ZEUGEN

In den Kommentaren zum gestrigen Beitrag KOPIE wird ein interessantes Thema angesprochen. Die Justiz und ihre Abhängigkeit von Beweismitteln. Seltsamerweise steht das unzuverlässigste Beweismittel besonders hoch im Kurs – der Zeuge. Mit einem guten Zeugen kann man praktisch alles durchsetzen. Umgekehrt steht man auf fast verlorenem Posten.

Bei dieser Fixierung auf Zeugen ist es klar, dass der Anwalt nicht nur den Sachverhalt ordnen muss. Er muss auch klären, ob für jede Behauptung ein geeignetes Beweismittel zur Verfügung steht. Das führt mitunter zu, na ja, bizarren Dialogen:

„Ohne Zeugen kommen Sie nicht weiter.“ „Aber es war sonst niemand da.“ „Überlegen Sie doch noch mal genau, ob nicht vielleicht doch jemand das Gespräch gehört hat.“ „Ich glaube nicht.“ „Ohne Zeugen verlieren Sie aber den Prozess. Wo war denn Ihre Frau?“ „Ja, Moment.“ Mandant haut sich mehrmals auf die Stirn. „Jetzt wo Sie es erwähnen. Meine Frau war in der Küche und hat Geschirr gespült. Die hat alles genau gehört.“ „Wie kann sie denn alles hören, in einem anderen Zimmer?“ „Die Durchreiche war offen.“

Es gibt auch unausrottbare Gerüchte, dass „Unfallzeuge gesucht“-Anzeigen nur dazu dienen, doch noch ein Beweismittel an den Start zu bringen. Jedenfalls kann ich mich nur an einen einzigen Zeugen aus der Zeitung erinnern, der auch bei der Drohung, dass er gleich einen Eid leisten muss, dabei blieb, dem Geschädigten vorher noch nie begegnet zu sein.

Noch problematischer wird es mit Zeugen im Strafverfahren. Aktuell läuft ein Mandant von mir Gefahr, wegen Diebstahls verurteilt zu werden. Seine Freundin behauptet, er habe sie am Geldautomaten abgepasst und schnell die 200 Euro aus dem Schacht genommen. Keine Kamera. Niemand sonst anwesend. Dass er das Mädchen nachweislich kurz zuvor für eine andere verlassen hat, dreht der Staatsanwalt sogar noch gegen meinen Mandanten. Er habe sich, so steht es in der Anklageschrift, sogar noch besonders sicher gefühlt. Weil er davon ausging, dass seiner Ex sowieso keiner glauben wird.

VERFASSUNGSWIDRIG

Das Bundesverfassungsgericht hat heute den Großen Lauschangriff in weiten Teilen für verfassungswidrig erklärt, so Spiegel online. Die Lauscher dürfen nicht länger zuhören, wenn Gespräche mit Unverdächtigen geführt werden. Auch bei Gesprächen mit Verteidigern muss das Mithören eingestellt werden. Insgesamt scheint das Gericht mal wieder allen Grund gehabt zu haben, dem Staat seine Grenzen aufzuzeigen.

KOPIE

Ein Mandant hat seine Wohnung gekündigt. Er besorgte sogar noch einen Nachmieter. Der Nachmieter wollte die Kaution nicht zahlen und schlug dem Vermieter vor, dass mein Mandant seine Kaution stehen lässt. Mein Mandant sagt, er habe nie zugestimmt. Der Vermieter sagt das Gegenteil.

Wir klagen die Kaution ein. Wie zu erwarten schreibt der Vermieter, mein Mandant habe seine Kaution an den Nachmieter „abgetreten“. Dumm nur, dass er nicht daran denkt, dass sein eigener Anwalt den Nachmieter erst vor einigen Monaten wie folgt angeschrieben hat:

Ich weise Sie darauf hin, dass die von Ihrem Vorgänger gezahlte Mietkaution von diesem entgegen der mündlichen Abreden bisher weder schriftlich noch verbindlich an Sie abgetreten wurde und Sie damit die Kaution selbst einzuzahlen haben.

Schön, dass wir eine Kopie dieses Briefes haben…

MANN ODER FRAU

Eine Golferin möchte internationale Profiturniere spielen. Doch dagegen sperren sich die internationalen Verbände, berichtet Spiegel online. Grund: Die Spielerin war früher ein Mann.

In Deutschland gibt es seit 1980 klare Regelungen. Danach gehört ein Transsexueller nach einer operativen Geschlechtsumwandlung voll und ganz zum anderen Geschlecht, sobald ein Gericht dies auf Antrag festgestellt hat (§ 8 des Gesetzes über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen). Auch ohne die Geschlechtsumwandlung gibt es die Möglichkeit, offiziell den Vornamen zu ändern. Dann müssen Gutachter feststellen, dass sich die/der Betroffene unumstößlich dem anderen Geschlecht zugehörig fühlt.

Das geschlechtsspezifische Benachteiligungsverbot in Art. 3 Absatz 3 des Grundgesetzes gilt allerdings direkt nur im Verhältnis zwischen Bürger und Staat. Nichtstaatliche Sportverbände könnten sich vielleicht also auch bei uns mit dem Hinweis aus der Affäre ziehen, dass sie halt per Satzung nur „echte“ Männer und Frauen zu den Wettkämpfen zulassen wollen.

