Das heißt ja nur…

Bundesjustizministerin Brigitte Zypries im Deutschlandfunk:

Aber das Recht auf informationelle Selbstbestimmung heißt ja nur, dass Bürger darüber informiert werden müssen, wer was von ihnen speichert.

Das Bundesverfassungsgericht hat im Volkszählungsurteil etwas anderes gesagt:

Das Grundrecht gewährleistet insoweit die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen.

Abhörgesetze: Anwälte und Ärzte warnen

Marburger Bund (MB) und der Deutsche Anwaltverein (DAV) lehnen die erleichterte Abhörmaßnahmen und andere verdeckte Ermittlungen gegen ihre Berufsgruppen ab. Sowohl die Beziehung zwischen Patient und Mediziner als auch zwischen Anwalt und Mandant bedürfe des besonderen Vertrauensschutzes, der sich sogar in einer berufsrechtlichen Schweigepflicht widerspiegele. Beide Organisationen forderten den Deutschen Bundestag auf, die Pläne nicht zu verwirklichen und die für diese Woche geplante Abstimmung abzusagen.

„Das Vertrauensverhältnis zwischen einem Rechtsanwalt und dem Mandanten ist nicht teilbar und kann nicht von der ausgeübten anwaltlichen Tätigkeit abhängig gemacht werden“, so Rechtsanwalt Hartmut Kilger, DAV-Präsident. Zwar sehe der Gesetzgeber den besonderen Schutz der Strafverteidiger vor, nicht jedoch der übrigen Anwälte. Eine solche Aufspaltung der Anwaltschaft und der Berufsgeheimnisträger im Besonderen sei abzulehnen.

„Die gesamte deutsche Ärzteschaft lehnt diesen Anschlag auf das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Patienten und Medizinern geschlossen ab“, so Dr. Frank Ulrich Montgomery, 1. Vorsitzender des Marburger Bundes. Das Recht auf Vertraulichkeit zwischen Patient und Arzt, vor 3.000 Jahren von Hippokrates niedergelegt, sei eines der ältesten Menschenrechte überhaupt. Wer dieses Recht aushebele, lege die Axt an die Wurzeln unserer Demokratie. „Wer die ärztliche Schweigepflicht und das schützende Patienten-Arzt-Verhältnis schwächt, greift unverantwortlich auch die Bürgerrechte jedes Einzelnen an“, so Montgomery weiter.

Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz betonten beide Verbände, dass mit der Unterteilung der Freiberufler in schützenswerte und weniger schützenswerte Gruppen der Gesetzgeber ein nicht zu rechtfertigendes Zwei-Klassen-System bei Berufsgeheimnisträgern schaffe. Die Begründung des Gesetzgebers, staatliche Überwachung zur Bekämpfung von Terrorismus und Kriminalität auszuweiten, sei kein Argument für die geplante Ungleichbehandlung von Berufsgeheimnisträgern.

Ebenso lehnten beide Organisationen die beabsichtigte Umsetzung der Vorratsdatenspeicherungsrichtlinie in nationales Recht ab. Die Richtlinie verstoße gegen europäisches Recht. Zudem habe das Bundesverfassungsgericht mehrfach erklärt, dass personenbezogene Daten nur angegeben werden müssten, wenn diese geeignet und erforderlich seien, einen bestimmten Zweck – wie etwa die Aufklärung einer bereits begangenen Straftat – zu erfüllen.

„Der Gesetzgeber ist gut beraten, zunächst den Ausgang eines bereits anhängigen Verfahrens vor dem Europäischen Gerichtshof abzuwarten,“ so der DAV-Präsident Kilger weiter. Er solle nicht eine offenkundig rechtswidrige Richtlinie in Deutsches Recht voreilig umsetzen.

Der Gesetzentwurf sieht eine Differenzierung zwischen den Angehörigen verschiedener zeugnisverweigerungsberechtigter Berufsgruppen vor. Strafverteidiger, Geistliche und Parlamentsabgeordnete auf der einen Seite und alle anderen Mitglieder von Berufsgeheimnisträgern auf der anderen Seite. Die in dem Entwurf vorgesehene Differenzierung zwischen verschiedenen Berufsgruppen führe nach Angaben der Berufsverbände aber unweigerlich zu Wertungswidersprüchen zwischen einzelnen Regelungen zum Vertraulichkeitsschutz, wie etwa Zeugnisverweigerungsrechte oder strafbewehrte Schweigepflichten. Hierzu Montgomery: “Warum soll das Verhältnis zwischen Abgeordneten und Wählern schützenswerter sein als das zwischen Patienten und Ärzten?“

Begünstigt

Was es nicht alles gibt. Zum Beispiel Erben, die offenbar meinen, ihnen stünde auch die Lebensversicherung des Verstorbenen zu. Allerdings hatte der Verstorbene einen Begünstigten für den Todesfall eingesetzt. An diesen hat die Versicherung auch anstandslos gezahlt.

