Wozu ein Navi an der Scheibe gut ist

Lutz B., Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht in Düsseldorf und bislang als eigennütziger Temposünder im Zwielicht, könnte noch knapp einer Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Düsseldorf und damit einer Verurteilung entgehen.

Der 62-jährige hatte sich mit einem spektakulären Urteil ins Gespräch gebracht, das wie zugeschnitten auf seinen eigenen Fall passte. B. hatte einem Autofahrer einen rechtskräftigen Freispruch mit der Begründung gewährt, das Überwachungssystem sei nicht vom Gesetz gedeckt gewesen (früherer Bericht).

B. selbst war, so der Vorwurf, 36 km/h zu schnell in eben eine solche Radarfalle getappt. Doch inzwischen gibt es Zweifel. Ein im Sichtbereich montiertes Navigationsgerät im Tatfahrzeug hat ein klares Beweisfoto verhindert – zu sehen sind nur Haaransatz und Kinn. Der zuständige Amtsrichter überlegt deshalb, ob er das Verfahren gegen den höher gestellten Kollegen einstellt. Er hat die Staatsanwaltschaft um eine Stellungnahme gebeten, die noch aussteht.

Stimmt die Staatsanwaltschaft nicht zu, wird doch noch verhandelt.

Inzwischen steht jedenfalls fest, dass B. am Oberlandesgericht Düsseldorf nicht mehr quasi in eigener Sache entscheiden darf. Die Zuständigkeit für Ordnungswidrigkeiten, darunter fallen auch Temposünden, ist ihm entzogen worden. (pbd)

Danke, lieber Kommissar

Ich muss mich bei einem Polizeibeamten bedanken. Dafür, dass er unfreundlich und anmaßend ist. Er hat die Mutter eines Jugendlichen, der einer – strafbaren – Jugendsünde verdächtig ist, vorhin richtig schön runtergeputzt. Eigentlich wollte die Frau nur den Vernehmungstermin verlegen, weil sie um die festgelegte Uhrzeit nicht kann. Sie wollte ihren Sohn nämlich zur Polizei begleiten und auch bei seiner Befragung anwesend sein.

Hierauf kriegte sie zu hören, Termine, welche die Polizei anberaumt, seien gefälligst einzuhalten. Sie werde ohnehin nicht benötigt, denn die Vernehmung finde grundsätzlich ohne den Erziehungsberechtigten statt. Sie habe überhaupt keine Rechte. Ihr Sohn solle sich gefälligst pünktlich einfinden, sonst werde er schon sehen, was er davon hat.

An der Stelle hat die Mutter des Jugendlichen das Gespräch beendet. Nicht nur wegen des Inhalts, sondern vor allem, wie sie mir sagte, wegen des unerträglichen Tons. Sie hat dem Beamten nur noch gesagt, dass sie lieber einen Anwalt engagiert, bevor sie ihren Sohn bei ihm antanzen lässt. Wozu der Junge ja ohnehin nicht verpflichtet ist.

Also, danke für das Mandat.

Lust an der Verfolgung?

War es Jagdeifer, Lust an Verfolgung? Etwa Missbrauch der Macht? Fest steht: Der Wuppertaler Oberstaatsanwalt Ralf M. hat in seinen Ermittlungen gegen Harald Friedrich (Grüne), den ehemaligen Abteilungsleiter des NRW-Umweltministerium, zwei Gutachten freihändig vergeben, obwohl er das nach Weisung seiner vorgesetzten Behörde nicht mehr durfte.

Damit hat M. nach dem ersten Anschein das getan, was er zuvor Friedrich strafrechtlich vorgeworfen hatte – pflichtwidrig öffentliche Gelder verschwendet. Die Wuppertaler Strafverfolger indessen nennen den Übergriff ein „Missverständnis“. Eine verharmlosende Darstellung, die die aufsichtsführende Generalstaatswaltschaft (GeStA) in Düsseldorf denn auch bestreitet. Sie nennt M.s Aufträge „abredewidrig“ und pfeift ihn flugs zurück.

Das war so ähnlich schon einmal passiert. Anfang vorigen Jahres wurde Ralf M. von der Generalstaatsanwaltschaft die Grundlage schwerster Vorwürfe gegen Friedrich entzogen. War zuvor noch von Bestechlickeit des Harald Friedrich die Rede, von banden- und gewerbsmäßigem Betrug, von Untreue, Verletzung von Dienstgeheinmissen und Unterschlagung – ab diesem 8. Januar 2009 war das nur noch Makulatur, weitere Gutachten auch dazu hielt folgerichtig die GeStA für sinnlos und überflüssig.

