Türkischer Name darf nicht geändert werden

Ein Namenswechsel ist nach deutschem Recht nur unter gewissen Voraussetzungen möglich. Die Sorge, der ausländisch klingende Familienname könne den Kindern schulische oder beruflichen Nachteile bringen, gehört nicht dazu. Dies hat das Verwaltungsgericht Braunschweig entschieden.

Geklagt hatten Eltern mit türkischem Namen. Sie waren der Auffassung, ihre Kinder würden wegen des Namens in der Schule benachteiligt. Schwerwiegende Nachteile, wie sie das Gesetz für eine Namensänderung fordert, liegen in diesem Fall nach Auffassung der Richter nicht vor, berichtet der NDR.

Möglich ist eine Namensänderung zum Beispiel, wenn der Name anstößig oder lächerlich klingt, der Name große Schwierigkeiten in der Schreibweise oder bei der Aussprache verursacht. Der häufigste Fall ist aber, dass der Name von Scheidungskindern dem Namen des sorgeberechtigten Elternteils angepasst wird.

Bei Kinderpornografie droht Polizisten das Aus

Eine Verurteilung wegen des Besitzes von Kinderpornografie rechtfertigt bei einem Polizeibeamten regelmäßig die Kündigung und den Verlust der Pensionsansprüche. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in mehreren Verfahren entschieden.

Die drei Polizeibeamten aus unterschiedlichen Bundesländern hatten jeweils auf ihren privaten Rechnern strafbare kinderpornografische Schriften gespeichert; einer hatte sie auch weiterverbreitet. Ein Beamter aus Brandenburg erhielt neun Monate Haft auf Bewährung. Ein Berliner Polizist musste 7.200 Euro Geldstrafe zahlen. Das Verfahren gegen einen Thüringer Polizisten wurde gegen eine Geldauflage eingestellt.

Trotz der unterschiedlichen strafrechtlichen Sanktionen hält es das Bundesverwaltungsgericht für angemessen, dass die Beamten entlassen wurden. Auch wenn es sich um ein außerdienstliches Vergehen handele, färbe der Besitz von Kinderpornografie negativ auf die Polizei ab. Polizisten hätten in der Bevölkerung eine herausgehobene Vertrauens- und Garantenstellung. Diese Stellung werde durch so ein Delikt stark gefährdet.

Im Fall des Thüringer Polizisten weist das Bundesverwaltungsgericht aber darauf hin, dass eine Einstellung des Verfahrens gegen Geldauflage eher gegen eine Entlassung spricht. Allerdings hatte der Beamte auch noch illegal Daten minderjähriger Mädchen aus dem Polizeicomputer abgefragt (Aktenzeichen 2 C 19.14, 2 C 9.14 und 2 C 25.14).

Der Killer-Beweis

Dashcams in der Praxis auf deutschen Straßen. Was das bedeuten kann, zeigt sehr schön ein Youtube-Video aus Deutschland, auf das mich ein Leser hingewiesen hat.

Ein Rollerfahrer, der ziemlich weit links fährt, zeigt einem von hinten kommenden Autofahrer (möglicherweise) den Stinkefinger. Darauf fährt der Autofahrer den Rollerfahrer um. Das ist dank der Dashcam eines weiteren Motorradfahrers gut dokumentiert.

Auch was danach folgte, ist durchaus bemerkenswert. Der Motorradfahrer holt den Autofahrer nämlich ein und stellt ihn zur Rede. Der gibt den Vorfall ziemlich freimütig zu, während die Dashcam alles filmt.

Klar, auch ohne das Video gäbe es Beweise. Nämlich vor allem den Motorradfahrer. Der hat, von hinten kommend, den Vorfall gut gesehen. Und er könnte als Zeuge sicher sehr anschaulich schildern, was der Autofahrer zu ihm gesagt hat. Insgesamt aber ist das alles nichts, was ein Anwalt nicht ins Wanken bringen könnte. Wenn ich mir an dieser Stelle mal erlauben darf, mich auf die Seite des Autofahrers zu denken.

