Familiengericht: Die Türkei ist ein gefährliches Land

Wenn ein Elternteil mit seinem Kind in ein gefährliches Land reisen will, muss auch im Falle des Getrenntlebens der andere Elternteil zustimmen – sofern er gleichberechtigtes Sorgerecht hat. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main entschied dies jetzt im Falle einer Mutter, die mit ihrem Kind eine Reise in die Türkei plante. Der getrennt lebende Vater hatte sich dagegen gewehrt.

Die Mutter wollte mit dem Kind Badeurlaub in Side machen. Der Vater hielt das für unsicher. Das Oberlandesgericht weist zunächst darauf hin, dass eine Türkei-Reise bei der aktuellen Sicherheitslage keine „Angelegenheit des täglichen Lebens“ ist. Bei einer Angelegenheit des täglichen Lebens dürfte der Elternteil, bei dem das Kind lebt, allein entscheiden.

Vielmehr, so das Gericht, sei auch die Zustimmung des anderen Elternteils erforderlich. Die Regierung der Türkei habe inzwischen den Ausnahmezustand ausgerufen. Es sei als Folge des Putschversuchs zu Massenverhaftungen sowie zu Regierungsentscheidungen gekommen, die für eine Vielzahl von Betroffenen in der Türkei von existenzieller Bedeutung sind. Bei dieser Sachlage bestehe eine konkrete Gefahr, dass es in der Türkei Unruhen ausbrechen, die auch Auswirkungen auf die Urlaubsregionen haben können (Aktenzeichen 5 UF 206/16).

Gericht entwaffnet Rocker

Schon die Mitgliedschaft in einer Outlaw Motorcycle Gang wie den „Hells Angels“ oder den „Bandidos“ begründet für das Verwaltungsgericht Aachen die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit. Im Falle eines Mitglieds des Rockerclubs „Gremium MC“ entschied das Gericht im Eilverfahren, dass dem Mann wohl zu Recht der Waffenschein abgenommen wurde.

Der Betroffene ist Mitglied im „Gremium MC“, aber ansonsten strafrechtlich noch nicht aufgefallen. Das Euskirchener Chapter, dem er angehört, ist wohl selbst noch nicht sonderlich aufgefallen. Gleichwohl gehört der Rockerclub nach Auffassung des Verwaltungsgerichts aufgrund seiner Einbindung in die europaweite Struktur von „Gremium“ zu den sogenannten „1%-Clubs“. Diese grenzen sich sich durch Nähe zu Gewaltkriminalität, Rotlichtmilieu, Drogen- und Waffenhandel von den unbedenklichen 99 % der anderen Motorradclubs ab. Problematisch sieht das Gericht auch den strengen Ehrenkodex des „Gremium MC“ und die Gefahr gewalttätig ausgetragener Konflikte mit der „Konkurrenz“.

Deshalb bestehe bei dem Betroffenen insgesamt die naheliegende Gefahr, dass er die ihm erlaubten Waffen missbräuchlich verwendet. Die Entziehung des Waffenscheines durch die Stadtverwaltung sei also rechtmäßig. Gegen die Eilentscheidung kann der Mann Beschwerde einlegen (Aktenzeichen 6 L 858/16).

Die Gewinner

rak-17-2-30

Im law blog gab es zehn Anwaltskalender 2017 des Karikaturisten wulkan zu gewinnen (Link zum Gewinnspiel). Nun stehen die Gewinner fest:

7dabu
Saunagänger
Alwin Werner
Göre
Sebastian
MrTom
Christian Abele
Mad Scientist
Neo
Helmut

Die Gewinner wurden bereits per Mail benachrichtigt. Allen anderen herzlichen Dank für die Teilnahme.

Wer trotzdem einen Anwaltskalender 2017 haben möchte, kann direkt beim Zeichner einen Kalender ordern. Der Preis beträgt 20,95 Euro zzgl. 5,00 Euro Versandkostenpauschale.

Bestellungen sind schnell und unkompliziert möglich unter wulkan@arcor.de oder telefonisch unter 0172-200 35 70. Über den Buchhandel ist der Anwaltskalender nicht erhältlich.

rak-17-8-30

Manchmal schaut man besser ins alte Gesetz

Kein Staatsanwalt hat es gern, wenn ihn jemand beim Plädoyer unterbricht. Schon gar nicht, wenn es sich um den garstigen Verteidiger handelt, der ihm schon den ganzen Prozesstag über Verdruss bereitet hat.