Ganz so, als gebe es diese Anordnung nicht, machte Oberstaatsanwalt M. munter weiter. Er ließ die Aufträge aber nicht öffentlich ausschreiben, um Leistungen objektiv vergleichen zu können – stattdessen hatte schon eine Woche später ein Beamter des Landeskriminalamtes für ihn im Internet recherchiert. Und machte die E. eGmbH in Berlin ausfindig. Dorthin ging dann auch M.s Dienstreise – um gutachterlich nachweisen zu lassen, dass Friedrich bei seiner Vergabe von Aufträgen einigen „Schaden“ angerichtet habe.

„Nach kurzer Prüfung“ kam der E.-Geschäftsführer zu der für M. günstigen Einschätzung, dass eine Kalkulation von Friedrich „zu hoch und nicht marktgerecht“ war. Nicht genug damit. Die nächste Dienstreise ließ sich der Oberstaatsanwalt nach Saarbrücken genehmigen. Die Universität dort sollte ein weiteres Gutachten erstellen. M. wollte offenbar zwischen den Sachverständigen aus Berlin und Saarbrücken den auswählen, der einen von Friedrich verursachten „möglichen Schaden“ bestätigt.

Als von diesen dubiosen Aktivitäten einen Monat später, im April 2009, die Generalstaatsanwalt Düsseldorf erfuhr, reagierte sie verhalten entsetzt. In einem Vermerk heißt es, es gebe bekanntlich „keine Anhaltspunkte“ für die Annahme, Friedrich könne ein Projekt „überhöht abgerechnet“ haben.

Gleichwohl habe die Staatsanwaltschaft Wuppertal entgegen einer gemeinsamen Vereinbarung entsprechende Gutachten vergeben. Auf „eine unverzügliche Beendigung“, so die Weisung der Vorgesetzten, sei „hinzuwirken“.

Die pflichtwidrige Beflissenheit des Oberstaatsanwalts M. bleibt bislang ohne rechtliche Folgen. Es sei denn, man lastet ihm den Schaden an, der für das Land durch die Eskapaden entstanden ist. Die Dienstreise nach Berlin wurde mit 407,70 Euro abgerechnet, die nach Saarbrücken mit 320 Euro. Die Gutachter berechneten jeweils für ihre abgebrochene Arbeit 853,86 und 560 Euro.

Zu alldem gibt es bei der Staatsanwaltschaft Wuppertal weder Schuldbewusstsein noch Reue. Im Gegenteil. Behördenleiter Helmut Schoß nimmt seinen Untergeben in Schutz: „Herr M. ist davon ausgegangen, sich ordnungsgemäß verhalten zu haben“. (pbd)

Quelle: wulkan (www.wulkan-comic.de)

Kurz vor Feierabend

Das Landgericht Mannheim macht es spannend. Anscheinend grübeln die Richter gerade darüber, ob Fernsehmoderator Jörg Kachelmann in Untersuchungshaft bleiben muss. Seit Stunden steht auf der Homepage des Gerichts eine Pressemitteilung von heute, in der eine weitere Pressemitteilung für heute angekündigt wird. Verbunden mit der Bitte um Verständnis, dass „aus Gleichbehandlungsgrundsätzen“ telefonische Anfragen nicht beantwortet werden.

Normalerweise läuft an Gerichten ab 16 Uhr gar nichts mehr. Es ist also kurz vor Feierabend. Die nächsten Minuten könnten demnach doppelt spannend werden.

Nachtrag: Offensichtlich hat man sich doch nicht den Kopf zerbrochen.

Eine Schublade für jeden von uns

Das Bundeskanzleramt machte die Sache eilig. Ohne Diskussion im Bundestag sollte der Bundesrat noch schnell vor der Fußballweltmeisterschaft eine Rechtsverordnung abnicken, welche die heute schon umfangreichen Karteien des Bundeskriminalamtes auf ein rechtliches Fundament stellt.

Dabei weiß die Regierung schon seit anderthalb Jahren, dass etwa die polizeiliche Datei „Gewalttäter Sport“ rechtswidrig ist. Verwaltungsgerichte hatten klargemacht, dass die Datensammlung ohne entsprechendes Gesetz oder Verordnung keine wirksame Rechtsgrundlage hat.

In der „Hooligan“-Datei waren zuletzt etwa 11.000 Personen gespeichert. Darunter auch viele, deren Namen am Rande von Sportereignissen von der Polizei erfasst wurden – obwohl sie selbst nichts gemacht hatten. Teilweise wurden auch gleich Zeugen von Vorfällen mit in die Datei eingetragen. Mit teilweise katastrophalen Folgen für die Betroffenen. Unter anderem wurden auf Grundlage der Hooligan-Datei sogar Ausreiseverbote verhängt. Die gerichtlichen Schlappen handelten sich die Polizeibehörden auch meist auf Klagen von Personen ein, die ohne vernünftigen Grund in der Gewalttäter-Kartei gelandet waren.

