Anwaltshonorar verflüssigt sich

Telefonnotiz:

Anruf von Frau W. Das offene Honorar sollte ein Nachbar überweisen, weil sie nicht zur Bank kann. Aus bekannten Gründen. Online-Banking funktioniert bei ihr nicht.

Der Nachbar hat das Geld aber versoffen. Können wir die Zahlung auf den 04. oder 05. Januar verschieben, weil der Nachbar dann erst wieder Geld bekommt?

Ach Gott, es ist Weihnachten. Und für die Idee für einen Blogbeitrag sollte ich ja ohnehin einen Rabatt gewähren…

Narr klagt gegen Narren

Das Carneval Comitee Wuppertal streitet sich mit seinem aktuellen Karnevalsprinzen vor Gericht. Die Jecken haben den Mann gefeuert, weil von ihm Selfies aufgetaucht sind. Die Bilder zeigen den Prinzen in seinem närrischen Ornat; untenrum hat er allerdings nichts an.

Der Prinz leugnet die Fotos nicht. Diese habe er zu Hause gemacht und lediglich seinem Ex-Freund zugeschickt. Zum Spaß. Auf welchem Wege auch immer wurden die Bilder aber dem Carneval Comitee zugespielt.

Vor dem Amtsgericht geht es nun darum, ob der „Prinzenvertrag“ des Jecken fristlos gekündigt werden durfte. Begründet hatte der Narrenchef den Rauswurf so:

Du bist im Prinzenornat in unmöglicher, schamverletzender, fast pornografischer Pose und damit eines Prinzen der Stadt Wuppertal unwürdiger Art abgebildet.

Wann das Gericht entscheidet, ist wohl noch offen.

In der Tiefgarage

Gerichtsverhandlungen, die sich mit dem Missbrauch von Kindern beschäftigen, bringen für alle Beteiligte große Belastungen mit sich. Dieser Druck geht natürlich nicht mit dem Urteilsspruch weg. Deshalb habe ich es auch vor einigen Tagen mit Fassung genommen, als mir die Mutter eines missbrauchten Kindes, ich kann es nicht anders sagen, nach dem Gerichtstermin in der Tiefgarage des Gerichts auflauerte.

Ihre Vorwürfe habe ich mir angehört. Auch die Beschimpfungen. Und zwar nicht mit dem Vorsatz, Letztere mit einem Strafantrag zu kontern. Bei den Todesdrohungen, die sie mir von ihrem Mann ausrichten sollte, kam ich etwas ins Schwanken. Aber nun ja, immerhin kam ich dann auch mal zu Wort und fragte die Frau, wie sie es denn mit ihrem eigenen Anwalt bzw. dem ihrer Tochter hält. Dem Nebenklagevertreter, der jeden Verhandlungstag an ihrer Seite saß. Und mit dem sie so gut klar kam. Und von dem sie offenkundig sehr viel hält.

Zu Recht. Der Kollege ist ein gestandener Strafverteidiger. Ich erzählte der Frau von einer Konstellation aus dem Frühherbst. Da habe ich die Nebenklage vertreten. Es ging um ziemlich schwere Straftaten gegenüber einem elfjährigen Jungen. Wer saß da neben dem Angeklagten und legte sich für diesen ins Zeug, nach allen Regeln der Kunst? Genau jener Anwalt, den die Mutter dann als Nebenklagevertreter mit ins Boot holte.

Vielleicht hat sie ein wenig verstanden, was meine Rolle in so einem Verfahren ist. Insbesondere dass es für den Anwalt letztlich von Zufällen abhängt, ob er von einem Angeklagten beauftragt wird. Oder vom mutmaßlichen Opfer.

Wir trennten uns dann fürs Erste friedlich, jedenfalls nach den Umständen. Jetzt muss ich nur noch hoffen, nicht in nächster Zeit vom Laster umgefahren zu werden.

Quarantäne statt Plädoyer

In einem ziemlich komplizierten Mordverfahren sollten heute eigentlich die Plädoyers gehalten werden. Ihr könnt euch sicher denken, dass ich und mein Mitverteidiger in den letzten Tagen ordentlich über den Schlussvorträgen gebrütet haben. Immerhin hatten wir unser Plädoyer rechtzeitig fertig, und so konnte ich mich heute morgen mit einigermaßen leichtem Herzen auf den Weg zum Gericht machen.

