Bullensohn

Aus einer Strafanzeige:

Während des Zugriffs bezeichnete der Beschuldigte den Einsatzleiter KHK Küppers wiederholt und lautstark als „Bullensohn“.

Der Mandant ist sich ziemlich sicher, dass er etwas anderes gesagt hat. Was zugegebenermaßen recht ähnlich klingt. Aber wir lassen das mal gerne so stehen, weil die andere Aussage jedenfalls eindeutiger eine strafbare Beleidigung ist.

Die Seriennummer

In einem Ermittlungsverfahren habe ich die Herausgabe einer Spiegelreflexkamera beantragt. Einer sehr teuren Spiegelreflexkamera. Die Begründung war, eventuell relevante Fotos können sich nur auf der externen Speicherkarte befinden. Die Kamera selbst hat gar keinen internen Speicher.

Der Ermittlungsrichter am Amtsgericht bestätigt die Beschlagnahme der Kamera mit einem Satz:

Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Beschuldigte von der Tat Bilder gemacht hat, ist die o.g. Kamera als Beweismittel zu beschlagnahmen, da mit ihr gefertigte Bilder anhand der Seriennummer der Kamera zugeordnet werden können.

Eine wirklich kurze Begründung. Ob diese von technischem Sachverstand getragen ist, daran habe ich allerdings leise Zweifel.

Urteile zu Rauchmeldern

Mieter müssen es nach einem Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main dulden, wenn der Vermieter die Rauchmelder in der Wohnung überprüfen will.

Der Mieter muss einem Techniker Zugang gewähren, wenn dieser rechtzeitig – mindestens zwei Wochen vorher – angekündigt wird und die Kontrolle werktags zwischen 8 und 18 Uhr stattfindet. Die Duldung der Kontrolle ist laut dem Urteil eine Nebenpflicht aus dem Mietvertrag (Aktenzeichen 33 C 1093/17).

Ein weiteres Urteil zu Rauchmeldern beschäftigt sich mit der Frage, ob Wohnungseigentümergemeinschaften beschließen können, dass in allen Wohnungen einheitliche Rauchmelder installiert und diese zentral gewartet werden.

Ein Eigentümer hielt so einen Beschluss für unvernünftig, da er seine Wohnung bereits selbst mit Rauchmeldern ausgestattet hatte. Das Amtsgericht München verweist auf die erhöhte Sicherheit für das gesamte Objekt, wenn die Rauchmelder einheitlich installiert und gewartet werden. Der Eigentümergemeinschaft stehe ein Ermessen zu, das durch Mehrheitsbeschluss ausgeübt werde (Aktenzeichen 482 C 13922/16 WEG).

Geldautomaten-System funktioniert

Kein Handlungsbedarf. So lautet das Ergebnis einer Untersuchung, die das Bundeskartellamt wegen der Gebühren für Auszahlungen an fremden Geldautomaten durchgeführt hat. Eine staatliche Regulierung der Auszahlungsentgelte ist laut der Behörde derzeit nicht nötig.

Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes: „Für die meisten Verbraucher ist es heute möglich, hohe Gebühren beim Geldabheben zu vermeiden, indem man entweder zur eigenen Bank geht, auf die bestehenden Verbundsysteme zurückgreift, einen anderen, preisgünstigeren Automaten benutzt, sich bei Tankstellen oder im Handel mit Bargeld versorgt oder auch eine Kreditkarte zum Abheben verwendet. Grundlegend dafür ist die 2011 eingeführte Kostentransparenz, also die Tatsache, dass der Verbraucher vor der Transaktion am Automaten über die anfallenden Kosten informiert wird und sich gegebenenfalls dann noch anders entscheiden kann.“

Wenn die Kartellbehörden die Höchstgrenzen für Entgelte deckele und das womöglich noch zu niedrig, könne das zu einem unerwünschten Effekt führen. Dann bestehe die Gefahr, dass an bestimmten Standorten überhaupt keine Automaten mehr unterhalten werden.

Das Kartellamt will die Situation aber weiter im Auge behalten. Insbesondere sollen die Geldautomatenverbünde angehalten werden, über die Aufnahme oder auch Ablehnung neuer Mitglieder fair und diskriminerungsfrei zu entscheiden.

Einzelheiten lassen sich in der aktuellen Studie des Bundeskartellamtes nachlesen.

