Was ist mit Preisgarantien bei Strom und Gas?

Energiepreise schießen in die Höhe, die Gasumlage kommt. In der einen oder anderen Form. Allerdings brauchen Kunden nicht jede Preiserhöhung zu schlucken. Das gilt zum Beispiel bei Tarifen mit Preisgarantie, hat das Landgericht Düsseldorf in einem Eilverfahren entschieden.

Ein Energieversorger bot Strom- und Gasverträge mit sogenannter „eingeschränkter Preisgarantie“ an und warb auch mit der Krisensicherheit seiner Preise. Dennoch wollte das Unternehmen nun die gestiegenen Einkaufspreise zumindest teilweise auf die Kunden abwälzen. Die Verbraucherzentrale NRW ging dagegen juristisch vor. Nach Auffassung der Verbraucherschützer bedeutet eine eingeschränkte Preisgarantie, dass nur höhere Steuern, Abgaben oder Umlagen auf die Kunden abgewälzt werden dürfen. Höhere Beschaffungspreise unterfallen dagegen der Preisgarantie. Das klingt logisch, denn was bliebe sonst von einer Garantie.

Das Landgericht Düsseldorf erließ die einstweilige Verfügung gegen den Anbieter. Die Verbraucherzentrale hat außerdem einen Musterbrief veröffentlicht, mit dem Verbraucher auf Preiserhöhungen reagieren können (Aktenzeichen 12 O 247/22).

Strafprozess: Fristen werden wieder gehemmt

Auch im Bereich des Strafrechts sind mit dem Frühjahr einige Covid-bedingte Regeln ausgelaufen. Zu den wichtigsten gehörte die Hemmung eventueller Fristen, sofern der Prozess wegen Corona nicht (fort-)geführt werden kann.

Derzeit gelten wieder die ganz normalen Vorschriften der Strafprozessordnung. Für den Herbst möchte die Bundesregierung aber wieder Hemmungsfristen einführen. Geplant ist aber, die zusätzliche Hemmung von den früheren zwei Monaten auf einen Monat zu reduzieren. Dann könnte ein Strafprozess unter Einrechnung der ohnehin geltenden Fristen maximal zwei Monate und zehn Tage unterbrochen werden.

Die Änderung muss noch vom Bundestag verabschiedet werden.

Malle ist wieder frei

Malle ist wieder frei, und zwar in jeder Hinsicht. Nach diversen Rechtsstreiten sind die Wortmarken für den Begriff Malle sowohl auf deutscher wie auf europäischer Ebene nun unwirksam. Das hilft allen, die Malle-Parties veranstalten oder T-Shirts bedrucken wollen. Ansonsten sind der Fantasie natürlich keine Grenzen gesetzt. Der bisherige Markeninhaber hatte seit einigen Jahren Nutzer seiner Marken abgemahnt.

Das ist nach diversen Prozessen nun hinfällig, berichtet die Legal Tribune Online.

Kein Training – keine Beiträge

Ihr habt während der Lockdowns Beiträge zum Fitnessstudio gezahlt? Oder ihr habt nicht gezahlt, aber die Laufzeit eures Vertrages soll sich für die Zeit der Schließung verlängern? Dann wird euch ein aktuelles Urteil des Kammergerichts Berlin interessieren.

Den knallharten Gebührenkurs fuhr eine mittelgroße Studiokette, wie so viele andere auch. Nun muss der Anbieter aber juristisch einlenken. Auf eine Sammelklage des Verbraucherzentrale Bundesverbands gibt das Unternehmen nach, die Ansprüche der Kunden werden anerkannt. Es handelt sich um eine sogenannte Musterfeststellungsklage. Rund 1.200 Kunden hatten sich angeschlossen.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband sieht sich in der Auffassung bestätigt, dass Fitnessstudios die Lockdown-Kosten nicht auf ihre Kunden abwälzen können. Vielmehr gelte der Grundsatz „Kein Training – keine Beiträge“. Es gibt mittlerweile auch etliche andere Urteile, die den Kunden recht geben. Bislang habe ich allerdings von keinem einzigen Studio gehört, das Beiträge ohne Aufforderung freiwillig erstattet hat.