Das war aber vergebens. Leider gibt’s im persönlichen Umfeld des zuständigen Staatsanwalts einen Corona-Fall. Sein Dienstherr tat das, was er tun muss und schickte den Mitarbeiter nach Hause. Der Staatsanwalt ist nun wohl daheim in Quarantäne.

Stellte sich noch die Frage, ob nicht vielleicht ein anderer Staatsanwalt das Plädoyer vortragen kann. Das war aber keine Option, denn einen vorbereiteten Text konnte der Staatsanwalt seinem Vertreter wohl nicht anbieten. Muss er ja auch nicht, ich arbeite in den meisten Fällen auch nur mit Notizen. Diese sind Grundlage für einen Vortrag in freier Rede. Die Notizen würde neben mir aber auch niemand verstehen.

Ich hätte ohnehin Bauchschmerzen gehabt, wenn ein Staatsanwalt, der den Fall gar nicht kennt, nur das Plädoyer seines Kollegen verliest, aber mangels Ahnung von dem Fall selbst gar nicht hinter den Aussagen stehen kann. Protestiert hätte ich dagegen nicht, denn Staatsanwälte sind Rädchen in einem Behördengegetriebe und somit grundsätzlich austauschbar – wie jeder gerichtlich tätige Jurist weiß. Aber sicher hätte ich es mir als (sehr entfernt) möglichen Revisionsgrund notiert. Ein paar entsprechende Gedanken sind ungewöhnliche Verfahrensabläufe immer wert.

Den nächsten Versuch startet das Gericht am 6. Januar, sofern das Herunterfahren des öffentlichen Lebens dann beendet ist. Oder wenn, wie schon im Frühjahr, die Justiz ihr eigenes Süppchen kocht und mehr oder weniger unbeeindruckt weiter arbeitet. Dem Staatsanwalt geht’s übrigens wohl gut, bislang ist er nicht positiv getestet. Wir haben seine Kollegin, die heute in der sehr kurzen Verhandlung die Stellung hielt, die besten Wünsche ausrichten lassen.

Tierische Dialektik

Das Schießen mit einem Luftgewehr auf eine Katze ist keine strafbare Tierquälerei im Sinne des § 17 Tierschutzgesetz – so urteilt das Landgericht Frankfurt am Main.

Das Verfahren nahm seinen Anfang bei einem Tierarzt. Bei der Untersuchung einer Hauskatze entdeckte dieser auf dem Röntgenbild das Projektil aus einem Luftgewehr. Es steckte in der Katze. Geschossen hatte wohl der Nachbar der Katzenhalterin. Es gab schon länger Streit wegen der Katze.

Das Amtsgericht verurteilte Mann wegen Tierquälerei zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen. Er sollte 16.100 Euro Strafe zahlen. Der Schütze ging in Berufung. Das Landgericht prüfte den Fall neu und sah keine Tierquälerei, sondern „nur“ eine Sachbeschädigung.

Hintergrund ist eine Rechtsfrage. Dazu hatte ein Tiermediziner im Prozess als Sachverständiger ausgesagt, ein Schuss mit einem Luftgewehr könne einer Katze lediglich leichte oder mittelschwere Schmerzen zufügen. Eine Strafbarkeit wegen Tierquälerei setzt aber voraus, dass einem Tier erhebliche Schmerzen oder Leiden zugefügt werden.

Blieb nur eine Verurteilung wegen Sachbeschädigung. Diese Verurteilung war durchaus möglich, denn Tiere sind nach dem Gesetz zwar keine Sachen. Allerdings sind – Vorsicht, es folgt typisch deutsche Juristendialektik – auf sie die Vorschriften über Sachen entsprechend anwendbar, wenn speziellere Normen des Tierschutzes nicht eingreifen (§ 90a BGB).

Mit seiner Berufung hat der Betroffene ordentlich gespart, sofern sein Anwalt nicht superteuer ist. Er muss jetzt nur 1.950 Euro Strafe zahlen.

Bericht in der Legal Tribune Online

Autor: RA Dr. André Bohn

Reine Formsache

Ich habe leider nicht viel Zeit, möchte euch aber einen lesenswerten Bericht des Südkurier nicht vorenthalten. Es geht um einen Rentner, der wegen einer Beleidigung verurteilt wurde, obwohl sich letztlich niemand beleidigt fühlte – auch wenn das Wort „Volldeppen“ gefallen sein könnte.