Ohne Dashcam-Bilder würde man es wahrscheinlich recht leicht haben, die Sache für den Autofahrer als unglücklichen Unfall hinzustellen. Zu früh wieder eingeschert, möglicherweise hat der Rollerfahrer ja Gas gegeben. Eine fahrlässige Körperverletzung, mehr nicht. Der Motorradfahrer: ein Rechthaber, der ja wohl selbst ziemlich aggressiv unterwegs ist.

Mit dem Video sieht es allerdings ganz anders aus. Ich würde mal vorsichtig sagen, da bedarf es ausredemäßig einer deutlich größeren Portion Kreativität.

Im Strafprozess gegen den Fahrer hätten Gerichte wohl kaum Probleme, das Unfallvideo selbst zu verwerten. Die ganzen Fragen, ob und inwieweit die Aufnahme rechtmäßig war, würden hier keine ausschlaggebende Rolle spielen.

Bei dem späteren Gespräch sieht es ein klein wenig anders aus. Da könnte man daran denken, dass hier verbotenermaßen das nichtöffentlich gesprochene Wort aufgezeichnet wurde (§ 201 StGB). Allerdings müsste man dafür einige Hürden umschiffen. Hat der Motorradfahrer überhaupt aufgenommen im Sinne des Gesetzes? Er hat seine laufende Dashcam ja nur nicht aktiv abgeschaltet. Somit fehlt es wohl schon deswegen an einer vorsätzlichen Tat.

Auch wenn der Motorradfahrer selbst rechtswidrig gehandelt haben sollte, wird der Autofahrer das Gericht kaum davon abbringen können, das Video anzuschauen. Und vor allem anzuhören. Denn auch hier gilt: Dass ein Beweis rechtswidrig entstanden ist, führt nur in krassen Ausnahmefällen zu einem Verwertungsverbot im Strafprozess. Davon kann man hier nicht ausgehen.

So eine Dashcam-Aufnahme ist also im Strafverfahren ein ziemlich guter Beweis. Gleiches gilt im Ergebnis wahrscheinlich auch für den Zivilprozess, in dem der Rollerfahrer Schadensersatz und Schmerzensgeld einklagen kann. Zwar gibt es ja schon einige Urteile, die sich wegen des Datenschutzes kritisch gegenüber Aufnahmen äußern, die der Geschädigte selbst gemacht hat. Bilder, die – wie hier – von einem unbeteiligten Dritten stammen, wird man aber kaum aus dem Prozess raushalten können.

Insgesamt zeigt das Video sehr schön, wie Dashcams das Verkehrsstrafrecht und das Verkehrsrecht verändern können. Das gilt aber für die unvermeidliche und gleichwohl spannende Frage, ob und inwieweit Aufnahmen nachträglich manipuliert wurden. Auch bei dem Beispielvideo weiß man ja letztlich nicht, ob nicht vielleicht doch alles ganz anders war…

Möglichst einfach

Ich liebe Rechtsbehelfsbelehrungen. Hier eine vom Verwaltungsgericht:

Die Beschwerdebegründung soll möglichst einfach eingereicht werden.

Bezieht sich das jetzt darauf, wie viele Exemplare eingereicht werden? Wäre es wirklich ein so großes Problem, wenn die Beschwerdebegründung völlig überraschend und offensichtlich vorbei an jedem Bedarf in zwei- oder gar dreifacher Ausfertigung kommt? Ich meine, so viel Platz sollte in den Aktenschränken eines Obergerichts zur Not ja gerade noch sein.

Oder haben wir es hier mit dem Hilferuf eines genervten Richters zu tun, der das übliche Geschwurbel in Schriftsätzen nicht mehr ertragen kann? Ich habe mich vorhin jedenfalls ganz besonders darum bemüht, auf den Punkt zu kommen. Vielleicht ist das ja einen Pluspunkt wert.