Eigentlich müssten sich die tobenden Erben nur mal überlegen, was für einen Sinn eine Begünstigung hätte, wenn am Ende doch immer die Erben zum Zuge kommen. Zumindest könnte sich ihre Anwältin diese Frage stellen…

Aufgrund seines Verhaltens

Die Polizei ordnet eine erkennungsdienstliche Behandlung an. Begründung:

Der BES hatte in seiner Wohnung eine Cannabisplantage. Aufgrund seines Verhaltens in Vernehmung u. Durchsuchung ist keinerlei Einsicht zu erkennen. Von erneuten Verstößen gegen das BtMG ist daher auszugehen.

Ein praktisches Beispiel dafür, warum man als Beschuldigter mit Polizisten gar nicht erst reden sollte.

Mordmotiv Eifersucht

Ein 60-jähriger Münsteraner hat gestern gestanden, seine 26-jährige Ehefrau vor gut 2 Wochen erwürgt zu haben. Danach kaufte er in einem Baumarkt Klebeband, wickelte die Leiche in einen Teppich, schob sie mit einer Sackkarre quer durch die Innenstadt, brachte sie in einem Pkw-Anhänger zu einer Brücke über den Mittellandlkanal im Bereich Ibbenbüren-Uffeln und versenkte sie dort mit einer Kette beschwert im Kanal.

Heute morgen bargen Polizeitaucher die Leiche. Das Motiv des Mannes ist laut Oberstaatsanwalt Wolfgang Schweer Eifersucht: Die junge Frau hatte einen 40-jährigen Freund, der sie auch vermisst gemeldet hatte. (pbd)

Erste Geständnisse in der Werkstattaffäre

Die Affäre um illegale Werkstattarbeiten in der Justizvollzugsanstalt Wuppertal (JVA) durch Gefangene weitet sich aus. Dort haben über viele Jahre hinweg insgesamt 6 JVA-Bedienstete, drei mehr als bislang bekannt war, private Autos ohne Bezahlung reparieren, warten und reinigen lassen.

Vor zwei Wochen hatte die Staatsanwaltschaft die JVA und Wohnungen mit dem Verdacht der Untreue und des Betruges durchsuchen lassen – doch noch immer sind alle diese Bediensteten in Amt und Würden: „Die Prüfungen zu Disziplinarmaßnahmen laufen noch“, sagte gestern Justiz-Staatssekretär Jan Söffing (FDP) im Rechtsausschuss des Landtages.

Er verweigerte aber die Auskunft zu der Frage der Abgeordneten Monika Düker (Grüne), ob etwa auch die Anstaltsleitung sich strafbar gemacht habe: „Die Ermittlungen stehen am Anfang. Es besteht eine Verdachtslage, nicht mehr, nicht weniger“. Gleichzeitig aber räumte Söffing ein, dass fünf Beschuldigte bereits Geständnisse abgelegt haben.

Auf die Frage des Abgeordneten Frank Sichau (SPD), warum die Bediensteten inzwischen nicht alle woanders beschäftigt werden, sagte Söffing, es gebe noch keine Anhaltspunkte zu personellen Konsequenzen. Daraus zog Düker den Schluss „Es ist also nicht passiert“.

Der Rechtsausschuss beschäftigte sich auch mit der Flucht eines Gefangenen aus der Zweiganstalt Krefeld vor knapp 4 Wochen. Die sei auch möglich geworden, berichtete Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU), weil die rot-grüne Vorgängerregierung vor 10 Jahren in NRW-Gefängnissen die Kronen der Mauern von Widerhakensperrdraht („NATO-Draht“) befreit habe.

Künftig werde es „eine Kombination moderner sicherheitstechnischer Einrichtungen“ geben. Der geflohene Häftling habe zudem offenbar Hilfe von außen gehabt – ob auch JVA-Bedienstete im Bunde waren, wird derzeit ermittelt. „Fremde Hilfe“, so hieß es, „kann alle möglichen Gestalten haben“. (pbd)

Lieber abbuchen

Ein Mann, der unter Betreuung steht, schuldete meinem Mandanten um die 2.000 €. Erst war die Betreuerin zögerlich. Ich schickte ihr einige aussagekräftige Dokumente. Sie wollte es dann nicht auf einen Prozess ankommen lassen.

Die Betreuerin schlug vor, dass wir die 2.000 € vom Konto des Betreuten abbuchen. Hierfür unterschrieb sie mir auch eine Einzugsermächtigung. Wieso sie das Geld nicht einfach uns überwies, erklärte die Betreuerin so: „Wenn ich was überweise, muss ich es vom Amtsgericht genehmigen lassen. Bei einer Abbuchung muss ich das Gericht nicht fragen.“

Ich weiß nicht, ob es stimmt. Ist mir auch egal, denn die Lastschrift hat gehalten.