Da hilft nur entschiedenes Nachhaken…

Pressemitteilung der Verbraucherschützer

Bei gelb nicht gleich rot sehen

Gelbe Briefe von der Justiz sind in der Regel nicht beliebt. Ein Problem ist auch, dass man diese Schreiben nicht persönlich entgegennehmen muss. Eine sogenannte förmliche Zustellung ist auch dann wirksam, wenn der Zusteller bescheinigt, dass er die Unterlagen in den Briefkasten geworfen hat. Ob der Empfänger das Schreiben tatsächlich gesehen hat, darauf kommt es dann nicht mehr an.

Daran ändert sich auch künftig nichts. Bis auf ein Detail. Vergisst der Zusteller nämlich, den Tag der Zustellung wie gesetzlich vorgeschrieben auf dem gelben Briefumschlag zu notieren, ist der Tag nicht fix. Selbst wenn der Zusteller ihn in der sogenannten Zustellungsurkunde korrekt festgehalten hat.

Bislang war immer fraglich, ob das – tatsächlich sehr oft vergessene – Datum auf dem Briefumschlag Auswirkungen hat. Ja, sagt der Anwaltssenat des Bundesgerichtshofs jetzt in einer neuen Entscheidung. Das moderne Zustellungsrecht sehe den Datumsvermerk ausdrücklich vor (§ 180 ZPO). Davon dürfe auch nicht abgewichen werden, dann ansonsten bleibe dem Empfänger unklar, wann das Schriftstück in seinem Briefkasten hinterlassen wurde. Einem Anwalt, der gegen den Entzug seiner Zulassung geklagt hatte, verhilft der Bundesgerichtshof so zur Wahrung seiner Einspruchsfrist.

Falls ihr bei Zustellungen mal Stress mit Behördenfristen habt, schaut euch den gelben Umschlag an. Fehlt auf diesem das Datum, ist vielleicht noch was zu machen. Denn dann kommt es darauf an, wann ihr das Schreiben tatsächlich zur Kenntnis genommen habt. Das kann deutlich später gewesen sein, es soll ja so was wie Urlaub und Dienstreisen geben (Aktenzeichen AnwZ (Brfg) 28/20).

Keine Brust-OP aus ästhetischen Gründen

Für ästhetische Operationen wie Brustvergrößerungen zahlen die Krankenkasse nur in seltenen Fällen. Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen bekräftigt die restriktive Haltung.

In dem entschiedenen Fall hatte eine 52-Jährige geklagt, die sich im Alter von 26 Jahren die Brüste vergrößern ließ. Im Alter von rund 50 Jahren wurde bei ihr Brustkrebs festgestellt, die Implantate mussten entfernt werden. Zwei Jahre nach der Operation beantragte die Frau, dass ihr die Krankenkasse neue Implantate bezahlt. Zur Begründung sagte sie, sie leide psychisch unter ihren kleinen Brüsten, erotisch spiele die weibliche Brust eine tragende Rolle bei der Sexualität.

Für das Gericht genügen diese Argumente nicht. Zum einen sei durch die Krebsbehandlung die ursprünglich vorhandene Brust nicht verkleinert worden. Eine subjektive Belastung lasse sich nicht hinreichend sicher feststellen. Deshalb bleibe es dabei, dass Brustvergrößerungen nur bei äußerlicher Entstellung oder zur (meist) krebsbedingten Rekonstruktion bezahlt werden Laut Gericht steigt die Zahl von Klagen auf Lifestyle-Operationen und ästhetische Medizin seit einigen Jahren stark an (Aktenzeichen L 16 KR 344/21).

Vermieter stellt Gas ab, Amt schreitet ein

Das Frankfurter Ordnungsamt musste einen Vermieter zwingen, die Gasversorgung seiner Mieter wieder herzustellen. Der Mann hatte am 30. Juni das Gas abgedreht, weil er Versorgungsengpässe fürchtet. Überdies wolle er seine Mieter vor steigenden Kosten schützen.