Der Bundesrat winkte die Verordnung durch – zu groß dürfte die Sorge gewesen sein, das Public Viewing könne zum Bürgerkrieg mutieren. Ob den Verantwortlichen aber wirklich klar war, was sie verabschiedet haben? Ich bezweifle es. Es geht nämlich keineswegs nur darum, die bereits bekannten Dateien (Gewalttäter Sport, Gewalttäter links und rechts, Anti-Terror-Datei) zu legalisieren. Vielmehr ist die die Regelung (PDF) ein Blankoscheck für die Einrichtung von Dateien zu praktisch jeder Thematik. Es gibt künftig eine Schublade für jeden von uns.

Dafür sorgt schon das absolut unzumutbare Verschleierungsdeutsch, in dem die Verordnung formuliert ist. Während die Bundesregierung andernorts verständliche Gesetze propagiert, hat man bei diesem Thema begnadete Nebelkerzenwerfer schreiben lassen. An solchen herrscht in den einschlägigen Abteilungen des Bundeskriminalamtes allerdings bekanntermaßen auch kein Mangel.

Hinzu kommen die – gewohnt – schwammigen Definitionen, so als hätte das Bundesverfassungsgericht noch nie ein Wort darüber verloren, dass Rechtsnormen bestimmt sein müssen. Zulässig, um zum Kern der Sache zu kommen, sind etwa Dateien,

die der Sammlung und Auswertung von Informationen zu Straftaten mit länderübergreifender, internationaler oder erheblicher Bedeutung dienen und die vor allem das Erkennen von Zusammenhängen zwischen Taten untereinander und zu Tätern sowie von Täterorganisationen ermöglichen (delikts- und phänomenbezogene Dateien).

Es reicht nach dem Wortlaut also schon aus, wenn eventuelle Straftaten sowohl in Düsseldorf als auch in Hamburg begangen werden und irgendein Zusammenhang besteht (zum Beispiel, weil Verdächtige miteinander telefonieren, mailen oder gar eine Ländergrenze überqueren). Bemerkenswert ist auch, dass die Straftaten nicht länderübergreifend und von erheblicher Bedeutung sein müssen. Nein, in der Verordnung steht ein „oder“. Mit anderen Worten: Es sind auch Dateien für Bagatellen, leichte und mittlere Kriminalität denkbar – „politische“ Delikte selbstverständlich eingeschlossen.

In diese Dateien fließen nicht nur die Daten einschlägig verurteilter Straftäter ein. Nein, es genügt, wenn die Polizeibehörden der Meinung sind, dass eine Person künftig Straftaten begehen könnte. Das BKA-Gesetz selbst fordert zwar, dass Tatsachen diese Annahme rechtfertigen. Was aber teilweise als Tatsache ausreichen soll, haben die zahlreichen Fehleinträge in die Hooligan-Datei schon gezeigt.

Zur künftig fast unbegrenzten Themenvielfalt bei den Dateien gesellt sich ein beachtlicher Datenhunger. Beispiel: In einer Gewalttäterdatei zur Verhinderung von Straftaten bei „öffentlichen Veranstaltungen“, um einen weiteren vagen Begriff zu zitieren, können vom Betroffenen folgende Daten gespeichert werden:

Familienname
Vornamen
Geburtsnamen
sonstige Namen wie Spitznamen
andere Namensschreibweisen
andere Personalien wie Alias-Personalien
Familienstand
akademischer Grad
erlernter Beruf
ausgeübte Tätigkeit
Schulabschluss
Geschlecht
Geburtsdatum
Geburtsort einschließlich Kreis
Geburtsstaat
Geburtsregion
Volkszugehörigkeit
aktuelle Staatsangehörigkeit und frühere Staatsangehörigkeiten
gegenwärtiger Aufenthaltsort und frühere Aufenthaltsorte
Wohnanschrift
Sterbedatum
Lichtbilder
Personenbeschreibungen wie
a) Gestalt
b) Größe unter Angabe der Art ihrer Feststellung
c) Gewicht
d) scheinbares Alter
e) äußere Erscheinung
f) Schuhgröße
besondere körperliche Merkmale
verwendete Sprachen
Stimm- und Sprachmerkmale wie eine Mundart
verfasste Texte
Handschriften
Angaben zu Identitätsdokumenten wie Personalausweis, Reisepass und andere die Identitätsfeststellung fördernde Urkunden (Geburts-, Heirats- oder Sterbeurkunde)
Blutgruppe
Zahnschemata
Bekleidung
DNA-Identifizierungsmuster
Aufenthaltsstatus und Aufenthaltsanlass
Beziehungen zu Personen, Gruppenzugehörigkeit
personengebundene Hinweise wie „Freitodgefahr“, „bewaffnet“, „gewalttätig“, „Explosivstoffgefahr“
Bestehenden Auflagen oder Verboten wie Hausverbot, Kontaktverbot, Meldeauflage, Betretens- und Aufenthaltsverbot, Ausreiseuntersagung, Pass- und Personalausweisbeschränkung