Mitunter ist dies jedoch für mich als Verteidiger unumgänglich. Nämlich dann, wenn sich der Vortrag des Anklagevertreters, sagen wir es mal modern, im Postfaktischen bewegt. Das ist momentan ziemlich regelmäßig der Fall, wenn ich Angeklagte verteidige, die wegen eines Verstoßes gegen § 184b StGB angeklagt sind.

So auch gestern wieder. Der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft, ein Rechtsreferendar, hielt sich bei seinem Plädoyer an den üblichen Aufbau, wie er in allen Lehrbüchern steht. Im letzten Drittel sagte er erwartungsgemäß den folgenden Satz:

Fraglich ist, wie der Angeklagte zu bestrafen ist. Das Gesetz sieht für den Besitz von Kinderpornografie einen Strafrahmen von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe vor.

Tja, so steht das tatsächlich im Gesetz. Und zwar seitdem die letzte Ergänzungslieferung in den Schönfelder des Rechtsreferendars gelangt ist. Der Schönfelder ist diese berühmte, rot eingeschlagene Gesetzessamlung aus losen Blättern. Sie wird auch „Ziegelstein“ genannt. Vor ein paar Monaten hat der Referendar also brav nach Erhalt der neuesten Ergänzungslieferung viele, viele Blätter ausgetauscht. Somit ist sein Gesetz wieder auf dem neuesten Stand.

Allerdings sollte man schon daran denken, dass der „neuste Stand“ im Strafrecht nicht immer richtige Stand ist. Wir verhandelten einen Fall, in welchem dem Angeklagten Besitz im Jahre 2011 vorgeworfen wurde. Man muss da also nicht fragen, welches Strafgesetz am 24. November 2016 gilt, sondern welches Strafgesetz am 29. April 2011 galt. Und wenn beide Gesetze unterschiedlich sein sollten, muss man prüfen, welches von beiden das mildere Gesetz ist.

Hier lag der Fall einfach. Mit der Gesetzesänderung zum 27. Januar 2015 wurden die Strafen im § 184b deutlich angehoben. Besitz von Kinderpornografie wurde vorher mit maximal zwei Jahren Freiheitsstrafe bestraft. Jetzt sind es drei.

Ohne meine kleine Intervention hätte der Anklagevertreter die Strafe also in einem Strafrahmen gefunden, dessen Spielraum er um ein Drittel überschätzte. Immerhin reagierte der Betreffende recht souverän auf meinem Hinweis – er nahm ihn dankend an. Was aber auch nicht schwierig war, denn ich hatte die unterschiedlichen Gesetzesfassungen schon mal ausgedruckt mitgebracht. Auch der Richter ließ sich ein Exemplar geben. Wobei ich allerdings nicht ergründen konnte, ob er die Gesetzesänderung schon von sich aus im Auge gehabt hatte.

Für den – weitgehend geständigen – Mandanten kam dann ein erfreuliches Ergebnis zustande. Der Anklagevertreter plädierte ersichtlich milde, nämlich auf eine Geldstrafe. Wobei ich weiß, dass dieser Richter in solchen Fällen entsprechend dem Mainstream an den Amtsgerichten eigentlich immer Freiheitsstrafen verhängt, wenn auch auf Bewährung. Aber heute wollte der Richter dann anscheinend nicht päpstlicher sein als der Papst. Er beließ es bei der Geldstrafe.

Für ein lustiges Anwaltsjahr

rak-17-6-30

Rechtzeitig vor dem Wochenende wollte ich noch mal auf die Verlosung hinweisen, die gerade im law blog läuft. Es gibt zehn zehn Anwaltskalender 2017 des Karikaturisten wulken zu gewinnen.

Näheres zum Anwaltskalender 2017 und zum Gewinnspiel steht hier in der Ankündigung. Wer noch teilnehmen möchte, kann dies ebenfalls mit einem Kommentar dort drüben machen.

Wer sich nicht auf sein Glück verlassen will, kann natürlich auch sehr gerne bei wulkan einen Kalender ordern. Der Preis beträgt 20,95 Euro zzgl. 5,00 Euro Versandkostenpauschale.