Eine ältere Mieterin, überdies pflegebedürftig, war verständlicherweise not amused. Sie wandte sich an das Ordnungsamt. Dieses verpflichtete den Vermieter per Verwaltungsakt, die Versorgung innerhalb von einer Woche wieder herzustellen.

Der Fall kam nun vor das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main. Dort erklärte der Vermieter es für zumutbar, wenn die Mieter das Wasser auf dem Herd warm machen und bei Kälte zu Elektroheizlüftern greifen.

Das Gericht stellt sich auf den Standpunkt, die Versorgung mit Warmwasser gehöre in Deutschland zu den Mindeststandards für menschenwürdiges Wohnen, und zwar über die reguläre Energieversorgung. Überdies ist der Vermieter auch aus dem Mietvertrag verpflichtet, die Energieversorgung aufrecht zu erhalten. Jedenfalls so lange ihm dies tatsächlich möglich ist, muss man hinzufügen (Aktenzeichen 8 L 1907/22.F).

Mama fährt mit

Dass Autofahrer in kurzer Zeit mehrfach geblitzt werden, gehört bei der Polizei zum Alltag. In Berlin und Brandenburg war es allerdings ein 17-Jähriger, der binnen Tagen seinem fahrbaren Untersatz seeeeehr deutlich zu viel Zunder gab. Dabei war der junge Mann nicht alleine im Auto. Auf dem Beifahrersitz saß stets seine Mutter, welcher wohl auch der Sportwagen gehört.

Formal waren mit Mamas Anwesenheit also die Voraussetzungen des „begleiteten Fahrens“ für Fahranfänger erfüllt. Ansonsten ist die juristische Bilanz der zwei Tempofahrten eher suboptimal. In Brandenburg fuhr der 17-Jährige 217 km/h auf der Autobahn; erlaubt waren 120 km/h. In Berlin fiel der Porsche hinter dem Britzer Tunnel auf. 165 km/ wurden in diesem Fall gemessen, erlaubt waren 80 km/h.

Das wird natürlich sehr teuer, gibt ein paar Monate Fahrverbot und auch die Probezeit dürfte verlängert werden. Laut einem Bericht des Berliner Tagesspiegels prüft die Staatsanwaltschaft auch, ob ein verbotenes Rennen vorlag. Auch die Mutter könnte künftig als Aufsichtsperson ausfallen, heißt es.

Unklar bleibt, ob und in welchem Umfang es zur eher elternuntypischen Passivität der Mutter kam. Wäre ja mal interessant, wieso die so was mitmacht. Wie auch immer, die Reise war für beide in Berlin nicht vorbei. Nach Klärung der Formalitäten durfte der 17-Jährige seine Fahrt fortsetzen, heißt es von der Polizei.

Diese Verordnung ist eigentlich ein Flyer

Gestern hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck eine Verordnung zur Sicherung der Energieversorgung über kurzfristig wirksame Maßnahmen (Download als PDF) erlassen. Sie tritt am 1. September 2022 in Kraft und beinhaltet diverse Maßnahmen. Diese Maßnahmen sind, so will ich es mal formulieren, für Bürger wie Private zumindest spürbar. Also, wenn man den markigen Ankündigungen traut.

Zu dem Paket gehört ein Heizverbot für private Schwimmbäder. Private Saunen sind interessanteweiser nicht betroffen. Ich habe keines von beiden. Aber ich darf für meinen lieben Nachbarn Josef von unten an der Ecke bekennen, ja, er hat eine Sauna. Aber er wird sich sich mit den Poolbesitzern solidarisch zeigen, von denen in meiner Gegend einige in den aufgelockert bebauteren Vierteln residieren. Das klingt wahnsinnig feudal, ist aber in Wirklichkeit die Einflugschneise des Düsseldorfer Flughafens.

Also: Schwimmbad ab September nein, Sauna aber ja. Kann man machen, eine Erklärung für den Unterschied finde ich in den offiziellen Unterlagen allerdings nicht. Möglicherweise werden Poolbesitzer aber genau nach diesem Unterschied fragen und den Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 GG bemühen. Die Hoffnung, dass sich unter den erwähnten Poolbesitzern keine streitlustigen Anwälte befinden, würde ich dämpfen.

