Kalte Frikadellen mit Salzgurken

In Baden-Württemberg dürfen kleinere Gaststätten ihren Gästen das Rauchen erlauben, wenn in dem Lokal nur „kalte Speisen einfacher Art zum Verzehr an Ort und Stelle verabreicht“ werden. Was aber ist, wenn sich Gäste die Pizza von einem Lieferdienst in die Kneipe bringen lassen? Diese Frage hat jetzt das Oberlandesgericht Karlsruhe ganz im Sinne hungriger Gaststättenbesucher beantwortet – und eröffnet so womöglich ein Schlupfloch im ewigen Streit zwischen Rauchern und Nichtrauchern.

Im entschiedenen Fall hatten sich mindestens vier Gäste „Pizzen mit Salatbeilage“ ins Lokal liefern lassen. Der Gastwirt stellte ihnen auf Wunsch Essbesteck zur Verfügung. Für die Ordnungsbehörde ein klarer Verstoss gegen den Nichtraucherschutz, der mit einem Bußgeld zu ahnden ist. Das Oberlandesgericht Karlsruhe zieht jedoch wirklich alle Register für eine saubere juristische Begründung des Gegenteils.

Zunächst stellt sich die Frage, ob eine Pizza nicht möglicherweise eine „kalte Speise einfacher Art“ ist. Diese kalte Speise wäre auch in einer Raucherkneipe erlaubt. Dazu erklären die Richter erst mal, was man unter einer kalten Speise einfacher Art verstehen darf:

Belegtes Brot oder Brötchen, Sandwiches, Butterbrezeln, kalte Frikadellen mit Salzgurken, kalte Kasseler, Sülzen mit Senf, Dauerwurst und andere kalte Räucherwaren, (Wurst- oder Käse-)Salate, Käse, kalte gekochte Eier, einfaches kaltes Gemüse, kalte Backwaren, Konserven, Konfitüren, Salzgebäck, Kekse und ähnliches.

Der Salat fällt da noch drunter, sagen die Richter. Bei der Pizza tun sich die Juristen allerdings schwer. Sicherheitshalber erklären sie aber vorab, was eine Pizza ist:

(Bei einer Pizza) handelt es sich um eine – meist heiß servierte – aus dünn ausgerolltem und mit Tomatenscheiben, Käse u.a. belegtem Hefeteig gebackene pikante italienische Spezialität (Duden, Stichwort „Pizza“). Mangels gegenteiliger Feststellungen ist davon auszugehen, dass die Pizzen entsprechend den ganz üblichen Liefer- und Verzehrgewohnheiten jedenfalls noch im warmen Zustand angeliefert worden waren, sodass es sich bei diesen nicht um eine „kalte“ Speise gehandelt hat.

Damit war der Wirt aber noch nicht überführt. Das Gaststättengesetz fordert nämlich, dass er die Speisen „verabreicht“. Das Gericht betreibt hier intensive Sprachkunde:

Der Begriff des „Verabreichens“ bedeutet als transitives Verb „jemandem etwas (eine Substanz) zu essen, zu trinken, zum Einnehmen o. Ä. geben, damit dieser es einnimmt“ (Duden, Stichwort „verabreichen“; www.wortbedeutung.info, Stichwort „verabreichen“). Der Wortsinn ist daher enger als der – übergeordnete – allgemeinere Begriff „geben“ (www.wortbedeutung.info aaO). Dies zeigt sich auch an den Synonymen zu dem Verb „verabreichen“, bei denen es sich um „einflößen“, „(ein)geben“, (Medizin) „applizieren“ und „verabfolgen“ handelt (Duden aaO). Angesichts dessen wurde durch die bloße Übergabe des Bestecks an die Gäste, das lediglich als „Esshilfe“ Verwendung finden sollte, keine (warme) Speise verabreicht.

Und weiter:

Der Fall ist vergleichbar mit der Abgabe heißen Wassers durch den Wirt an einen Gast, welcher sich sodann unter Verwendung von ihm selbst mitgebrachter Teebeutel oder mitgebrachten Kaffeepulvers ein heißes Getränk zubereitet; hierdurch wird kein Getränk „verabreicht“, weil der Gast die Art des Getränkes bestimmt und nicht der Wirt (Erbs/Kohlhaas/Ambs, GastG, 215. EL Juni 2017, § 1 Rn. 13).