Bestellungen sind schnell und unkompliziert möglich unter wulkan@arcor.de oder telefonisch unter 0172-200 35 70. Über den Buchhandel ist der Anwaltskalender nicht erhältlich.

rak-17-10-30

Versandärger vermeiden – so geht’s

Weihnachten naht, auf den Postämtern werden die Warteschlangen länger. Außerdem ist morgen Black Friday. Es ist also Bestell- und Versendezeit. Meine aktuelle ARAG-Kolumne beschäftigt sich deshalb mit der Frage: Welche Rechte habe ich, wenn ein Paket nicht ankommt oder bei der Rücksendung verloren geht?

Hier geht es zur Kolumne.

Viel Spaß beim Lesen.

Gericht denkt auch an die Mittagspause

Das Amtsgericht Böblingen übersendet mir eine Terminsladung für die Hauptverhandlung. Die Sitzung beginnt um 11 Uhr, und dann erhalte ich noch folgenden Hinweis:

Zwischen 12.30 Uhr und 13.15 Uhr ist eine Mittagspause angedacht.

Das nenne ich mal Service. Auch wenn ich die Gegend um das Amtsgericht Böblingen jetzt leider nicht so als gastronomische Oase in Erinnerung habe. Aber ein Döner lässt sich sicher finden. Vielleicht hat auch der Richter einen Tipp.

Er war eingeschüchtert

Im Gericht habe ich mal wieder aus erster Hand erlebt, wie vorsichtig man mit Zeugenaussagen umgehen muss. Auch denen von Polizisten.

In dem Verfahren waren drei junge Leute angeklagt, spätabends auf dem Weg nach Hause den Außenspiegel eines Autos abgetreten zu haben. Das war auch interessant und führte letztlich zu einem Freispruch. Aber hier soll es darum gehen, wie sich einer der Angeklagten angeblich nach der Festnahme verhielt.

Aussage des Polizisten:

Der Geschädigte hat die Angeklagten über mehrere hundert Meter zu Fuß verfolgt und uns telefonisch informiert. Wir fuhren mit mehreren Streifenwagen hin. Alle Beteiligten wurden an der B.straße angetroffen. Einer der Angeklagten war total aggressiv und schimpfte rum. Der Autobesitzer war durch das Verhalten des einen Angeklagten extrem eingeschüchtert und konnte kaum was sagen.

Auftritt des Autobesitzers. Ein stattlicher Herr mit Sonnenbankbräune. Seine Aussage:

Wenn ich gesehen hätte, wer von den dreien jetzt genau den Spiegel abgetreten hat, hätte ich die Polizei nicht gerufen. Dann hätte ich das selbst geklärt, das können Sie mir glauben. Es ist richtig, dass der eine Angeklagte mit der Polizei diskutierte und auch ein paar blöde Sprüche machte. Ob mich das eingeschüchtert hat? Mich? Ich bin schon mit ganz anderen Leuten fertiggeworden.

Das Problem war nur, es war nach Mitternacht im Winter, und wir standen mit der Polizei mindestens 30 Minuten im Freien. Ich hatte nur ein Hemd an und habe extrem gefroren und gebibbert. Die Sprüche von dem Angeklagten waren mir so was von egal, das prallte völlig an mir ab. Mir war einfach nur schweinekalt…

Tja, wie war es denn nun? Im besten Fall hat der Polizeibeamte die naheliegende Erklärung gar nicht bedacht. Und aus so was wird dann nachträglich ein eingeschüchtertes und verängstigtes Opfer…

Gewisse Verärgerung

In einer Strafsache macht der zuständige Kripo-Beamte die Arbeitsmoral eines Kollegen aus dem Streifendienst aktenkundig:

Der Ursprungsvermerk (Anzeige) ging hier am 28.04.2016 erstmalig ein. Er enthielt wesentliche Fehler und wurde daher über die Dienststellenleitung an den aufnehmenden Beamten zwecks Korrektur zurückgesandt.

Danach ging der Vorgang trotz mehrfacher Anmahnung (wiederum durch die Dienststellenleitung) hier bis zum Eingang des Rechtsanwaltsschreibens nicht wieder ein. Erst auf nochmalige Aufforderung über den Vorgesetzten des Beamten bequemte sich dieser am 22.08.2016, den Vorgang neu zu schreiben.

Da muss der Haussegen schief hängen. Normalerweise gilt bei der Polizei der Grundsatz, dass man Nachteiliges über Kollegen möglichst nicht schriftlich fixiert.