Wohnungsmietern räumt die Verordnung in § 3 das Recht ein, die Heizung in ihrer Wohnung künftig runterzudrehen. Der eine oder andere Mieter wird sich fragen, wieso er jetzt von der Regierung eine Erlaubnis erhält, nicht oder weniger zu heizen. War das bisher ein Problem? Ja, hat die Bundesregierung herausgefunden. In vielen Mietverträgen, so die Begründung zur Verordnung, bedingen sich die Vermieter eine Mindesttemperatur in der Wohnung aus.

Da stellt sich natürlich die Frage, was die Verantwortlichen im Ministerium für Mietverträge haben. Wenn sie da in Berlin schon 30 Jahre im gleichen Altbau residieren, kann es natürlich sein, dass so eine Mindesttemperatur im Mietvertrag steht. Allerdings sind solche Klauseln schon seit langen schlicht unwirksam. Der Vermieter kann keine Mindesttemperatur vorschreiben, so lange es in der Wohnung nicht so kalt ist, dass die Rohre frieren oder Schäden an der Bausubstanz drohen.

Die Begründung liest sich dagegen so, als wären in unserem Land mistgabelschwingende Vermieter ein Problem, die 4 x im Monat mit einem Thermometer Einlass in die Wohnung begehren und dann zum Vermieteranwalt laufen, weil der Mieter nachts um vier die Heizung im Schlafzimmer runtergedreht hatte und sogar das Fenster auf Kipp stand.

Zu der umgekehrten Frage schweigt die Verordnung übrigens. Sie enthält gerade kein Recht für Vermieter, die vertraglich vereinbarte Temperatur abzusenken. Vermieter erhalten also keine Möglichkeit, dem Mieter über das vertraglich vereinbarte Maß die Temperatur runterzuregeln – was zumindest bei modernen Zentralheizungen ja möglich wäre. Letztlich beachtet das Ministerium hier die faktischen Grenzen seiner Anordnungskompetenz. Denn der Vermieter hat akzeptable Temperaturen in der Wohnung zu ermöglichen. Die Rechtsprechung geht bislang davon aus, dass um die 20 Grad nicht unterschritten werden dürfen. Selbst wenn auch die Mietgerichte auf die Energiekrise reagieren, viel Spielraum nach unten ist hier juristisch nicht, zumal ja keiner ernsthaft frierende Rentner und Home-Officeler:innen möchte.

Weiter sieht die Verordnung etliche Einzelmaßnahmen vor. So darf ab September Außenwerbung nicht leuchten. Keinerlei Einschränkungen gibt es allerdings ab der Eingangstür der Betriebe. Dinner, Tresenplausch, Kino, Clubvergnügen und der Besuch im Sportstudio (Pool, Sauna dürfen dort offen bleiben) bleiben weiter möglich. Also drinnen Party, draußen Dunkelmodus. Das größte Problem an der Regelung ist womöglich, dass der eine oder andere nachts die Shell-Tankstelle nicht mehr findet. Ich persönlich freue mich aber gar nicht auf die weltweit ausgestrahlten Bilder über das neue Dunkel-Deutschland. Und ich spreche nicht nur vom russischen Fernsehen.

Diese Punkte will ich nur exemplarisch erwähnen. Wichtig erscheint mir aber noch die Frage, wer setzt so eine Verordnung eigentlich um? Und wer überprüft das, wer ahndet eventuelle Verstöße?

Corona hat uns gelehrt, wie das so läuft in Krisenzeiten. Es gibt Schutzverordnungen. Dann wird aufgeschrieben, wer sich nicht an Maskenpflicht, Mindestabstände etc. hält. Wer sich mit einem Bußgeld ungerecht behandelt fühlt, zieht vor Gericht und gewinnt mitunter, selbst wenn er nicht mich als Anwalt nimmt.

