Kinderpornografie – ein Blick ins Gesetz

Der für die Aktion Mikado verantwortliche Staatsanwalt hat gestern im Fernsehen etwas Kluges gesagt. Auf die Frage, was die jetzt ermittelten möglichen Straftäter zu erwarten haben, erklärte er zusammengefasst: Wer die Inhalte nur konsumiere und sie nicht weiter verbreite, müsse mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren rechnen. Das sei das Gleiche wie bei Sachbeschädigung.

Dabei ist zu bemerken, dass die Höchststrafe für den Besitz von Kinderpornografie kürzlich verdoppelt wurde, von einem auf zwei Jahre. Trotzdem liegt sie vom Unwertgehalt nach dem Willen des Gesetzgebers im Bereich, den der Staatsanwalt dankenswerterweise offen angesprochen hat. Es ist also keineswegs so, dass unser geltendes Recht die Konsumenten von Kinderpornografie auf die Stufe von Schwerverbrechern stellt.

Das sollte man, bei aller Abscheu über das Phänomen, jedenfalls zur Kenntnis nehmen. Möglicherweise klafft hier eine Lücke zwischen dem Strafbedürfnis der interessierten Öffentlichkeit und der Rechtslage. Aber zunächst zählt die Rechtslage. Ob sie einem gefällt oder nicht.

Die bloße Tatsache, (zahlender) Kunde eines Kinderpornoanbieters zu sein, führt übrigens noch nicht notwendig zur Strafbarkeit. Das liegt am Gesetz selbst. § 184 b Abs. 4 Strafgesetzbuch stellt nicht jeden Kontakt mit Kinderpornografie unter Strafe. Dort heißt es:

Wer es unternimmt, sich den Besitz von kinderpornographischen Schriften zu verschaffen, die ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergeben, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Ebenso wird bestraft, wer die in Satz 1 bezeichneten Schriften besitzt.

Strafbar macht sich demnach nur, wer sich Besitz verschafft oder sich zumindest verschaffen will. Besitz ist aber nicht das bloße Aufrufen bzw. Betrachten einer derartigen Seite im Internet. Das erläutert der juristische Standardkommentar Schönke/Schröder so:

Das bloße Betrachten einer Schrift ist damit nicht tatbestandsmäßig. Bei Computerdateien ist dieses auf eine gewisse Dauer gerichtete Herrschaftsverhältnis nicht schon mit der Darstellung auf dem Bildschirm und dem Gelangen der Dateien in den Arbeitsspeicher des Rechners begründet, sondern erst mit dem dauerhaften Abspeichern auf einem Datenträger wie zB Festplatte, Memory-Stick, CD-R, DVD, Diskette.

Die zeitweise Speicherung der Daten im Arbeitsspeicher des Rechners ist nicht ausreichend, da diese beim Ausschalten des Geräts endgültig verloren gehen, falls sie nicht zuvor auf der Festplatte gespeichert werden. Bei einer Übertragung aus dem Internet erfolgt eine Abspeicherung allerdings regelmäßig automatisch durch die Software im sog. Cache, weshalb die Daten auch nach Abschalten des Geräts erhalten bleiben. Diesbezüglich wird jedoch häufig der Vorsatz zu verneinen sein, weil sich der Nutzer dieser Speicherung oftmals nicht bewusst ist.

Die Frage, ob eine hinreichende dauerhafte Speicherung in solchen Fällen vorliegt, lässt sich letztlich kaum allgemeingültig beantworten, weil dies letztlich auch von den jeweiligen Konfigurationen abhängt.

Wer sich derartiges Material also lediglich ansieht und es nicht abspeichert, macht sich nicht strafbar. Dazu bedarf es keiner juristischen Winkelzüge; es ist die Rechtslage. Ebenso wenig macht sich zum Beispiel jemand strafbar, der Kinderpornografie auf dem Computer, Handy oder DVD-Player eines Dritten betrachtet. So traurig man es finden mag, bedeutet dies zum Beispiel, dass sich bei einem „Videoabend“ mit derartigem Material lediglich der Gastgeber strafbar macht.

Letztlich führt dies zur Erkenntnis, dass die anhand von Zahlungsdaten ermittelten Kunden einer kinderpornografischen Bezahlseite zwar einer Straftat verdächtig sind. Denn realistischerweise werden derartige Dateien meistens abgespeichert. Es muss aber nicht so sein. Der Schluss, wer sich bei einer derartigen Seite angemeldet und sich die Inhalte angesehen hat, sei notwendig auch ein Stratäter, ist unzutreffend. Gleiches gilt auch für die Ansicht, schon allein die Anmeldung sei strafbar.

Einmaliger Disclaimer: Ich bin Fachanwalt für Strafrecht. Es ist meine Aufgabe, Menschen zu helfen, denen Straftaten vorgeworfen werden. Man kommt der Aufgabe eines Verteidigers vielleicht näher, wenn man sich klarmacht, dass es in unserem Rechtsstaat ab einer Straferwartung von einem Jahr Gefängnis kein Strafverfahren ohne Verteidiger geben darf. Wenn ein Angeklagter keinen Verteidiger sucht und vielleicht sogar keinen will, wird dieser ihm sogar aufgezwungen.

Ich helfe Beschuldigten im Rahmen des Zulässigen. Das ist unabhängig davon, ob der Tatvorwurf zutrifft oder nicht. Und dabei spielt es überhaupt keine Rolle, welche persönliche Meinung ich zu dem möglichen Fehlverhalten oder der Person des Betroffenen habe.

Aus den vorstehenden Gründen werde ich mich an einer Moraldiskussion nicht beteiligen, auf welcher Ebene auch immer sie geführt wird. Das heißt aber nicht, dass ich die Argumente nicht zur Kenntnis nehme.

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