Andere Länder, andere Sitten

Der Hauptverdächtige für die Attentate von Paris hat keine Verteidiger mehr. Die Anwälte von Salah Abdeslam haben sich aus dem Fall zurückgezogen. Sie sind nicht damit einverstanden, dass Abdeslam wohl auf absehbare Zeit zu den Vorwürfen schweigen will. Der Beschuldigte selbst meint wohl ohnehin, dass er keine Anwälte braucht. Er wolle von Gott verteidigt werden, heißt es in aktuellen Berichten.

Offenbar kann diese Konstellation in Frankreich tatsächlich dazu führen, dass ein wegen schwerster Verbrechen Beschuldigter wie Abdeslam ohne Anwalt da steht. Le Monde schreibt heute zu dem Fall:

En France, être défendu par un avocat est un droit. Pas une obligation.

Bei uns wäre das undenkbar. Schon ab einer Straferwartung von einem Jahr aufwärts muss ein Angeklagter in Deutschland durch einen Rechtsanwalt oder Hochschullehrer als Pflichtverteidiger vertreten sein. Ob er will oder nicht, spielt da keine Rolle. Lediglich bei der Auswahl des Pflichtverteidigers hat der Angeklagte immer ein Mitsprachrecht. Normalerweise muss er mindestens eine oder zwei Wochen Zeit bekommen, um einen Anwalt seines Vertrauens zu benennen. Macht er von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch, setzt ihm das Gericht einen Pflichtverteidiger vor die Nase.

Ich finde es schon interessant, wie sich in so wichtigen Punkten die Rechtsordnungen selbst von EU-Staaten unterscheiden.

Ebenso interessant ist die Aussage von Abdeslams bisherigen Anwälten, sie könnten ihn nicht verteidigen, wenn er nichts sage. Aus der Ferne ist das jedenfalls nur schwer nachvollziehbar. In so einer Situation erst mal zu schweigen, erscheint mir jedenfalls als ziemlich naheliegende Option. Wäre jedenfalls interessant zu erfahren, was sich die Verteidiger für den Fall erhoffen, dass Abdeslam die Karten auf den Tisch legt. Viel fällt mir nicht ein.