Um Geld ist es nicht gegangen

Das Bundeskriminalamt und Politiker werden nicht müde, den angeblichen Millionen- oder gar Milliardenmarkt für Kinderpornografie zu beschwören. Angeblich wird mit dem gefilmten Missbrauch von Kindern unglaublich viel Geld verdient.

Im Beitrag „Die Legende von der Kinderpornoindustrie“ hatte ich schon einmal dargestellt, wie selten es in Ermittlungsverfahren wegen Kinderpornografie Hinweise darauf gibt, dass jemand mit dem Material Geld verdient.

Heute begann in Darmstadt ein Prozess, in dem es gegen die mutmaßlichen Köpfe eines veritablen Kinderporno-Rings geht. Sie sollen Adminstratoren in einem Netzwerk gewesen sein, das über Jahre einschlägiges Material vertrieben hat. Das gesamte System soll konspirativ angelegt gewesen sein. Sogar vor Google habe man sich abgeschottet, erklärte der zuständige Staatsanwalt laut Spiegel online der staunenden Gerichtsöffentlichkeit. Die Server seien auch nur durch direkte Adresseingabe erreichbar gewesen.

Neue Mitglieder hätten sich als zuverlässig beweisen müssen, indem sie selbst Material besteuerten. Je mehr der jeweilige Nutzer selbst auf den Servern ablegte, desto freier habe er sich an dem vorhandenen Material bedienen können.

Trotz der offenbar ausgefeilten Organisation stehe aber eines fest:

Um Geld sei es allerdings nicht gegangen.

Welche Überraschung.

Im hiesigen Bezirk

Die Überweisung war gefälscht, aber die Bank hat es nicht gemerkt. Das Konto des Opfers war um 1.700 Euro geplündert. An sich sollten ja jetzt hektische Ermittlungen nach dem Täter einsetzen. Stattdessen beginnt ein fröhliches Ping Pong zwischen Behörden.

Am 9. September 2009 schreibt Staatsanwaltschaft 1 an Staatsanwaltschaft 2:

Der gefälschte Überweisungsträger kann in jeder Filiale Deutschlands eingereicht worden sein; der Ort der Täuschungshandlung des Gebrauchmachens gem. § 267 StGB ist daher unklar. Jedenfalls ist der Schaden bei der P-Bank AG selbst oder auf dem Konto des Anzeigenerstatters eingetreten.

… unter Hinweis auf den vorstehenden Vermerk mit der Bitte um Übernahme übersandt.

Am 30. September antwortet Staatsanwaltschaft 2:

… unter Ablehnung der Übernahme zurück übersandt. Der Tatort kann nicht bestimmt werden, so dass sich die Zuständigkeit nach dem Wohnort des Geschädigten richtet.

Darauf schreibt am 14. Oktober Staatsanwaltschaft 1:

… erneut mit der Bitte um Übernahme des Verfahrens übersandt. Auch wenn der Ort nicht nachvollzogen werden kann, an dem der Überweisungsträger gefälscht und/oder eingereicht wurde, so steht als Tatort jedoch zumindest der Ort fest, an dem ein tatbestandlicher Erfolg, nämlich der Vermögensschaden eingetreten ist. Dies ist nach hiesiger Auffassung jedoch – zumindest auch – der Sitz der kontoführenden Bank. Die Tatortzuständigkeit dürfte damit im dortigen Bezirk gegeben sein.

Staatsanwaltschaft 2 erwidert am 27. Oktober:

… erneut unter Ablehnung der Übernahme übersandt. Im hiesigen Bezirk ist kein Tatort. Der Geschädigte wohnt in L. Geschädigte ist nicht die P-Bank, sondern der Kontoinhaber, von dessen Konto die Abbuchung erfolgte. … unter keinem denkbaren Aspekt eine Zuständigkeit gegeben.

Letztlich hat die Staatsanwaltschaft 1 nachgegeben und sich für zuständig erklärt. Wer den Überweisungsträger gefälscht hat, konnte nun aber nicht (mehr) ermittelt werden.