Bei „delikts- und phänomenbezogenen Dateien“, bei denen es auch keinerlei thematische Begrenzung gibt, ist die Datengier sogar noch ausgeprägter. Hinzu kommen dann beispielsweise alle Kontakdaten, das heißt alles von der Telefonnummer über die E-Mail-Adresse bis zur IP-Adresse des Internetanschlusses.

Außerdem Konten, Karten, Vermögen und Finanztransaktionen.

Autokennzeichen, Vielfliegernummer.

Angaben zu „Publikationen, die Gegenstand der Straftat waren“ sowie „Beziehungen zu Institutionen, Örtlichkeiten, Ereignissen und Sachen“.

Attribute wie „Gefährder“ oder „relevante Person“.

Der Name der Haustiere fehlt zu meiner Überraschung.

Das Bundeskriminalamt führt die bestehenden und die kommenden Dateien als „Zentralstelle“ für die Polizeibehörden der Länder. Dies bedeutet: Jeder Polizeibeamte kann künftig die Daten abrufen und auswerten. Wer es, auch ohne einer Straftat überführt zu sein, in eine der Dateien geschafft hat, wird schon dem Verkehrspolizisten bei einer Kontrolle absolut nichts mehr zu erzählen haben.

Der Beamte weiß nach einem Blick in den Computer ohnehin mehr als der Betroffene selbst.

Was Strafverteidiger verdienen dürfen

250,00 Euro Stundensatz für einen Strafverteidiger sind in Ordnung. Sagt das Oberlandesgericht Koblenz in einem aktuellen Beschluss. Die Koblenzer Richter grenzen sich damit deutlich vom Oberlandesgericht Düsseldorf ab, das Anfang des Jahres einem Verteidiger seinen angeblich überhöhten Stundensatz auf 180,00 Euro reduziert hat – obwohl die Rechtsanwaltskammer Düsseldorf die Vergütung in einem Gutachten für angemessen hielt.

Das Oberlandesgericht Koblenz geht ausdrücklich davon aus, dass Stundensätze von bis zu 500,00 Euro nicht per se unangemessen sind. Dem Versuch des Oberlandesgerichts Düsseldorf, trotz einer anderslautenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus den Standardsätzen des Vergütungsgesetzes Obergrenzen für extra vereinbarte Stundenhonorare herzuleiten, können sie nichts abgewinnen.

Die Düsseldorfer Entscheidung liest sich über weite Strecken auch eher kleinkariert. Fast so, als hätten die Richter weniger auf das Vergütungsgesetz und mehr darauf geschielt, dass der mögliche Verdienst eines Strafverteidigers ihr eigenes Netto nur ja nicht allzu deutlich übersteigt.

OLG Koblenz: Beschluss vom 26.04.2010 – 5 U 1409/09
OLG Düsseldorf: Urteil vom 18.02.2010 – I-24 U 183/05, 24 U 183/05

Gute Nachrichten für Kachelmann

Im Fall des wegen Vergewaltigungsvorwurfs inhaftierten Fernsehmoderators Jörg Kachelmann gibt es neue Erkenntnisse. Eine Gutachterin soll untersucht haben, wie glaubhaft die Aussagen des mutmaßlichen Opfers sind – mit einem für Kachelmann erfreulichen Ergebnis, berichtet Spiegel online. Die Aussage wirft nach Auffassung der Psychologin so viele Fragezeichen auf, dass sie eher nicht als Grundlage für eine gerichtliche Überzeugungsbildung taugt.

Das Opfer könne die Tat nur vage schildern. Einige Sachverhalte schildere die Frau so, dass sie „handlungstechnisch“ unmöglich oder unwahrscheinlich seien. Außerdem seien der Frau Falschangaben nachgewiesen worden, die sie nur zögerlich zugegeben habe.

Auch die DNA-Spuren am Tatmesser sind wohl längst nicht so eindeutig, wie es zunächst schien. Dem Landeskriminalamt soll jedenfalls der Nachweis nicht gelungen sein, dass Kachelmann das Messer in der Hand hielt. Winzige Spuren könnten nicht eindeutig zugeordnet werden.