Das alles, weil eine Polizistin den mutmaßlich Geschädigten, Organistoren einer Demonstration gegen Corona-Leugner, einen Strafantrag regelrecht aufgedrängt haben soll. Und zwar, wenn man den Zeugen glauben darf, unter Vorspiegelung falscher Tatsachen. Die Beamtin soll gesagt haben, sie müsse den „Volldeppen“-Spruch sowieso anzeigen. Eine „Strafanzeige“ der möglicherweise Beleidigten habe sie als reine Formsache dargestellt.

Sachlich ist daran richtig, dass die Polizei natürlich mutmaßliche Beleidigungen anzeigen darf. Allerdings kann es nur zu einer Verurteilung kommen, wenn das Opfer auch einen Strafantrag stellt (schriftlich). Bei Beleidigungsdelikten kann der Strafantrag des Opfers noch nicht mal dadurch ersetzt werden, dass die Staatsanwaltschaft ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung bejaht. Mit anderen Worten: Wenn der Beleidigte keine Strafverfolgung will, darf es keine Verurteilung geben. Wobei der Beleidigte einen einmal gestellten sogar zurücknehmen kann. Nicht mal Gründe muss er hierfür nennen.

Schlecht gelaufen, muss man hier wohl sagen. Auch wenn die Konstellation eher ungewöhnlich ist, kommen fragwürdige Strafanträge gar nicht so selten vor. Ich hake deshalb in Verfahren, in denen ein Verfolgungsinteresse der Beleidigten nicht offenkundig ist, deshalb immer kritisch nach, ob der Zeuge tatsächlich einen Strafantrag stellen wollte. Oder ob er – gerade bei Polizeieinsätzen vor Ort, wo es oft schnell schnell geht – nur ein Blankoformular unterschrieben hat, das man ihm hingehalten hat. Damit lassen sich schon mal überraschende Wendungen herbeiführen. Im vorliegenden Fall hätte es schon gereicht, wenn die Zeugen vom Gericht angehört worden wären. Wieso das nicht geschehen ist, steht leider nicht im Artikel.

Bohrende Rechtsfragen

Ich will jetzt nicht ins Detail gehen, warum ich letzte Woche meine Bohrmaschine in der Straßenbahn vergessen habe. Ist aber der Fall.

Die Bohrmaschine ist kein ganz billiges Gerät und überdies noch eine Art Erbstück. Ich habe deshalb beim Verkehrsbetrieb und beim Fundbüro nachgefragt. Erfolglos. Mit einer Videoüberwachung konnte man – unbeschadet des Datenschutzes – schon deswegen nicht helfen, weil der betreffende Wagen gar nicht überwacht wird.

Ich habe etwas länger überlegt, entschloss mich dann aber zu einer Anzeige. Bei einem Handy, das jemand bei Gelegenheit in die Tasche steckt, würde man den Verlust ja auch eher nicht auf sich beruhen lassen. Der Polizeibeamte der Wache nahm sich meiner auch sehr freundlich an. Bei der Belehrung wies er mich allerdings darauf hin, ich könne gar keine Diebstahlsanzeige aufgeben.

Sondern nur eine wegen Unterschlagung, denn darum handele es sich.

Echt?

Für einen Diebstahl braucht man unter anderem die Wegnahme einer fremden beweglichen Sache. Eine Wegnahme setzt voraus, dass jemand Gewahrsam an der Sache hat. Es muss also jemand willentlich die Sachherrschaft über die Sache ausüben. Bei der Bahn und Nahverkehrsunternehmen ist aber genau das der Fall. Die Rechtsprechung geht davon aus, dass das Unternehmen grundsätzlich Gewahrsam an allen Sachen begründen will, die in den Fahrzeugen verloren gehen. Ist übrigens auch meist bei Restaurants der Fall, und auch in Geschäften. In solchen Fällen ist die Unterschlagung aber dann halt eher ein Diebstahl, weil der fremde Besitzwille, und sei er auch noch so abstrakt, gebrochen wurde.

Ich verzichtete allerdings auf jede Diskussion zu dieser Frage und machte deutlich, dass ich auch eine Anzeige wegen Unterschlagung super finde. Wir dürfen ja ohnehin annehmen, dass es für eventuelle Ermittlungen kaum eine Rolle spielt, ob Ausgangspunkt ein mutmaßlicher Diebstahl oder eine Unterschlagung ist. Und wenn die Sache, wie zu befürchten, ohnehin nach einer kleinen Schamfrist ohne weitere Prüfung eingestellt wird, wird höchstens die Kriminalstatistik geringfügig verzerrt.

