Freiheit steht nur auf dem Etikett

Beim öffentlichen WLAN soll ja alles besser werden. Aber dass es wirklich so weit kommt, daran hat sicher niemand ernsthaft geglaubt. Der nun veröffentlichte Gesetzentwurf der Bundesregierung bestätigt die Befürchtungen.

Für die Betreiber privater WLANs soll es zur Pflicht werden, die Namen jeder Person zu kennen, der sie Zugang gewähren. Außerdem müssen sie ihre Zugänge mit wirksamen Passwörtern absichern. Wie so eine Kontroll- und möglicherweise sogar Dokumentationspflicht die Verbreitung „freier“ Netze fördern soll, ist mir schleierhaft.

Die jetzigen Vorschläge beinhalten im Ergebnis sogar eine erhebliche Verschärfung. Für mich klingt das Ganze so, als werde auf diesem Weg versucht, den Filesharing-Abmahnern ihr lukratives Geschäftsfeld zu erhalten. Kaum dreht sich allerorten die Rechtsprechung zu Gunsten der Betroffenen, sollen Betreiber jetzt plötzlich Personalien kontrollieren. Was dann praktisch darauf hinauslaufen wird, dass Jugendliche beim Besuch ihrer Freunde erst mal den Eltern einen Personalausweis zeigen müssen, bevor sich ihr Handy ins heimische Netz einloggen darf.

Auch für Cafés, Restaurants und Hotels bringt der Entwurf keine Verbesserung. Auch sie werden ihre Kunden weiter mit Zugangshürden nerven müssen, um nicht selbst in die Haftungsfalle zu tappen. Einige kluge Autoren haben sich heute schon näher mit dem Entwurf beschäftigt, so dass ich gerne auf ihre Beiträge verweise:

Thomas Stadler: „Verschlimmbesserung“

Niko Härting: „Mehr Haftung als Erleichterung“

Golem.de: „Namentliche Anmeldung bei privaten WLANs erforderlich“

SB-Sonnenstudios sind nicht erlaubt

In Sonnenstudios muss mindestens immer eine Fachkraft anwesend sein. Reine Selbstbedienungs-Solarien sind unzulässig, heißt es in einem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs.

Der Betreiber eines Sonnenstudios in Landsberg am Lech wehrte sich gegen ein Betriebsverbot. Er hatte Kunden auf die Sonnenbank gelassen, ohne dass ein qualifizierter Mitarbeiter anwesend war. Die Vorschriften der UV-Schutz-Verordnung sind nach Auffassung des Gerichts wirksam. Es sei sinnvoll, wenn fachkundige Personen als Berater und Aufsicht anwesend sind, um unnötige Selbstgefährdung der Kunden zu vermeiden (Aktenzeichen 22 BV 13.2531).

Gericht: RTL-Shows sind erträglich

RTL-Sendungen wie „Familien im Brennpunkt“ oder „Verdachtsfälle“ sind zwar schrecklich, aber noch nicht schrecklich genug. Das Niveau ist noch nicht so tief, dass echte Polizeibeamte in diesen Formaten nicht mehr als Experten auftreten dürfen. Der Dienstherr muss ihnen eine Nebentätigkeitsgenehmigung erteilen, entschied das Verwaltungsgericht Aachen.

Einem Beamten war die Genehmigung versagt worden, weil seine Auftritte das Ansehen der öffentlichen Verwaltung schädigen könnten. Nach Auffassung der Richter muss aber unterschieden werden zwischen Öffentlichkeitsarbeit der Polizei und dem Auftritt eines einzelnen Beamten, berichtet die Legal Tribune Online. So lange sich der Polizist sachlich äußere und auch nur außerhalb der Spielszenen eingeblendet werde, gebe es keine Bedenken.

Ausdrücklich weist das Gericht aber darauf hin, dass die Genehmigung auch widerrufen werden könnte, wenn sich das Niveau der Sendungen auf ein unerträgliches Maß verschlechtere.