Und dann soll auch die zuständige Rechtsmedizin es offen lassen, ob die Verletzungen nicht auch selbst zugefügt worden sein können. Ein von der Verteidigung beauftragter Gutachter soll eine deutlichere Aussage treffen. Nach seiner Auffassung passen die Verletzungen nicht zum angeblichen Tathergang. Er hält sie für selbst zugefügt.

Schon vor Tagen war zu lesen, einige von Kachelmanns möglichen Freundinnen hätten sich zu einem Rachepakt zusammengeschlossen. Sie hätten dem Moderator sein mögliches Mehrfachleben heimzahlen wollen.

Würde mich nicht wundern, wenn Kachelmanns Verteidiger nun den seit lange erwarteten Antrag auf Haftprüfung stellt. Wenn dieser Antrag überhaupt noch nötig ist. Möglicherweise sehen ja auch die Staatsanwaltschaft oder das Gericht von sich aus Handlungsbedarf.

Links 513

Redselig auf der Polizeiwache – Mordanklage

„Ich und Jura, wir haben uns auseinandergelebt“

Gericht: Autorenvereinbarung der „Zeit“ ist weitgehend unwirksam

Jobangebot: Beratung von Radiohörern und Fernsehzuschauern zur Rundfunkgebührenpflicht

Geheimnisse

The sweep began Friday night when police handcuffed … Donald Duck, Cat Woman, Freddy Krueger, Mr. Incredible, Bumblebee (from the Transformers movies) and Edward Scissorhands

Warren Buffets fünf goldene Regeln

Die Legende von der schutzlosen Polizei

Angeblich steigt die Gewalt gegen Polizisten. Kein Wunder, dass erst Lobbyisten und nun auch die Innenminister härtere Strafen fordern. Seltsamerweise wird hierbei größter Wert darauf gelegt, das Sonderrecht in Form des § 113 Strafgesetzbuch zu verschärfen. Der exklusive Paragraf heißt „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“. Er greift schon dann ein, wenn jemand sich gegen Polizisten wehrt. Ob ein Beamter dabei verletzt wird, spielt keine Rolle.

Nun steht es außer Frage, dass unangenehme Situationen zum Berufsbild eines Polizisten gehören. Der Job hat halt nun mal ein anderes Anforderungsprofil als Industriekaufmann. Wenn Polizeibeamten für ihr Gehalt schon geringfügig mehr Dickfelligkeit abverlangt wird, darf man davon ausgehen, dass Widerstandshandlungen ohne Verletzung des Beamten mit dem bisherigen Strafrahmen gut abgedeckt sind. Schon für den Widerstand als solchen drohen immerhin bis zu zwei Jahre Gefängnis. Dafür muss, das sei betont, der Beschuldigte keinem Polizisten auch nur ein Haar gekrümmt haben.

Unter den Tisch gekehrt, wenn nicht sogar bewusst verschwiegen wird eine Tatsache: Widerstandshandlungen, bei denen Polizisten verletzt werden, sind keineswegs nur mit Gefängnis bis zu zwei Jahren bedroht.

Vielmehr greifen zum Schutz der Beamten mit Ausnahme von RoboCop die normalen Körperverletzungsdelikte, wie sie für jedermann gelten. Schon für die einfache Körperverletzung, das kann eine Ohrfeige sein, können bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe verhängt werden. Handeln mehrere Täter gemeinsam oder ist ein gefährliches Werkzeug (bei Tritten reicht ein Turnschuh) im Spiel, gilt bereits heute eine Mindeststrafe von sechs Monaten. Die Maximalstrafe beträgt zehn Jahre Gefängnis. Bei schweren Taten, zum Beispiel wenn es zu bleibenden Schäden kommt, gelten Mindeststrafen von drei Jahren.

Die Strafen für Körperverletzungsdelikte sind vor Jahren in diversen Gesetzesnovellen verschärft worden. Aber nicht nur die Strafen gingen nach oben, es wurde auch die versuchte Körperverletzung unter Strafe gestellt.

Natürlich kann man der Meinung sein, das Strafmaß für das Grunddelikt, normalerweise die kurze Klopperei aus nichtigem Anlass, sei viel zu niedrig. Angesichts der geltenden Höchststrafe von fünf Jahren wird dieser Einwand aber eigentlich nur noch von Leuten erhoben, die der „Rübe für alles ab“-Fraktion angehören.