Fünf Monate kein Besuch vom Anwalt

Ich sage inhaftierten Mandanten, denen ich als Pflichtverteidiger beigeordnet bin, von vornherein ganz ehrlich, dass ich nicht jede Woche bei ihnen im Gefängnis vorbeischauen kann, nur um Händchen zu halten.

Allerdings komme ich natürlich, sobald die Mandanten darum bitten und es einen nachvollziehbaren Grund gibt (den es dann fast immer auch gibt). Und selbstverständlich lasse ich mich auch möglichst schnell blicken, wenn es wichtige Neuigkeiten gibt. Zum Beispiel neue Umstände, die ich bei späterer Akteneinsicht erfahren habe und über die es sich zu sprechen lohnt.

Etwas laxer scheint es ein Verteidiger gehandhabt zu haben, der vom Gericht einem mutmaßlichen Dealer beigeordnet worden war. Er ließ sich insgesamt fünf Monate gar nicht bei seinem Auftraggeber blicken. Und das, obwohl der Inhaftierte sogar mehrfach im Knast von der Polizei vernommen worden war. Vom Aktenstand her hinkte der Anwalt fast ein halbes Jahr hinterher. Deshalb war ihm auch nicht bekannt, dass die Vorwürfe gegen seinen Mandanten erheblich ausgeweitet worden waren.

Der Beschuldigte wurde angesichts dessen verständlicherweise nervös; er beantragte die Auswechslung seine Pflichtverteidigers. Fünf Monate ohne persönlichen Kontakt (und offensichtlich auch ohne schriftlichen) sind dann auch dem Landgericht Ingolstadt zu viel. Das Gericht:

Es ist allgemein anerkannt, dass der fehlende Besuch eines Pflichtverteidigers über einen längeren Zeitraum in der Untersuchungshaft das fehlende Vertrauen des Beschuldigten zu dem beigeordneten Verteidiger rechtfertigt und deshalb einen wichtigen Grund für die Entpflichtung darstellt. …

Angesichts des im Vergleich mit dem Stand zum Zeitpunkt des Gesprächs vom 10.03.2017 veränderten Sachverhalts und der erheblichen Straferwartung wäre ein nochmaliger Besuch des Angeschuldigten in der Haft auch ohne dessen ausdrücklich geäußerten Wunsch für eine ordnungsgemäße Verteidigung zwingend erforderlich gewesen.

Nachzulesen ist die Enscheidung auf der Webseite von Rechtsanwalt Detlef Burhoff.

Freiheit für friesische Strände

Die friesische Gemeinde Wangerland hat ihre neun Kilometer Nordseestrand fast komplett eingezäunt. Sie bittet jeden Besucher zur Kasse. Aber nicht mehr lange, denn das Bundesverwaltungsgericht gibt in einem Grundsatzurteil den Strand weitgehend wieder für alle Bürger frei.

Drei Euro verlangte Wangerland für den Zugang zum Strand, nur nicht von Anwohnern und Kurtaxe-Zahlern. Der Eintritt sollte selbst dann fällig werden, wenn Besucher gar nicht baden, sondern nur einen Spaziergang machen wollten. Dies verstößt nach Auffassung der Richter gegen die allgemeine Handlungsfreiheit, welche das Grundgesetz allen Bürgern gibt. Außerdem ergebe sich aus § 59 Bundesnaturschutzgesetz das Recht für jedermann, Landschaften frei zu betreten.

Eintritt dürfe für Strände nur in Bereichen kassiert werden, die besonders erschlossen sind. Also zum Beispiel an Abschnitten, wo es Restaurants, Kioske, sanitäre Einrichtungen und besondere Liegeflächen gibt. Abseits dieser Infrastruktur befinde sich aber „freie Landschaft“ im Sinne des Gesetzes, und hier sei ein Eintritt eben nicht zulässig. Die Gemeinde hatte argumentiert, die Unterhaltung des (teilweise künstlich aufgeschütteten) Strandes koste viel Geld. Aber auch das macht eine „großflächige Kommerzialisierung“ deutscher Strände nicht zulässig, befinden die Richer.

Möglicherweise brechen auch vielen anderen Gemeinden in Schleswig-Holstein Einnahmen weg. „An der Nordseeküste wird generell von Tagesgästen mit wenigen Ausnahmen ein Strandeintritt verlangt“, zitiert stern.de die Geschäftsführerin des Tourismusverbandes Nordsee. In Mecklenburg-Vorpommern gibt es laut dem dortigen Tourismusverband keine eingezäunten Strände. Allerdings werde dort von Tagesgästen oft Kurtaxe kassiert (Aktenzeichen 10 C 7.16).