Fahrgast mit Gesprächsbedarf

Den Sinn einer Notbremse hat ein 47-Jähriger Fahrgast der Bahn leicht verkannt. Der Mann betätigte am Freitag die Notbremse im Regional-Express, der von Herzebrock-Claerholz Richtung Dortmund fuhr.

Dem Bahnpersonal erklärte er laut dem Polizeibericht: „Der Zug fuhr mir zu schnell, ich wollte mit dem Triebfahrzeugführer darüber sprechen.“ Sein Anliegen konnte der Mann aber nicht durchsetzen. Der Zug fuhr nach dem Zwangsstop in dem Tempo weiter, das der Zugführer für angemessen hielt. Verletzt wurde bei der Vollbremsung niemand.

In Dortmund kam der Mann deshalb mit lediglich drei Minuten Verspätung an. Seine Weiterreise verzögerte sich aber noch, denn die Bundespolizei vermutete bei ihm Drogenkonsum. Außerdem wird gegen ihn wegen Missbrauchs von Notrufen und gefährlichen Eingriffs in den Schienenverkehr ermittelt.

Karlsruhe schließt die Akte Kunduz

Der verheerende Luftangriff auf einen Tankwagen im afghanischen Kunduz kostete mindestens 97 Menschenleben. Das ist fünf Jahre und neun Monate her. Nach anderen Angaben kamen sogar bis zu 134 Personen um, darunter auch zahlreiche Kinder. Befohlen hatte den Angriff ein deutscher Oberst. Er und ein weiterer Soldat, der den Angriff technisch koordinierte, bleiben zumindest vorerst straffrei. Das Bundesverfassungsgericht hat die Einstellung der Ermittlungsverfahren ohne eine Gerichtsverhandlung nun gebilligt.

Der Vater zweier getöteter Kinder hatte sich dagegen gewehrt, dass gegen die Soldaten keine Anklage erhoben wurde. Der Generalbundesanwalt hatte nämlich keinen Tatverdacht gesehen. Diese Entscheidung sei in Ordnung gewesen, meint das Bundesverfassungsgericht. Der Generalbundesanwalt habe ausreichend ermittelt. Er sei damit seiner Pflicht nachgekommen, gerade bei Todesfällen genau hinzusehen.

Im Kern ging es um die Frage, ob die deutschen Soldaten vorsätzlich handelten. Sie hatten sich stets damit verteidigt, sie seien davon ausgegangen, dass sich in der Nähe der zum Bombardement freigegebenen Tankzüge keine Zivilisten befinden. Dies sei nicht zu widerlegen, befand die Bundesanwaltschaft. Deshalb wurden auch kaum Zeugen befragt.

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hatte einen Klageerzwingungsantrag später aus formalen Gründen als unzulässig verworfen. Auch damit haben die Karlsruher Richter kein Problem. Es sei Aufgabe des Beschwerdeführers, den verfahrensrechtlichen Anforderungen zu genügen. Dem sei sein Antrag nicht gerecht geworden.

Das letzte Wort ist in dieser Sache wohl noch nicht gesprochen. Der betroffene Vater hat bereits vor der Entscheidung angekündigt, er werde auch vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ziehen (Aktenzeichen 2 BvR 987/11).

Richter oder Stempelbeamter?

Die Verhaftung des bekannten Fernsehjournalisten Achmed Mansur (Al Dschasira) auf dem Berliner Flughafen wirft Fragen auf. Die deutsche Justiz sperrt Mansur ein, weil Ägypten ein entsprechendes Ersuchen nach Deutschland geschickt hat. Ägypten gehört seit jeher nicht zu den Nationen, denen man übertriebene Rechtsstaatlichkeit nachsagen kann. Das ist heute immer noch so. Oder schon wieder. Hier muss die deutsche Justiz aufpassen, dass sie nicht instrumentalisiert wird.

