100 Prozent

Ich erinnere mich gut, wie der Düsseldorfer Kollege, auch ein Fachanwalt für Strafrecht, vor einigen Monaten staunte:

Was, Sie machen auch andere Sachen?

Er habe sich zu 100 Prozent auf Strafverteidigung spezialisiert, und zwar ab Landgericht aufwärts. Etwas anderes komme ihm gar nicht auf den Tisch.

Ich gebe zu, ich war ein wenig neidisch. Das hat sich soeben geändert. Ich habe eine Klageerwiderung gelesen, die der Kollege in einem profanen Mietprozess eingereicht hat.

Überdies halte ich schon jetzt fest, dass es im Mietrecht begnadetere Artisten gibt.

Kurzer Zeitraum

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 19.695,04 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für das Jahr auf 4.430,31 Euro seit dem 23. Juni 2003, auf weitere 11.772,75 Euro seit dem 28. September 2003 sowie auf weitere 3.491,98 Euro seit dem 22. Dezember 2005 zu zahlen.

Wie ich höre, war der Gegner ziemlich entgeistert darüber, dass ihm neben der Hauptforderung 5.640,34 Euro Zinsen vom Konto gepfändet wurden. So viel Geld für so kurze Zeit.

Eins muss man zugeben: Auf der Bank hätte meine Mandantin sicher eine schlechtere Rendite erzielt.

Bitte um Verständnis

Die Agentur für Arbeit korrespondiert mit einem Unternehmer. Es geht um mögliche Erstattungsansprüche nach dem Sozialgesetzbuch III:

Ich bitte um Verständnis, wenn meine Ausführungen für Sie eventuell schwer verständlich bleiben.

Wie wäre es mit einem CC an den Arbeits- und Sozialminister?

Haftstrafe für Schönheitschirurgen

Für die Tatsache, dass bei seiner Operation eine Patientin starb, ist ein 51-jähriger Schönheitschirurg aus Leverkusen wegen fahrlässiger Tötung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt worden.

Der 67-jährigen Frau waren auf ihren Wunsch hin rund 3 Kilogramm Fett am Bauch abgesaugt worden. Dabei drangen Bakterien in den Blutkreislauf ein, eine schwere Entzündung der Bauchwand verlief schließlich tödlich. Das Oberlandesgericht Köln (AZ 82 Ss 17/07) bestätigte jetzt dem Arzt sogar, er habe zwar handwerklich sauber gearbeitet – aber die Frau niemals operieren dürfen.

Der Chirurg, so begründete es der 1. Strafsenat, habe die Frau mangelnd über die Folgen der Operation aufgeklärt: Weil deren Absicht, die Fettfalte am Bauch zu beseitigen, gar nicht durch Absaugen möglich war, hätte er der Frau vom Eingriff abraten müssen. Die Freiheitsstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. (pbd)

Unfreie Rücksendung erlaubt

„Unfrei zurückgesandte Waren werden nicht angenommen“, ist eine beliebte Formulierung in Widerrufsbelehrungen. Sie findet sich bei Online-Händlern ebenso wie bei ebay-Verkäufern. Das Oberlandesgericht Hamburg hält die Regelung für unzulässig:

Der interessierte Verbraucher kann diese Regelung nur dahin verstehen, dass das Widerrufs- und Rückgaberecht unter der Bedingung der Frankierung der Sendung und somit der Vorleistungspflicht des Verbrauchers steht. Dieses widerspricht aber dem klaren Wortlaut der gesetzlichen Regelung in § 357 Abs. 2 Satz 2 BGB, wonach die Kosten der Rücksendung bei Widerruf und Rückgabe der Unternehmer zu tragen hat.

Da somit die Rücksendung der Ware im Falle des Widerrufs oder der Rückgabe zu den Vertragspflichten des Unternehmers zu zählen ist, beinhaltet die Belastung des Verbrauchers mit den Kosten der Rücksendung auch die Belastung mit einer Vorleistungspflicht, die dem gesetzlichen Leitbild (…) nicht entspricht.

Der Verkäufer kann die Rückabwicklung des Vertrages also nicht davon abhängig machen, dass der Kunde die Ware ordnungsgemäß frankiert zurücksendet. Das macht auch Sinn, denn beim Widerruf trägt der Verkäufer die Kosten der Rücksendung. Zum Ausnahmefall, wenn der Warenwert unter 40 Euro liegt, Näheres bei RA Dr. Martin Bahr.