Autor: RA Dr. André Bohn

Verfahrensökologische Gründe

Aus einem Ermittlungsbericht der Polizei:

Aus verfahrensökologischen Gründen wurden lediglich die Belege bis Seite 6 ausgedruckt. Die restlichen Belege (bis Blatt 112) finden sich auf dem Datenträger (DVD), welcher der Akte beigefügt wird.

Man wird lange diskutieren können, was der Natur mehr schadet. 196 gedruckte DIN-A-Seiten. Oder eine DVD. Auf der sich übrigens keine weiteren Daten befinden.

Aber unabhängig davon: Verfahrensökologische Gründe sind eine fast geniale Wortschöpfung.

Keine Pointe

Vor einigen Tagen haben sie vor Gericht einen Kriminalbeamten vernommen, der sich auf seiner Dienststelle nur mit der Auswertung von sichergestellten Datenträgern beschäftigt. Und vor allem mit der Entschlüsselung – da soll er richtig gut sein, wie man hört.

Der Beamte heißt Data, nach eigenen Angaben allerdings schon seit Geburt. Ansonsten keine Pointe.

Aha- und Oha-Effekte

Nach der Verlosung ist vor der Verlosung. Vor wenigen Tagen haben wir wie jedes Jahr den Anwaltskalender unter die Leute gebracht, jetzt gibt es rechtzeitig vor Weihnachten im law blog noch weitere schöne Preise. Wie schon im Vorjahr gibt es zehn Exemplare des Grundrechte-Quartetts zu gewinnen.

Mit dem Quartett soll spielerisch die Wichtigkeit der Grundrechte betont, entsprechendes Wissen vermittelt und die Gefährdungen veranschaulicht werden, denen unsere Verfassung ausgesetzt ist. Nähere Informationen über das Grundrechte-Quartett gibt es hier.

Wer sich ein Gratisexemplar frei Haus sichern möchte, schreibt einfach bis spätestens Sonntag, 13. Dezember, eine Mail an: info@recht-unterhaltsam.de. Gebt bitte die Adresse an, an die das Quartett geschickt werden soll (die Daten werden nur für die Verlosung genutzt).

Selbstredend eignet sich das Grundrechte-Quartett auch als kleines Weihnachtsgeschenk für jedes Alter. Für die jüngeren Generationen dürfte das Quartettspiel wahrscheinlich so rätselhaft sein wie die Bedienung eines Wählscheibentelefons. Mit Aha- und Oha-Effekten ist also zu rechnen. Beim Spielen aber bitte die Abstandsregeln einhalten, die Autoren übernehmen hierfür keine Verantwortung.

Das Quartett kostet bis Ende des Jahres 7,00 € inkl. Versand. Bestellungen sind auf dieser Seite möglich.

Allen Teilnehmern viel Glück.

Student besiegt Anwalt

Auch Rechtsanwälte müssen ihre Mandanten über das gesetzliche Widerrufsrecht belehren, wenn das Mandat ausschließlich online, übers Telefon oder per Brief erteilt wird. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Jurist seine Mandate seine Dienste vorwiegend auf diesem Weg anbietet, also über ein entsprechendes „Vertriebssystem“ verfügt. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden.

Es geht um den Fall eines Jurastudenten. Dieser wollte eine Prüfungsnote anfechten und suchte sich online einen spezialisierten Anwalt. Dessen Honorar von 6.000 Euro wollte der Student aber nicht zahlen; er forderte such die Anzahlung von 3.000 Euro zurück. Er sei immer noch zum Widerruf des Vertrages berechtigt, da er über sein Widerrufsrecht nicht belehrt wurde.

Der Bundesgerichtshof sieht im Anwaltsvertrag ein ganz normales Fernabsatzgeschäft. Deshalb gelte die gesetzliche Vermutung, dass bei online oder telefonisch geschlossenen Verträgen ein Widerrufsrecht besteht (§ 312c BGB). Das sei nur dann nicht der Fall, wenn der Anbieter kein „für den Fernabsatz organisiertes Vertriebs- oder Dienstleistungssystems“ betreibt, der Vertrag also nur „zufällig“ nicht vor Ort abgeschlossen wurde. Es sei aber Aufgabe des Anwalts, genau das zu belegen.

