NOSTALGISCH

Manche Kollegen sind gut für nostalgische Gefühle. Nehmen wir den jungen Anwalt, der mir neulich im Gericht gegenübersaß. Als ich reinkam, hatte er nichts für mich übrig. Außer einer roten Birne und einem angestrengten Blick auf die Akte vor sich. Kaum war die erste Zeugin aufgelaufen, plusterte er gleich die Backen, um die Frau zu demontieren.

Seine Fragen stießen allerdings auf wenig Gegenliebe. Zu suggestiv, zu konstruiert. Nachdem ich zweimal darum gebeten hatte, bei der Sache zu bleiben und die Zeugin nicht zu verunsichern, wurde es auch der Richterin zu bunt. Der junge Kollege reagierte quengelig und emotional. Statt dann aber einen richtigen Streit vom Zaun zu brechen und seine Ansicht durchzufechten, gab er nach kurzer Diskussion auf und erklärte leicht beleidigt: „Keine Fragen mehr.“

Bingo. Von da an war er schlicht nicht mehr zu gebrauchen. Wo er sich anfangs unheimlich reingehängt hatte, ließ er die Sache plötzlich schleifen. Sein Blick sagte nur: „Blödes Gericht. Alles ungerecht. Die Welt ist schlecht. Was mache ich hier eigentlich?“

Es ist ein typischer Anfängerfehler, die Sache des Mandanten zur eigenen zu machen. Das hat nichts damit zu tun, dass man sich für die Interessen des Auftraggebers einsetzen soll. Sondern einfach damit, dass man glaubwürdiger, überzeugender und auch kompetenter wirkt, wenn man als Anwalt auftritt und nicht als Klon der eigenen Partei.

Allerdings müsste ich lügen, wenn mich der misslungene Auftritt nicht ein bisschen an meine eigenen Anfangstage erinnert hätte.