So funktioniert das bei der neuen Verordnung nicht. Diese enthält keine Bußgeldvorschriften. Das heißt, wenn zum Beispiel ein Ladenbesitzer ertappt wird, wie er die Ladentür hinter einem Kunden nicht zügig schließt, hat das örtliche Ordnungsamt keinerlei Handhabe gegen diesen Geschäftsmann. Wer seinen privaten Pool heizt, muss kein Bußgeld befürchten. Niemand, den diese Verordnung anspricht, muss etwas befürchten. Es gibt keine unmittelbaren Sanktionsmöglichkeiten in Form von Bußgeldern. Man macht’s trotzdem. Und die Behörden schauen zu.

Das wird in der Gesetzesbegründung auch gesagt:

Für die Durchsetzung der nach dieser Verordnung bestehenden Rechtspflichten werden keine besonderen Regelungen geschaffen; es gelten vielmehr die allgemeinen zivil- und öffentlich-rechtlichen Grundsätze.

Die Durchsetzung dieser Verordnung soll also zivilrechtlich wohl so passieren: Bäcker A ärgert sich darüber, dass Bäcker B die Außenwerbung nicht ausgeschaltet hat. Er beantragt deshalb vor dem Zivilgericht eine einstweilige Verfügung wegen Wettbewerbsverzerrung. Da müssen Neid und Missgunst aber sehr groß sein, wenn jemand das versucht. Zumal er sich dann wahrscheinlich vom Zivilgericht auch noch belehren lassen muss, dass er gar keinen Anspruch hat, weil die Zuwiderhandlung gegen die Verordnung zwar auf dem Papier gegeben ist, aber eben keinerlei staatlicher Sanktion unterliegt. Immerhin haben die beteiligten Anwälte dann was verdient, um ihren Pool zu heizen.

Zu den öffentlich-rechtlichen Grundsätzen muss man sich leider ähnlich realistische Szenarien ausdenken. Das Ordnungsamt kann zwar kein Bußgeld verhängen, aber dem seit 30 Jahren ordentlich arbeitenden Bäcker androhen, dass es ihm bei wiederholtem Verstoß die „Zuverlässigkeit“ aberkennt, dem armen Mann also insgesamt das Licht abgedreht wird. Man merkt, es wird abstrus.

Ein Fazit. Die neue Verordnung ist juristisch ein zahnloser Tiger. Man hätte sie besser in einen Flyer packen und diesen über die Bundeszentrale für politische Bildung vertreiben sollen. Ehrlicher Titel: Energiespartipps von Ihrer Bundesregierung.

Kriminalität weiter auf hohem Niveau

Anklageschrift (Zeit und Namen geändert):

Am 08.04.2021 fuhr der Angeschuldigte ohne gültigen Fahrausweis mit der Nahverkehrs AG. … Der Zeuge J. forderte in seiner Funktion als Fahrkartenkontrolleur den Angeschuldigten auf, sich auszuweisen. … Der Angeschuldigte schubste den Zeugen S. durch die Tür des Zuges, um sich der Fahrkartenkontrolle zu entziehen und das erhöhte Entgelt nicht zu zahlen. Der Zeuge stürzte und schlug mit dem linken Knie gegen die Kante des Bahnsteigs.

Mein Mandant wird angeklagt wegen eines Verbrechens nach den §§ 253, 255, 249 Abs. 1 StGB. Also wegen räuberischer Erpressung, einfacher Erpressung und Raub. Die Anklage erfolgt ausdrücklich zum Schöffengericht, weil Straferwartung deutlich über zwei Jahren. Immerhin nicht zum Landgericht, hätte man ja auch machen können bei so einer krassen Geschichte.

Ich würde mal sagen, da hat jemand bei der Staatsanwaltschaft seine Textbausteine nicht unter Kontrolle. Oder am falschen Tee genippt. Vermutlich beides.

