UNDER CONSTRUCTION

Viele Anwälte geben auf dem Briefbogen ihre Homepage an. Ich empfinde es bei unbekannten Kollegen immer als gute Gelegenheit, einen ersten Eindruck vom Kontrahenten zu bekommen. Ich schätze, dass bei jeder 4. oder 5. Seite die Meldung „under construction“ kommt. Oder sogar die Info, dass man zum Zutritt auf die Seite nicht autorisiert ist. Und das mitunter monate-, manchmal schon jahrelang.

Vorhin habe ich einen Kollegen auf seine Dauerbaustelle angesprochen. Er musste erst einmal seinen eigenen Briefbogen studieren. „Das ist doch fürs e-mail“, belehrte er mich. „Nein“, erklärte ich ihm, „die e-mail-Adresse steht in der nächsten Zeile.“ Da war er baff. „Wenn man also die Zeile eingibt, kommt man im Internet zu einer Seite, die von unserem Büro ist?“ „Theoretisch ja, aber da ist ja nichts.“ „Da muss ich aber mal was reinmachen lassen.“ „Oder die Zeile aus dem Briefbogen streichen.“ „Was kommt denn teurer?“

Na ja, auch ans Fax haben sich die Leute nur langsam gewöhnt.

PRIVAT?

Viele Anrufer weigern sich strikt zu sagen, worum es geht. Manche behaupten sogar, die Sache sei „privat“.

Im letzteren Fall darf meine Sekretärin durchstellen. Aber erst, wenn sie den bislang unbekannten Anrufer darauf hingewiesen hat, dass ich ein ziemlich rabiater Zeitgenosse bin. Deshalb würde ich jeden brutal niederbrüllen und anschließend verklagen, der mir eine Krankenversicherung, Kleinanzeigen, Rotwein, Sportwagen oder Minenaktien aufschwatzen will.

Ich tue zwar beides nicht, aber seitdem hält sich die Belästigung in Grenzen. (Sorry Oma, du hättest neulich nach der „Belehrung“ nicht erschreckt auflegen müssen.)

Trotz allem kann es nicht schaden, sich für hartnäckige Störenfriede das Aktenzeichen 6 U 36/03 zu notieren. In diesem nagelneuen Urteil hat das Oberlandesgericht Frankfurt erneut klargestellt, dass sog. „Kaltanrufe“ nicht nur nervig, sondern auch rechtswidrig sind. Näheres im advobLAWg.

PRAKTIKANTIN

Ich habe einen Menschen in tiefe Verzweiflung gestürzt. Unsere Praktikantin, 2. Semester Jura. Ich hatte ihr empfohlen, den „Ziegelstein“ als Gesetzessammlung mitzubringen. „Ich war in 3 Geschäften“, erzählt sie mir. „Aber dieser Ziegelstein ist nicht lieferbar.“ Sogar bei amazon hat sie nachgeguckt. Aber da gebe es unter dem Suchwort nur Heimatbücher über eine Dorfgemeinde namens Ziegelstein.

Ich habe ihr schonend beigebracht, dass es sich beim „Ziegelstein“ eigentlich um Schönfelder, Deutsche Gesetze handelt.

Bitte mal anklicken, das ist dann die Pointe.

AUSWEGLOS

Aus Liebe 15 Jahre hinter Gitter? Im Fall des Tatort-Schauspielers Günther Kaufmann bahnt sich eine interessante Wende an:

„Wir gehen davon aus, dass Kaufmann ein falsches Geständnis abgelegt hat“, sagte Oberstaatsanwalt Peter Boie laut Spiegel online.

Alle fragen sich jetzt, wie konnte er so was machen. Einen Einblick in die Dynamik solcher Prozesse gibt Kaufmanns Anwalt:

Dann habe er sich so sehr in Lügen verstrickt, dass es kein Zurück mehr gab, sagte Ufer. Kaufmann habe zu Recht befürchtet, dass das Gericht ihn abstrafen werde, wenn er nun plötzlich die Schuld „auf einen großen Unbekannten“ schiebe.

Wenn das Gericht dann auch noch mit einem Strafrabatt für den Fall eines Geständnisses lockt, ist die „Versuchung“ mitunter ganz beträchtlich…

VORFREUDE

Herr S. hat heute wahrscheinlich Post vom Gericht bekommen. Seine Frau, die wir vertreten, möchte sich scheiden lassen. Aus den Telefonnotizen:

12.43 Uhr: Herr S. bittet um Rückruf.

12.49 Uhr: Bitte Herrn S. anrufen. Es ist dringend.

13.04 Uhr: Herr S. bittet dringendst um Rückruf. Entweder sie rufen ihn jetzt an oder er überlegt sich andere Schritte.

13.33 Uhr: Herr S., bitte Anruf. Wenn er in 10 Minuten nichts hört, wird er sie verklagen.

14.19 Uhr: Herr S. teilt mit, er hat gleich einen Termin bei seinem Anwalt. Danach kommt er vorbei und haut ihnen eine auf die Schnauze.

Jetzt sitze ich hier und warte. Habe ich schon erwähnt, dass Frau S. ihren Mann wegen seiner cholerischen Art verlassen hat?

KLAGEWELLE

200.000 Klagen rollen angeblich auf die Verwaltungsgerichte zu, weil sich Beamte gegen die Kürzung ihrer Pensionen wehren. Und Innenminister Schily lehnt laut beck-aktuell eine „Vereinbarung über Musterklagen“ ab.

Na super, damit dürfte sich die durchschnittliche Verfahrensdauer vor dem Verwaltungsgericht nochmals erhöhen.

Von endlos lange auf unendlich.