Tatvorwurf: Gesetz

Aus einem Anhörungsbogen der Polizei:

Tatvorwurf: Warenbetrug, Warengesetz, Verdacht der Geldwäsche

Falls jemand dieses Warengesetz kennt und weiß, wo man es finden kann, bitte ich um kurze Aufklärung. Der Brief stammt übrigens von einem „Fachkommissariat Cybercrime“.

Anwaltskalender zu gewinnen

Vorweihnachtszeit? Ohne Verlosung im law blog quasi undenkbar. Wie jedes Jahr gibt es deshalb für die Leser zehn Exemplare des druckfrischen Anwaltskalenders des Karikaturisten wulkan zu gewinnen. Der Kalender enthält 12 humorvolle Juristenmotive im DIN-A-3-Format, alles in klassischem schwarz-weiß. Es handelt sich praktischerweise um den Kalender für das Jahr 2017.

rak-17-1-30

Wie immer machen wir es einfach. Wer einen der Juristenkalender 2017 gewinnen will, schreibt bitte bis zum 28. November 2016 einen Kommentar zu diesem Beitrag. Bitte eine gültige E-Mail-Adresse hinterlassen. Die Gewinner werden ausschließlich über diese E-Mail-Adresse kontaktiert. Die E-Mail-Adressen geben wir nicht weiter und verwenden sie auch nicht für andere Zwecke. Unter allen Teilnehmern entscheidet das Los.

Fünf Kalender spendiert Karikaturist wulkan, die anderen bezahlt das law blog.

rak-17-7-30

Der Kalender wird noch vor Weihnachten frei Haus an den Gewinner oder eine Wunschadresse geschickt. Er eignet sich deshalb auch als Weihnachtsgeschenk für jemanden in der Fremde. Wer sich nicht auf sein Glück verlassen will, kann natürlich auch sehr gerne bei wulkan einen Kalender ordern. Der Preis beträgt 20,95 Euro zzgl. 5,00 Euro Versandkostenpauschale.

Bestellungen sind schnell und unkompliziert möglich unter wulkan@arcor.de oder telefonisch unter 0172-200 35 70. Über den Buchhandel ist der Anwaltskalender nicht erhältlich.

rak-17-9-30

EGMR fühlt sich für verhaftete Türken nicht zuständig. Derzeit.

Eine türkische Richterin, die nach dem Putschversuch inhaftiert wurde, erhält keine Unterstützung vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Nach Auffassung des Gerichts ist die Beschwerde der Richterin derzeit unzulässig. Die Betroffene müsse zunächst das türkische Verfassungsgericht anrufen, heißt es in dem Beschluss.

Nach den Regeln des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ist dieser normalerweise nur für Falle zuständig, in denen der Beschwerdeführer den nationalen Rechtsweg ausgeschöpft hat. Das Gericht sieht es nicht als erwiesen an, dass das Verfassungsgericht in der Türkei derzeit tatsächlich nicht funktioniert. Ebenso wenig sei erkennbar, dass das Verfassungsgericht die Beschwerde der Richterin auf jeden Fall zurückgewiesen hätte. Die Richterin hatte angegeben, zwei Richter und etliche Anwälte am Verfassungsgericht seien ebenfalls verhaftet worden; ein faires Verfahren sei dort nicht mehr zu erwarten.

Beschuldigte in der Türkei können nach dieser klaren Ansage also erst mal nicht hoffen, dass ihnen der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte schnell zur Seite springt (Aktenzeichen 56511/16).

Keine Getränkelieferung am Sonntag

An Sonntagen und Feiertagen dürfen keine Getränke ausgeliefert werden. Das Verwaltungsgericht Münster bestätigt ein entsprechendes Verbot der Stadt gegenüber einem Lieferdienst. Begründet wird das Verbot mit der gesetzlich vorgeschriebenen Sonntagsruhe für Arbeitnehmer.

Am Sonntag müsse typische „werktätige Geschäftigkeit“ ruhen, heißt es in dem Beschluss. Der Tag sei zur Besinnung, seelischen Erhebung, persönlichen Ruhe, Erholung und Zerstreuung da, unabhängig von einer eventuellen Religionszugehörigkeit.

Die gesetzlichen Ausnahmeregeln für die Gastronomie (einschließlich Lieferdienste) gelten nach Auffassung des Gerichts nicht. Es sei den Kunden ohne weiteres zuzumuten, ihre Getränke werktags zu besorgen. Dass der Lieferdienst nach eigenen Angaben auf reges Interesse stoße, ändere an den vorrangigen Zielen der Sonntagsruhe nichts.