„Die Fernsteuerung deutscher Amtsgerichte durch die ägyptische Regierung“ befürchtet deswegen auch Jurist Oliver Garcia in einem sehr informativen Blogeintrag. Garcia weist zutreffend darauf hin, dass der Rechtsschutz bei ausländischen Auslieferungsgesuchen nicht sonderlich ausgeprägt ist.

So sind deutsche Richter, denen der Festgenommene vorgeführt wird, nach bisherigem Verständnis darauf beschränkt, die Identität des Betroffenen zu überprüfen. Was an dem Ersuchen dran ist, sollen sie nicht untersuchen dürfen. Dass dies nicht sein kann und ein Richter mehr ist als ein Stempelbeamter, hat das Bundesverfassungsgericht im Jahre 2010 ausdrücklich festgestellt. Eine Bereitschaft, sich hieran zu halten, ist allerdings kaum festzustellen. Schon gar nicht bei weniger prominenten Menschen, die bei uns jeden Tag aus dem Transit ins Gefängnis wandern.

Statt jedoch wenigstens hier ebenso pflichtgemäß wie mutig zu handeln, schickte das Amtsgericht Tiergarten Mansur in den vorläufigen Gewahrsam. Dort wird er jetzt voraussichtlich eine zermürbende Zeit verbringen, bis über das Ersuchen Ägyptens entschieden ist. Das kann Wochen, ja Monate dauern. Eine Zeit, in der sein Freiheitsanspruch jedenfalls nichts mehr gilt, was letztlich auch das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland nicht unbedingt befördern wird. Außer vielleicht bei der ägyptischen Führung.

Was hätte stattdessen passieren müssen? Garcia:

Die Festhaltung des Journalisten ist evident rechtswidrig. Auf die – im hier vorliegenden vertragslosen Auslieferungsverkehr anwendbare – Vorschrift des § 10 Abs. 2 IRG, die eine Prüfung des Tatverdachts durch die deutschen Gerichte ermöglicht, kommt es dabei nicht einmal an. Entscheidend ist vielmehr, daß ein Journalist wie Achmed Mansur im ägyptischen Justizhexenkessel von vornherein kein faires Verfahren erwarten kann (§ 6 Abs. 2 IRG). Zu dieser Erkenntnis kann jeder Amtsrichter nach Sichtung der Nachrichtenlage (einschließlich der Berichte der internationalen Organisationen) in kurzer Frist gelangen.

Verderbliche E-Books

Der Jugendschutz in Deutschland könnte – jedenfalls auf dem Papier – bald dazu führen, dass man deftigere E-Books künftig nur noch zwischen 22 und 6 Uhr herunterladen kann. Jedenfalls gibt es derzeit ein Verfahren wegen des Transgender-Romans „Schlauchgelüste“. Bei diesem pochen die Behörden darauf, dass das E-Book tagsüber nicht angeboten wird, berichtet das Branchenmagazin „Börsenblatt“.

Für online verkaufte E-Books gilt, wie für alle Telemedien, der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag. Dieser sieht vor, dass jugendgefährdende Inhalte nur zwischen 22 und 6 Uhr frei zugänglich sein dürfen. Gerade bei E-Books klingt das besonders absurd. Wahrscheinlich würden viele Eltern vieles drum geben, dass ihre Kinder überhaupt mal wieder was lesen. Aber der Buchhandel nimmt das Problem notgedrungen ernst.

Der Justiziar des Verbandes verhandelt laut Börsenblatt derzeit mit den Behörden, um eine Lösung zu finden. Zum einen soll geklärt werden, welche Prüfpflichten Verlage bei E-Books überhaupt haben. Zum anderen gibt es den Gedanken, die Sortimente mit geeigneter Software abzusichern, etwa mit Hilfe der bislang kaum verbreiteten und umstrittenen Jugendschutzprogramme.