Nicht jugendfrei

+++ Der Berliner Rechtsanwalt Niko Härting klagt beharrlich gegen die deutschen Geheimdienste. Im Cicero-Interview erklärt er seine Beweggründe. +++

+++ Die Zustände in ungarischen Haftanstalten verstoßen gegen die Menschenwürde. Das hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschieden. Chronische Überbelegung führt dazu, dass den weitaus meisten Gefangenen weit weniger als drei Quadratmeter zur Verfügung stehen. Das ist die Mindestfläche nach EU-Regeln. Außerdem konstatiert das Gericht einen Mangel der Intimsphäre bei den sanitären Anlagen, fehlende Schlafmöglichkeiten, Insektenplagen, schlechte Belüftung und kaum gewährten Hofgang. Gegen Ungarn sind noch 450 wegen der Haftbedingungen anhängig. +++

+++ Der US-Bundesstaat Utah möchte Todeskandidaten künftig erschießen, wenn – auch aufgrund der EU-Sanktionen – künftig kein Gift zur Verfügung steht. Schon die Todesstrafe selbst ist mit der Menschenwürde nicht vereinbar. Aber die jetzigen Pläne wären ein abscheulicher Rückfall in die Barbarei. Dazu braucht man sich nur die plastische Schilderung auf Spiegel Online durchzulesen, die eigentlich eine FSK-18-Freigabe braucht. +++

+++ Zwischen dem Namen des Bekleidungshauses „Anson’s“ und der Textilmarke „Asos“ besteht keine Verwechslungsgefahr, so ein Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg. Die Richter verweisen insbesondere darauf, dass die beiden Begriffe wegen des Buchstabens n schon komplett anders klingen. +++

+++ Der Kinderfeuerwehrverband Niedersachsen hat verstanden, was dem Deutschen Kinderschutzbund nicht gelang. Zu verstehen, dass gerichtlich auferlegte Zahlungen zur Beendigung eines Strafprozesses kein „schmutziges“ Geld sind. Die Kinderfeuerwehr jedenfalls nimmt die 5.000 Euro an, die der frühere Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy zahlen muss. +++

Keine Ohrlöcher beim Apotheker

+++ Im Vorfeld der Blockupy-Proteste am 18. März in Frankfurt erkundigt sich der Staatsschutz bei Busunternehmen, wer die Fahrzeuge für wie viele Reisende angemeldet hat und wann mit einer „Ankunft“ zu rechnen ist. Einige Reiseveranstalter haben schon kalte Füße bekommen und die Busverträge gekündigt, berichtet die Frankfurter Rundschau. +++

+++ Wegen eines Parkremplers sollte ein Düsseldorfer 52,5 Jahre auf seine Fahrerlaubnis verzichten. Der zuständige Amtsrichter verhängte in einem Strafbefehl eine Sperre von 630 Monaten. Der Betroffene hätte erst wieder mit 101 Jahren Auto fahren dürfen. Wie sich herausstellte, hatte sich der Staatsanwalt im Antrag vertippt, der Richter merkte nichts. Am Ende wurde das Verfahren eingestellt. +++

+++ Der Bezahlsender Sky hat keinen Anspruch auf Schadensersatz, wenn ein Gastwirt ohne besondere Lizenz in seinem Lokal die Übertragung eines Fußballspiels zeigt – sofern es sich um eine „geschlossene Gesellschaft“ (hier: Dartrunde und Skatclub) handelt. Dies hat das Oberlandesgericht Frankfurt entschieden. +++

+++ Ein Apotheker darf nicht für das Stechen von Ohrlöchern werben, hat das Landgericht Wuppertal entschieden. Apotheken sei es gesetzlich nur erlaubt, „übliche“ Dienstleistungen anzubieten. Ohrlöcher gehören laut dem Gericht nicht dazu. +++