Das Wetter von übermorgen

„Der Kläger erhält Gelegenheit, binnen 10 Tagen zu dem zu erwartenden Kostenantrag Stellung zu nehmen.“

Rechtliches Gehör zu künftigen, ungewissen Prozesshandlungen. Das ist ungefähr so sinnreich, wie heute über das Wetter von übermorgen zu schimpfen.

Bewährung für Staatsanwalt

Wegen Rechtsbeugung und Strafvereitelung ist ein Mannheimer Staatsanwalt zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten auf Bewährung verurteilt worden. Der Bundesgerichtshof hat das Urteil gegen den Strafverfolger jetzt bestätigt.

Der Staatsanwalt unterließ es in einem Ermittlungsverfahren weisungswidrig, Ermittlungen zu führen – namentlich das Opfer und den Beschuldigten vernehmen zu lassen – und Anklage zu erheben. Dabei ging es um schweren sexuellen Missbrauch von Kindern.

Der Beamte versuchte überdies, seine Untätigkeit zu verschleiern. Unter anderem brachte er eine Geschäftsstellenmitarbeiterin durch Täuschung dazu, das Verfahren aus dem Register auszutragen, und es in einem Rückstandsbericht an die vorgesetzte Behörde zu verschweigen.

Der Staatsanwalt litt an dem sog. Tourette-Syndrom, aus dem sich Ende 2003 eine mittelgradige bis schwere depressive Erkrankung entwickelt hatte; hinzu trat zunehmender Alkoholkonsum. Dies führte zu mangelhaften Arbeitsleistungen des Angeklagten.

Anlass für die Nichtbearbeitung des Ermittlungsverfahrens war zudem: Der Angeklagte war verärgert, weil die Staatsanwaltschaft Dessau zweimal die Übernahme des Verfahrens abgelehnt hatte. Auch hatte er dem Verteidiger des Beschuldigten die vorläufige Einstellung des Verfahrens nach § 154 StPO zugesagt, weil der Verdächtige bereits eine andere hohe Freiheitsstrafe erhalten hatte. Der Vorgesetzte des Staatsanwalts hatte die Einstellung aber abgelehnt.

Der Angeklagte zeigte sein Fehlverhalten im Februar 2005 selbst an. Das Ermittlungsverfahren wurde daraufhin forciert. Im März 2006 verhängte das Landgericht Mannheim in dieser Sache eine Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten und ordnete die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung an.

Die gegen das Urteil gerichteten Revisionen des Staatsanwalts und der Staatsanwaltschaft blieben erfolglos. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat die Auffassung des Landgerichts bestätigt: Zu Recht habe es das Verhalten des Angeklagten als Tun und nicht als Unterlassen gewertet; denn der Angeklagte habe es nicht nur unterlassen, das Ermittlungsverfahren weiter zu betreiben, sondern der Weiterbetreibung aktiv entgegengearbeitet.

Das Landgericht habe auch zutreffend nur verminderte Schuldfähigkeit angenommen. Der Staatsanwalt hatte auf Schulunfähigkeit plädiert; in diesem Fall hätte er freigesprochen werden müssen.

Persönliche Hilfestellungen

1.250 Euro brutto für eine Anstellung als Rechtsanwalt? Bei so einer üppigen Vergütung ist klar, dass Bewerber auf diese Stellenanzeige für mehr qualifiziert sein müssen als für Schriftsätze, Besprechungen und Gerichtstermine. Erwartet werden auch „persönliche Hilfestellungen des Senior-Chefs bei Berufs- und Krankenfahrten“.

Eine polnische Krankenschwester mit Führerschein wäre wahrscheinlich teurer.

(Danke an n.n. für den Link)

Hannahs Qual – in allen Einzelheiten

Die Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) sind für Staatsanwälte bindend. Ziff. 23 regelt die Zusammenarbeit mit der Presse:

… Auch ist im Einzelfall zu prüfen, ob das Interesse der Öffentlichkeit an einer vollständigen Berichterstattung gegenüber den Persönlichkeitsinteressen … insbesondere auch des Verletzten überwiegt. Eine unnötige Bloßstellung ist zu vermeiden. …

Ob sich die heutige Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Bonn zum Mord an der 14-jährigen Hannah mit diesem Maßstab (noch) in Einklang bringen lässt?

Ich habe gerade mit einem Journalisten gesprochen. Ihn bringt die Detailfreude der Pressemitteilung in Nöte. Er empfindet es als anstößig und verletzend gegenüber dem Opfer und dessen Angehörigen, die grausige Tat in allen Details nachzuerzählen. Außerdem teilt er wohl meine Meinung, dass man mit solchen Texten am Ende womöglich die Falschen bedient.

In seiner Zeitung steht deshalb morgen die eigentliche Nachricht im Mittelpunkt, dass Anklage erhoben wurde. Und nicht die Details der Tat.