IMPRESSUM

In einem Urteil vom 12. Februar 2004 hat das OLG München entschieden, dass ein Impressum auf einer Webseite, das erst über einen Link nach Scrollen von 4 Bildschirmseiten erreichbar ist, nicht mehr im Sinne des § 6 TDG „leicht erkennbar“ und „unmittelbar erreichbar“ ist und somit rechtswidrig ist.

AUSKUNFT

Sehr geehrte Damen und Herren,

zum wiederholten Male bitten uns die Wirtschaftsprüfer Ihres Unternehmens um Auskünfte. Unter anderem wollen sie wissen, welche Forderungen uns gegen Ihr Unternehmen bekannt sind, ob es Prozesse gibt und wie wir die Erfolgsaussichten einschätzen.

Diese Angaben seien unbedingt nötig, um den Jahresabschluss für 2002 fertig zu stellen. Im Schreiben vom 26. Februar 2003 setzen uns Ihre Wirtschaftsprüfer sogar eine Frist.

Wir sind gerne bereit, die Auskünfte zu geben, sofern wir hierdurch keine Pflichten aus unseren Mandatsverhältnissen verletzen. Allerdings bitten wir Sie, für den Arbeitsaufwand einen Kostenvorschuss von 350,00 Euro zu überweisen, da wir etliche Akten sichten müssen.

Mit freundlichen Grüßen
Rechtsanwalt

PS. Die Firma ist ein großes Unternehmen, gegen das wir Prozesse geführt haben.

DER MISSTRAUISCHE STAAT

Die Republik der Fahnder. Im Visier: Hunde. Feierabendhandwerker. Steuerflüchtlinge. Und es gibt viel zu schnüffeln. Spiegel online berichtet aus dem Grenzgebiet zur Schweiz:

Obwohl die Freigrenze für jede Person noch bei 15.000 Euro Bargeld liegt, gehen den Beamten immer mehr Schwarzgeld-Schmuggler ins Netz. Im vergangenen Jahr fanden die Zollbeamten im Mieder einer Seniorin aus Berlin 88.000 Euro, aus dem Büstenhalter einer 62-Jährigen aus Hessen quollen 19.000 Euro. Eine Frau aus Nordschwaben holte bei der Kontrolle einen Gefrierbeutel mit 14.500 Euro aus ihrem Schlüpfer, zwischen den Scheinen fand sich zusätzlich ein Notizzettel über ihre sämtlichen Schwarzgeldanlagen.

Solche Unterlagen bringen die Beamten häufig auf die richtige Spur. Auf den ersten Blick ist so manches Papier nur ein leerer Umschlag, Zöllner erkennen ihn dagegen als gängiges Kuvert einer Schweizer Bank. Manchmal hilft eine Hundenase: Einer von 34 Zollhunden des Singener Amtes ist ein Bargeldspürhund.

(c) wulkan (www.wulkan-comic.de)

WEB-SPERRE

Öfter mal was Neues: Der Provider Freenet sperrt laut heise online Internetseiten, die sich kritisch mit Service oder Geschäftspolitik des Unternehmens auseinander setzen. Stattdessen wird der Kunde ungefragt auf Freenet-Werbeseiten umgeleitet. Als nächstes könnte man Kunden ja umsonst surfen lassen – sofern sie kritische Seiten über die Konkurrenz aufsuchen.

(link über Vertretbar.de)

MACHTFÜLLE

MACHTFÜLLE

Die bloße Bekanntschaft mit einem Spiegel-Reporter brachte einer Ermittlungsrichterin in Heidelberg mächtig Ärger ein. Obwohl noch zahlreiche andere Beteiligte – darunter mehrere Verteidiger – im Verfahren gegen mutmaßliche islamische Terroristen als Informanten der Presse in Frage kamen, wurde die Richterin als Verdächtige ausgeguckt. Einziger Grund: Sie soll Herrn K. vom Spiegel „gekannt“ haben.

Wohnung und Büro der Richterin wurden durchsucht, ihre Telefone gefilzt. Die sorgfältig begründeten begründeten Beschwerden gegen die Aktionen wies das zuständige Landgericht Karlsruhe mit ziemlich nichtssagenden Floskeln zurück.

So nicht, entschied jetzt das Bundesverfassungsgericht. Jeder Bürger habe einen Anspruch darauf, dass sich das Gericht mit seinen Argumenten auseinandersetzt und diese, sofern es ihnen nicht folgen will, widerlegt. Dieser Beschluss des Verfassungsgerichts zieht – mal wieder – gerade den Beschwerdegerichten Grenzen. In ihrer Machtfülle – es ist ja kein Rechtsmittel außer der Verfassungsbeschwerde mehr gegeben – nehmen sie es mit der Begründung nämlich mitunter nicht so genau. Ob das auf Faulheit oder Arroganz beruht, lassen wir mal offen.

KEINE FRAGEN

Im Bereich der Oberfinanzdirektion Chemnitz haben bisher ganze zwei Steuersünder von der Amnestie Gebrauch gemacht, die seit Januar Steuersündern günstigere Konditionen als ehrlichen Stuerzahlern einräumt. Das brachte der örtlichen Finanzkasse laut beck-aktuell lumpige 14.000 Euro ein.

Sieht so aus, als wird die Aktion ein Flop. Möglicherweise wird die Skepsis aber übertrieben. Ich habe bislang an einer größeren Generalbeichte mitgewirkt. Trotz heikler Materie gab es keinerlei kritische Fragen. Würde mich nicht wundern, wenn den Beamten bedeutet wurde, selbst „umständliche“ Amnestieerklärungen besser nicht zum Anlass für Ermittlungen zu nehmen.