Der Humor der Steuerfahnder

Witzischkeit kennt ja bekanntlich kaum Grenzen. Bislang habe ich allerdings vermutet, dass zumindest die Finanzbehörden auf der anderen Seite liegen. Weit gefehlt. Ausgerechnet die Steuerfahndung in Nordrhein-Westfalen bemüht sich um Lockerheit – zumindest in ihrem Internetauftritt.

Auf der Startseite sehen wir den Leiter der Münsteraner Steuerfahndung höchstpersönlich, wie er Einlass in ein properes Mittelstands-Häuschen begehrt. Text zum Bild:

Wir machen auch Hausbesuche

Harald Küper, Leiter der Steuerfahndung in Münster, sitzt nicht nur hinter dem Schreibtisch. Er besucht auch die Bürger, für die Steuergerechtigkeit nur ein Fremdwort ist.

Es trifft also nur die Bösewichte. Da sind wir aber beruhigt.

In der Tat hatte ich in meiner 16-jährigen Tätigkeit als Strafverteidiger bislang keinen einzigen Fall, in dem die Steuerfahndung Hausbesuche gemacht, Konten gepfändet und manchmal sogar auf Haftbefehle hingewirkt hat, und sich am Ende der Verdacht doch als Luftnummer erwiesen hat.

Dementsprechend ist auch noch nie passiert, dass – gerne auch durch anonyme Anzeigen – durch erst den nimmermüden Kampf für Steuergerechtigkeit und anschließende sang- und klanglose Verfahrenseinstellungen bürgerliche Existenzen den Bach runtergingen.

(Ich versuche ja auch nur, witzisch zu sein.)

via

Gartenzwerg-Fraktion

Einem unserer Mandanten, der ein Haus mit Garten gemietet hat, wird fehlender Ordnungssinn zur Last gelegt. Der Garten sei ungepflegt und passe nicht in die Nachbarschaft. So was geht dann sogar vor Gericht.

Zum Glück scheint die zuständige Amtsrichterin nicht der Gartenzwerg-Fraktion anzugehören, denn sie stellt in einem Hinweisbeschluss fachkundig fest:

… ist im Garten Bambus und japanischer Knöterich (vom Vermieter) gepflanzt worden. Hierbei handelt es sich um überaus schnell wachsende und über das Wurzelwerk sich ausbreitende Pflanzen. Es ist dem Mieter nicht zuzumuten, werden diese Pflanzen nicht fachgerecht angepflanzt, nämlich mit Wurzelsperren, den Wildwuchs zu bekämpfen.

Der Vermieter hat natürlich auch ein ganzes Fotoalbum vorgelegt, um das Chaos zu belegen. Doch die Bilder machten nur wenig Eindruck. Die Richterin:

Im Übrigen haben sich die Beklagten verpflichtet, den Garten in einem „ordentlichen Zustand“ zu halten. Die Meinungen dahingehend, was ein ordentlicher Zustand ist, gehen auseinander. Eine Pflichtverletzung ist jedenfalls nicht zu erkennen.

Bleibt nur die Frage, was für Gartenexperten das Landgericht in der Berufung aufzubieten hat.

Das Autokennzeichen im Internet

Ermittlungsverfahren wegen verbotener Inhalte stößt meistens die „anlassunabhängige Internetüberwachung“ an. Beim Bundeskriminalamt und in einigen Landeskriminalämtern surfen Tag und Nacht Beamte durchs Netz.

Zu ihren Hauptaufgaben gehört der Scan von Tauschbörsen. Es genügt schon, wenn wegen einer illegalen Datei der Up- oder Download durch einen Internetnutzer festgestellt wird. Bei Kinderpornografie ist die Hausdurchsuchung dann unausweichlich – beim Inhaber des Anschlusses. Dessen Hardware geht dann mit und wird ausgewertet.

Nicht immer wird dann allerdings auch etwas gefunden. Normalerweise führt das zur Verfahrenseinstellung. Eine Staatsanwältin sah das nun aber anders. Zwar hatte ein gründliches Gutachten über die Hardware meines Mandanten ergeben, dass dieser nullkommanichts Verbotenes gepeichert hatte. Trotzdem teilte mir die Strafverfolgerin folgendes mit:

Es bleibt das Verbreiten der Videodatei „Unschöner Titel“ vom 10. April 2009.

