PROLLFLÜSTERER

Gerade noch jemanden zur Polizei gebracht, der mit Haftbefehl gesucht wird. Sicher keine schlechte Idee, sich zu stellen. Zumindest in seiner Situation.

Ich kopiere in solchen Fällen den Haftbefehl, damit der Beamte nicht erst alle Daten abfragen muss. Und am Ende möglicherweise doch nur bruchstückhafte Informationen aus dem Computer erhält.

Am Eingang warteten zwei Jünglinge, die wahrscheinlich ihr Handy als verloren melden wollten. Die hatten überhaupt kein Verständnis dafür, dass der Polizist uns an ihnen vorbei durch den Warteraum winkte, als er über die Sprechanlage erfahren hatte, um was es geht.

„Wir waren aber zuerst dran“, nölten die beiden und bauten sich am Tresen auf.

Ich habe selten Verständnis für polizeiliche Gewalt. Aber die Jungs wollten selbst auf den freundlichen Hinweis, dass unsere Sache eiliger ist und sie deshalb noch etwas Geduld haben müssen, kaum freiwillig das Feld räumen. Sie posaunten so arrogant rum, dass ich diesmal garantiert nicht gepetzt hätte, wenn ein Gummiknüppel ins Spiel gekommen wäre.

Der Beamte erwies sich allerdings als begnadeter Prollflüsterer. Ein, zwei zielgruppengerechte Sätze ließen die renitenten Burschen erbleichen. Sie traten schnellstmöglich den Rückzug an.

Dass dann doch erst einmal der Computer befragt werden musste, machte mich nicht stutzig. Eher ungewohnt war allerdings, dass der Polizist uns zehn Minuten allein im Wachraum stehen ließ, während er die Daten checkte. Ich kenne das nur so, dass man vorher doch in einen gesonderten Raum gebeten wird, den dann ein Kollege im Auge behält.

Hätte ja durchaus sein können, dass der Betroffene es sich in der Zwischenzeit anders überlegt, durch die offene Tür aus der Wache geht und in die nächste Straßenbahn steigt. Beim nächsten Mal hätte er dann aber alleine gehen müssen. Ich hatte nämlich heute Abend eigentlich was anderes vor.

DROHGEBÄRDEN

Ein juristisches Internetangebot, das derzeit nur aus der fragwürdigen Ankündigung einer Prangerfunktion besteht. Ach ja, und einer unverhohlenen Drohung gegen den law blog wegen angeblich beleidigender Kommentare. Seltsamerweise steht in der Einleitung der an sich freundlichen E-Mail, die mir Herr Dr. Neuling geschickt hat, etwas völlig anderes als im bisher einzigen Eintrag auf der Seite (Hervorhebung von mir):

… ich weiß, dass Sie nicht für alle Einträge in Ihrem LAWBLOG verantwortlich sind. Ich möchte Sie aber dennoch bitten …

Auf der Seite lese ich derzeit im Starteintrag:

Der Betreiber von lawblog.de scheint nicht zu wissen, dass er allein verantwortlich ist, für das, was dort über uns verbreitet wird, und vor allen Dingen in welcher Form dies geschieht.

Ja, was denn nun? Ein Blick ins Teledienstegesetz könnte da durchaus hilfreich sein.

Ich habe einige wenige, in der Tat fragwürdige Passagen aus den Kommentaren editiert, die Herr Dr. Neuling konkret beanstandet hat. Allerdings wird die – auch zu Recht zugespitzte – Diskussion um das angekündigte Angebot der Seite von mir nicht unterbunden. Wer sich mit so was öffentlich macht, wird auch die Kritik ertragen müssen.

Ich bitte allerdings – wie auch grundsätzlich – um die gebührende Sachlichkeit, da ich mich nebenbei auch noch um meine zwei Mandanten kümmern muss.

SPAM STÖRT NICHT

Wie viel Spam begründet einen Unterlassungsanspruch?

Das Amtsgericht Dresden findet mit seiner 10-Sekunden-Argumentation Anhänger unter Leuten, bei denen keine unmittelbare Verknüpfung zwischen Arbeitszeit und Einkommen besteht.

Ein Richter am Amtsgericht Mettmann schließt sich jedenfalls ausdrücklich der Meinung an, dass unverlangte Werbemails superschnell erkannt und aussortiert werden können. Was sind schon 10 Sekunden, heißt es sinngemäß in einer Entscheidung vom 21. Oktober 2005 (PDF)?

Auf die Fragen, ob sich so „erstmals und einmalig“ zugesandte Werbemails nicht schlagartig potenzieren werden und wie hoch der gesamtwirtschaftliche Schaden wohl ist, wenn jeder am Tag nur zwei dieser Mails erhält, die womöglich durch den Spamfilter rutschen, geht der Amtsrichter leider nicht ein. Wahrscheinlich kamen sie ihm gar nicht in den Sinn.

Bemerkenswert ist auch der Hinweis, dass der klagende Rechtsanwalt Werbeanzeigen schaltet. Naturgemäß müsse er dadurch mit „Anfragen“ rechnen. Mit dieser Begründung könnte man auch Schwarzfahrer freisprechen, weil es kaum Kontrollen gibt. Oder einen Mann entschuldigen, der einer aufreizend gekleideten Frau zu nahe tritt.