Also hat der Wirt die Fremdesser in seinem Lokal geduldet, aber gleichwohl nichts im Sinne des Gesetzes verabreicht. Zumal das Gericht ergänzend darauf hinweist, dass das Besteck möglicherweise nur erbeten wurde, um den Salat essen zu können. Auch hier verweisen die Richter, offensichtlich gestählt durch eigene Sachkunde, auf die einschlägigen Gepflogenheiten bei Bringdiensten:

Durch Pizzalieferdienste überbrachte Pizzen (sind) üblicherweise bereits vorgeschnitten, so dass man bei diesen zum Verzehr nicht auf Besteck angewiesen ist.

Der Wirt freut sich über einen Freispruch (Aktenzeichen 2 Rb 8 Ss 606/17).

Überzogenes Hausverbot im Jobcenter

Etwas über das Ziel hinausgeschossen ist das Jobcenter Märkischer Kreis. Dessen Chef hatte einem Leistungsbezieher, der gleichzeitig als Beistand im Verein aufRECHT in Iserlohn tätig ist, ein 18-monatiges Hausverbot erteilt. Der Mann hatte im Juni im Wartebereich des Jobcenters ein Foto von einem Vordruck der Behörde gemacht.

Mit dem Bild verstieß der Mann zwar gegen das Fotografierverbot in den Räumen des Jobcenters. Allerdings rechtfertigt der Verstoß gegen die Hausordnung nach Auffassung des Sozialgerichts Dortmund keine derart harte Maßnahme. Die Aufnahme habe nicht zu einer „massiven oder nachhaltigen Störung des Geschäftsbetriebs“ geführt. Daher hätte es auch gereicht, das Hausverbot anzudrohen.

Auch die Dauer des Hausverbots bis zum 31.12.2018 hält das Gericht für unverhältnismäßig lang. Eine einmalige „Störung des Dienstbetriebs“ rechtfertige es keinesfalls, den Antragsteller für rund anderthalb Jahre von einer Tätigkeit als Beistand von Leistungsbeziehern auszuschließen.

§ 13 SGB X gibt jedem Leistungsbezieher unter anderem das Recht, bei Behördenterminen mit einem Beistand zu erscheinen (Aktenzeichen S 30 AS 5263/17 ER).

Ein alter Paragraf, bislang keine Urteile

Weil sie auf ihrer Webseite als Leistung unter anderem Schwangerschaftsabbrüche erwähnte und auch Informationsmaterial zur Verfügung stellte, ist eine Ärztin in Gießen zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Das Amtsgericht Gießen sieht hierin eine unerlaubte Werbung für Schwangerschaftsabbrüche nach § 219a StGB.

Wohlgemerkt, die Medizinerin darf Schwangerschaften abbrechen, wenn ihre Patientinnen eine Bescheinigung über die gesetzlich vorgeschriebene Beratung haben. Sie darf aber nicht öffentlich erwähnen, dass sie Schwangerschaften abbricht. „Der Gesetzgeber möchte nicht, dass über den Schwangerschaftsabbruch in der Öffentlichkeit diskutiert wird als sei es eine normale Sache“, zitiert die Süddeutsche Zeitung die Richterin.

Egal, ob man das im Ergebnis richtig oder falsch findet, genau so wird der einschlägige Paragraf bislang verstanden. Alle Strafrechtskommentare weisen darauf hin, dass es wohl reicht, wenn ein Arzt auf seine Bereitschaft für eine entsprechende Behandlung hinweist, möglicherweise sogar zwischen den Zeilen. So wollte es wohl auch der damalige Gesetzgeber. Weitere Voraussetzung ist dann nur, dass der Arzt wegen eines Vermögenvorteils handelt. Aber auch das ist natürlich keine große Hürde, denn auch die Gießener Ärztin arbeitet natürlich nicht umsonst.