Das war die Datei, die dem Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen im edonkey-Netzwerk aufgefallen war. Die festgehaltene IP-Adresse führte zum Anschluss meines Mandanten.

Für mich war das Anlass zu einer kleinen Klarstellung:

Mein Mandant bestreitet, dass er die Datei über seinen Internetanschluss verbreitet hat.

Es liegen keine Beweise vor, die einen hinreichenden Tatverdacht gegen meinen Mandanten begründen.

Als Beweismittel steht nur die technische Feststellung zur Verfügung, dass die genannte Datei über eine bestimmte IP-Adresse in eine Tauschbörse eingespeist worden sein soll.

Diese IP-Adresse mag zwar meinem Mandanten zugeordnet gewesen sein. Jedoch führt die IP-Adresse regelmäßig nur zum Anschlussinhaber, nicht zum tatsächliche Nutzer des Computers.

Die IP-Adresse ist allenfalls vergleichbar mit dem Nummernschild an einem Auto. Kennt man das Nummernschild, lässt sich der Halter des Fahrzeugs ermitteln. Der Halter ist aber nicht unbedingt identisch mit dem Fahrer.

Wie beim Auto gibt es auch bei der IP-Adresse keine tatsächliche Vermutung dafür, dass der Anschlussinhaber auch der Nutzer des jeweiligen Computers war. Der Computer kann auch durch andere Personen benutzt worden sein.

Mein Mandant hat Freunde und Familie. Alle gehen über seinen Anschluss ins Internet. Wer ihn besuchte, durfte auf Wunsch auch das seinerzeit eingerichtete WLAN-Netzwerk benutzen oder sein Notebook über Kabel mit dem Internetanschluss meines Mandanten verbinden.

Zeitweise hat mein Mandant das WLAN in seiner Wohnung auch offen gelassen, weil bei Nachbarn noch kein Internet gelegt war. Es entzieht sich der Kenntnis meines Mandanten, wer und in welchem Umfang bei den Nachbarn, deren Familie oder Besuchern über das WLAN meines Mandanten im Internet war.

Letztlich kann mein Mandant auch nicht ausschließen, dass ein Außenstehender sich Zugang zu seinem Drahtlosnetzwerk verschafft hat. Diese Vorgehensweise ist ja gerade auch typisch für Leute, die solche Dinge im Netz tauschen. Sie hacken sich gerne in fremde WLANs, weil sie dann praktisch nicht ermittelbar sind.

Gegen den angeblichen Tausch der Datei spricht auch der Umstand, dass bei meinem Mandanten keinerlei einschlägiges Material gefunden wurde.

Die Botschaft ist angekommen. Das Verfahren wurde nun doch eingestellt, und zwar mangels Tatverdachts.

Und frech war er auch

Aus dem Polizeibericht:

Offenbach/Lauterborn. Polizeibeamte überprüften am Mittwochmorgen insgesamt 24 Schüler auf Straßen und Plätzen, ob sie tatsächlich unterrichtsfrei hatten. …

Gegen 9 Uhr schlenderte ein Junge durch die Gegend, der einen Tagesverweis von der Schule erhalten hatte, weil er zu spät gekommen, keine Hausaufgaben gemacht hätte und auch noch frech gewesen sei. Er gab an, jetzt nach Hause zu gehen. 2 Stunden später lümmelte er sich jedoch im Park gegenüber der Edith-Stein-Schule herum. Nun brachten ihn die Schutzleute nach Hause in die Obhut seiner Mutter. Entsprechende Mitteilungen an das Staatliche Schul- und Jugendamt erfolgen.

Stadt Duisburg hat eine Baustelle weniger

Das Duisburger Nachrichtenblog xtranews und die Stadt Duisburg haben heute ihren Streit beigelegt. Die Stadt Duisburg hatte xtranews per Gerichtsbeschluss verbieten lassen, Dokumente zur Loveparade-Katastrophe zu veröffentlichen. Bei den Dokumenten handelte es sich um die Anlagen zu einem Gutachten von Anwälten, das einwandfreies Verhalten der Stadt Duisburg belegen soll. Das Gutachten selbst hat die Stadt Duisburg auf ihrer Homepage veröffentlicht, die Anlagen jedoch als nicht öffentlich eingestuft.

xtranews hatte Zugriff auf die Dokumente erhalten und sie als erstes Medium veröffentlicht. Hierauf reagierte die Stadt Duisburg mit einem Verbotsantrag.

