Mit einer Videoaufzeichnung von Strafprozessen wird es wohl nichts werden. Bundesjustizminister Marco Buschmann entschärft sein Vorhaben aktuell, indem er nur noch die Tonaufzeichnung vorschreiben will. Über Video sollen die Länder selbst entscheiden können. Trotzdem durchaus geschickt, wie sich der Minister da verhält.
Gegen die ursprünglichen Pläne hatte es natürlich Kritik gehagelt. Nämlich vor allem von den Richtern. Diese schoben ihre angebliche Sorge um Zeugen in den Vordergrund. Diese würden durch Videoaufnahmen eingeschüchtert, möglicherweise werde dann nicht mehr die Wahrheit gesagt oder geschwiegen. Tatsächlich geht es der Richterschaft aber darum, die Deutungshoheit darüber zu behalten, was im Prozess gesagt wurde und was nicht. Bis zum heutigen Tag werden bei Verhandlungen am Landgericht und aufwärts Zeugenaussagen und andere Beweisaufnahmen noch nicht einmal schriftlich protokolliert.
Die „Wahrheit“ sind am Ende also nur jene Fakten, welche der Richter ins Urteil schreibt. Dabei geht es in 99 % der Problemfälle gar nicht um bewusste Irreführung oder absichtliche Auslassungen. Wenn der ganze Prozessstoff sich bei Abfassung des Urteils aber nur nur noch aus den eigenen Notizen und dem Gedächtnis rekonstruieren lässt, sind Fehler natürlich programmiert.
Da wäre es schon eine große Hilfe, wenn der „Gegenbeweis“ durch eine transkribierte Tonaufnahme geführt werden kann. Was ja heute technisch kein großartiges Problem mehr ist. Demgemäß hat der Deutsche Anwaltsverein die ursprünglichen Pläne auch begrüßt. Aber auch mit einem audiobasierten Komplettprotokoll, also ohne Video, wäre man dem Ziel schon einen wichtigen Schritt näher.
Ich finde es sehr schön, wie der Bundesjustizminister nun der teilweise scharf formulierten Kritik seitens der Richterschaft den Wind aus den Segeln nimmt. Etwas anderes sind natürlich die großzügigen Übergangsfristen. Vor 2030 wird sich nach der jetzigen Planung in normalen Strafprozessen ohnehin erst mal nichts ändern.