung im Beratungszimmer spielt – während die Richterin die Tür zum Beratungszimmer offen stehen lässt? Diese Frage musste das Amtsgericht Bielefeld beantworten.

Ich hätte an sich keine Zweifel, dass eine Richterin oder ein Richter in dieser Situation zu stark abgelenkt ist. Immerhin hat der Bundesgerichtshof im Jahr 2015 in einem vergleichbaren Fall entschieden, dass eine Richterin nicht während der Sitzung private SMS schreiben darf.

Das Amtsgericht Bielefeld sieht das entspannter. Es sei ja kein „Betreuungsbedarf“ eingetreten. Was wohl heißt, dass das Kind während der Sitzung brav war. Das sei nicht mit der simsenden Richterin zu vergleichen, die ja aktiv mit Dritten kommuniziert habe.

Das geht allerdings etwas an dem vorbei, was der Bundesgerichtshof tatsächlich entschieden hat. Denn den Richtern reichte es schon aus, das die simsende Richterin überhaupt grundsätzlich bereit gewesen ist, während der Sitzung auf ihr Handy zu schauen, private SMS zu lesen und zu schreiben. Dass sie es dann auch tatsächlich gemacht hat, kam lediglich noch hinzu.

Nach diesen Grundsätzen war auch die Richterin mit dem Kind im Beratungszimmer befangen. Es ist ja schon etwas fernliegend, dass in so einer Situation tatsächlich die uneingeschränkte Aufmerksamkeit noch der Verhandlung gehört. Im übrigen kann der Angeklagte ja auch nicht wissen, dass die Richterin womöglich so eine extrem konzentrierte Juristin ist. Es genügt ja schon der Eindruck der Voreingenommenheit, unabhängig davon, ob diese tatsächlich vorgelegen hat (Aktenzeichen 39 Ds-6 Js 42/17-824/17).

„Die Weihnachtsfeier des Jahrhunderts“

Vor einigen Tagen hinterließ sehr früh morgens die Münchner Polizei eine Nachricht im Sekretariat. Man habe einen Mandanten von mir im Gewahrsam. Der war allerdings nicht festgenommen im engeren Sinne, sondern erhielt nach Angaben des Beamten nur die Möglichkeit, einen ziemlich heftigen Rausch auszuschlafen.

Es soll sich um die „Weihnachtsfeier des Jahrhunderts“ gehandelt haben, so soll es mein Mandant den Beamten erklärt haben. Zu später Stunde musste aber wohl das fröhliche Treiben aus ordnungsrechtlichen Gründen unterbunden werden. Weil einige Leute damit nicht einverstanden waren, gab es dann Platzverweise. Und, als sich einige Leute nicht daran hielten, die Abreise aufs Präsidium.

Ich bin mit dem Beamten so verblieben, dass er meinen Mandanten noch mal anrufen lässt – sobald dieser wach ist und dann immer noch anwaltliche Hilfe benötigt. Auf Rückfrage sagte mir der Polizist allerdings, dass man die Sache nicht unnötig hoch hängen möchte. Immerhin hat man ja auch bei der Polizei seine Erfahrungen mit Weihnachtsfeiern. Also kein Papierkram, eine Anzeige gar, sondern halt ein freundliches „Auf Wiedersehen“ etwa um die Mittagszeit.

Der Mandant hat sich dann auch bei mir nicht gemeldet, so dass ich annehme, dass er den Freistaat Bayern vielleicht doch nicht verklagen will. Die Vorweihnachtszeit stimmt halt versöhnlich – offenbar alle Seiten.

Es ist nie zu spät …

Telefonnotiz:

Herr P. bittet um Rückruf vor 12:00 Uhr oder nach 15:00 Uhr. Er möchte sich bei Ihnen entschuldigen, da er glaubt, sich Ihnen gegenüber nicht richtig verhalten zu haben.

Wie sich herausstellte, ging es um ein Beratungsgespräch, das vor ca. 2 Jahren stattgefunden haben soll. Ich sage soll, weil ich null Erinnerung daran habe. Deshalb konnte ich den früheren Mandanten voll und ganz beruhigen. Wenn überhaupt, ist er damals jedenfalls nicht sonderlich aus der Rolle gefallen. Sonst wüsste ich das ja noch.

Eine andere Frage ist allerdings, warum er sich erst nach zwei Jahren meldet. Ich hoffe, er hatte an der Last bis dato nicht allzu schwer zu tragen.

„Dadurch bin ich befangen“

In einem Strafverfahren hatte ich die Idee, dass sich die Therapeutin meines Mandanten zu dessen Schuldfähigkeit äußert. Das wäre der einfachste und schnellste Weg gewesen. Die Richterin stand einem entsprechenden Gutachten aufgeschlossen gegenüber.

Jetzt kommt ein Brief der Therapeutin:

… leider wird der Patient seit fast 4 Jahren von mir behandelt. Dadurch bin ich befangen und kann kein objektives Gutachten erstellen.

Ich bin mir nicht so ganz sicher, dass die Ärztin die Rolle eines Gutachters richtig einschätzt. Oder den Begriff der „Befangenheit“. Aber auf der anderen Seite sollte man es natürlich respektieren, wenn sie nicht will – aus welchen Gründen auch immer.

Na ja, das Verfahren dauert nun deutlich länger. Immerhin bin ich als Verteidiger ausnahmsweise nicht schuld daran.