Sohn im Truppenheli: Ministerin muss sich äußern

Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht muss Auskunft über ihren Helikopterflug geben, der sie dienstlich zu einer Bundeswehreinrichtung ins schöne Ladelund brachte. Bisher ist die Ministerin wenig auskunftsfreudig, da sie ja bekanntermaßen in Begleitung ihres Sohnes reiste – und nach der Arbeit auf der nahen Insel Sylt Urlaub machte. Das Verwaltungsgericht Köln gibt nun einem Journalisten recht, der Näheres wissen möchte.

Auf einen Eilantrag des Journalisten muss das Verteidigungsministerium sagen, was Christine Lambrecht über die Entstehung des Fotos weiß. Das Bild zeigt Lambrechts Sohn im Helikopter. Die nun zu beantwortende Frage zielt natürlich darauf hin, ob Lambrecht das Foto sogar selbst gemacht hat. Da auf dem Foto auch das Cockpit teilweise zu sehen ist, könnte das Ganze sogar strafrechtliche Bedeutung haben. Es gibt den Straftatbestand des sicherheitsgefährdenden Abbildens von Wehrmitteln (§109g StGB).

Außerdem wollte der Journalist Einzelheiten zur Terminierung des Truppenbesuchs wissen. Laut Gericht ist auch hier der Informationsanspruch der Presse eindeutig. Lambrecht sei dienstlich unterwegs gewesen, schon deshalb seien die Fragen kein Eingriff in ihre Privatsphäre. Auch der Sohn habe nun mal im Hubschrauber gesessen, die „Inanspruchnahme von Ressourcen der Bundeswehr“ dürfe diskutiert werden. Ebenso die Art und Weise, wie die Ministerin ihre „Befugnisse als Behördenleiterin“ nutzt. Ausdrücklich führt das Gericht aus, Lambrecht müsse sich bei ihrem Rückzug ins Private entgegenhalten lassen, dass die Mitnahme des Sohnes und dem anschließenden Urlaub auf Sylt zumindest den Eindruck erweckt, sie habe private Belange mit ihren Amtsgeschäften verwoben.

Nur in einem Punkt gibt das Gericht Lambrecht recht. Sie muss nicht sagen, wann das Hotel auf Sylt gebucht wurde. Der dortige Aufenthalt sei Privatsache. Gegen den Beschluss ist Beschwerde möglich (Aktenzeichen 6 L 978/22).

Geschwaderbefehle und falsch verstandene Paragrafen

Ich habe noch zwei, drei Mandanten zu betreuen. Von daher kann ich in der aktuellen Debatte um den maskenlosen Flug der Passagiere im Regierungsflieger nach Kanada nur eine kurze Einschätzung geben – aber zu einer für mich wesentlichen Frage.

Die Sprecherin des Bundesverteidigungsministeriums hat mitgeteilt, die offenkundige Abweichung von der an sich im Gesetz festgelegten Maskenpflicht beruhe auf der „Eigenvollzugskompetenz“ der Bundeswehr. In deren Rahmen weiche man von den gesetzlich festgelegten Regelungen ab. Man vollzieht nach diesem Verständnis das Gesetz also quasi in eigener Regie und Auslegung. Konkret soll es einen „Geschwaderbefehl“ geben, welcher einen PCR-Test vorschreibt, aber gleichzeitig die Maskenpflicht zu einer Empfehlung herabstuft.

Gestützt wird diese angebliche Eigenvollzugskompetenz wohl auf § 54a IfSG. Dieser überträgt der Bundeswehr den Vollzug des Gesetzes in Bezug auf ihre Einrichtungen und ihr Personal.

Diese Vorschrift kann man auf den ersten Blick sicher so interpretieren, dass der Bundeswehr mit dem „Vollzug“ auch beträchtlicher Spielraum zugestanden wird, wie sie das Gesetz anwendet.

Das ist jedoch bei näherer Betrachtung völlig falsch. Es genügt schon ein Blick auf den Abschnitt, in dem der Paragraf steht. Das Kapitel heißt:

Vollzug des Gesetzes und zuständige Behörden

Die anderen beiden Paragrafen (§ 54 IfSG) und (§ 54b IfSG) bestimmen, dass die Länder das Bundesgesetz vollziehen und die Bundesbahnverwaltung dies in ihrem Zuständigkeitsbereich tut.