Bleibt als Rückzugsmöglichkeit nur das, was die Verteidigerin der Angeklagten vorbringt. Dass es sich nämlich noch gar nicht um ein „Angebot“ handelt, sondern lediglich um eine sachliche Information. Wichtig ist ja, dass die Überschrift des § 219a StGB ausdrücklich lautet:

Werbung für den Abbruch der Schangerschaft

Alles, was nach dem Oberbegriff also gar keine „Werbung“ ist, wäre somit vielleicht doch nicht von der Regelung erfasst. Überdies ist bei fehlendem eigenem Erwerbsinteresse ansonsten auch nur das „grob anstößige“ Handeln untersagt. Das bedeutet, dass Personen und Institutionen, die kein eigenes Erwerbsinteresse haben, jedenfalls sachlich über Schwangerschaftsabbrüche informieren dürfen. Wieso das dann einer Ärztin untersagt werden muss, ist dann wirklich eine Frage. Das Isso vom Amtsgericht Gießen hilft jedenfalls kaum weiter, wenn man nach Sinn und Unsinn der Vorschrift fragt.

Immerhin scheint die deutsche Justiz auch gewisse Probleme mit der Vorschrift zu haben. Bis nun die Gießener Strafverfolger tätig wurden, gab es wohl immer mal wieder Strafanzeigen gegen Abtreibungsärzte, die öffentlich über ihre Tätigkeit informierten. Die Verfahren wurden aber anscheinend alle eingestellt.

Jedenfalls ist der § 219a StGB einer der wenigen Paragrafen, für den die Urteilsdatenbanken kein einziges Strafurteil auswerfen. Also ist es keineswegs ausgeschlossen, dass die nächsten Instanzen und letztlich das Bundesverfassungsgericht die Schwelle zur verbotenen Werbung doch etwas höher hängen als das Gießener Amtsgericht. Am Ende könnte da auch der Zeitgeist eine Rolle spielen. Der dürfte sich seit den Siebzigern doch etwas gewandelt haben.

„Jegliche andere Sichtweise würde dem Denunziantentum Tür und Tor öffnen“

Tag für Tag gehen bei den Strafverfolgungsbehörden anonyme Anzeigen ein. Wie ist damit umzugehen? Das Landgericht Augsburg vertritt eine klare Meinung: Eine substanzarme, anonyme Anzeige reicht grundsätzlich nicht aus, um einen Anfangsverdacht zu rechtfertigen. Dementsprechend lehnt das Gericht die von der Staatsanwaltschaft beantragte Durchsuchung eines Wohnhauses ab.

Bei der Polizei war eine anonyme Anzeige eingegangen. Darin hieß es:

Die Pädophilen sind überall. So ist mir bekannt, dass auch in D. die Pädophilen ihr Unwesen treiben. Besonders Herr … und sein Sohn vertreiben Kinderpornographie der übelsten Art. Der Computer ist im Keller versteckt.

Die Staatsanwaltschaft beharrte darauf, dass an der genannten Adresse durchsucht wird.

Dazu findet das Landgericht Augsburg deutliche Worte. Ich zitiere aus der Entscheidung:

Im Einklang mit der eindeutigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 14.07.2017, 2 BvR 274/14) bedeutet dies, dass eine anonyme Anzeige grundsätzlich nicht ausreicht einen Anfangsverdacht zu begründen.

Jegliche andere Sichtweise würde dem Denunziantentum Tür und Tor öffnen.

Es ist mit der Rechtsordnung und dem Wertesystem der Bundesrepublik Deutschland nicht vereinbar, wenn allein aufgrund einer anonymen Behauptung Durchsuchungen bei bislang völlig unbescholtenen Bürgern erfolgen. Insoweit hat die Staatsanwaltschaft auch die Unschuldsvermutung zu beachten.

Soweit die Staatsanwaltschaft die anonyme Anzeige rechtsirrig für nicht pauschal erachtet, weil eine Adresse angegeben wurde und als Standort eines Computers der Keller genannt wurde, verkennt sie, dass sich aus derart nichtssagenden Angaben bei objektiver Betrachtung keinerlei Erkenntnisse ergeben, die einen Verdacht begründen oder erhärten können.