Blick auf die Promis

Die Beerdigung des früheren Ministerpräsidenten Hans Filbinger war getragen von einer Welle der Sympathie – auch bei den Zaungästen. Zumindest, wenn man diesem Pressebericht glauben darf:

Zufrieden konnte auch Freiburgs grüner OB Dieter Salomon sein, weil unter den Hunderten von Neugierigen, die vor der Absperrung um das Münster ausharrten, um einen Blick auf die Promis unter der rund 600 Menschen umfassenden Trauergemeinde zu werfen, kein Einziger ein kritisches Transparent über den Verstorbenen trug, gar noch mit diesem schlimmen Wort vom „furchtbaren Juristen“, weil Filbinger, der bei den Nazis mit 32 Jahren Marinerichter wurde, sich zeitlebens nicht davon distanzieren konnte, was er damals an Urteilen mittragen musste.


Anderen ist dagegen
durchaus etwas aufgefallen:

Gegen fünf Demonstranten, die vor der Trauerfeier am Münster auf Filbingers NS-Vergangenheit aufmerksam machten, wurden von der Polizei Platzverweise verhängt.

(Links gefunden in Hokeys Blog)

Nicht zu verhindern

„An Karnevalstagen ist im Rheinland von Gastwirten schlechterdings nicht zu verhindern, dass sich ihre Kunden rhythmisch oder gar tanzend bewegen.“

Mit dieser Feststellung wies, so berichtet der Express, das Amtsgericht Köln eine Klage der GEMA ab. Die GEMA wollte von einem Wirt 117,34 €, weil an Weiberfastnacht und Rosenmontag in dessen Kneipe zu jecker Musik kräftig geschunkelt wurde. Dies war nach Auffassung der GEMA eine „besondere Einzelveranstaltung“, für die Extragebühren anfallen.

Nichts Böses über Knut

Der Berliner Zoo will Journalisten verpflichten, nur positiv über Knut, den Tierpark allgemein und seine Mitarbeiter zu berichten. Journalisten, die in den Pressebereich wollen, müssen eine Erklärung unterzeichnen:

Der Vertragspartner verpflichtet sich, […] die Materialien nicht für Darstellungen zu verwenden oder zu überlassen, die die Zoologischer Garten Berlin AG oder ihre Mitarbeiter in einem ungünstigen Licht erscheinen lassen.

Der Deutsche Journalisten Verband ist laut Spiegel online hellauf empört und sieht die Pressefreiheit in Gefahr. Etwas gelassener, aber in der Sache völlig korrekt reagiert das Medienmagazin V.i.S.d.P:

V.i.S.d.P. hat sich eh nicht für den Pressebereich angemeldet. Und kann deshalb getrost schreiben: Knut ist doof, stinkt und wird in einem Jahr so fett sein, dass sich keine Sau mehr für ihn interessiert. Und für den Berliner Zoo schon gar nicht.

Ich warte nur darauf, dass der Berliner Zoo Journalisten jetzt erpresst. Mit der Drohung bekanntzugeben, wer den Knebelvertrag schon alles unterschrieben hat.

(Links gefunden im Finblog)

Dabei bleiben

Ob die Kasko zahlt, wenn das Auto wegen eines mobilen Navigationssystems aufgebrochen wird? Ich fürchte, ein an die Scheibe gepapptes Navi ist noch nicht einmal von der Versicherung erfasst. Ob die Versicherung vielleicht sogar mit Hinweis auf die Einladungswirkung die Kosten für den Sachschaden verweigert, wird sich zeigen.

Ich konnte der Mandantin erst mal nur raten, eine korrekte Schadensanzeige zu machen. Immerhin hat sie der Polizei die Sache ja schon geschildert. Von der Darstellung in der Anzeige sollte man später besser nicht abweichen. Denn das kann teurer werden als ein verschwundenes Navigationsgerät und eine zerschlagene Seitenscheibe.

Gerne und angeregt

Es hat mir gefallen auf der re:publica.

Gestern nachmittag habe ich selbst nur die halbe Diskussion zur Frage mitbekommen, ob wir eine Bloggerethik brauchen. Danach bin ich im gemütlichen Innenhof der Kalkscheune (tolle Location für so eine Tagung) in einem trauten Bloggerkreis versumpft.

Zu meiner eigenen Veranstaltung („Darf ich das bloggen?“) gibt’s einiges Feedback via Technorati, meist sogar live gebloggt. Die Diskussion wird auch als Video und Podcast zur Verfügung stehen.

Eigentlich war ich fest entschlossen, wenigstens danach mal eine Veranstaltung zu besuchen. Ging nicht, weil es einige Interviewwünsche gab, unter anderem von tagesschau.de, RBB und der taz. Dann kam noch ein Fernsehteam von SAT 1, das einen längeren Bericht über Weblogs dreht. Mario Sixtus, Nico Lumma und ein weiterer Besucher taten freundlicherweise für die Kamera so, als würden sie sich gerne und angeregt mit mir an einem Bistrotisch unterhalten.

