ABGESCHALTET

Sophie (8) zeigt mir eine SMS auf ihrem Handy, die sie nicht versteht:

Wichtige CallYa-Info: Laden Sie bitte dringend Ihre CallYa-Karte mit einem CallNow auf. Sie wird sonst in zwei Monaten abgeschaltet. Ihr CallYa-Team.

Wie es aussieht, wird diese Entscheidung des Landgerichts München I noch nach Kräften ignoriert.

Ich schicke mal eine Mail an Vodafone.

GESCHWÄNZT

Ich zwinge niemanden, bei Gericht zu erscheinen. Allerdings finde ich es immer angenehm, wenn Mandanten mir Bescheid sagen. Dass sie nicht kommen. Aber auch Leute, die ihr Leben eigentlich im Griff haben, lassen sich öfter einfach nicht blicken. Obwohl man Tage vorher noch alles besprochen hat. Ihr Handy ist natürlich abgeschaltet, welche Überraschung.

Dabei gibt es mitunter Situationen, in denen Mandanten sich sogar nützen, wenn sie schwänzen. In einem Fall ist zum Beispiel Anklage beim Strafrichter erhoben. Fahrlässige Körperverletzung, Straßenverkehrsgefährdung, Fahren ohne Fahrerlaubnis. Bei der üblichen Plauderei vor Beginn spricht der Rechtsreferendar, den die Staatsanwaltschaft in die Sitzung geschickt hat, von knallharten Vorgaben.

Mit einer Geldstrafe sei nicht zu rechnen. Aber Bewährung, die sei wohl noch drin.

Gut geplant, aber keine Verurteilung ohne den Angeklagten. Der ist nicht da, und was machen wir jetzt? Der Referendar will eine zwangsweise Vorführung zum nächsten Termin. Immerhin keinen Haftbefehl.

Aber es gibt noch die Möglichkeit, in der Sitzung einen Strafbefehl zu erlassen. Damit könnte die Sache dann im schriftlichen Verfahren erledigt werden. Der Strafbefehl muss natürlich eine Strafe aussprechen, die nicht jenseits von Gut und Böse ist. Weil der Angeklagte sonst Einspruch einlegt und eine neue Verhandlung nicht vermieden werden kann.

Gericht und Verteidiger bearbeiten also in seltener Eintracht den Referendar. Es gibt ja zahlreiche gute Gründe, es bei einer Geldstrafe zu belassen. Der Referendar ruft seinen Staatsanwalt an; der gibt – widerwillig – sein Plazet.

Der Strafbefehl entspricht dann letztlich dem, was ich mir für eine erfolgreiche Hauptverhandlung ausgerechnet hatte.

DAS MÄRCHEN VOM EU-RECHT

Das neue EU-Recht zwingt täglich tausende ebay-Verkäufer, jegliche Garantie für ihre Ware abzulehnen. Und das ist nur eine der rechtlichen Konstruktionen, die unter dem Etikett EU-Recht durch Angebotstexte wabern.

Aber dieses EU-Recht gibt es gar nicht. Eine Enthüllungsstory bei Spiegel online.

WITZE

Heute Abend halte ich einen Vortrag an der Volkshochschule Velbert: „Früher in Rente“. Das Thema läuft seit Jahren, wird immer ein halbes Jahr vorher gebucht und ist gut besucht.

Wie ich gerade feststellte, hat die große Koalition trotz anderslautender Gerüchte das Altersteilzeitgesetz doch nicht abgeschafft.

Finde ich prima, sonst hätte ich einen Großteil der anderthalb Stunden mit Witzen füllen müssen.

SCHWEIGEPFLICHT

Ein Schnipsel von der gestrigen Fortbildung:

Was passiert eigentlich mit der Schweigepflicht des Verteidigers, wenn der Mandant stirbt? Sie geht nicht auf die Erben über, wie wohl häufig angenommen wird. Vielmehr muss der Verteidiger im eigenen Ermessen entscheiden, ob ihn der Verstorbene in der konkreten Situation von der Schweigepflicht entbunden hätte.

FILMABEND

Sieben Stunden Hauptverhandlung. Zwei Plädoyers. Das hat mich gestern nicht halb so geschafft wie die obligatorische Fachanwaltsfortbildung. Von 13.30 bis 19 Uhr musste durfte ich heute den aktuellen Entwicklungen im Strafprozessrecht lauschen. Ich fühle mich wie ein wiederverwendeter Kaffeebecher.

