FRANK UND FREI

Die Anwälte der Singlebörse lovealizer mahnen säumige Kunden schnörkellos:

Sollten Sie trotz der übersandten Unterlagen der Auffassung sein, das Angebot nicht genutzt zu haben, legen wir unserer Mandantin nahe, eine Strafanzeige wegen Betrugs gegen Unbekannt zu erstatten. Die Ermittlungsbehörden sind anhand der Nachweise imstande, den Computer herauszufinden, von welchem die Daten eingegeben wurden. Wir raten Ihnen deshalb, auch im Familien- und Bekanntenkreis nachzufragen, um eventuelle Weiterungen zu vermeiden.

HOMO HEBES

Als ordnungsgemäßer Jurist, d.h. Inhaber des großen Latinums komme ich um diesen Hinweis nicht herum: Der Vatikan hat den offiziellen lateinischen Wortschatz erweitert, von Blue Jeans (bracae linteae caeruleae) bis Hot Pants (brevissimae bracae femineae), von Idiot (homo hebes) bis Terrorist (tromocrates). Weitere lustige Kreationen sind bei Spiegel online nachzulesen.

(Danke an Andrea Altefrone für den Hinweis)

FORTSCHRITTLICH

In den USA setzen die Gerichte verschärft auf Technik. Die E-courtrooms sind digitalisiert, mit Kameras und Monitoren ausgestattet. Das Protokoll gibt´s sofort auf den Schirm und als Datei zur abendlichen Nachbereitung. Interessanter Artikel von Associated Press.

Bei uns kann man sich als Anwalt schon freuen, wenn eine Steckdose fürs Notebook in der Nähe ist und der Wachtmeister die Stromentnahme nicht erst vom Gerichtspräsidenten absegnen lässt.

Auf einer deutschen Richterbank habe ich übrigens noch nie einen Computer gesehen.

(Danke an Mathias Schindler für den Link)

DEUTSCHLAND

Das Amtsgericht Euskirchen (Mahnabteilung) ist laut Tonband telefonisch nicht zu erreichen, weil die Telefonzentrale gleitende Arbeitszeit hat und die Kernarbeitszeit abgelaufen ist.

Es ist 15.52 Uhr.

ZU HOCH

In einer nordrhein-westfälischen Stadt warten 147 Temposünder möglicherweise noch auf Post vom Ordnungsamt. Sie sind Ende August/Anfang Semptember auf einer Durchgangsstraße von einer stationären Radarfalle geknipst worden. Nach Einsicht in das Messprotokoll kann ich sie aber beruhigen:

„Kamera war zu hoch eingestellt, alle Bilder ohne Kennzeichen.“

Nur meinem Mandanten hilft das leider nicht. Ihn haben sie schon in der Woche vor dem kleinen Missgeschick erwischt.

DIE EMSIGEN HELFER VON DER GVU

Mario Sixtus hat für einen Bericht auf ZDFheute der Staatsanwaltschaft Mühlhausen ein Eingeständnis entlockt. Auch im Fall ftpwelt.com stützt sich der gemeinhin offline lebende Jurist „in technischen Dingen“ auf die Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen (GVU). Will heißen: Die Strafverfolger lassen sich die verfahrensrelevanten Tatsachen ausgerechnet von der Lobby der Filmindustrie aufarbeiten.

Das ist ungefähr so charmant, wie wenn ein verletzter Arzt sich sein Schmerzensgeldgutachten selber schreiben darf. Auch mancher Hausherr wäre sicher dankbar dafür, wenn er nach einem Einbruch festlegen darf, wie viel sein Hausrat wert gewesen ist.

Kaum verwunderlich bei diesem merkwürdigen Interessengemenge, dass die ersten vollmundigen Schlagzeilen sich schon als Enten entpuppen. So dürfte die genüsslich breitgetretene Zahl von angeblichen 45.000 Nutzern kaum zu halten sein. Aus den Datenbanken von ftpwelt.com, die noch tagelang frei zugänglich im Netz gestanden haben sollen, ergibt sich laut ZDFheute nämlich, dass es höchstens 15.000 Kunden gab.

Ob das auch noch zum „weltweit größten Schlag gegen Raubkopierer“ gereicht hätte?

BELEGE

Privatpersonen müssen Belege nicht langfristig aufbewahren. Die Oberfinanzdirektion Münster hat dies in einem Rundschreiben klargestellt, berichtet der Anwaltsuchservice. Wer also Belege vom Finanzamt zurückerhält, kann diese spätestens mit dem Steuerbescheid „verlustig“ gehen lassen. Das Finanzamt kann später nicht mehr verlangen, dass die Belege noch einmal vorgelegt werden.

NICHTS, GAR NICHTS

NICHTS, GAR NICHTS

Ich habe eine Beratung abgerechnet. Freundlicherweise ohne Berücksichtigung des (erheblichen) Streitwertes. Machte 30 Euro, pauschal.

Dazu der Mandant: „Aber wir haben doch nur am Telefon gesprochen. Sie haben doch gar nichts gemacht.“

Doch. Zugehört. Nachgedacht. Erklärt. Eine Empfehlung gegeben.