Daraus, dass ein Haus einen Keller hat, lässt sich jedenfalls kein Schluss darauf ziehen, dass kinderpornographische Schriften vertrieben werden. Und die Behauptung, dort sei ein Computer, ist genauso pauschal gehalten, wie die Beschuldigung selbst. Rückschlüsse auf den Wahrheitsgehalt der anonymen Anzeige lassen sich hieraus nicht ziehen.

Anders als bei namentlich gekennzeichneten Anzeigen setzt sich ein anonymer Anzeigeerstatter nicht der Strafverfolgung wegen falscher Verdächtigung und übler Nachrede aus. Weder die Glaubwürdigkeit des Anzeigeerstatters noch die Glaubhaftigkeit seiner Angaben ist für die Ermittlungsbehörden einschätzbar. Das Bundesverfassungsgericht hat deshalb im bereits zitierten Beschluss ausführlich und zu Recht dargelegt, dass eine anonyme Anzeige nur genügen kann, „wenn sie von beträchtlicher sachlicher Qualität ist oder mit ihr zusammen schlüssiges Tatsachenmaterial vorgelegt wird.“

Beides ist im vorliegenden Fall so offensichtlich nicht gegeben, dass sich die Frage stellt, ob die Einleitung eines förmlichen Ermittlungsverfahrens im vorliegenden Fall überhaupt zulässig war, zumal bereits Form und Diktion der Anzeige im vorliegenden Fall die Glaubhaftigkeit der Behauptungen nicht unterstreichen.

Dem ist nichts hinzuzufügen. Außer, dass es wünschenswert wäre, wenn diese Vorgaben in der täglichen Praxis auch anderswo öfter beachtet würden (Aktenzeichen 1 Qs 339/17).

PayPal-Käuferschutz ersetzt kein Gerichtsurteil

Der Bundesgerichtshof hat sich erstmals mit dem Käuferschutz von PayPal befasst. Es ging in zwei Fällen um die Frage, ob Verkäufer trotzdem noch den Kaufpreis verlangen können, wenn PayPal den Käuferschutz bejaht und den Kaufpreis an den Käufer zurückgebucht hat.

Laut dem Grundsatzurteil ändert eine erfolgte Rückabwicklung über den Käuferschutz nichts an den wechselseitigen Ansprüchen von Käufer und Verkäufer. Das heißt: Selbst wenn der Käuferschutz gegriffen hat, muss der Verkäufer sich damit nicht abfinden. Er kann den Kaufpreis ganz normal vor Gericht einklagen – wenn er sich unrichtig behandelt fühlt.

Auf Käuferseite war das bisher ohnehin schon klar. Wenn ein Käufer, der entweder keine oder die falsche Ware erhalten hat, erfolglos um Käuferschutz bittet, ist ihm der Rechtsweg ganz eindeutig nicht abgeschnitten. Das muss dann aber, so das Gericht, umgekehrt auch für den Verkäufer gelten, wenn er im Streitfall den bereits erhaltenen Kaufpreis von PayPal wieder abgezogen erhält.

Problematisch wird das Ganze allerdings aus akademischen Gründen: Die Kaufpreisforderung war ja mit der Zahlung juristisch erfüllt und somit erloschen. Es fragt sich also, wie sie nach der Rückbuchung durch PayPal wieder aufleben kann. Der Bundesgerichtshof wählt den Weg der ergänzenden Vertragsauslegung. Er nimmt eine stillschweigende Abrede zwischen den Vertragsparteien an, dass der Streitfall nicht abschließend durch PayPal geregelt werden kann. Immerhin, so das Gericht, prüfe PayPal den Sachverhalt nur „vereinfacht“.

Als enttäuschter Käufer darf man sich also darüber freuen, dass man über den Käuferschutz das Geld zurückbekommen hat. Das letzte Wort sprechen aber die Gerichte, wenn sich der Verkäufer damit nicht abfinden will (Aktenzeichen VIII ZR 83/16).

Kleine Parteien behalten Chancen in NRW-Stadträten

In Nordrhein-Westfalen gibt es auch weiterhin keine Sperrklausel bei Kommunalwahlen. Der Verfassungsgerichtshof kippte ein Landesgesetz, mit dem jüngst eine Sperrklausel von 2,5 Prozent eingeführt worden ist. Die Richter sehen die Gleichheit der Wahl verletzt, wenn Stimmen für die Kommunalwahlen durch die Sperrklausel unter den Tisch fallen.