Es handelt sich bei diesen Vorschriften um reine Zuständigkeitsnormen. Diese legen fest, wer das Gesetz umsetzt und seine Einhaltung überwacht. Diese Vorschriften enthalten keine Ermächtigung, das Gesetz inhaltlich umzudeuten.

Somit bleibt es dabei, dass die Aufweichung der Maskenpflicht im Regierungsflieger ohne Rechtsgrundlage erfolgte; der ominöse § 54a IfSG ist jedenfalls keine. Für eine inhaltliche Abweichung von der Maskenpflicht bedarf es nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes einer Rechtsverordnung. Ich will keinem General zu nahe treten, „Geschwaderbefehl“ klingt immens wichtig, aber er ist und bleibt keine Rechtsverordnung. Die könnte allenfalls aus dem Verteidigungsministerium kommen, wurde aber bislang offenbar nicht aufgefunden.

Unabhängig davon, dass bislang niemand den Geschwaderbefehl inhaltlich kennt, ist er juristisch nicht relevant. Er kann die gesetzlich vorgeschriebene Maskenpflicht nicht aushebeln. Der ständig hinzugefügte Hinweis, aber es ist ja ein PCR-Test vorgelegt worden, ist für die Bewertung des Ansteckungsrisikos im Regierungsflieger sicher relevant. Rechtlich gesehen ist das aber eine Nebelkerze. Kein Bahnschaffner lässt dich derzeit ohne Maske im Zug, selbst wenn dein notariell beglaubigtes PCR-Testergebnis gerade mal 25 Minuten alt ist. Der Schaffner hält sich unabhängig von seiner eigenen Meinung ans Gesetz, wenn er dich aufschreibt und rauswirft. Und damit handelt er juristisch gesehen richtig.

Älterer Beitrag zum Thema

Königreich Deutschland in Köln

Eine Kölner Gastwirtin hat das „Königreich Deutschland“ ausgerufen. Wenig überraschend, aber doch auch bescheiden: Das Territorium entspricht dem Grundriss ihrer Gaststätte. Mit der Unabhängigkeitserklärung hoffte die Frau, vor dem Zugriff des Ordnungsamtes sicher zu sein. Die Behörden interessierten sich in der Hochzeit von Corona (Juli 2020) logischerweise für das nicht vorhandene Hygienekonzept der Kneipe.

Mit dem Besuch, so der Plan, sollten sich die Gäste temporär dem Königreich Deutschland zugehörig fühlen. Ein entsprechendes Bekenntnis nahm die Wirtin ihnen auch ab. Das klang für einige Kreise verlockend. Denn im Königreich Deutschland sollte ansonsten nichts mehr von dem zu fürchten sein, was Köln, Deutschland und den Rest der Welt in Atem hielt. Schon gar nicht Corona.

Die Behörden machten den Laden gleich am ersten Tag dicht. Die Klage der Frau blieb hinsichtlich der Gaststätte durch die Instanzen erfolglos. Das Königreich Deutschland könne sich keine eigene Rechtsordnung schaffen. Ebenso wenig gelte die Vereinigungsfreiheit.

In einem Punkt bekam die Frau allerdings nun recht. Das Ordnungsamt verhängte gegen sie mit der Kneipenschließung gleich ein umfassendes Gewerbeverbot. Das geht dem Oberverwaltungsgericht Münster aber doch zu weit. Ein Gewerbeverbot könne nur am Ende eines geordneten Verwaltungsverfahren stehen. Ob die Frau nochmal was in Richtung Selbständigkeit (Kaiserin, Zarin, Büttenrednerin) plant oder geplant hat, wird in der Gerichtsentscheidung leider nicht mitgeteilt (Aktenzeichen 4 B 61/21).

Gesetzesvorhaben: Adjektivierung

Der Hamburger Senat möchte mit einer Gesetzesänderung die Begriffe „Rasse“ und „rassische Verfolgung“ aus diversen Gesetzen entfernen. Damit will sich die Hansestadt von Theorien distanzieren, welche „die Existenz verschiedener menschlicher Rassen behaupten“.