Nach der jetzt getroffenen Einigung darf xtranews die Unterlagen wieder vollständig veröffentlichen. Es müssen lediglich Personen- und Kontaktdaten städtischer Mitarbeiter geschwärzt sein.

Die Stadt Duisburg erklärt in dem Vergleich ausdrücklich, dass sie keine Rechte mehr aus der einstweiligen Verfügung des Landgerichts Köln herleitet. In dieser Verfügung, die auf Urheberrechtsverletzungen gestützt war, wurde xtranews jede Veröffentlichung der Dokumente untersagt.

Der Verhandlungstermin am 8. September 2010 findet wegen des Vergleichsschlusses nicht statt.

Weiterer Beitrag zum Thema

Ende eines Kriminalfalls

Ich weiß nicht, was und wie die Polizeibeamten an einem Unfallort ermittelt haben. Jedenfalls mündeten ihre Erkenntnisse in folgenden Vorwurf gegen meinen Mandanten:

Laut Anordnung der Staatsanwaltschaft wurde gegen Sie ein Ermittlungsverfahren wegen Unfallflucht eingeleitet. Sie haben versucht, durch die Veränderung der Parkstellung Ihres Fahrzeuges eine Unfallrekonstruktion unmöglich zu machen.

Das macht juristisch keinen Sinn. Man kann sich nicht von einer Unfallstelle entfernen, wenn man noch an der Unfallstelle ist. Tarnkappenbesitzer ausgenommen. Darauf hatte ich hier bereits hingewiesen.

Zu allem Überfluss war alles sowieso ganz anders, wie sich eigentlich auch aus der Ermittlungsakte ergibt. Auf dem Parkplatz eines Geschäftskomplexes hatte eine Ladeninhaberin blaue Farbreste an der Fahrertür ihres Pkw bemerkt. Sie war zwar vier Stunden im Geschäft gewesen. Aber dennoch stand für die Frau fest, dass die Farbe nur von dem Auto stammen konnte, welches gerade neben ihrem Fahrzeug parkte. Das war das, zugegebenermaßen blaue, Auto meines Mandanten.

Mein Mandant war gerade im Fitnessstudio, das ebenfalls in dem Areal liegt. Dort ließ die Ladeninhaberin auch sein Nummernschild ausrufen. Dummerweise war mein Mandant gerade unter der Dusche oder in den Umkleiden. Dort sind die Durchsagen der Rezeption nicht zu hören.

Mein Mandant ging also arglos zu seinem Wagen, setzte sich rein, fuhr wenige Zentimeter los. Die Ladeninhaberin kam angerannt, klopfte an sein Fahrerfenster und konfrontierte ihn mit dem Vorwurf, ihr Auto beschädigt zu haben. Mein Mandant stieg aus und rief die Polizei.

Zum Glück hat sich nun wenigstens der Staatsanwalt bereit gefunden, die mittlerweile 35-seitige Akte zu schließen und den Kriminalfall zu beenden. Er hat das Verfahren eingestellt. Das fiel ihm sicher auch deswegen leicht, weil der Kostenvoranschlag für die „Reparatur“ auf stolze 73 Euro lautete. Die Kosten bestanden aus einer gründlichen Wagenpolitur (nicht nur der angeblichen Schadensstelle) und einer „vorgeschalteten Komplettwäsche“ des Fahrzeugs.

Auf Kosten des Mandanten

Nachricht aus dem Sekretariat:

Betreff: I.S. F. ./. Base hat das Büro des Gegenanwalts angerufen und nachgefragt, ob wir Herrn F. noch vertreten, da Sie deren letzte Schreiben unbeantwortet gelassen haben.

