23 Monate <-> 10 Tage

23 Monate ist es her, dass ich eine Ermittlungsakte zuletzt zur Einsicht im Büro hatte. Seinerzeit schickte ich die Unterlagen zurück und legte eine Verteidigungsschrift bei. Deren Inhalt sorgte für, nun ja, eine gewisse Betriebsamkeit bei der Staatsanwaltschaft und der Polizei. Hektisch würde ich diese allerdings nicht nennen.

Es dauerte die erwähnten fast zwei Jahre, bis nun ein „ergänzender Abschlussbericht“ vorgelegt wurde. Der umfasst immerhin 49 Seiten. Aber auf den Inhalt kommt es mir hier gar nicht an. Sondern auf die Vorstellung der zuständigen Staatsanwältin, dass sie meine Stellungnahme erwartet, ich ztiere: „binnen 10 Tagen, danach ergeht Entscheidung nach Aktenlage“.

Gut, vielleicht hat sie sich mit Blick auf das eigene Arbeitstempo und das der Polizei nur verschrieben. Und meinte eigentlich „10 Monate“. War aber nicht so, wie ich in einem Telefonat herausfinden konnte. Es ist übrigens nie eine schlechte Idee, in solchen Fällen das persönliche Gespräch zu suchen, statt direkt böse beA-Nachrichten zu verfassen. So ganz verständnislos für die Arbeitsbelastung eines Anwalts sind Staatsanwälte nämlich gar nicht. Bis zum 2.11. habe ich jetzt Zeit, damit kann ich leben.

EncroChat-Daten: Ein Gericht sieht es anders

Wir hatten schon einmal über die Verwertung der höchstwahrscheinlich rechtswidrig erlangten EncroChat-Daten berichtet. Das Landgericht Berlin hat sich nun gegen die bisherige Linie anderer Gerichte gestellt, welche auf der Basis der EncroChat-Dateien schon etliche Angeklagte verurteilt haben. Das Landgericht Berlin lehnt dagegen die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen zwei mutmaßliche Drogendealer ab, weil die Beweise maßgeblich aus EncroChat-Kommunikation herrühren und das Gericht die Erkenntnisse für unverwertbar hält (Bericht im Spiegel).

Die Richter bemängeln, dass beschuldigtenschützende Vorschriften des Rechtshilferechts umgangen worden seien und kein konkreter Tatverdacht vorlag. Auch hätten die deutschen Behörden unterrichtet werden müssen, sofern aus einem anderen Land Personen auf deutschem Staatsgebiet überwacht werden sollten. Auch dies hätte nicht stattgefunden. Weiterhin unterließen es die deutschen Behörden auch zu prüfen, ob ein entsprechendes Vorgehen nach deutschem Recht zulässig gewesen wäre. Auch dies hätte aber – so das Gericht – gemacht werden müssen. Die Staatsanwaltschaft will nun Beschwerde gegen den Nichteröffnungsbeschluss einlegen.

Ich positiv überrascht, dass sich ein Gericht dazu durchringen konnte, EncroChat-Daten für unverwertbar zu erklären. Es ist offensichtlich, dass die Erlangung der Daten nach deutschem Recht rechtswidrig war. Zwar kann man nach deutschem Recht je nach Schwere des Vorwurfs trotzdem noch zu einer Verwertbarkeit der Beweise kommen, aber jetzt besteht zumindest ein Präzedenzfall, in dem von einer Unverwertbarkeit ausgegangen wird. Dies ist aber sicherlich nicht das Ende der Fahnenstange. Es wird etwas dauern, aber der Bundesgerichtshof, das Bundesverfassungsgericht und wahrscheinlich auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte werden sich auch noch mit der Materie auseinandersetzen müssen.

Link zum Beschluss des Landgerichts Berlin

RA Dr. André Bohn

Exotische Ziele

15 Stunden Fortbildung muss ein Fachanwalt absolvieren. Pro Jahr. Als „exotisches“ Ziel für so ein Seminar war mir bisher Mallorca bekannt, wohin schon seit vielen Jahren Bildungsreisen dieser Art gehen. Aber womöglich kannte ich das Angebot der Firma SiS – Seminare im Schloss einfach noch nicht. Ich zitiere aus dem aktuellen Newsletter:

Darüber hinaus machen wir Sie jetzt bereits aufmerksam auf eine Reihe von Auslandsseminaren, bei denen Sie auf dem Fachgebiet Strafrecht Fortbildung gem. Fachanwaltsordnung absolvieren und die Reisekosten steuerlich absetzen können:

Istanbul – 11. – 15. 08. 2021

Kenia – 25. 12. – 07. 01. 2022

Florida – 25. 02. – 06.03. 2022

Namibia – 13. 04. – 24.04./ 01.05.2022

Kapstadt – 03. – 12. 06. 2022

Die Fortbildung wird so eingeplant, dass Sie – steuerlich gesehen – täglich Anlass zu der Reise haben (BFH, U v 21. April 2010, VI R 5/07)

Jetzt wisst ihr auch, warum das „exotisch“ im zweiten Satz in Anführungszeichen steht. Mir fehlt allerdings ein klein wenig der Glaube, dass die Diskussion mit dem Prüfer vom Finanzamt wirklich so schmerzfrei verläuft.