Nachtrag: Wohl zu Unrecht wurde Wangerland in Ostfriesland verortet. Es gehört allerdings zu Friesland, worauf viele Leser dankenswerterweise hingewiesen haben.

„Hiermit kündige ich alle Mandate“

Einschreiben von Herrn Frank Petersen:

Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt Vetter,

hiermit kündige ich alle mit Ihnen bestehenden Mandate.

Unerfreulich. Aber doch halb so wild. Denn zu meinen Mandanten zählt kein Frank Petersen.

Ich vermute stark, er hat mit gleicher Post seinem bisherigen Anwalt mitgeteilt, dass er ihn mit seiner Vertretung beauftragt.

Gericht attestiert Düsseldorfs OB unzulässige Stimmungsmache

Der „Licht-aus-Appell“ des Düsseldorfer Oberbürgermeister war insgesamt rechtswidrig. Anlässlich einer Demonstration mit dem Motto „Düsseldorfer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ hatte der Oberbürgermeister im Januar 2015 auf der Webseite der Stadt „ein Zeichen gegen Intoleranz und Rassismus“ gefordert. Er ordnete an, dass während der Demo in den öffentlichen Gebäuden der Stadt das Licht ausgeschaltet wird. Zugleich rief er alle Bürger auf, ebenfalls das Licht auszmachen. Außerdem sollten sie an einer parallel stattfindenden Gegendemo teilnehmen.

Das Bundesverwaltungsgericht attestierte dem Oberbürgermeister jetzt, er habe seine Rechte überschritten. Es sei einem Oberbürgermeister zwar erlaubt, sich im Rahmen seines Aufgabenbereichs zu äußern. Ein Amtsträger wie das Stadtoberhaupt dürfe sich auch am politischen Meinungsbildungsprozess beteiligen. Aus dem Demokratieprinzip folge aber, dass er diesen Prozess nicht „lenken und steuern“ dürfe.

Ihm seien auch Äußerungen nicht gestattet, die die „Ebene des rationalen Diskurses“ verlassen und die Vertreter anderer Meinungen ausgrenzen. Alle diese Vorgaben seien bei den Aktionen und Aufrufen überschritten worden, so das Bundesverwaltungsgericht (Aktenzeichen 10 C 6.16).

Dry Lease oder Wet Lease? Das muss Fluggäste nicht interessieren

In den Wirren um Air Berlin dürfte ein Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs zu genau dem richtigen Zeitpunkt kommen. Es ging um die Frage, von wem Passagiere Entschädigung für Flugverspätungen verlangen können, wenn die Fluggesellschaft den Flug gar nicht selbst durchführt, sondern die Maschine und eventuell sogar die Crew einer anderen Airline einsetzt.

Dass Airlines Maschinen der Konkurrenz einsetzen, ist gar nicht selten. So betreibt etwa Eurowings schon heute einen beträchtlichen Teil der Flüge mit Maschinen und Crews, die eigentlich zu Air Berlin gehören. In der Fachsprache nennt sich das Ganze Dry Lease (ohne Crew) und Wet Lease (mit Crew).

Wer also haftet für die Verspätung und muss Passagiere nach der Fluggastrechte-Verordnung entschädigen (es gibt zwischen 250 und 600 Euro)? Konkret ging es in dem Rechtsstreit u.a. um einen bei der Royal Air Maroc gebuchten Flug, den die spanische Swift Air durchgeführt hat. Die Fluggäste hatten Royal Air Maroc verklagt, bekamen aber erstaunlicherweise in den beiden ersten Instanzen nicht recht. Die Gerichte meinten, verantwortlich sei die ausführende Airline – obwohl diese dem Fluggast möglicherweise gar nicht bekannt ist.

Das korrigiert der Bundesgerichtshof jetzt und stellt fest: Die Gesellschaft, welche das Ticket ausstellt, haftet auch für die Entschädigung nach der Fluggastrechte-Verordnung. Das kann man sich jedenfalls gut merken. Wer sich für die juristischen Feinheiten des Streits interessiert, dem sei dieser Artikel in der Legal Tribune Online empfohlen.