Die Landtagsmehrheit hatte das Gesetz mit der Begründung beschlossen, durch das vermehrte Aufkommen kleinerer Parteien drohe eine Zersplitterung der Parlamente. Das hält auch das Verfassungsgericht nicht für ausgeschlossen. Jedoch müsse anhand genauer empirischer Zahlen dargelegt werden, dass dies der Fall ist oder konkret droht. Insoweit vermissen die Richter eine hinreichende Begründung für das Gesetz.

Bestand hat die neue Sperrklausel aber bei den Wahlen der Bezirksvertretungen und der Regionalsversammlung Ruhr. Hier gälten aufgrund der Landesverfassung weniger strenge Maßstäbe und der Gesetzgeber habe einen größeren Spielraum.

Geklagt hatten diverse kleinere Parteien, darunter die Piratenpartei, Die Linke, die Partei, der ÖDP, die Tierschutzpartei sowie die NPD und PRO NRW (Aktenzeichen VerfGH 9/16, 11/16, 15/16, 16/16, 17/16, 18/16 und 21/16).

Airline haftet für Sicherheit beim Ein- und Ausstieg

Fluggesellschaften haften auch, wenn sich ein Passagier beim Ein- oder Aussteigen auf der Fluggastbrücke verletzt. Dies hat der Bundesgerichtshof entschieden. Die Vorinstanzen hatte die Klage eines Reisenden noch abgewiesen. Der Mann war beim Einstieg ins Flugzeug in Düsseldorf auf einer durch Kondenswasser feuchten Stelle ausgerutscht und hatte sich die Kniescheibe gebrochen.

Die Schutzvorschriften über den Flugverkehr (Montrealer Übereinkommen) gelten laut dem Urteil für den kompletten Einsteigevorgang. Dieser umfasse jedenfalls das Besteigen einer Flugzeugtreppe oder das Gehen über eine Fluggastbrücke. Die Fluggastbrücke berge wegen des konstruktionsbedingt fehlenden Handlaufs, des von der Höhe und Lage des Flugzeuges abhängigen Gefälles und der durch die Temperaturunterschiede höheren Gefahr von Kondenswasser besondere Risiken. Vor diesen Risiken solle der Reisende umfassend geschützt werde (Aktenzeichen X ZR 30/15).

Beim Online-Shopping sollen virtuelle Grenzen fallen

Die EU möchte Geoblocking im Online-Handel weitgehend unterbinden. Ab dem Herbst nächsten Jahres sollen Verbraucher beliebige Waren und Dienstleistungen innerhalb der ganzen EU ebenso online einkaufen können wie zu Hause. Die Verbraucher dürfen nicht länger auf Webseiten mit nationalen Angeboten umgelenkt oder mit ungerechtfertigten Hindernissen konfrontiert werden.

So ist es künftig untersagt, dass Online-Händler ihre Kunden auffordern, mit einer in einem anderen Land ausgestellten Kreditkarte zu zahlen. Weitere Konstellationen führt die EU-Kommission auf:

1. Der Verkauf von Waren ohne physische Lieferung

Beispiel: Ein belgischer Kunde möchte einen Kühlschrank kaufen und findet das beste Angebot auf einer deutschen Website. Der Kunde ist berechtigt, die Ware zu bestellen und beim Händler abzuholen oder die Lieferung selbst zu organisieren.

2. Verkauf von elektronisch erbrachten Dienstleistungen

Beispiel: Eine bulgarische Kundin möchte Hosting-Services für ihre Website von einem spanischen Unternehmen kaufen. Sie wird nun Zugang zu diesem Service haben, sich registrieren und diesen Service kaufen können, ohne zusätzliche Gebühren im Vergleich zu einem spanischen Verbraucher bezahlen zu müssen.

3. Der Verkauf von Dienstleistungen, die an einem bestimmten physischen Ort erbracht werden

Beispiel: Eine italienische Familie kann eine Reise direkt zu einem Vergnügungspark in Frankreich kaufen, ohne auf eine italienische Website weitergeleitet zu werden.

