EncroChat-Daten: Ein Gericht sieht es anders

Wir hatten schon einmal über die Verwertung der höchstwahrscheinlich rechtswidrig erlangten EncroChat-Daten berichtet. Das Landgericht Berlin hat sich nun gegen die bisherige Linie anderer Gerichte gestellt, welche auf der Basis der EncroChat-Dateien schon etliche Angeklagte verurteilt haben. Das Landgericht Berlin lehnt dagegen die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen zwei mutmaßliche Drogendealer ab, weil die Beweise maßgeblich aus EncroChat-Kommunikation herrühren und das Gericht die Erkenntnisse für unverwertbar hält (Bericht im Spiegel).

Die Richter bemängeln, dass beschuldigtenschützende Vorschriften des Rechtshilferechts umgangen worden seien und kein konkreter Tatverdacht vorlag. Auch hätten die deutschen Behörden unterrichtet werden müssen, sofern aus einem anderen Land Personen auf deutschem Staatsgebiet überwacht werden sollten. Auch dies hätte nicht stattgefunden. Weiterhin unterließen es die deutschen Behörden auch zu prüfen, ob ein entsprechendes Vorgehen nach deutschem Recht zulässig gewesen wäre. Auch dies hätte aber – so das Gericht – gemacht werden müssen. Die Staatsanwaltschaft will nun Beschwerde gegen den Nichteröffnungsbeschluss einlegen.

Ich positiv überrascht, dass sich ein Gericht dazu durchringen konnte, EncroChat-Daten für unverwertbar zu erklären. Es ist offensichtlich, dass die Erlangung der Daten nach deutschem Recht rechtswidrig war. Zwar kann man nach deutschem Recht je nach Schwere des Vorwurfs trotzdem noch zu einer Verwertbarkeit der Beweise kommen, aber jetzt besteht zumindest ein Präzedenzfall, in dem von einer Unverwertbarkeit ausgegangen wird. Dies ist aber sicherlich nicht das Ende der Fahnenstange. Es wird etwas dauern, aber der Bundesgerichtshof, das Bundesverfassungsgericht und wahrscheinlich auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte werden sich auch noch mit der Materie auseinandersetzen müssen.

Link zum Beschluss des Landgerichts Berlin

RA Dr. André Bohn