So praktizierter Jugendschutz verspricht natürlich einen großartigen Erfolg. Die gestrengen „Sendezeiten“ werden ja schon länger gerade bei erotisch angehauchten Bewegtbildern durchgesetzt. Sofern der Anbieter seinen Sitz in Deutschland hat. Wie gut, dass niemand auf die Idee kommt, die Inhalte ganz einfach im Ausland ins Netz zu speisen, wo vielleicht andere Gesetze gelten. Oder möglicherweise auch nur die Uhren anders ticken.

Milderes Urteil für „MisterX“

Der Bundesgerichtshof hat das Urteil gegen den Hoeneß-Erpresser aufgehoben. Der Mann hatte Uli Hoeneß vor dessen Haftantritt unter Druck gesetzt, indem er diesem „verschärfte Haftbedingungen“ androhte, sollte er nicht 215.000 Euro erhalten.

Interessant ist vor allem die Begründung, mit welcher das Urteil wegen versuchter Erpressung aufgehoben wird. Das Landgericht München II hatte nämlich einige strafschärfende Aspekte aufgeführt, die bei näherer Betrachtung eigentlich keine sind. Beziehungsweise sein dürfen.

Die „erhebliche krimineller Energie“ des Täters erkannte die Strafkammer unter anderem in folgenden Punkten:

– Der Angeklagte hatte die Datei mit dem Erpresserschreiben bewusst nicht auf seinem Computer abgespeichert (aktiv gelöscht hat er die Datei aber auch nicht);

– er hatte Handschuhe getragen und seine Finger mit einem Geschirrtuch umwickelt, um Fingerabdrücke zu vermeiden;

– im Erpresserschreiben hatte der Angeklagte sich nur „MisterX“ genannt.

Sicher nicht schön, aber sind diese Verhaltensweisen wirklich strafschärfend? Anders gefragt: Darf von einem Erpresser wirklich verlangt werden, dass er sich mit seinem echten Namen vorstellt, um im Entdeckungsfall noch eine „normale“ Strafe zu erhalten? Der Bundesgerichtshof:

Dem Angeklagten darf nicht straferschwerend zur Last gelegt werden, er habe den Ermittlungsbehörden seine Überführung nicht erleichtert, indem er keine auf ihn hindeutenden Hinweise geschaffen habe. Dies wäre aber der Fall, wenn man einem Erpresser anlastet, er trete nicht unter seinem Namen, sondern anonym auf, und er habe ein Erpresserschreiben nicht abgespeichert, sondern ohne Speicherung auf seinem Computer erstellt.

Auch wenn das Ganze in diesem Fall vielleicht besonders bizarr ist, kommen solche Fehler in vielen Urteilen vor. Ich habe mal einen Räuber verteidigt, der den Weg zur Wohnung des Opfers nicht kannte. Deshalb hielt er an einer Tankstelle an und kaufte sich einen Stadtplan von Recklinghausen. Auch das wurde als strafschärfend gewertet – warum auch immer. Auch dieser Fall erlebte eine Neuauflage. Ähnlich ist es jetzt bei der Hoeneß-Erpressung; der Fall wird ans Landgericht München II zu erneuter Verhandlung zurückverwiesen (Aktenzeichen 1 StR 200/15).

Das De legibus Blog zur Vorgeschichte

Bundestag unterliegt vor Gericht

Juristischer Erfolg für das Portal abgeordnetenwatch.de: Der Deutsche Bundestag muss offenlegen, welchen Lobbyorganisationen er einen Hausausweis für das Parlament ausstellt. Mit diesem Ausweis haben die Lobbyisten weitgehend ungehinderten Zugang zum Bundestag, der Normalsterblichen versagt bleibt.

Abgeordnetenwatch.de hatte sich auf das Informationsfreiheitsgesetz berufen. Die Bundestagsverwaltung lehnte den Antrag jedoch ab, so dass nun das Verwaltungsgericht Berlin entscheiden musste. Dabei geht die Fragestellung deutlich über den Einzelfall hinaus. Der Bundestag blockt nach Angaben von abgeordnetenwatch.de nämlich gerne Anfragen mit der Begründung ab, das Informationsfreiheitsgesetz sei gar nicht anwendbar. Denn es gehe nicht um die Verwaltung, sondern um besonders geschützte parlamentarische Tätigkeit.