Die Regelungen treten in neun Monaten in Kraft. Die Übergangsfrist soll es Händlern ermöglichen, ihre Angebote anzupassen.

Zwei Versicherungen müssen nur einmal zahlen

Wenn man „zufällig“ zwei Versicherungen hat, kann man dann auch bei einem Schaden doppelt abrechnen? Was nach einem schlauen Plan klingt, ist in Wirklichkeit keine gute Idee. In einem aktuellen Fall wies das Oberlandesgericht Oldenburg jetzt die Forderung eines Mannes ab, der einen Brandschaden von 40.000 Euro doppelt erstattet haben wollte.

Der Kläger hatte zwei Hausratspolicen. Dementsprechend wollte er seinen Schaden auch von beiden Versicherungen erstattet haben. Allerdings kam die Doppelversicherung durch einen Zufall heraus. Ebenso, dass der Mann schon mehrere Schäden gemeldet hatte. Den Versicherungen hatte er aber in diesen Fällen bestätigt, dass es keine weitere Versicherung gibt.

Nun durften beide Versicherungen die Leistung komplett verweigern, dann nach Meinung der Richter spricht vieles für eine gezielte Täuschung. Aber auch wenn keine Täuschung beabsichtigt sei, müsse stets nur der tatsächlich eingetretene Schaden erstattet werden. Entweder von einer Versicherung oder anteilig durch beide. Keinesfalls könne ein Versicherter mit der Zahl seiner Policen auch seine Ersatzansprüche vervielfachen (Aktenzeichen 5 U 18/17).

Anwaltskalender 2018: die Gewinner

Ich mache es kurz und schmerzlos. Hier sind die soeben ermittelten Gewinner der Verlosung des Anwaltskalenders 2018:

Ben Zucker
Valentin
Oliver Kranz
Gerwers
Zaiki
Vanessa
Pia
Grep
Axel
DonQ
Lukas
Someone
Felix
Handschuh
K.

Die Gewinner wurden per Mail benachrichtigt.

Bei allen Lesern bedanke ich mich für die Teilnahme am Gewinnspiel, das Interesse am law blog und auch am Anwaltskalender 2018 des Karikaturisten Wulkan.

Anwaltskalender 2018: letzter Aufruf

Eigentlich wollte ich am Wochenende noch mal auf die laufende Verlosung im law blog hinweisen. Es gibt insgesamt 15 Anwaltskalender des Karikaturisten wulkan zu gewinnen. Einzelheiten siehe hier.

Leider bin ich dann doch nicht dazu gekommen, so dass ich hiermit kurzerhand die Teilnahmefrist verlängere (das Verlängern von Fristen ist ohnehin eine anwaltliche Paradedisziplin). In diesem Fall bis morgen, Dienstag, im Laufe des Tages. Dann werden die Gewinner ermittelt.

Wer also schnell noch mitmachen will, hier ist die Gelegenheit. Es genügt ein Kommentar zu diesem oder dem früheren Beitrag.

Wer sich nicht auf sein Glück verlassen will, kann auch bei wulkan einen Kalender ordern. Der Kalender eignet sich auch als Weihnachtsgeschenk für entfernt lebende Freunde, Familie oder Geschäftspartner. Er wird nämlich auch gern an eine Wunschadresse des Bestellers geschickt. Es handelt sich übrigens um die Jubliäumsausgabe; der Anwaltskalender erscheint dieses Jahr zum 20. Mal.

Der Kalender kostet 20,95 Euro zzgl. 5,00 Euro Versandkostenpauschale. Bestellungen sind möglich unter wulkan@arcor.de oder telefonisch unter 0172-200 35 70. Über den Buchhandel ist der Anwaltskalender nicht erhältlich.

Beim Plädoyer hören die anderen zu

Anwälte fordern einen Maulkorb für andere Anwälte. Und werben damit indirekt für die Beschränkung eigener Rechte. Das gibt es selten. Aber der NSU-Prozess war schon immer für Überraschungen gut, warum auch für eine in diese unerfreuliche Richtung?