Die Suche nach dem Handy

Bei einer Hausdurchsuchung hatten Polizisten einen eng begrenzten Auftrag. Sie sollten (nur) das Handy meines Mandanten beschlagnahmen. Das Telefon wurde aber nicht gefunden. Womöglich, weil mein Mandant schon was ahnte. Das wiederum veranlasste die Beamten dazu, von sich aus den Durchsuchungsbeschluss zu erweitern. Jetzt sollte in der Wohnung nach irgendwelchen anderen Beweismitteln gesucht werden, Unterlagen etc. Auch den PC des Mandanten wollte die Polizei mitnehmen, wenn er nicht freiwillig verriet, wo sich sein Handy befand.

So kam ich ins Spiel. In einem etwas hitzigen Telefonat konnte ich den Einsatzleiter überzeugen, dass er ausführendes Organ ist. Wenn das Gericht ausdrücklich die Suche auf das Handy XY und die SIM-Karte mit der Rufnummer 0175… beschränkt, dann ist das eben so. Es war allerdings eine ganze Zeit ein Wettbewerb, wer lauter schreien kann. Aber irgendwann drang die Botschaft durch, und die Beamten verließen die Wohnung.

Später erzählte mir der Mandant, dass er die ganze Zeit Höllenqualen durchgestanden hat. Er hatte das Handy an einem geschickt gewählten Platz im Badezimmer deponiert. Zeit, das Gerät auszuschalten, hatte er allerdings nicht mehr gehabt. Da wäre es natürlich Pech gewesen, wenn einer der drei Polizisten wirklichen kriminalistischen Scharfsinn gezeigt hätte.

Man hätte ja einfach mal die fragliche Rufnummer wählen können.

Unnötige Anklage

Aus einer Anklageschrift:

Dem Justus B. … wird folgendes zur Last gelegt:

Der Angeschuldigte führte am Tattag gegen 19.30 Uhr auf dem Grundstück an der N.straße eine Tüte mit insgesamt 0,7 g Bruttogesamtgewicht Marihuana zum Eigenkonsum bei sich. … Der Angeschuldigte ist bislang strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten.

Die Anklageschrift führt an sich alle Punkte auf, aus denen sich ergibt, dass sie nie hätte verfasst werden dürfen. Weiche Drogen. Geringstmenge. Verwendung zum Eigenkonsum. Keine Vorstrafen.

Also genau der Fall, für den das Bundesverfassungsgericht gesagt hat, dass eine Einstellung eigentlich naheliegt und ernsthaft geprüft werden muss – weil die Strafbarkeit des Besitzes von Marihuana insgesamt sonst nicht mehr verfassungsgemäß wäre.

Irgendwo im Instanzenweg wird die Einstellung deshalb noch erfolgen, dafür lehne ich mich mal aus dem Fenster.
Aber bis dahin haben wir wieder einen Vorgang mehr, der die Gerichte davon abhält, sich um die wirklich wichtigen Fälle zu kümmern.

Anzug vs. Jogginghose

Der Bewohner einer Mietwohnung, angeblich „Vorstandsfahrer“ bei einem großen Konzern, kommt nach Hause. Auf dem Flur begegnet er einem Nachbarn. Nach einem kurzen Wortwechsel rastet er aus und schlägt dem Nachbarn mit der Faust ins Gesicht. So stark, dass dieser umkippt und erst anderthalb Stunden später wieder aufwacht. Im Krankenhaus.

Jetzt will das Opfer verständlicherweise Schmerzensgeld. Die Sache geht vor Gericht. Der schönste Abschnitt der schriftlichen Klageerwiderung ist für mich folgender:

Der Beklagte befand sich zu dieser Zeit in seiner Arbeitskleidung, einem Anzug. Der Kläger war bekleidet mit einer Jogginghose und einem Unterhemd.

Wir haben uns zu diesem Punkt so geäußert:

Der Umstand, dass der Beklagte am fraglichen Tag einen Anzug getragen hat und der Kläger Freizeitkleidung, wird gerne zugestanden. Welchen Zweck der Beklagte in juristischer Hinsicht mit der Erwähnung der Bekleidung der Parteien verfolgt, erschließt sich ohnehin nicht. Sofern der Beklagte schwerwiegende ästhetische Probleme im Angesicht des Klägers verspürt haben sollte, berechtigte ihn dies trotzdem nicht zu einer Tätlichkeit.

