Sorgen sind nicht kostenlos

Mit der schnellen Hilfe für Personen, die verhaftet wurden, ist das so eine Sache. Vor allem, wenn ich die Betreffenden nicht kenne. Das bedeutet für mich Telefonate mit Polizei, Staatsanwaltschaft, Gericht und Knast, wobei ich mir je nach Auskunftsfreude der Beteiligten dann ein Bild der Sachlage puzzle.

Das wirtschaftliche Risiko für die Arbeitszeit lässt sich mindern, indem ich Lebenspartnern, Ehegatten, Eltern oder Freunden des Betroffenen die klare Ansage mache, dass ohne einen Kostenvorschuss nichts läuft. Meistens ist das kein Problem. Es kommt auch schon mal vor, dass sich zwar alle unheimliche Sorgen machen. Aber dann doch wieder nicht so heftig, dass es für einen Griff in den eigenen Geldbeutel reicht. Allerdings gibt es auch Fälle, in denen ich der Beteuerung, dass niemand aus Familie oder Bekanntenkreis eine relevante Summe lockermachen kann, bedenkenlos glaube.

Am Freitagnachmittag war es mal wieder soweit. Ein Uralt-Haftbefehl in einer ziemlich großen Sache aus dem Ruhrgebiet, die noch nicht verhandelt worden ist. Als ich im vierten oder fünften Telefonat erfuhr, dass der Verhaftete schon einen Pflichtverteidiger hat, buchte ich meine bisherige Arbeitszeit aufs pro-bono-Konto.

Ein Anruf beim Kollegen war allerdings noch drin. Sollte der sich um seinen Mandanten kümmern. Beim Versuch, den Kollegen zu alarmieren, gab es dann aber eine überraschende Wendung. „Kein Anschluss unter dieser Nummer“, nur noch eine etwas verwaschene Spur im Google-Cache. Einem freundlichen Mitarbeiter der Geschäftsstelle am Gericht sagte der Name was:

Es ist hier im Gerichtsbezirk kein Geheimnis, dass Herr D. derzeit selbst verhindert ist, als Anwalt zu arbeiten.

Das war unmissverständlich. Wie es derzeit aussieht, war es richtig, die Leute nicht einfach abblitzen zu lassen.

Vorwürfe gegen Wasserexperten

Von EBERHARD PH. LILIENSIEK

Im Arbeitsprozess um die fristlose Kündigung des Abfall- und Wasserexperten im Umweltministerium hat die Landesregierung ihre Gründe erstmals öffentlich gemacht. Harald Friedrich (53) hat demnach wenigstens einen Auftrag in Höhe von 425 000 Euro freihändig an das Institut der Universität Aachen vergeben, an dem er auch Lehrbeauftragter war. Zudem soll er die Kandidatin für eine Referatsleitung am Vorabend der Prüfung über die Fragen und Antworten informiert haben: „Das zerstört jedes Vertrauen“, sagte am Freitag vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf Rechtsanwalt Michael Bogati, „eine Weiterbeschäftigung ist nicht möglich!

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Vortex

Es spricht sicher nichts dagegen, Geldscheine auf den Beifahrersitz zu legen. Man sollte dann nur nicht mit geöffneten Fenstern und in zügigem Tempo fahren.

(A 52 Richtung Düsseldorf, 2 Kilometer hinter dem Breitscheider Kreuz.)

Lunch statt Launch

„Aus den Sandalen“ gekipppt heißt eine mutige Geschichte des Handelsblatts. Sie erzählt den gechäftlichen Niedergang bzw. Nie-Aufstieg der Schuhproduzentin und Vorzeigeunternehmerin Susanne Birkenstock. Sie soll vollmundig neue Produkte und tolle Geschäfte verkündet haben. Jetzt meldete ihre Firma, die nichts mit den anderen Birkenstocks zu tun hat, jedoch Insolvenz an. Das Handelsblatt zitiert einen Geschäftspartner:

Wir haben gekauft, und dann ist nichts passiert. Keine Kampagne, kein Launch. Manchmal glaube ich, Frau Birkenstock verwechselt Launch mit Lunch.

Thomas Knüwer macht sich parallel Gedanken über Medien, die solche Personen gedankenlos pushen.