Polizisten sind also eigentlich gegen Gewalt geschützt, gut sogar. Die rechtliche Situation ist ganz anders, als sie im propagandistischen Sperrfeuer der Polizeigewerkschaften und der Innenminister dargestellt wird.

Somit stellt sich die Frage, wieso ausgerechnet die einfache Widerstandshandlung auf einmal härter und vor allem mit einer Mindest-, möglichst sogar mit einer Mindestfreiheitsstrafe bedroht werden soll. Mir fällt dazu eigentlich nur ein, dass die Anzeige wegen „Widerstand“ sehr häufig in Fällen kommt, in denen es Anhaltspunkte für nicht ganz astreines Verhalten einzelner Beamter gibt. Aus naheliegenden Gründen ist die Anzeige nach § 113 Strafgesetzbuch ein probates Mittel für die Vorwärtsverteidigung der Ordnungshüter. Aber auch wenn mutmaßliche Opfer von Pflichtverletzungen selbst Anzeige erstatten, kann mit dem Widerstandsargument trefflich Gegendruck erzeugt werden.

Die offiziellen Begründungen sind logisch nicht nachvollziehbar. Deshalb darf man wohl spekulieren, ob die Forderung nach härteren Strafen für einfache Widerstandshandlungen nicht in Wirklichkeit auf einen Respekts- und Maulkorbparagrafen abzielt. Auch wenn es natürlich keiner der Verantwortlichen zugibt – ganz so unplausibel wie die sonstigen Argumente ist dieses Anliegen sicher nicht.

Telepolis zum gleichen Thema

Schöffe mit Neigung zur Selbstjustiz

Inkasso ist an sich kein unehrenhafter Beruf – wenn sich der Unternehmer an Recht und Gesetz hält. Ein in dieser Richtung eher unbeleckter Vertreter des Gewerbes hatte eine andere Ehre. Er wurde zum Schöffen am Landgericht Aachen gewählt. Einen Monat vor seinem Einsatz in einem Drogenprozess schrieb er an einen Schuldner:

Herr (…)! Auch dieses Schreiben wird Ihnen irgendwie am A… vorbei-
gehen. Vorab: Sie brauchen sich nicht wieder ‚hilfesuchend‘ an Ihren ‚Spannmann‘ in Aachen zu wenden. Was zu regeln gilt, werden wir in Belgien ‚unter Männern klären‘. 1.797,06 € stehen zur Zahlung an (…) Kooperation oder Konfrontation; Sie haben die ‚Wahl der Waffen‘. Ich erwarte binnen Wochenfrist die Zahlung (…).“

Den Angeklagten in dem betreffenden Verfahren kannte der Inkassounternehmer nicht. Wie es aber der Zufall will, wurde der Angeklagte just von jenem „Spannmann“ aus dem Schreiben verteidigt. Der Rechtsanwalt hatte vorher auch schon den Schuldner vertreten, an den die Aufforderung zum Duell gerichtet war.

Den unvermeidlichen Befangenheitsantrag konnte das Landgericht Aachen nichts abgewinnen. Der Schöffe erklärte, er könne zwischen Beruf und Richteramt unterscheiden. Eine rechtsfeindliche Gesinnung, die grundsätzliche Zweifel an seiner Eignung erweckt hätte, konnte die Aachener Strafkammer nicht erkennen.

Ganz anders der Bundesgerichtshof. Der hielt den Schöffen nicht nur für befangen, sondern überdies für gänzlich ungeeignet, Urteile im Namen des Volkes zu sprechen. Zunächst stellt der Bundesgerichtshof klar, dass Schöffen keine Richter zweiter Klasse sind:

Das Ehrenamt des Schöffen in Strafgerichten stellt an die rechtliche Gesinnung und die Rechtstreue des Schöffen hohe Anforderungen. Dem Schöffen kommen in seiner Eigenschaft als zur Entscheidung berufenen Richter grundsätzlich dieselben Rechte und Pflichten zu wie den Berufsrichtern; insbesondere hat seine Stimme bei der Abstimmung in Schuld- und Straffragen dasselbe Gewicht. Das Gesetz stellt daher an ehrenamtliche Richter dieselben Anforderungen der Unbefangenheit und Rechtstreue, wie sie für Berufsrichter gelten. …

Ein Schöffe, der sich offen zur Selbstjustiz und zur Durchsetzung von (angeblichen) Forderungen mittels rechtswidriger Drohungen oder Gewalt bekennt, begründet regelmäßig Zweifel an seiner Rechtstreue.