Der Lieferdienst darf an Sonn- und Feiertagen zunächst keine Arbeitnehmer mehr für die Lieferungen einsetzen. Der Beschluss erging im Eilverfahren und ist nicht rechtskräftig (Aktenzeichen 1 L 1701/16).

Der Pfandbetrug, der vielleicht gar keiner war

Mit einer einzigen Pfandflasche ergaunerte sich ein 37-jähriger Kölner insgesamt rund 40.000 Euro Flaschenpfand. Nun ja, er brauchte allerdings auch noch einen Pfandautomaten für rund 5.000 Euro, den er geschickt manipulierte. Laut dem Amtsgericht Köln war die Aktion als Betrug strafbar. Ich habe da so meine Zweifel.

Zehn Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung kassierte der 37-Jährige. Er hatte den Pfandautomaten so umgebaut, dass dieser das Pfandlogo zwar scannte und den Pfandbetrag vorläufig gutschrieb. Die nach den Bedingungen des Pfandsystems vorgeschriebene anschließende Vernichtung der Flasche und des Pfandlogos verhinderte er aber durch eine Holzkonstruktion. Die Vernichtung wurde nur simuliert. So konnte er die Flasche immer wieder vom Automaten einziehen lassen. Eine ermüdende, aber anscheinend auch lukrative Tätigkeit.

Einen Computerbetrug schloss das Gericht zutreffend aus, wie man in der Legal Tribune Online nachlesen kann. Denn ob die Flasche am Ende geshreddert wird, hat mit dem Datenverarbeitungsvorgang nichts zu tun. Damit hat der Angeklagte den entsprechenden Vorgang also nicht manipuliert, wie es § 263a StGB voraussetzt.

Leider wird nicht berichtet, wieso das Amtsgericht einen „normalen“, sogar gewerbsmäßigen Betrug bejahte. Ganz so flüssig wird dem Richter die Urteilsbegründung jedenfalls nicht aus der Feder fließen. Denn nach meiner Meinung fehlt es an den Tatbestandsvoraussetzungen des § 263 StGB:

– Täuschung: Ich weiß schon gar nicht, wer da getäuscht worden sein soll. Bei der Tathandlung war der Mann allein mit seiner Pfandflasche, dem Pfandautomaten und seinem Radio, mit dem er etwas gegen die Monotonie ankämpfte. Es stellt sich also die Frage, wem da ein Bär aufgebunden worden sein soll.

Am naheliegendsten ist vielleicht noch die Tatbestandsalternative der „Unterdrückung wahrer Tatsachen“, indem der Angeklagte später über den Pfandautomaten die Gutschrift des registrierten Betrages durch das Pfandsystem veranlasste, obwohl die Flasche und das Logo entgegen den Pfandbedingungen gar nicht vernichtet waren.

Ich habe heute früh den Chef vom Lebensmittellladen um die Ecke gefragt. Dem ist gar nicht bekannt, dass die Meldungen der unzähligen Pfandautomaten – geht wohl fast alles online – tatsächlich noch von Menschen überprüft werden, die getäuscht werden könnten. Tatsächlich soll dem Pfandsystem ja auch nichts aufgefallen sein. Die Sache flog durch einen externen Tipp auf.

– Irrtum: Aber selbst wenn Menschen involviert waren, müsste ja auch ein Irrtum vorliegen. Der könnte dann nur darin liegen, dass nach den Pfandbedingungen die Flasche und das Logo nach dem Scan durch das Gerät vernichtet werden müssen. Fehlt es schon an einer manuellen Prüfung, kann es keinen menschlichen Irrtum geben. Gibt es wider Erwarten die Prüfung, stellt sich die Frage, wie weit denn jetzt tatsächlich überhaupt eine rechtsverbindliche Erklärung des Automatenbetreibers in die Richtung vorliegt, dass das Pfandlogo tatsächlich zerstört worden ist bzw. dass der Automat nicht manipuliert wurde.

Immerhin steht ein normaler Automatenbetreiber ja nicht ständig neben seinem Gerät. Und störungsanfällig sind die Kisten ja bekanntermaßen enorm. Letztlich geht es also weniger um Tatsachen, sondern um die Einhaltung (vertraglich) übernommener Pflichten. Die Einhaltung von Pflichten ist aber eine rechtliche Wertung bzw. eine Selbsteinschätzung, aber keine harte „Tatsache“ im eigentlichen Sinne des Gesetzes.