Dem verklagten Juristen hält der Bundesgerichtshof vor, er bearbeite ein sehr begrenztes Rechtsgebiet, sei deutschlandweit tätig und werbe aktiv für die Mandatserteilung etwa per E-Mail und Telefax auf seiner Homepage. Das spreche für ein entsprechendes Vertriebssystem. Der Anwalt hatte lediglich eingewandt, er behalte sich vor, Mandat abzulehnen. Das reicht jedoch nicht, so das Gericht (Aktenzeichen IX ZR 133/19).

Staatsanwalt lehnt Richter ab

Vor allem, aber nicht nur in Fachkreisen ist der Jugendrichter Andreas Müller wegen seiner kritischen Einstellung zur Strafbarkeit des Cannabiskonsums bekannt.

So ist Müller schon häufig in der Öffentlichkeit aufgetreten und hat außerhalb des Gerichtssaals die Entkriminalisierung des Cannabiskonsums gefordert. Außerdem hat er schon mehrmals Normkontrollanträge an das Bundesverfassungsgericht gerichtet, weil in dem konkreten Fall, den er zu entscheiden hatte, das strafrechtliche Cannabisverbot verfassungswidrig sei.

Die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) hat nun in einem Verfahren gegen einen Heranwachsenden wegen Besitzes von 28,4 Gramm Cannabis einen Befangenheitsantrag gegen Andreas Müller als zuständigen Richter des Amtsgerichts Bernau gestellt. Hintergrund ist, dass Müller das Verfahren bis zu einer (weiteren) Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Cannabisverbot ausgesetzt hat. Aufgrund einer Gesamtschau der Tätigkeiten des Richters, so die Staatsanwaltschaft, bestehe die Besorgnis der Befangenheit.

Erklärtes (Fern-)Ziel des Befangenheitsgesuches ist es, dass Müller gar keine Drogendelikte mehr aburteilen darf.

Einzelheiten zu dem Fall stehen in der Legal Tribune Online.

Autor: RA Dr. André Bohn

Draußen vor der Tür

Für einen inhaftierten Mandanten hatte ich mich bereiterklärt, beim nächsten Besuch in der JVA Kleidung mitzubringen. Um es vorab zu sagen: Den Besuch hätte ich mir sparen können…

Viele Justizvollzugsanstalten lassen – coronabedingt – mittlerweile auch Verteidiger nur noch mit Termin zum Mandanten. Ich verabredete telefonisch mit der Besuchsabteilung einen Termin für ein Gespräch und die Übergabe der Kleidung (damit der Mandant im anstehenden Gerichtstermin ordentlich angezogen ist).

Wie mittlerweile üblich, habe ich dann an der Pforte der JVA bestätigt, dass ich mich gesund fühle, keinen Kontakt zu Personen hatte, die mit dem Corona-Virus infiziert sind, und meine Sachen hatte ich auch schon in der Aufbewahrungsbox hinter der Pforte eingeschlossen.

Ich wartete darauf, dass sich die nächste Tür öffnen würde, damit ich in die eigentliche Besuchsabteilung kommen konnte, wurde dann aber durch die Gegensprechanlage nochmals zur Pforte beordert. Nun hieß es, der Mandant sei schon seit Tagen in „Quarantäne“. Ein Besuch dürfe daher nicht stattfinden. Kleidung würde ebenfalls nicht mehr entgegengenommen, allerdings mit der interessanten Begründung, der Mandant habe schon genug zum Anziehen.

Auch mein Verweis darauf, dass das alles telefonisch so abgesprochen sei, half nichts. Mir blieb daher nichts anders übrig als vor der JVA mit meinem Handy nochmal die Besuchsabteilung zu kontaktieren. Dort ging wider Erwarten (und jeder Erfahrung) auch sofort jemand ans Telefon. Die Mitarbeiterin bedauerte, dass sich niemand bei mir gemeldet hatte.

Eine Kollegin, die gerade erst aus dem Urlaub zurück sei, habe den Besuch genehmigt, ohne die Quarantäne-Liste zu überprüfen. Tja, dumm gelaufen. Vor allem für mich. Zwei Stunden unterwegs für nichts. Ich hoffe, beim nächsten Versuch läuft es besser.

Autor: RA Dr. André Bohn

„Ich werde mein Leben lang Buße tun“

In München ist ein ehemaliger Jurastudent zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden. Der heute 35-Jährige hat mehrere Jahre in diversen Anstellungen bei Kanzleien und Unternehmen als Rechtsanwalt gearbeitet, obwohl er kein Staatsexamen hat. Die Arbeitgeber zahlten dem Mann bis zu 132.000 Euro Jahresgehalt.