Die Hamburger Justizsenatorin erläutert den Plan:

Sprache beeinflusst unser Bild von anderen Menschen. Die Wissenschaft sagt, dass Menschen nicht in Rassen eingeteilt werden können. Nur rassistische Ideologien gehen von dieser Annahme aus. In Gesetzestexten hat der Begriff nichts zu suchen. Die Einteilung in Rassen widerspricht auch dem Geist und Menschenbild des Grundgesetzes. Die Änderung ist deshalb eine wichtige sprachliche Richtigstellung und benennt das Problem jetzt klar und unmissverständlich: Kein Mensch darf rassistisch diskriminiert werden. Menschliche Rassen gibt es nicht.

Die Lösung: Der Begriff Rasse wird durch den Begriff „rassistisch“ ersetzt, und zwar in Verbindung mit Formulierungen wie „Behandlung/Diskriminierung/Verfolgung“.

Zu ihrem eigenen Bedauern mussten die Gesetzesplaner zur Kenntnis nehmen, dass mehr als die Adjektivierung (Rasse -> rassistisch) allerdings nicht zu machen ist. Zitat:

Bei einer ersatzlosen Streichung des Begriffs bestünde dagegen die Gefahr, dass das Schutzniveau abgesenkt wird.

Auch für das Grundgesetz gibt es Reformpläne. Dort fällt der problematische Rassebegriff schon recht weit vorne, siehe (Art. 3 Abs. 3 GG). Allerdings ist die Diskussion auf Bundesebene schon seit geraumer Zeit abgeflacht, was natürlich auch an anderen Problemen liegen kann.

Pressemitteilung des Hamburger Senats

Ein Like, eine Hausdurchsuchung

Ist ein schlichtes „Like“ für einen Beitrag in sozialen Netzwerken auch eine inhaltliche Billigung? Diese Frage hat nicht nur akademische Bedeutung. Sie entscheidet mitunter über Hausdurchsuchung oder nicht. Das Landgericht Meiningen segnet solche Maßnahmen jedenfalls ab.

Es ging um ein sicher aufgeheiztes Thema. Die Polizei recherchierte nach den Polizistenmorden in Kusel intensiv in sozialen Netzwerken nach Menschen, die im Zusammenhang mit den Delikten strafbare Äußerungen gemacht haben könnten. Dabei stießen die Ermittler auch auf den Beitrag eines Nutzers, der zur Beerdigung der getöteten Polizisten geschrieben hatte: „Keine einzige Sekunde Schweigen für diese Kreaturen.“

Ein Mann versah den Eintrag auf Facebook mit einem „Gefällt mir“. Das Gericht sieht darin strafbare Handlungen des Likenden. Nämlich das Verunglimpfen des Andenkens Verstorbener (§ 189 StGB) und auch eine Billigung von Straftaten (§ 140 StGB). Für die Richter steht außer Frage, dass „ein mit Faust nach oben gereckter Daumen Zustimmung und Gutheißunng bedeutet“. Das könne nicht ernsthaft in Frage stehen, heißt es.

Tut es aber. Zum einen übersehen die Richter schon, dass es auf Facebook schon länger keine Möglichkeit mehr gibt, einen Eintrag klar negativ zu bewerten (außer mit mehrdeutigen Emojis über ein Aufklappmenü). Zum anderen wird angeführt, der Like als solcher sei „bewusst und für die Öffentlichkeit des Internets zum Ausdruck gebrachte Befürwortung“. Schon erstaunlich, was man mit einem animierten Daumen so alles zum Ausdruck bringen können soll.

Der Betroffene will die Sache über seinen Anwalt vor das Bundesverfassungsgericht bringen, wie man hier nachlesen kann. Sicherlich würden andere Gerichte einen Like wohl etwas zurückhaltender bewerten – wenn man entsprechendes Glück hat.

Vorsicht ist aber die Mutter der Porzellankiste, ein anderes Fazit kann man aus dem Fall leider nicht ziehen (Aktenzeichen 6 Qs 146/22).