Links 22

Eine Zusammenstellung interessanter Links. Jeweils mit Dank an die Einsender:

GEZ für Computer: doch niedrigere Gebühren?;

PayPal bucht doppelt ab;

Mautdaten: Begehrlichkeiten der Fahnder (Martin Königs);

Übernatürliches – teuer bezahlt (Manuel Rodegro);

Nach Schlüsseldiebstahl brennt es an der Uni Bielefeld;

Reisepass-Chip geknackt;

Law blog chefsicher (via Spreeblick);

Gelbe Seiten nicht mehr geschützt;

Interazzi: die brutale Logik des Boulevards.

Feigling

Ich erinnere mich noch gut, wie ich neulich mein neunjähriges Patenkind, das manchmal ein wenig schüchtern ist, auf dem Spielplatz belehrt habe:

„Jetzt geh‘ doch einfach rüber zu den fremden Kindern. Die beißen nicht und lassen dich bestimmt gerne mitspielen.“

Sie hat das dann gemacht, und es war so, wie ich sagte. Daran musste ich Feigling vorhin im Sportstudio denken, als ich mich zum achten oder vielleicht auch fünfzehnten Mal einfach nicht traute, eine bestimmte Person anzusprechen.

In gewissen Dingen wird man wohl nie erwachsen. Oder so mutig wie ein Kind.

Auch nur ein Wichser

Als bekannt quotengeiler Blogger leiste ich mir natürlich eine Mediaagentur, die mir im 30-Sekunden-Takt simst, wie die Leser auf einen Beitrag reagieren. Oft kommt es vor, dass ich im Gerichtssaal um eine Pinkelpause bitte, wenn es nicht so gut läuft. Ich renne dann raus und ersetze eine neutrale Formulierung durch eine Beleidigung. Das hilft, fast immer.

Klicktäler überbrücke ich gerne durch vorgefertigte Beiträge zur GEZ. Und wenn auch das nicht wirkt, muss halt ein offener Brief her. Der offene Brief ist sozusagen das vorletzte Mittel, um diese Seite vor einem Quotentief von, sagen wir mal, 75 Lesern weniger als am Vortag und mich vor einer Heulattacke zu bewahren. Das letzte Mittel wären Fotos von Justizangehörigen, die sich aktiv für die Freigabe von Hanfderivaten und (2R,3S)-3-Benzoyloxy-tropan-2-carbonsäure-methylester einsetzen. Aber die waren mir dann doch zu teuer.

Der offene Brief wirkt vor allem dann, wenn vor fünf oder sechs Monaten jemand auf einer Seite bei myblog.de auch schon mal einen Halbsatz zum Thema verloren hat. Dann kommt zur Debatte ums eigentliche Thema noch der Vorwurf hinzu, dass ich ja doch nur schamlos abkupfere. Vorzugsweise von Bloggern, die sonst den lieben langen Tag nichts anderes tun.

Aber, hey, es zählen doch nur die Klicks. Ich weiß manchmal gar nicht, wie ich in der Steinzeit – sprich: 2003 – fleißig bloggen konnte. Ohne auf Toplisten vertreten zu sein! Mit praktisch keinen Kommentaren. Und wahrscheinlich ohne Leser; Zähler gab es ja nicht. Und auch keine so schmeichelnden Ansagen aus dem Maschinenraum wie die, law blog Inc. müsse dringend mal über einen zukunftssicheren Server nachdenken.

Heute ist das alles anderes. Ich bin ein nervliches Wrack, weil ich mein Ego nur aus diesem Weblog speise. Ich habe sonst doch nix, deshalb muss ich mich an Klickzahlen und Toplisten aufgeilen. Gerade diese angebliche Anwaltskanzlei ist nur eine Klitsche, in die sich höchstens mal jemand wegen einer Mietminderung verirrt. Und meine sozialen Kontakte im real life? Wenn mich die Verkäuferin im PLUS-Markt grüßt, war es ein schöner Tag. Ich sage das lieber gleich so offen, da können sich sesselpupsende, neidische Befindlichkeitsblogger die Recherche und somit den Kontakt mit Tageslicht ersparen.

Die gute Nachricht also: Ich bin genau wie ihr, die Betreffenden wissen schon, wen ich meine. Ein kleiner Wichser, der nur im Internet strunzt. So, ich bin wieder weg. Es kommt gerade eine scharfe Statistik rein.