Es fällt den Richtern auch nicht sonderlich schwer, aus den Fakten auf die fehlende Rechtstreue des Schöffen zu schließen:

Das Schreiben enthielt nach seinem Wortlaut eine kaum verhüllte Drohung mit gewaltsamer Selbstjustiz („unter Männern regeln“) und stellte daher jedenfalls nach dem ersten Anschein eine rechtswidrige Drohung im Sinne von § 240 Abs. 1 StGB dar. Selbst wenn im Inkassogewerbe ein grundsätzlich „rauer Ton“ herrschen sollte, ging die unflätige, beleidigende und drohende Fassung des Schreibens über die Grenzen des Tolerierbaren weit hinaus.

Besonderes Gewicht kommt daher hier dem Umstand zu, dass der abgelehnte Schöffe selbst in seiner dienstlichen Äußerung hiervon nicht abrückte oder einen Erklärungsversuch unternahm, sondern nur lapidar mitteilte, er könne Beruf und Richteramt trennen. Sein rechtsfeindliches Verhalten zur Rechtsdurchsetzung und eine dies tragende Gesinnung bestätigte er damit gerade.

Insgesamt durfte der Angeklagte also an der Unparteilichkeit und Rechtstreue des Schöffen zweifeln. Die Sache muss neu verhandelt werden.

(Bundesgerichtshof, Urteil vom 28. April 2010; 2 StR 595/09)

Die Abmahnspiele gehen weiter

Der Bundesgerichtshof legt für ein wichtiges Urteil, das er vor einigen Wochen verkündet hat, nun die Begründung vor. Die Entscheidung betrifft jeden, der ein privates WLAN betreibt und wissen will, wie er haftet, wenn über das WLAN urheberrechtlich geschützte Musik und Filme getauscht werden.

Zunächst birgt das Urteil eine Überraschung. Die Pressemitteilung, auf der die gesamte Berichterstattung aufbaute, hatte ausdrücklich davon gesprochen, Anwälte dürften höchstens 100 Euro für die Abmahnung berechnen. Das entspricht zwar der neuen Rechtslage. Aber viele Gerichte kickten diese Kostenbegrenzung mit der Begründung, es handele sich nicht um einen einfach gelagerten Fall. Beim Tausch aktueller Titel werde außerdem immer „geschäftsmäßig“ gehandelt.

Die Pressemitteilung scheint mir mittlerweile übrigens geändert worden zu sein. Zwar findet sich dort weiter der Hinweis auf die 100-Euro-Grenze; diese neue Regelung sei, so heißt es jetzt, im entschiedenen Fall aber noch nicht in Kraft gewesen.

In der Urteilsbegründung findet sich zur Höhe der Abmahnkosten jedenfalls nichts Grundsätzliches. Der Bundesgerichtshof erwähnt lediglich, die unteren Instanzen müssten prüfen, ob der Streitwert von 10.000 Euro für einen Song wirklich angemessen ist. Leitlinien für die Prüfung geben die Richter nicht.

Es wird also vorerst dabei bleiben, dass die Abmahnindustrie exorbitante Streitwerte ansetzt und damit die Anwalts- und Gerichtskosten in die Höhe treibt. Jedenfalls bei jenen Gerichten, die sich nicht darum scheren, welches Anliegen der Gesetzgeber mit der Deckelung der Abmahnkosten verfolgte.

Etwas deutlicher wird der Bundesgerichtshof bei anderen wichtigen Punkten:

Im entschiedenen Fall hatte ein unbekannter Dritter über das WLAN des Beklagten das Lied „Sommer unseres Lebens“ in eine Tauschbörse gestellt. Das hatten angeblich Firmen festgestellt, die im Auftrag der Klägerin das Internet „überwachen“. Dass IP-Adresse, Uhrzeit und Dateiinhalt korrekt festgehalten wurden, zieht der Bundesgerichtshof nicht in Zweifel.

Das Gericht glaubt also an die Angaben, mit denen Filesharing-Sünder festgenagelt werden. Dieser Glaube kann aber auch seine Ursache darin haben, dass der Beklagte die Zuverlässigkeit der Ermittlungen nicht oder nicht ausreichend bestritten hat. Dann kann das Gericht den Vortrag der Klägerin als richtig unterstellen.

Allerdings hatte der Beklagte keinen Zugriff auf sein – durch Passwort gesichertes – WLAN, weil er zum fraglichen Zeitpunkt im Urlaub war. Für das Gericht steht jedenfalls fest, dass er den Song nicht selbst getauscht hat. Die Frage war nun, ob er trotzdem für den Missbrauch seines WLAN einzustehen hat und Schadensersatz zahlen muss.