Dieser Ansicht erteilte das Verwaltungsgericht jedoch eine Absage. „Mit dieser Einstellung würde so gut wie alles im Zusammenhang mit dem Bundestag aus dem Informationsfreiheitsgesetz herausfallen“, wird die Gerichtsvorsitzende zitiert. Schließlich habe alles in irgendeiner Form mit der Tätigkeit der Abgeordneten zu tun. Den Kernbereich der Abgeordnetentätigkeit, der besonders geschützt sei, sieht das Gericht aber bei der Lobbyistenliste jedenfalls nicht berührt.

Sicherheitsbedenken bezüglich der Lobbyisten, die von den Anwälten des Bundestages vorgebracht wurden, konnte das Gericht nicht nachvollziehen. Dass ein Hausausweis für eine bestimmte Organisation ausgestellt sei, sage ja nichts darüber aus, auf welche konkreten Personen er laute.

Abgeordnetenwatch.de feiert das Urteil als deutliche Stärkung der Informationsfreiheit. Gerade die Parteien der Großen Koalition hätten sich im Vorfeld massiv geweigert, ihre Lobbykontakte transparent zu machen. Ob das Urteil Bestand hat, ist allerdings noch nicht klar. Der Bundestag kündigte nach Presseberichten bereits an, es werde Berufung eingelegt (Aktenzeichen VG 2 K 176.14).

GEMA fliegt aus dem Wartezimmer

Die GEMA kann keine Gebühren verlangen, wenn ein Arzt in seinem Wartezimmer Radiomusik im Hintergrund abspielt. Das hat der Bundesgterichtshof gestern entschieden.

Der Europäische Gerichtshof hat in einem Grundsatzurteil festgelegt, dass Urheberrechtsabgaben nur dann anfallen, wenn eine unbestimmte Zahl potentieller Adressaten und gleichzeitig „recht viele“ Personen den Hörgenuss haben. Das sei bei einer normalen Arztpraxis aber gerade nicht der Fall.

Der Bundesgerichtshof wendet die Europa-Rechtsprechung nun auch auf das deutsche Urheberrecht an mit der Folge, dass die GEMA bei vielen Freiberuflern künftig in die Röhre schaut (Aktenzeichen I ZR 14/14).

Eigene Rauchmelder reichen nicht

Mieter müssen es akzeptieren, wenn der Vermieter die Wohnung mit Rauchmeldern ausstatten will. Das gilt auch dann, wenn die Mieter bereits eigene Rauchmelder installiert haben.

Die Mieter müssen den Einbau der vom Vermieter gestellten Rauchmelder dulden, entschied der Bundesgerichtshof. Die Rauchmelder seien eine wertsteigernde Maßnahme. Solche Arbeiten müssen Mieter regelmäßig hinnehmen. Außerdem steige die Sicherheit im Gebäude, wenn die Rauchmelder zentral angeschafft und auch von einer Fachfirma des Vermieters gewartet werden.

Faktisch bedeutet das natürlich auch, dass vom Vermieter geschickte Techniker zu den Wartungsintervallen immer die Wohnung des Mieters betreten und sich in allen Räumen umsehen können (Aktenzeichen VIII ZR 290/14).

Die letzte Überweisung

Nach einer Kontoauflösung darf eine Bank keine Gebühr verlangen, wenn sie das Restguthaben des Kunden auf dessen neue Bankverbindung überweist. Eine Sparkasse in Thüringen wollte dafür 10,24 Euro berechnen.