Zurückhaltung, bitte

Ein Anwaltskollege hatte unwillkommenen Besuch. Die Polizei stand bei ihm in der Bürotür, versehen mit einem Durchsuchungsbeschluss. Immerhin hatte die verantwortliche Richterin klare Vorgaben für die Durchsuchung gemacht:

Die Vollstreckungshandlungen gegen den Beschuldigten Rechtsanwalt R. sind durch den Einsatz zivil gekleideter Beamter während der üblichen Geschäftszeiten und auch sonst unter größtmöglicher Rücksichtnahme auf den Kanzleibetrieb und den Ruf des Beschuldigten vorzunehmen. Das Ausmaß der – auch mittelbaren – Beeinträchtigung der beruflichen Tätigkeit des Beschuldigten ist mit Blick auf die herausgehobene Berufsausübung eines Rechtsanwalts für die Rechtspflege und für die Wahrung der Rechte seiner Mandanten so gering wie möglich zu halten.

Mit dieser doch recht deutlichen Anleitung ist wohl tatsächlich alles recht moderat abgelaufen. Schön wäre es natürlich, wenn sich solche Mahnungen zur Zurückhaltung öfter in Durchsuchungsbeschlüssen fänden. Und nicht nur dann, wenn es um eine angeblich „herausgehobene“ Berufsgruppe geht.

Zeuge oder Beschuldigter? Beides!

Für den cleveren Polizeibeamten liegt schon mal ein grober Klotz auf dem Weg zum Fahndungserfolg: das Gesetz. Es schränkt die Möglichkeiten mitunter ein, und das aus guten Grund. Stichwort Rechtsstaat.

So ein Widrigkeit begegnete Beamten jetzt in einem alltäglichen Fall. Jemand soll mit dem Auto meines Mandanten nicht nur gefahren sein. Vielmehr soll der Betreffende auch eine andere Autofahrerin beleidigt haben. Der zuständige Beamte wählte das Komplettpaket: Er lud meinen Mandanten als Zeugen vor. Laut Vorladung wollte er im Auftrag der Staatsanwaltschaft ermitteln, wer das Auto gefahren hat. Dazu wollte er meinen Mandanten vernehmen.

Gleichzeitig erhielt mein Mandant eine weitere Vorladung. Darin ordnete die Polizei die erkennungsdienstliche Behandlung meines Mandanten an. Die Fotos sollten der Autofahrerin vorgelegt werden. Vielleicht sagte sie ja aus, dass mein Mandant selbst am Steuer seines Autos saß.

So geht es aber nun wirklich nicht. Fotos dürfen zwar „zur Durchführung des Strafverfahrens“ gemacht werden. Aber halt nur vom Beschuldigten. Nicht von einem Zeugen. Wenn jemand als Beschuldigter einsortiert wird, kann man ihn aber nicht gleichzeitig als Zeugen ausfragen.

Auch die zuständige Staatsanwältin war am Telefon erstaunt, als ich sie nach dieser Methode befragte. Sie jedenfalls wollte damit dann doch nichts zu tun haben. Stattdessen einigten wir uns darauf, dass ich für meinen Mandanten erst mal Akteneinsicht erhalte. Damit ist die Porträtsitzung im Polizeipräsidium erst mal vom Tisch.

Sich gegen eine erkeunngsdienstliche Behandlung nach Kräften zu wehren, halte ich für wichtig. Auf wundersamen Wegen landen die Bilder aus konkreten Verfahren rechtswidrigerweise des öfteren in der „Verbrecherkartei“ mit Fotos, auf denen Zeugen später in ganz anderen Fällen Verdächtige identifizieren sollen. Ich kenne eigentlich niemanden, der sich ausgerechnet über diese Art des Kontrollverlustes am eigenen Bild freuen würde. Überdies klage ich für Mandanten durchaus gerne auf Löschung dieser Fotos, wenn die Zweckentfremdung mal wieder rauskommt. Die Erfolgsquote ist nämlich fast 100 %.

„… mindestens ca.“

Aus einer Anklageschrift in einem Drogenprozess:

… versandte der Angeklagte jeweils zu einem im Einzelnen nicht mehr bestimmbaren Zeitpunkt jeweils 600 ml Methadon-Hydrochlorid Lösung 1 % (entsprechend mindestens ca. 6 g Methadon-Hydrochlorid).

Die Formulierung „mindestens ca.“ übernahm auch der Strafrichter kritiklos in sein Urteil. Im Berufungsprozess am Landgericht ist das dann nicht mehr passiert. Der Richter sah ebenso wie ich einen gewissen inneren Widerspruch. Sicher nur ein kleiner Punkt, aber insgesamt ein Mosaiksteinchen auf dem Weg zu einem deutlich milderen Urteil.

Das haben wir dann auch gekriegt.