Gestern versuchte Wolfgang Stahl, ein Pflichtverteidiger der Angeklagten Beate Zschäpe, einen Nebenklägeranwalt zum Schweigen zu bringen. Nicht in irgendeiner Phase des Prozesses. Sondern während des Schlussplädoyers, für das dem Nebenklägeranwalt das Wort erteilt worden war. Eher allgemeine (Vor-)Bemerkungen des Anwalts zum Thema Rassismus (man kann sie hier nachlesen) brandmarkte Stahl als „politische Rede“, die im Gerichtssaal nichts verloren habe und die er untersagt haben wollte.

Zu einem Schlussvortrag im Strafprozess haben nicht nur die Anklage und die Verteidigung das Recht. Sondern auch die Vertreter der Nebenkläger. Das Plädoyer ist so was wie ein geschützter Raum. So lange er spricht, hat der Plädierende das Wort. Und die anderen hören zu. Ich persönlich habe erzwungene Unterbrechungen bei einem Plädoyer bislang nur in wenigen Fällen erlebt. Die weitaus meisten ergaben sich daraus, dass ein Verfahrensbeteiligter eine Pinkelpause brauchte. Einmal erlitt ein Schöffe einen Herzinfarkt, das war weniger erheiternd.

Wenn der Vorsitzende so was mit Wolfgang Stahl oder einem der anderen Verteidiger veranstaltet hätte, wäre deren Proteststurm mehr als einer im Wasserglas gewesen. Und das völlig zu Recht, denn offensichtlich hat der Nebenklägeranwalt ja nicht die Lottozahlen der letzten 15 Jahre verlesen (was mangels jedes Sachbezugs womöglich tatsächlich unzulässig wäre). Und wo führte es denn hin, wenn Gerichte den Schlussvortrag gerade auch des Angeklagten mit der Austaste fürs Mikrofon steuern dürften? Jedenfalls keinen Schritt in Richtung eines rechtsstaatlichen Verfahrens.

Das Gericht hat in der Situation völlig richtig und souverän reagiert. Beim Plädoyer im Strafprozess gelte ein „größtmöglicher Freiraum“, deshalb durfte der Nebenklägeranwalt weiter reden. Eigentlich schade, dass ein Gericht ausgerechnet einen Anwalt hierüber belehren muss.

„Unwürdig“ für den Anwaltsberuf?

Die Beleidigung eines Ausbilders sowie einer Staatsanwältin, die wegen der Beleidigung ermittelte, sollten einer jungen Volljuristin dauerhaft den Zugang zum Anwaltsberuf verschließen. So zumindest die Auffassung der Anwaltskammer Hamm, der Anwaltsgerichte und des Bundesgerichtshofs. Nun greift das Bundesverfassungsgericht ein und bremst den Eifer, mit dem die Juristin als „unwürdig“ für den Anwaltsberuf eingestuft wurde.

Weil sie von ihrem Ausbilder nur ein „befriedigend“ erhielt, war die damalige Rechtsreferendarin tatsächlich ausgetickt. In einer E-Mail belegte sie den zuständigen Staatsanwalt in einer regelrechten Tirade mit etlichen unschönen Worten. Später äußerte sie in einer weiteren E-Mail Zweifel an der Rechtstreue und den intellektuellen Fähigkeiten der Staatsanwältin, die in ihrem Fall ermittelte. Wegen der Beleidigung des Ausbilders wurde die Frau zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen verurteilt.

Die Rechtsanwaltskammer Hamm griff ganz tief in die Kiste ihrer Möglichkeiten, um die Frau nicht in den Kollegenkreis aufnehmen zu müssen. Im Ergebnis sei diese charakterlich ungeeignet, um als Anwältin zu arbeiten. Sie sei als so „unwürdig“ anzusehen, dass sie nicht geeignet sei, den Beruf einer Rechtsanwältin „ordnungsgemäß“ auszuüben.

So einfach geht es nicht, sagt das Verfassungsgericht. Zwar stehe außer Frage, dass die Frau sich falsch verhalten habe und auch Zweifel an ihrer Eignung als Rechtsanwältin durchaus angebracht waren. Allerdings schütze das Grundrecht der Berufsfreiheit auch angehende Rechtsanwälte. Insofern müsse, so das Gericht, sehr genau abgewogen werden, ob ein tatsächliches öffentliches Interesse daran überwiegt, der Juristin den Weg in den Anwaltberuf zu verstellen.