Meine Antwort:

In solchen Fällen können Sie sagen, dass wir den Mandanten selbstverständlich noch vertreten. Dass keine Antwort erfolgte, kann auch daran liegen, dass wir alles bereits mitgeteilt haben und uns nicht gerne wiederholen, schon gar nicht auf Kosten unseres Mandanten. Wir antworten nur auf Schreiben von Inkassobüros oder Forderungsanwälten, aus denen sich Neues ergibt.

Das BKA, die Zugriffs-Entzugs-Behörde

„Etwas vom Gesetzgeber Verbotenes dem öffentlichen Zugriff zu entziehen, kann keine Zensur sein.“

Jörg Ziercke, Präsident des Bundeskriminalamtes, in einem Interview mit der Welt.

Wer noch den geringsten Zweifel daran hatte, warum das Bundeskriminalamt Websperren haben will, kann sich nach der oben stehenden Äußerung gewiss sein. Es geht längst nicht nur um Kinderpornografie. Diese Materie, bei der sich nur schwer Widerspruch regt, ist nur der Türöffner für jene, denen das Netz insgesamt einfach zu schmutzig, zu unübersichtlich und zu wenig kontrollierbar ist.

Nach Zierckes Verständnis könnte man auch Online-Wettanbieter und Tauschbörsen sperren. Dort gehen durchaus Dinge vor, die in Deutschland verboten sind. Gleiches gilt für Onlinemedien, Foren und Blogs. Das passende Verbot ist auch für Meinungsäußerungen schnell gefunden und angewandt.

Wenn Monate oder Jahre später vielleicht ein Gericht befindet, dass das Bundeskriminalamt falsch „geurteilt“ und als Zugriffs-Entzugs-Behörde ein Angebot zu Unrecht blockiert hat, kräht kein Hahn mehr danach. Jedenfalls ist das Ziel dann längst erreicht.

Ich nenne es deswegen auch Zensur.

Luft rauslassen

Ich habe volles Verständnis, wenn Mandanten mit Behörden unzufrieden sind. Gerade Ausländerämter lassen ihre Klientel gern mal in der Luft hängen. Was ich weniger gut finde ist, wenn ich die Wut über den langsamen Behördenbetrieb abbekomme. (Wobei ich nach so einer Attacke eines Mandanten manchmal zumindest nachvollziehen kann, warum der Mitarbeiter des Ausländeramtes die Sache nach der Vorsprache vielleicht einfach wieder ganz unten in den Aktenstapel geschoben hat.)

Andererseits lasse ich mich letztlich sogar durchaus gerne anpflaumen. Gibt es mir doch Gelegenheit, darauf hinzuweisen, dass es nicht zu meinem Tätigkeitsfeld gehört, die Luft aus Beamtenautos zu lassen oder abgetrennte Pferdeköpfe vor Haustüren zu legen. Wenn das Amt nicht will, bleibt mir eben nur die Untätigkeitsklage vor dem Verwaltungsgericht. Spätestens mit Zustellung des Schriftstücks tut sich dann meist was, weil ansonsten weitere Anwaltskosten entstehen.

Bevor es allerdings so weit ist, muss erst mal der Mandant für sein Recht in die Tasche greifen. Höchst wundersam, wie angesichts der Vorschussrechnung in vielen Fällen auch der größte Ärger verraucht und wir wieder in einer Lautstärke miteinander reden können, die nicht unters Landesimmissionsschutzgesetz fällt.

Oder ich bin die Sache halt los, so wie heute. Auf dass sich ein anderer Anwalt anbrüllen lassen darf.

Bewährungshelfer ächzen

Glaube, Liebe, Hoffnung sollten keine Nahrung für Urteile sein. Fakten sind gefragt. Und doch sitzt oft genug ein Strafrichter nach den Plädoyers von Anklage und Verteidigung, und er schreibt und grübelt und grübelt und schreibt. Er schwankt zwischen einer rheinisch-liberalen Entscheidung und einer eher preußisch-strengen. Wird die Strafe noch zur Bewährung ausgesetzt oder geht der Anklagte ins Gefängnis?