„Also, genau das sage ich doch. Sie haben nichts gemacht. Gar nichts.“

Ich musste das Gespräch langsam zu Ende bringen. Es warteten noch einige Mandate, in denen ich heute auch unbedingt noch untätig sein wollte.

INS BETT, VOR GERICHT

INS BETT, VOR GERICHT

Sportmoderator René Hiepen kündigt via BILD an, er wolle den Anwalt der Boxerin Daisy Lang auf Unterlassung verklagen. Anwalt Ferdinand Dahlmanns hatte laut Express gesagt: „Herr Hiepen wollte mit meiner Mandantin ins Bett. Sie hat ihm einen Korb verpasst.“

Kann gut sein, dass sich Herr Hiepen (auch) vor Gericht einen Korb holt. Denn die Äußerungen, die ein Anwalt in Erledigung seines Mandates macht, werden dem Mandanten zugerechnet – selbst wenn sie unsachlich oder beleidigend sind. So lange sich Daisy Lang also nicht von der Äußerung ihres Rechtsvertreters mit der Begründung distanziert, der quatsche sowieso nur dummes Zeug und so etwas habe sie ihm nicht gesagt, dürfte das mit der Klage nichts werden.

Schön zu wissen, dass es für uns Anwälte so was wie Narrenfreiheit gibt. Eine allgemeine Anmerkung, die sich auf keine der erwähnten Personen bezieht.

WITZISCH

Nicht mehr ganz frisch, aber immer wieder witzig ist die Anekdotensammlung des Kollegen Prof. Sakowski. Er beschäftigt sich unter anderem mit exhibitionistischen Gartenzwergen, dösenden Richtern und der Verletzung einer Katze durch ein nächtliches Fax.

(Danke an Michael Holzt für den Link)

LESERPOST

herzlichen dank für einen tief in den archiven versteckten beitrag zum thema kostenpauschale von 25.- euro bei verkehrsunfällen für den geschädigten, weil der ja aufwand hatte. mein telefonat dazu mit einer
versicherung zum schadenfall vor zwei monaten dauerte jetzt genau 1 minute 40 sekunden. „ihr scheck ist unterwegs“. danke.

u.

U-HAFT

heise online berichtet, der verhaftete Anwalt Bernhard S. „bleibe mindestens 14 Tage bis zum nächsten Haftprüfungstermin in Untersuchungshaft“.

Das kann so sein. Muss aber nicht.

Wird gegen einen Beschuldigten ein Haftbefehl verkündet, kann er sich auf zwei Wegen wehren. Er kann Haftbeschwerde einlegen. Wenn er schlau ist (oder einen Verteidiger hat) und nicht sicher weiß, dass das Beschwerdegericht den Haftbefehl postwendend kassiert, wird er jedoch zunächst Haftprüfung beantragen.

Ein beliebter Anfängerfehler ist es, Haftprüfung zu beantragen, aber keinen Antrag auf mündliche Verhandlung zu stellen. Diesen Antrag kann der Haftrichter dann durch Beschluss auf Basis der Akten ablehnen. Ist aber mündliche Verhandlung beantragt, muss diese „unverzüglich“ durchgeführt werden. Ohne Zustimmung des Beschuldigten darf sie nicht später als zwei Wochen nach Eingang des Antrags stattfinden. So regelt es § 118 Abs. 4 der Strafprozessordnung.

Die zwei Wochen sind also eine absolute Obergrenze. In der Praxis wird der Zeitraum allerdings häufig ausgeschöpft. Manchmal, weil der Haftrichter wirklich keine Zeit hat. Häufig aber auch, um den Beschuldigten weichzukochen. Wobei es schwierig ist, Letzteres nachzuweisen und evtl. mit einem Befangenheitsantrag zu beantworten.

Hebt der Haftrichter am Amtsgericht den Haftbefehl nach der Haftprüfung nicht auf oder setzt ihn gegen Auflagen (z. B. Meldepflicht bei der Polizei, Abgabe der Reisepapiere, Kaution, Kontaktverbot zu Mitbeschuldigten und Zeugen) außer Vollzug, kann der Beschuldigte als Nächstes Haftbeschwerde einlegen. Über diese entscheidet das Landgericht.

Die Haftbeschwerde ist ein zweischneidiges Schwert. Holt man sich beim übergeordneten Gericht nämlich eine Abfuhr, ist das eine indirekte Einladung für die 1. Instanz, jetzt aber hart durchzugreifen. Schließlich weiß man ja schon mal, dass die Sache „oben“ ähnlich gesehen wird.

VIELFACH

Das Oberlandesgericht München hat entschieden, dass ein Strafverteidigerhonorar selbst dann nicht sittenwidrig ist, wenn es die gesetzlichen Gebühren um das 54-fache überschreitet (Urteil vom 15. Juli 2004, 6 U 3864/03). Das gelte zumindest für einen Fall, in dem alleine die Ermittlungsakte einen Umfang von 100 Leitzordnern habe.

So, ich bin weg. Leitz-Ordner zählen.