Blogs als Kulturgut

Wie es aussieht, haben Weblogs und Podcasts gute Chancen, dereinst zum deutschen Kulturgut zu zählen. Die Deutsche Nationalbibliothek ist seit Juli 2006 jedenfalls verpflichtet, sammlungswürdige Veröffentlichungen zu speichern. So heißt es in einer Information zum neuen Gesetz über die Deutsche Nationalbibliothek:

Daneben sind Websites zu sammeln, deren Informationsgehalt über reine Öffentlichkeitsarbeit, Warenangebote, Arbeitsbeschreibungen oder Bestandsverzeichnisse / -kataloge hinausgeht. …

Der gesetzliche Sammelauftrag umfasst auch die so genannten webspezifischen Publikationen, die sich durch ihre dynamische Entwicklung, interaktive Kommunikationsfunktionen und multimediale Komponenten definieren. Hier muss die Deutsche Nationalbibliothek erhebliche Entwicklungsarbeit für die Archivierung und Verfügbarmachung leisten; in diesem Bereich sind derzeit viele Fragen hinsichtlich Sammlungsumfang, Sammlungstechnik und Verfügbarmachung noch unbeantwortet.

Umgekehrt trifft alle, die veröffentlichen, auch eine „Ablieferungspflicht“. Näheres werden Verordnungen regeln.

(Danke an Andreas Bohn für den Hinweis)

CSI Kiel

Anhand des Alters von Kugelschreiberpaste könnte man erkennen, ob ein Textteil nachträglich eingefügt worden ist. Leider stößt das in der Praxis auf Hindernisse. Das lerne ich aus einem Schriftgutachten:

Das vom Bayerischen Landeskriminalamt in München … entwickelte Verfahren der Altersbestimmung von Kugelschreiberpasten aufgrund der Farbstofftinten, Harze und Lösungsmittel ist nur anwendbar, wenn die Urkunde bis zur Einreichung zur Untersuchung nicht älter als vier Monate ist.

Schade. Es gibt aber noch Hoffnung:

In Betracht kommt hier nur noch der Einsatz eines speziellen Raster-Elektronenmikroskops, wie es lediglich beim Landeskriminalamt Schleswig-Holstein in Kiel eingesetzt wird.

Ich bin gespannt.

Justiz verschleppt sich selbst

Von EBERHARD PH. LILIENSIEK

Ein fast normaler Diebstahl: Der Kunde eines Supermarkts hat am frühen Vormittag ein teures Stück Rinderfilet über die Fleischtheke gereicht bekommen. Er legt es aber nicht in den Einkaufswagen, sondern bringt es versteckt an der Kasse vorbei. Der Filialleiter hat samt einer neutralen Zeugin alles gesehen, hält den Mann fest und ruft die Polizei. Warum, so fragt aktuell Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU) händeringend in die Runde, kann solch ein Fall nicht ruckzuck vor dem Amtsgericht verhandelt werden? „Gerade mit dem beschleunigten Verfahren lassen sich nachhaltige präventive Effekte erzielen“.

Die Möglichkeit, Straftätern vor Gericht einen kurzen Prozess zu mache, gibt es schon seit etwa 120 Jahren, sie wird nur extrem unterschiedlich genutzt. Die Stichprobe zeigt klaffende Unterschiede. Von insgesamt 2 637 beantragten beschleunigten Verfahren im vorigen Jahr gab es in Köln beim Amtsgericht 680, in Düsseldorf nur eins. In Essen wurden auf diese Art und Weise 294 Verfahren verhandelt, in Wuppertal just sechs.

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Endlosschleife

Mit dem Gerichtsurteil gegen ihn hat der Geschäftsmann gemacht, was man gerne so macht. Nix. Auf die Kontenpfändung dann großes Geschrei. Das war doch nicht nötig, was soll das denn? Er zahlte per Blitzüberweisung; noch am gleichen Tag gaben wir sein Konto frei.

Ich habe das Telefongespräch noch im Ohr:

„Bitte denken Sie dran, den Kostenbeschluss rechtzeitig zu zahlen. Das Gericht teilt Ihnen den Betrag mit, dann haben Sie zwei Wochen Zeit. Sonst ensteht nicht nur Ärger, sondern auch neue Kosten.“

„Selbstverständlich, kein Problem. So einen Stress brauchen wir nicht noch mal.“

Jetzt ist er schon wieder elf Tage überfällig. Begeben wir uns also in die Endlosschleife.