Bei Bewährungsstrafen sind die Bewährungshelfer gefragt. Sie sind mit manchen schwierigen Fällen überfordert und überlastet. „Wir sollen bei Sexualstraftätern“, so berichtet etwa Ulrich Öynhausen, der NRW-Landessprecher der Arbeitgemeinschaft Deutsacher Bewährungshelfer in Herford, „bestimmte Signale erkennen“. Aber welche sind das? „So was steht niemandem auf der Stirn geschrieben.“

So bewegen sich Bewährungshelfer mühsam im kalten Wasser. Eine Zahl kommt dazu, welche die ehemalige Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU) einmal genannt hat. 64 Probanden sollen maximal auf einen Bewährungshelfer kommen. „Ich habe momentan 89 Menschen zu betreuen“, sagt Öynhausen stellvertretend für seine Kolleginnen und Kollegen, „und wenn ich gerade mal drei Feuer ausgetreten habe, gerät vielleicht das nächste ins öffentliche Blickfeld.“

Es seien die Jugendlichen (14-17 Jahre alt) und Heranwachsenden (18-21 Jahre alt), vor denen er oft „ratlos“ stehe: Viele Schulabbrecher sind darunter, für feste Arbeitsplätze nur schwer vermittelbar. Man müsse jede einzelne Betreuung ja auch dokumentieren, „sich nach Möglichkeit absichern“.

Im Bezirk des Landgerichts Kleve gibt es 20 Bewährungshelfer im Alter von 26 bis 64 Jahren. Die meisten sind diplomierte Sozialarbeiter oder Pädagogen. Alle betreuen sie rund 1.400 Straffällige. Das sind zwischen 50 und 70 pro Helfer, ein gerade noch günstiger Durchschnitt.

Deutlich darüber liegen Zahlen, die vom Landgericht Düsseldorf gemeldet werden. 73,5 Probanden pro Fachkraft in Düsseldorf, 76,7 Probanden pro Fachkraft in Neuss und 78,3 Probanden pro Fachkraft in Langenfeld. Beim Landgericht Essen kümmern sich insgesamt 94 Mitarbeiter (davon 68 Bewährungshelfer) um rund 4.400 Klienten. Die Durschnittsbelastung liegt demnach bei 76 Betreuungsfällen. Im Bezirk des Landgerichts Bielefeld sind es 72.

Als heikel empfindet der Landessprecher der Bewährungshelfer diese Zahlen. Denn eine offizielle Belastungshürde gibt es nicht. Deshalb ist der Landesverband derzeit auf der Suche nach einer Belastungsgrenze. Ulrich Öyenhausen spricht von 60 Probanden. „Mehr Lebensgeschichten sind in einem Jahr nicht verkraftbar.“

Beispiel: Ein 19-jähriger hatte sich in Düsseldorf zu verantworten. Er hatte andere misshandelt, einen Raub versucht. Dazu kam ein Diebstahl. Später Graffiti-Schmierereien. Gibt so einem ein Richter noch eine Möglichkeit zur Bewährung? Der junge Mann bekam sie.

Nun darf aber auch gar nichts mehr passieren. Dafür steht ihm ein Bewährungshelfer zur Seite. Einige Jahre lang. Aber was, wenn der ausfällt? „Es vergehen bis zu vier Monate“, so schildert es Öynhausen aus der Praxis, bis sich ein Kollege einarbeiten kann. Und der Vertreter soll dann – vielleicht schon nach einem Monat – bei einer nächsten Straftat eine Prognose stellen.

Eine günstige, eine schlimme? Eine, die eher auf Glaube, Liebe, Hoffnung beruht? „Wir arbeiten entlang von Fakten“, ist die vieldeutige Antwort von Johannes Bartel. Der Fachsprecher der Bewährungshilfe in der Dienstleistungsgewerkschaft verdi kritisiert den Zweck-Optimismus in der Justiz: „Wir haben in Köln das Modell des schnellen Strafverfolgungsweges für jugendliche Straftäter.“ Das sei stets vom Justizministerium vermarktet worden. Tatsächlich liege die Überbelastung bei 93 Fällen pro Bewährungshelfer. „Bei uns“, sagt Bartel, „herrscht Ärger!“ (pbd)

Kastriertes Equipment

Bin ich froh, dass ich an vernünftige Richter gerate, wenn es um Technik im Verhandlungssaal geht. Nur bei absehbar kurzen Terminen verzichte ich darauf, mein Netbook einzuschalten. Es war also schon hunderte Male im Einsatz, ohne dass auch nur ein einziger Einwand gekommen wäre.