Die ordnungsgemäße Abwicklung einer Bankverbindung sei Pflicht jedes Kreditinstituts, urteilt das Thüringer Oberlandesgericht. Dazu gehöre, das Guthaben kostenfrei auf das neue Konto des Kunden zu übertragen. Auf eine Barauszahlung muss der Kunde sich laut dem Gericht nicht verweisen lassen. Diese sei unüblich und für den Kunden unzumutbar.

Geklagt hatte der Verbraucherzentrale Bundesverband (Aktenzeichen 1 U 541/14).

Richter dürfen nicht simsen

Das Smartphone ist für Strafrichter tabu – jedenfalls während der Verhandlung. Der Bundesgerichtshof stellte jetzt klar, dass Richter während der Verhandlung keine privaten SMS schreiben oder gar Telefonate annehmen dürfen.

Vor dem Landgericht Frankfurt lief gegen zwei Angeklagte der Prozess wegen gefährlicher Körperverletzung. Während einer Zeugenvernehmung schrieb die beisitzende Richterin private SMS, um ihre Kinderbetreuung zu organisieren. Das hält der Bundesgerichtshof für ein Verhalten, welches nicht mehr von der richterlichen Freiheit gedeckt ist.

Wenn ein Richter während der Sitzung simse, zeigt er laut dem 2. Strafsenat, dass er seine privaten Interessen über seine Dientspflicht stellt. Laut der Urteilsbegründung des Vorsitzenden Thomas Fischer wird eine Grenze überschritten, wenn Richter mit dem Smartphone in „private Außenkontakte“ treten, statt ihre ganze Aufmerksamkeit der Hauptverhandlung zu widmen.

Das Landgericht Frankfurt hatte das Verhalten der Richterin noch akzeptiert. Sie sei durch die SMS ja nicht übermäßig in ihrer Aufmerksamkeit eingeschränkt gewesen (Aktenzeichen 2 StR 228/14).

Durchwahlen gibt’s nicht

Auch Kunden des Jobcenters haben keinen Anspruch darauf, eine Liste mit Durchwahlen aller Mitarbeiter des Jobcenters zu erhalten. Hierauf hatte ein Sozialleistungsbezieher geklagt. Er scheiterte jetzt aber vor dem Oberverwaltungsgericht Münster.

Der Kläger berief sich auf das Informationsfrei­heitsgesetz und verlangte, ihm die aktuelle Diensttelefonliste mit den Durch­wahlnummern aller 1.300 Sachbearbeiter in Köln zur Verfügung zu stellen. In erster Instanz blieb er erfolglos, ebenso jetzt vor dem Oberverwaltungsgericht.

In der mündlichen Urteilsbegründung hat der Vorsitzende Richter ausgeführt, dass das In­formationsfreiheitsgesetz (IFG) keinen allgemeinen Anspruch auf Bekanntgabe der Durch­wahlnummern aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Jobcenters begründe. Der Anspruch sei nach § 3 Nr. 2 IFG ausgeschlossen.

Zu dem Ausnahmetatbestand zähle auch die Funktionsfähigkeit der staatlichen Einrichtungen. Die Organisationsentscheidung des Jobcenters, die telefonische Erreichbarkeit nicht durch die eigenen Sachbearbeiter, sondern durch ein speziell dafür zuständiges Service-Center der Bundesagentur für Arbeit zu gewährleisten, diene einer effektiven Organisation der Arbeitsabläufe.

Dadurch solle sichergestellt werden, dass die Sachbearbeiter des Beklagten ihre Arbeitskraft und -zeit ganz in den Dienst der Leistungsbearbeitung und persönlicher Beratungsge­spräche stellen können, ohne dabei ständig Anrufe durch gestört zu werden. Zudem werde das Problem vermieden, dass der persönlich anwesende Kunde das Telefonat mithören könne oder wegen des Datenschutzes den Beratungsraum verlassen müsse.

Da es ein Callcenter als Anlaufstelle gebe, müsse sich der Kläger auf diese Kontaktmöglichkeit verweisen lassen. Die Revision wurde zugelassen (Aktenzeichen 8 A 2429/14).