Hier vermisst das Verfassungsgericht eine konkrete Prognose, warum aus dem Fehlverhalten der Frau abzuleiten ist, dass diese auch künftig in einer Art und Weise auftreten könnte, die mit dem Vertrauen in die Integrität der Rechtsanwaltschaft nicht vereinbar und dies die „funktionierende Rechtspflege“ bedroht. Die Berufsfreiheit dürfe nur eingeschränkt werden, wenn ein „besonders wichtiges“ Gemeinschaftsgut bedroht sei. Es klingen deutliche Zweifel an, dass der doch recht überschaubare Sachverhalt tatsächlich zu einer Bedrohung für die Rechtspflege aufgeblasen werden durfte. Letztlich mahnen die Richter auch eine „strikte Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit“ an.

Der Anwaltsgerichtshof Hamm muss die Sache jetzt neu entscheiden. Mit etwas mehr Augenmaß hätte man sich dort das Debakel offensichtlich ersparen können (Aktenzeichen 1 BvR 1822/16).

Verfassungsfeindlich tätowiert

Ein Berliner Polizeikommissar verliert endgültig seinen Job, weil ihm fehlende Verfassungstreue attestiert wird. Das Bundesverwaltungsgericht bestätigt die Entlassung des Beamten, der seit 2007 keinen Dienst mehr macht, aber wegen der laufenden Verfahren weiter bezahlt wurde. Das Besondere an dem Fall: Das Gericht beantwortet die Frage, ob auch Tätowierungen eines Beamten ein Beleg für dessen innere Einstellung sein können.

Der Polizist hat Tätowierungen von Runenzeichen und Emblemen rechtsextremistischer, rassistischer Musikgruppen auf seinem Körper. Eine Tätowierung sei, so das Gericht, „zunächst nur eine Körperdekorierung“. Allerdings werde der Körper dadurch auch bewusst als Kommunikationsmedium eingesetzt. Schon wegen ihrer Dauerhaftigkeit ließen einschlägige Tätowierungen auf ein besonders intensives Bekenntnis zu den Organisationen und Ideologien schließen. Der Beamte ziehe also „außenwirksame Folgerungen aus seiner Überzeugung und bringt eine die verfassungsmäßige Ordnung ablehnende Einstellung zum Ausdruck“.

Die Richter sehen außerdem weitere Belege dafür, dass der Beamte nicht hinter dem Grundgesetz steht. So habe er wiederholt den Hitlergruß gezeigt, mit einer Hakenkreuzflagge posiert und NS-Devotionalien in seiner Wohnung aufbewahrt. Bei einer Gesamtbetrachtung sei „sein durch die Tätowierungen dokumentiertes Bekenntnis als grundsätzliche und dauerhafte Abkehr von den Prinzipien der Verfassungsordnung zu werten, die zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis führt“. Strafrechtlich ist der Polizist mehrfach freigesprochen worden (Aktenzeichen 2 C 25.17).

Die Riester-Rente ist „sicher“

Die vielgescholtene Riester-Rente hat zumindest einen greifbaren Vorteil: Beiträge, die in einen Riester-Vertrag eingezahlt wurden, sind nicht pfändbar. Dies hat der Bundesgerichtshof entschieden.

In dem Fall ging es um ein Riester-Guthaben von 333 Euro. Diese Summe bzw. den Rückkaufswert wollte der Insolvenzverwalter loseisen, der das Vermögen einer zahlungsunfähigen Frau verwaltete. Doch der Insolvenzverwalter hat nach dem Richterspruch keinen Zugriff auf den Riester-Vertrag. Das Guthaben stuft der Bundesgerichtshof nämlich als unpfändbar ein.

Voraussetzungen für den Pfändungsschutz sind nach dem Urteil, dass die Sparleistungen auch tatsächlich staatlich gefördert wurden. Außerdem darf der Höchstbetrag nicht überschritten werden (Aktenzeichen IX ZR 21/17).