Im Gegenteil: Erst gestern erkundigte sich ein Vorsitzender in der Pause, ob ich in seinem Saal problemlos online gehen kann und welchen Datentarif ich habe. Wir fachsimpelten dann über UMTS-Sticks, wackelige Bluetooth-Verbindungen und Akkulaufzeiten.

Mir wurden auch schon freundlich Verlängerungskabel angeboten, wenn die nächste Steckdose zu weit vom Anwaltstisch entfernt lag.

Der etwas paranoide Amtsrichter, der vor wenigen Tagen diesen Beschluss heraufbeschworen hat, ist also eine Ausnahme. In einer Familiensache wollte er einen Anwalt tatsächlich die Laptop-Nutzung verbieten. Begründung: Möglicherweise könnten mit dem Gerät Ton- und Filmaufnahmen gemacht werden; das sei verboten.

Der betroffene Jurist verteidigte sich mit dem Argument, sein Notebook könne weder Töne noch Bilder aufnehmen. Er versicherte dies sogar anwaltlich.

Meine Hochachtung vor dem Kollegen, wenn er mit einem Notebook arbeitet, das tatsächlich keine Webcam und kein Mikro hat. Schon aus betriebswirtschaftlichen Gründen kann es sich lohnen, bereits vollständig abgeschriebene Wirtschaftsgüter durch neue zu ersetzen.

Überdies ist das Argument natürlich gefährlich für all jene Anwälte, die schon mit etwas neuerem Equipment arbeiten. Es dürfte schwer sein, tragbare Computer ohne Mikro und Cam überhaupt zu kriegen. Die Alternative wäre, dass Anwälte ihre Geräte kastrieren und hierüber eine TÜV-Bescheinigung mit sich führen müssen.

Zum Glück hat sich der Richter, der seinen bärbeißigen Kollegen für befangen erklärte, mit diesem Argument gar nicht groß aufgehalten. Er stellt vielmehr klar, dass unbestimmte Sicherheitsbedenken nicht geeignet sind, einen Anwalt bei seiner Arbeit im Gerichtssaal einzuschränken:

Eine derartige sitzungspolizeiliche Maßnahme gem. § 169 GVG hätte im vorliegenden Fall nur bei einem konkreten Anlass getroffen werden dürfen, es hätte also ein konkreter Verdacht des Richters aufgrund eines konkreten festgestellten Sachverhalts bestehen müssen, dass der Rechtsanwalt tatsächlich versucht hätte, mit Hilfe dieses Laptops Ton- oder Filmaufnahmen in der laufenden mündlichen Hauptverhandlung zu fertigen.

Es kommt also nicht darauf an, was der Anwalt kann, sondern was er tatsächlich tut. Sonst könnte man ja auch anfangen, Anwälten das Handy abzunehmen, weil es ebenfalls eine Kamera hat. Oder jeden Kugelschreiber des Juristen unter die Lupe nehmen, weil er ja das multimediataugliche Modell von Pearl sein könnte.

Mit mir wäre jedenfalls dann kein pünktlicher Verhandlungsgewinn gewährleistet. Ich lasse mich nämlich nicht freiwillig durchsuchen, es sei denn, der Vorsitzende hat mir diese Absicht vorher mitgeteilt und gute Gründe dafür genannt (die es in sehr seltenen Fällen gibt).

Wie ich eingangs schon erwähnte, ist der Umgang der Justiz mit Notebooks inzwischen aber ziemlich unbefangen. Darauf spielt auch die Entscheidung an, in der es heißt:

In diesem Zusammenhang muss ausdrücklich festgestellt werden, dass auch in medienwirksamen Verfahren vor der Großen Strafkammer der Landgerichte bis zum Bundesgerichtshof und das Bundesverfassungsgericht die Benutzung von Laptops durch Organe der Rechtspflege üblich ist.

(via LexisNexis Strafrecht Online Blog)