Ein wenig erinnert das Ganze an die sehr alte Kontroverse, ob Schwarzfahren ein Betrug sein kann, wenn es gar keine Kontrollen am Bahnsteig oder Schaffner in den Zügen gibt. Weil es eben an einer Täuschung fehlt, hat der Gesetzgeber den Tatbestand des Erschleichens von Leistungen geschaffen.

– Vermögensverfügung: Der auf der Täuschung beruhende Irrtum müsste ursächlich für die Vermögensverfügung gewesen sein. Das ist hier die Gutschrift des Pfandbetrages. Laut meinem Automatenbetreiber wird das Guthaben taggleich gutgeschrieben, und zwar ohne jede konkrete Prüfung, ob das Pfandlogo tatsächlich zerstört wurde. Letztlich kommt man zum nötigen inneren Zusammenhang also nur, wenn man die Manipulation beim Shreddermechanismus als maßgeblich ansieht. Aber das prüfen die menschlichen Mitarbeiter des Pfandsystems ja gar nicht, sofern es sie überhaupt gibt.

– Stoffgleichheit: Die Stoffgleichheit ist der abschließende Prüfungsschritt. Täuschung, Irrtum und Vermögensverfügung müssen einen inneren Zusammenhang haben, also zwei Seiten der gleichen Medaille sein. Da passt allerdings so einiges nur vordergründig zusammen, wie schon dargelegt.

Der Angeklagte wäre im Ergebnis deshalb schlau, wenn er das Urteil zumindest nicht als unverrückbar akzeptiert. Aber selbst wenn er das tun sollte, können wir sicher sein: Dieser Fall hat das Zeug zum Klassiker in Strafrechtsklausuren an der Universität und im Staatsexamen. Und die „richtigen“ Lösungen werden sehr, sehr zahlreich sein.

Recht durchsetzen, auch bei sich selbst

Die WAZ berichtet aus dem Amtsgericht Essen über Verfahren, in denen Übergriffe auf Polizeibeamte angeklagt sind. Herausgreifen will ich das in der Reportage geschilderte Verhalten der zuständigen Richterin:

Die Richterin unterbricht sein letztes Wort, steht ohne eine Sekunde innerer Beratungspause zum Urteil auf: Fünf Monate Haft mit Bewährung, 120 Stunden Sozialarbeit. „Es ist nicht immer einfach, das Recht durchzusetzen“, sagt sie.

Was für ein Glück für die Vorsitzende, dass der Angeklagte aus Kostengründen keinen Anwalt dabei hatte. Den Angeklagten beim letzten Wort zu unterbrechen oder ihm dieses gar zu entziehen, ist nämlich nicht gerade die feine Art. Der Angeklagte hat das Recht, als letzter vor der Urteilsverkündung zu sprechen. Und er ist keineswegs verpflichtet, dies nur zu Themen zu tun, welche die Richterin für ihr Urteil zu brauchen meint.

Dem Angeklagten das letzte Wort ohne sachlichen Grund (zum Beispiel Missbrauch durch endlose Ausführungen) nicht vollständig zu gewähren, ist nicht nur unhöflich. Es ist auch ein Rechtsverstoß durch die Richterin. So was kann zu einem erfolgreichen Befangenheitsantrag führen. Oder zu einer erfolgreichen Revision gegen das Urteil. Wobei Revisionen aus diesem Grund regelmäßig begründet sind (weil man ja nicht weiß, ob der Angeklagte noch etwas gesagt hätte, das zu einem Freispruch oder einem milderen Urteil geführt hätte).

Bei der Richterin handelt es sich übrigens um Margrit Lichtinghagen. Die frühere Staatsanwältin ist mit der Verhaftung des Ex-Postchefs Klaus Zumwinkel zu Ruhm gelangt. Schon als Strafverfolgerin in Bochum war sie kein einfacher Zeitgenosse. Auf ihrer neuen Stelle am Amtsgericht ist es mit ihr nicht einfacher geworden, wie ich selbst aus diversen Verfahren weiß.

„Es ist nicht immer einfach, das Recht durchzusetzen“, soll Frau Lichtinghagen am Ende der Verhandlung gesagt haben. Eine ganz wichtige Voraussetzung für dieses Anliegen ist es nach meiner Meinung, sich erst mal selbst ans Recht zu halten. Das fängt durchaus im Kleinen an.