Dann blieb eigentlich nur noch Zeit, noch mal kurz im gemütlichen Innenhof der Kalkscheune zu versumpfen und Berlin mit zwei Fläschchen Club-Mate ausklingen zu lassen.

Hat mich gefreut, unheimlich vielen mir bekannten und bislang unbekannten Bloggern zu begegnen. Großes Kompliment an die Organisatoren. Das war wirklich gut gemacht.

Reiselektüre

Ein wenig schräg hat er mich schon angeguckt, der Mann am Kiosk. Bloß weil ich neben einem Spiegel Special, dem P.M. Perspektive „Versunkene Welten“ und einem Computerblatt auch das neue MAD gekauft habe.

Das Furzspray nehme ich nicht mit nach Berlin.

Babyklappe: Jugendamt vor Durchsuchung?

Von EBERHARD PH. LILIENSIEK

Ein Kriminalfall der besonderen Art sorgt innerhalb der Wuppertaler Justiz für Streit. Die Staatsanwaltschaft glaubt sich im Recht dabei, die Personalien einer ihr unbekannten Mutter vom Jugendamt zu fordern. Die Frau hatte im Juni vor zwei Jahren ihr gerade geborenes Kind in die Babyklappe der gleichnamigen sozialen Einrichtung gelegt.

Obwohl die Staatsanwaltschaft damit eine Täuschung über die familienrechtlichen Verhältnisse („Personenstandsfälschung“) sieht und den Verdacht der Unterhaltspflichtverletzung hat, verweigern das Amts- und Landgericht einen Beschluss zur Durchsuchung beim Jugendamt. Diese Nachforschung sei „unverhältnismäßig“, sagen die Richter.

„Die hindern uns an unserem gesetzlichen Auftrag“, hält Oberstaatsanwalt Alfons Grevener strikt dagegen. Das Thema war und ist heikel. Das Babyklappen-Angebot ist höchst lauter, getragen von christlicher Nächstenliebe und damit moralisch wohl einwandfrei. Dem aber stehen die Strafvorschriften entgegen. Sie sollen unterbinden, den Personenstand eines Menschen vor zuständigen Behörden falsch anzugeben oder zu unterdrücken. Denn das Kind hat ein Recht auf die Frage zur Abstammung. Und: Die Mutter, die ihr Kind abgibt, entzieht sich ihrer Verpflichtung, für das Kind zu sorgen.

In der juristischen Diskussion sind zu diesem Dilemma ellenlange Abhandlungen geschrieben worden, eine Lösung gibt es nicht. Fest steht: Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft sind zu Ermittlungen verpflichtet, die Beamten geraten sonst in den Anfangsverdacht eines Vergehens: der Strafvereitelung im Amt. Als die Staatsanwaltschaft also erfuhr, dass dem Jugendamt die Personalien der Mutter bekannt sind, fragte sie danach – bekam aber keine Auskunft. Mit einer Durchsuchung sollte sich das ändern.

Der Amtsrichter jedoch kam in seiner „Rechtsgüterabwägung“ zu dem Schluss, die Babyklappe habe zum Ziel: „Einen akuten Schutzraum für neugeborene Kinder zu bieten, deren Eltern sich in einer ausweglosen Lage befinden“. Bei der Staatsanwaltschaft schwollen Zornesadern. „Es geht doch gar nicht um die Abschaffung der Babyklappe“, sagt Behördensprecher Alfons Grevener. Und er wendet sich scharf gegen die vorauseilende Meinung des Amtsrichters, eine mögliche Schuld der Mutter sei gering. „Die genaue Umstände der Tat, insbesondere die Beweggründe der Mutter sind doch noch gar nicht bekannt!“

Aber auch die nächste Instanz, das Landgericht Wuppertal, lehnte den Beschluss ab und verwarf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft mit dem lapidaren Satz: „Die erneute Überprüfung des Sachverhalts rechtfertigt keine andere Entscheidung“. Und jetzt? „Wir sind noch nicht fertig“, sagte Grevener mit offenkundiger Kampfeslust, „wir machen weiter“. Wie und wann, das bleibt vorerst sein Geheimnis. (pbd)

Der Große Krisenstab

Verkleidet in die Form der Wiedergabe von Volkes Meinung warf Franz Josef Strauß, der zu einer der Sitzungen betrunken erschienen war, z.B. den Vorschlag in die Diskussion, Standgerichte zu schaffen und für jede erschossene Geisel einen RAF-Häftling zu erschießen.

Stefan Aust, Der Baader Meinhof Komplex, S. 514