Den Schadensersatzanspruch, also Verdienstausfall für die Plattenfirma, verneint der Bundesgerichtshof. Aber nur deswegen, weil der Beklagte sein WLAN durch Passwort und Verschlüsselung gesichert hatte. Die Vorgabe hierzu ist recht deutlich: Wer ein WLAN installiert, muss es mit der besten Methode verschlüsseln, die dem Normalkunden zum Zeitpunkt der Einrichtung zur Verfügung steht. Heute wäre das wohl WPA2.

Dagegen gibt es keine Pflicht, diese Verschlüsselung auf dem neuesten Stand zu halten:

Es belastete die Verwender dieser Technologie unzumutbar und damit unverhältnismäßig, wenn sie ihre Netzwerksicherheit fortlaufend dem neuesten Stand der Technik anpassen und dafür entsprechende finanzielle Mittel aufwenden müssten.

Der Beklagte war mit seinem (im Jahr 2006) WPA-verschlüsselten WLAN jedenfalls so gut im Rennen, dass er für die Richter lediglich „Störer“ und nicht „Täter“ war. Somit haftet er zwar Unterlassung für die Zukunft, aber nicht auf Schadensersatz für bereits geschehene Urheberrechtsverletzungen.

Der lapidare Hinweis „Ich bin es nicht gewesen, beweist mir das Gegenteil“ wird künftig aber nicht mehr reichen. Die Richter legen ausdrücklich fest, dass der WLAN-Betreiber im Detail erklären muss, warum er es nicht gewesen ist. Der Hinweis auf Familienangehörige oder Besucher wird da kaum noch ausreichend sein, sofern nicht klipp und klar gesagt wird, wer am fraglichen Tag Zugriff aufs WLAN hatte. Das Urlaubs- oder Dienstreise-Argument dürfte in diesem Zusammenhang wesentlich zukräftiger sein. Gut also für Betroffene, die sich zum Zeitpunkt der Tat möglichst weit weg von ihrem WLAN befanden. Ein Grund mehr, Bahnfahrkarten, Tankquittungen und Flugtickets aufzubewahren.

Kann der Beklagte jedoch dem Gericht glaubhaft machen, dass jedenfalls er es nicht gewesen ist, haftet er höchstens auf die Abmahnkosten. Außerdem muss er eine Unterlassungserklärung unterschreiben und sich verpflichten, im Falle künftiger Urheberrechtsverletzungen eine Vertragsstrafe an den Abmahner zu zahlen.

Im Ergebnis ändert sich also nicht besonders viel. Für die Abmahnindustrie hat sich die Hoffnung zerschlagen, jeder WLAN-Betreiber hafte automatisch für alle Daten, die durch sein Netzwerk rauschen. WLAN-Betreiber müssen ihre Netze dagegen leidlich verschlüsseln. Wobei es, dank der ja seit dem Rückzug der Strafjustiz aus diese Metier nicht mehr stattfindenden Hausdurchsuchungen, kaum kontrollierbar sein wird, ob das WLAN tatsächlich gesichert war.

Außerdem muss der WLAN-Betreiber einige nachvollziehbare Dinge dazu sagen, warum er als Urheberrechtsverletzer nicht in Frage kommt. Das ist machbar.

Traurig am Urteil ist, dass es dem Geschäftsmodell Massenabmahnung nicht den Boden entzieht. Aber auch für Abgemahnte ist die Entscheidung keine Katastrophe. Für sie stehen die Chancen nach wie vor gut, aus der Sache rauszukommen – ohne der Gegenseite Geld in den Rachen zu werfen.

Flattr – die erste Abrechnung

Seit dem 20. Mai steht unter jedem Beitrag im law blog ein Flattr-Button. Um was es geht, habe ich hier aufgeschrieben. Jetzt ist die erste Abrechnung zum Monatsende da. 33,06 € haben die Klicks erbracht. Einige anfängliche Beiträge sind allerdings nicht dabei, weil sie noch unter einem Testaccount des Admins liefen, der sich dafür hoffentlich ein, zwei Flaschen Club-Mate organisiert.

Eine genaue Statistik ist mir momentan zu aufwendig, weil Flattr neben den Top-Artikeln nur die zehn zuletzt geflatterte Beiträge anzeigt. Eine überschlägige Rechnung ergibt aber, dass jeder Flattr ca. 15 Cent gebracht hat. Damit werden die kursierenden Prognosen doch wohltuend übertroffen. Ich hatte mit einem, vielleicht zwei Cent pro Klick gerechnet.

Es ist zu früh, abschließend über Flattr zu befinden. Das Angebot ist ja noch nicht mal über die geschlossene Beta-Phase hinaus. Nach den ersten Zahlen halte ich Flattr aber weiter für eine Idee, die eine Chance verdient. Wir bleiben also dabei, ebenso wie zum Beispiel Spreeblick.