Gespräche mit Jorge

Kleider machen Leute. Manieren auch. Und je höher man die Nase trägt, desto mehr zahlt sich das häufig in finanzieller Hinsicht aus. Ich weiß nicht, ob das allgemeingültige Wahrheiten sind. Einer meiner Mandanten hat es mit dieser Einstellung jedenfalls sehr weit gebracht. Seine Attitüden waren sogar in der Haftanstalt legendär, in die es ihn letztlich für einige Jahre verschlagen hat.

Ich will nur ein Detail herausgreifen. Der Mandant hatte in der Strafhaft zwar eine Telefonerlaubnis, an sich konnten wir unbegrenzt telefonieren. Aber schon in besseren Tagen, als das Unheil nur ein klein bisschen am Horizont dräute, hielten sich unsere persönlichen Kontakte in Grenzen. Wozu hat man schließlich eine Assistentin? Mit der durfte ich so gut wie alles besprechen, von ihr bekam ich dann auch das notwendige Feedback. Meistens.

Die Assistentin gab es zur Knastzeit nicht mehr. Aber die treue Ehefrau. So telefonierte der Mandant fast immer nur mit ihr. Nicht mit mir. Sie richtete mir seine Wünsche/Fragen aus, ich arbeitete die Punkte brav ab. Vollzug meldete ich an die Gattin, die mir dann ein Thumbs up simste, wenn die Sache im Sinne des Mandanten gelaufen war. Persönlicher Kontakt? Ach, geh hin, höchstens im Notfall. Der zum Glück eher selten eintrat.

Nun ist der der Mandant geraume Zeit wieder draußen. Sogar von seiner geglückten Entlassung erfuhr ich von der Ehefrau. Immerhin ließ er mir herzliche Grüße ausrichten. Wieso ich an die Geschichte denke? Es ist die Telefonnotiz, die heute morgen aufgenommen wurde:

Herr Jorge P. bittet um Rückruf. Er ist der Assistent von Herrn S. Es gibt einige Dinge zu besprechen, die Sie bitte mit Herrn P. klären möchten.

Wir sind also wieder im Geschäft.*

*Für diesen Beitrag wurden keine Haustiere gequält und auch das Anwaltsgeheimnis nicht verletzt.