Da hilft nur eine fette Dosis Hollywood. WOTW.

KNAPP IN DER KERNZEIT

Eine Mandantin ruft an und sagt, dass sie als Angeklagte zum Hauptverhandlungstermin vor das Amtsgericht geladen worden ist. Für Freitag, 17. März 2006, 17.50 Uhr.

Die Ladung für mich schlummert wahrscheinlich noch beim privaten Beförderungsdienst. Aber wenn es kein Irrtum ist, freue ich mich auf ein schönes Nachtprogramm. Ich habe nämlich noch ein paar Zeugen in petto.

VERLASSENE NOTEBOOKS

Notebookdiebe sind am Kölner Hauptbahnhof gefasst worden. Über ihre Methode berichtet der Express:

Macht der Zug im Bahnhof Zwischenstation, steigen sie ein und suchen nach verlassenen Notebooks – der Eigentümer ist gerade zur Toilette oder ins Bord-Restaurant gegangen. Dann verlassen sie wieder den Zug mitsamt Notebook.

AUSKUNFTSANSPRUCH ILLEGAL ?

Die vom Informationsrechtler Prof. Thomas Hoeren betreute Forschungsstelle Recht im Deutschen Forschungsnetz hält die geplante Schaffung eines Auskunftsanspruchs gegen Internetprovider und die damit einhergehende standardmäßige Abfrage von Verbindungsdaten zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen für verfassungswidrig.

Die Argumente stehen in einer achtseitigen Stellungnahme (PDF).

Näheres berichtet auch heise online.

RICHTER WILL NICHT GEHEN

Von EBERHARD PH. LILIENSIEK

KERPEN. Der Direktor des Amtsgerichts Kerpen widersetzt sich seiner nahenden Pensionierung: „Die Diskussion ist doch verlogen!“, sagt Wolfgang Raack, „alle sollen länger arbeiten, aber nach dem Beamtenrecht darf ich es nicht“. Während in der Justiz allgemeine Überlastung beklagt wird, hat der 64-jährige gehandelt und Landesrgeierung wie Justizministerium seine freiwillige Weiterbeschäftigung für zwei Jahre angeboten: „Ich rege ein landesweites Modellprojekt an“.

Das Ministerium aber winkt ab. Raack kommt bei dem Thema schnell in eine kontrollierte Rage: „In den USA müssen Juristen alt und erfahren sein, bevor sie zu Richtern berufen werden“. Er glaubt auch nicht, dass er bei der angespannten Haushaltslage einem jüngeren Bewerber den Platz verweigert: „Die Stelle wird doch gar nicht neu besetzt, wenn ich in Rente gehe“.

Im Herbst soll es soweit sein, doch Raack wehrt sich vehement. Die schematische Altersgrenze von 65 nennt er „willkürlich und quasi diskriminierend“. Sein Argument: Im Ruhestand bekommt er 75 Prozent seines Gehalts – einfach so. Er dagegen bietet seine volle Arbeitskraft an. Die Reaktion des Justizministeriums fällt kühl aus: „Wir sehen keinen Handlungsbedarf“, sagte Behördensprecher Ulrich Hermanski auf Anfrage.

Auf Dauer gesehen müssten auf die neu zu besetzenden Stellen „möglichst junge Leute“ kommen. Und schließlich verweist er auf den Paragrafen 3 des Richtergesetzes. Dort ist der Ruhestand „mit der Vollendung des 65. Lebensjahres“ festgezurrt. Einschließlich der unvermissverständlichen Regel: „Der Eintritt in den Ruhestand kann nicht hinausgeschoben werden“. (pbd)

PASST

Wenn man aus einer Prozesskostensicherheit 14.601,00 € erstattet bekommen hat. Und dann eine Rechnung über 13.880,43 € stellt. Sieht das für den Mandanten getürkt aus.

Ist es aber nicht – sofern das Gebührenprogramm keine Macke hat.

AKTENSHARING

Die Informationsfreiheitsgesetze des Bundes und der Länder ermöglichen es grundsätzlich allen Bürgern, Dokumente der öffentlichen Verwaltung einzusehen. Weil hierfür mitunter happige Gebühren fällig werden dürften, schließt die neue Aktensammelstelle eine Marktlücke. Aktensharing spart Geld und sorgt für Transparenz. Denn auf der Seite sollen nicht nur die „befreiten“ Dokumente veröffentlicht werden, sondern auch gestellte Anträge und die Reaktionen der Behörden.

(Link gefunden in der Dezentrale)