Dafür hatte der Betreffende aber auch tief in die Trickkiste gegriffen. Er nutzte ein Praktikum in einem Münchner Notariat, um sich mit den dortigen Stempeln gefälschte Examenszeugnisse zu beglaubigen. Dabei bestätigte er sich Prädikatsnoten, wie sie in Bayern nur von einem kleinen einstelligen Prozentanteil geschafft werden.

Die Rechtsanwaltskammer ließ den Mann aufgrund der gefälschten Zeugnisse zu. Er arbeitete ab 2016 zunächst in einer Großkanzlei im Bereich Immobilienrecht. Obwohl er nur sechs Semester studiert hatte, schlug er sich knapp zwei Jahre durch. Seine Leistungen seien erst nach einiger Zeit „kritisch bewertet“ worden, hieß es vor Gericht. Daraufhin kündigte der Mann selbst und suchte sich einen neuen Job bei einer Versicherung. Dort bekam er ein Jahresgehalt von 132.000 Euro, leistete nach Angaben der Versicherung gute Arbeit, war aber mit seinen Aufstiegschancen nicht zufrieden.

Der Wunsch nach beruflicher Veränderung wurde dem Mann dann zum Verhängnis. Er sicherte sich eine Anstellung bei einer Kanzlei, wo er ab Anfang dieses Jahres 120.000 Euro im Jahr verdient hätte. Allerdings wurde der neue Arbeitgeber stutzig. Ihm war nämlich aufgefallen, dass ein Examenszeugnis am Pfingsmontag 2015 ausgestellt worden sein soll – was für eine Behörde eher ungewöhnlich ist.

Vor Gericht kassierte der Mann nun eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung. Er macht mittlerweile eine Lehre im Handwerk. Aber auch wenn dieses goldenen Boden hat, wird er lange an seinen Schulden abbezahlen müssen – sofern das Urteil rechtskräftig wird. Das Amtsgericht ordnete nämlich an, dass der Angeklagte auch seinen Verdienst erstatten muss, das sind insgesamt 325.642 Euro.

Über sich selbst hat der Angeklagte erzählt, er sei ein „arroganter und hochnäsiger Mitarbeiter“ gewesen. Diese Attitüde legte er vor Gericht ab. „Ich werde mein Leben lang Buße tun“, versprach er (Aktenzeichen 823 Ls 231 Js 185686/19).

„Herr“ und „Frau“ reichen nicht mehr aus

Bei der Deutschen Bahn kann man (bisher) online nur dann eine Fahrkarte buchen, wenn man sich entweder als „Herr“ oder „Frau“ registriert. Das wird sich künftig voraussichtlich ändern, denn wegen der zwingenden Geschlechtsangaben hat die Bahn Probleme mit der Justiz. Auf die Klage einer Person nicht-binären Geschlechts hat das Landgericht Frankfurt die Bahn verurteilt, auch die Geschlechtsangabe „divers“ zu ermöglichen oder auf eine Geschlechtsangabe zu verzichten.

Geärgert hatte sich die klagende Person auch darüber, dass sie nach dem Kauf der Fahrkarte entsprechend der eigenen (Zwangs-)Angabe von der Bahn als „Herr“ angeschrieben wurde. Das Gericht sieht in der Pflicht, sich zu einem bestimmten Geschlecht zu bekennen, eine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts.

Die Richter verweisen darauf, dass nach dem neuen Personenstandsgesetz Personen verlangen können, dass ihr Geschlechtszugehörigkeit gar nicht registriert oder als „divers“ eingetragen wird. Die klagende Person hatte zwar ihren Personenstandseintrag bislang nicht geändert. Doch das ist auch nicht erforderlich, so das Gericht. Das Recht auf eine der geschlechtlichen Identität entsprechenden Anrede bestehe nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bereits bei gefühlter Geschlechtsidentität, eine Registeränderung sei nicht erforderlich.

Auch sei nicht ersichtlich, wozu die Bahn eine Zuordnung „Herr“ oder „Frau“ benötige. Das Geschlecht des Kunden sei für die Dienstleistung völlig unerheblich. Auch sei es der Bahn möglich, bei entsprechender Angabe auch neutrale Anreden etc. zu wählen, etwa „Guten Tag“.

Ein Schmerzensgeld verweigert das Gericht der klagenden Person aber. Die Beeinträchtigung sei nicht so schwerwiegend, dass eine finanzielle Entschädigung erforderlich wäre. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig (Aktenzeichen 2-13 O 131/20).