(Vielen Dank an den Bonner Kollegen Boris Höller für das Urteil)

FEIERTAGS-BESCHÄFTIGUNG

So, jetzt habe ich alles erledigt.

Zumindest alles, wobei ich nicht denken muss. Eine neue Schreibunterlage aus dem Keller geholt. Leere Flaschen in den Keller getragen. Kopierpapier aus dem Keller geholt. Meine Online-Zugangsdaten in einen größeren Ordner umsortiert. Bei dieser Gelegenheit eine Kundenkarte entsperren lassen, weil ich zu doof war, mir eine PIN ohne Zahlendreher zu notieren merken. Grünen Tee gekocht. Briefpapier bestellt. Kulis im Besprechungszimmer nachgefüllt. Die Ausschüttung 10/05 überwiesen. Aus dem Fenster geguckt.

Wenn mir jetzt nicht ganz schnell was Stumpfsinniges einfällt, fange ich tatsächlich noch an zu arbeiten.

PUNKTESTAND

Ein Pizzataxi informiert mich, dass ich im letzten Jahr 687 Bonuspunkte gesammelt habe. Für jeden Euro Bestellwert gibt es einen Punkt.

Und dabei ist das noch nicht mal mein Lieblingsladen.

DROGEN UND WAFFEN BRINGEN GELD

„Verteidiger will an Drogen verdienen“ titelt das Göttinger Tageblatt. Der Anwalt hatte einen Drogendealer vertreten. Offensichtlich als Pflichtverteidiger. Jetzt verlangt er zusätzliche Gebühren – die Rede ist von bis zu 2996 € -, weil er auch im Rahmen der „Einziehung“ der Drogen tätig war. Das Gericht soll sich sträuben, die Zahlung aus der Staatskasse freizugeben.

Fraglich kann eigentlich nur sein, ob der Anwalt überhaupt eine Tätigkeit entfaltet hat. Konkret gesagt, ob das (vermutliche) Abnicken der Einziehung schon Anwaltsgebühren auslöst. Ansonsten ist die Sache nämlich klar, denn die Gebührenreform hat einen Vergütungsanspruch des Anwalts in dieser Richtung geschaffen. Dieser steht in Nr. 4142 des Vergütungsverzeichnisses zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz.

Die Tätigkeit im Rahmen einer Einziehung ist jetzt im Gegensatz zu früher immer zu bezahlen, und zwar auch dem Pflichtverteidiger. Interessanterweise hat der Gesetzgeber hier eine Wertgebühr geschaffen. Das heißt, bei einem Ferrari ist das Honorar wesentlich höher als bei einem Fiat Panda. Bei gleicher Arbeit. Da die Einziehung immer die Objekte der Straftat umfasst, gibt es auch keinen Grund, beschlagnahmte Drogen oder Waffen auszunehmen. Näheres zur Gebühr in diesem Aufsatz von Detlef Burhoff.

Die Gebühr ist übrigens kein Erfolgshonorar. Sie fällt auch an, wenn es tatsächlich zur Einziehung kommt.

Die Pflichtverteidigung in einem Prozess, in dem es um Millionenwerte geht, kann für den Staat künftig also richtig teuer werden.

(Danke an Mathias Schindler für den Link)

UNWIRSCH

Eine Richterin bat mich um Rückruf. Um sich zu entschuldigen. Sie hatte mich bei der Stellung von Anträgen unwirsch behandelt. Es ging um eine Formulierung. Sie hatte etwas völlig anderes gehört, als ich gesagt habe.

Das merkte sie aber erst, als sie die Anwälte in der Sache nach uns – sinngemäß – fragte, ob der Vetter immer so belämmert ist. Da haben ihr die Kollegen wohl gesagt, dass ich immer „ausgebaut“ und nicht „eingehängt“ gesagt habe, das Missverständnis somit auf ihrer Seite liegt.

Fand ich wirklich nett, dass sie sich gemeldet hat und die Sache nicht einfach auf sich beruhen ließ.

UNRICHTIG (?)

Die Richterin fragte, und ich bin verwirrt. Weil ihre Fragen eigentlich nur Sinn machen, wenn sie das Sachverständigengutachten nicht für erforderlich hält. Das Gutachten wurde aber längst eingeholt. Für teuer Geld. Und der Sachverständige musste sich auch noch vom Anwalt der Gegenseite, für die das Gutachten nicht schmeichelhaft ausgefallen ist, in einem besonderen Termin befragen lassen.

Will das Gericht jetzt wieder auf Umstände hinaus, die am Anfang des Prozesses eine Rolle spielten? Und am Ende meinen Mandanten verurteilen?

Ich werde vorsorglich für den Fall, dass wir doch noch was auf die Mütze kriegen, einen Antrag stellen. Nämlich die Kosten der Beweisaufnahme der Staatskasse aufzuerlegen. Wegen unrichtiger Sachbehandlung. Das ist nach dem Gerichtskostengesetz möglich.

NICHT ZUSTÄNDIG

Eine Frau rief mich an. Ihr Freund, ein nigerianischer Staatsbürger, ist bei der Einreise verhaftet worden.

In Mailand.

Ich hoffe, sie hat dann auch einen italienischen Anwalt erreicht. Wird sicher nicht ganz einfach gewesen sein, morgens um 2.37 Uhr.

Quelle: wulkan (www.wulkan-comic.de)