TAUSCHHANDEL

Wenn eine Angeklagte mit ihm ins Bett ging, minderte ein amerikanischer Richter ihre Strafe. Jahrelang hat er mit diesem unmoralischen Angebot Frauen missbraucht. Jetzt wurde er selber verurteilt.

Mehr bei Spiegel online.

Leider wird nicht erwähnt, aus wem sich die saalfüllende Unterstützerschar zusammensetzte. Richter und Staatsanwälte dürften es ja kaum gewesen sein…

RÜHREND

RÜHREND

Die Klage liest sich rührend. Die Mitglieder einer Erbengemeinschaft verklagen Mieter auf Räumung einer Wohnung. Grund: Eigenbedarf. Die Tochter ist schwanger, sie wird alleinerziehend sein. Und braucht deshalb eine vernünftige Wohnung. Am besten natürlich im Elternhaus. Oma und Opa sollen auf das Kind aufpassen, während Töchterchen seinen Doktor macht.

Das trifft meine Mandanten natürlich hart. Immerhin leben sie seit fast 30 Jahren in der Wohnung. Sie haben viel reingesteckt. Und würden gerne bleiben. Sie sind am Boden zerstört, als ich mit ihnen spreche. Immerhin handelt es sich ja um glasklaren Eigenbedarf. Was soll man da machen?

Den Mietvertrag lesen. Auf Seite 22 – direkt vor den Unterschriften – entdecke ich diese Klausel:

Die Mieter haben ein Wohnrecht im Hause auf Lebenszeit und sind damit unkündbar!

Jetzt weiß ich auch, warum der gegnerische Anwalt den Mietvertrag nicht als Kopie fürs Gericht beigefügt hat. Da hat wohl jemand gehofft, dass unser Exemplar im Lauf der Jahre „verloren“ gegangen ist…

THEATER

Aus dem Alltag des Kölner Arbeitsgerichts berichtet die Süddeutsche Zeitung:

Gehetztes Nuscheln in Saal 101. „Im Fall Gallert gegen Utschi“, brabbelt Arbeitsrichter Christian Ehrich ins Diktiergerät, „erschienen nach Aufruf der Sache für den Kläger niemand, der Beklagte…“ Stopp. Ehrich reißt das Diktiergerät ans Ohr. Spult zurück, Wiedergabe, Stopp, Schnellvorlauf. „Der Beklagte persönlich“, jagt Ehrich weiter. „Die Klage wird abgewiesen. Terminende 9 Uhr 19.“ Das Diktat klingt weniger nach dem Ende eines Rechtstreits als nach dem Satz: „Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie ihren Arzt oder Apotheker.“

Dasselbe Theater – derzeit auch in Ihrer Stadt.

(link gefunden im m.e.p.-HistobLog)

WIRTSCHAFTSLEBEN

Die Firma ITS Reisen begründet, warum sie für Reisemängel nichts bezahlen will:

Von einem Urlaub mit uns kann man erwarten, dass man die Leistungen erhält, wie man sie aufgrund der Kategorie und Preisklasse ewarten konnte. … Wie im allgemeinen Wirtschaftsleben, so stehen auch in der Touristik Preis und Leistung in einem unmittelbaren Zusammenhang. Eine Pauschalreise setzt sich aus vielen Leistungen zusammen und ein nicht unerheblicher Teil des Reisepreises entfällt allein auf die Beförderung. … Die aufgrund der Kategorie und Preisklasse zu erwartenden Leistungen wurden erbracht.

Ach so. Bisher dachte ich immer, der Kunde kann das erwarten, was zu dem gebuchten Hotel im Katalog steht.

UNBESCHULT

Rotkäppchen auf Amtsdeutsch:

Im Kinderfall unserer Stadtgemeinde ist eine hierorts wohnhafte, noch unbeschulte Minderjährige aktenkundig, welche durch ihre unübliche Kopfbekleidung gewohnheitsrechtlich Rotkäppchen genannt zu werden pflegt.

Der Mutter besagter R. wurde seitens ihrer Mutter ein Schreiben zustellig gemacht, in welchem dieselbe Mitteilung ihrer Krankheit und Pflegebedürftigkeit machte, der Großmutter eine Sendung von Nahrungsmittel und Genußmittel zu Genesungszwecken zuzustellen.

Hier geht das Märchen weiter.

(link gefunden im Transblawg)

NICHTS GEMERKT?

Ein Baby wird schwer misshandelt. Doch das Gericht spricht seine Eltern frei. Beide haben die Aussage verweigert und das Gericht sah deswegen keine Möglichkeit, den Täter zu ermitteln.

So nicht, hat jetzt der Bundesgerichtshof entschieden. Sofern ein Elternteil wirklich unbeteiligt gewesen sein sollte, haftet er zumindest aus dem Gesichtspunkt des Unterlassens. Denn Eltern trifft eine sehr strenge Pflicht, Schaden von ihren Kindern abzuwenden.

Das „aktive Wegschauen“ bei Gewalt im Elternhaus dürfte mit diesem Urteil kein Freibrief mehr sein.

Das Urteil im Volltext. Gefunden bei Sascha Kremer von Vertretbar.de, dort auch weitere interessante Anmerkungen.

NICHT ALLEIN

Beim nächsten privaten Unglücksfall tröste ich mich mit der Einsicht, dass ich auf dieser Welt nicht alleine bin:

In einem Wahn der Ungeschicktheit gab ich mir mit der Fensterscheibe (welche ich gerade hochkurbelte) einen Kinnhaken, wodurch ich mir a) auf die Unterlippe biß und b) mein Kopf gegen den Türrahmen schlug. (Stephan)