+++ Ein Schalker Fußballfan muss für anderthalb Jahre ins Gefängnis. Sein Vergehen: Er hat gemeinsam mit anderen Ultras bei einem Heimspiel zwölf Seenotrettungsfackeln gezündet. Dadurch, so das Landgericht Essen, seien Leben gefährdet worden. +++

+++ Zwei deutsche Sprayer sind in Singapur zu neun Monaten Gefängnis verurteilt worden. Außerdem sollen sie je drei Stockschläge auf den nackten Hintern erhalten. +++

Nichtstun ist eine Option

Einem Kanadier droht Haft, weil er den Grenzbeamten bei der Rückreise in sein Heimatland das Passwort für seinen Blackberry nicht sagen wollte. Einzelheiten in diesem Bericht auf Mobile Geeks.

Solche Geschichten sind für mich immer gerne Anlass, daran zu erinnern: Derartige Diskussionen braucht man bei uns weder mit Grenzbeamten noch mit Polizisten zu führen. Es gibt derzeit keine Rechtsgrundlage, die jemanden dazu zwingt, auf Verlangen der Behörden aktiv Passwörter preiszugeben.

Nichtstun ist also immer noch eine völlig legale Option. Das gilt zum Beispiel auch für die Verweigerung eines Atemalkohol- oder Drogentests.

Nur gegen eine Beschlagnahme der Hardware kann man sich im Zweifel vor Ort nicht wehren. Aber auch hierfür bedarf es natürlich einer gesetzlichen Grundlage. Ob diese eingreift, lässt sich später (meist) gerichtlich überprüfen.

Lieber gehen als kommen

An dem Amtsgericht, von dem ich heute erzähle, herrscht gepflegtes Chaos. Jedenfalls in der Abteilung für Bußgeldsachen. Ich freue mich immer wieder, wenn einer meiner Mandanten in dem Ort in eine Radarfalle gerauscht ist. Oder sonst was Böses gemacht hat, für das man normalerweise ein Knöllchen kriegt.

Natürlich freue ich mich nicht über die Tat als solche. Sondern als Anwalt, wegen der offenkundig guten Chancen, dass die Sache ohne großartiges weiteres Zutun in der Verjährung endet. Für Bußgeldsachen, das muss man wissen, gilt in den weitaus meisten Fällen eine maximale Verjährungsfrist von zwei Jahren. Dazu gehören auch alle Verkehrsdelikte. Ist bis dahin kein Urteil ergangen, ist die Sache vorbei.

An dem betreffenden Gericht herrscht seit Jahren ein fröhliches Bäumchen-wechsel-dich. Richter kommen und gehen. Man kann getrost davon ausgehen, dass die Richter, die es in die Bußgeldabteilung verschlägt, lieber gehen als kommen. In der Tat ist die Verweildauer auf solchen Posten ohnehin extrem gering. Da kann es einen der vielen Interimsrichter schon verleiten, großzügig Termine anzuberaumen. Und zwar stets bis an die Sechs-Monats-Frist, innerhalb der eine Verfahrenshandlung erforderlich ist, damit die Sache nicht schon früher verjährt. Das Spiel lässt sich auch mehrfach wiederholen, gern auch durch den jeweiligen Nachfolger.

Normalerweise ist das alles kein Problem, denn an den weitaus meisten Gerichten ist man vom Bearbeitungsstand her doch weit von der Zwei-Jahres-Obergrenze entfernt. Nicht so hier, denn offenbar haben sich über die Jahre schlicht zu viele Altfälle aufgestaut. Da verliert man die Zwei-Jahres-Frist halt auch mal aus dem Auge, wenn man sie überhaupt gesehen hat. Und passiert das einem nicht selbst, dann halt dem Nachfolger.

Jedenfalls ist es bei dem Gericht ein Vergnügen, als Verteidiger tätig zu sein. Den Ort behalte ich allerdings lieber für mich – vermutlich gibt es ihn ohnehin ein paar Mal in dieser Republik.

Da bleibt nur eins

Dass Herr S. zur Polizei ging, basierte auf einem gewissen Leidensdruck. Jahrelang, so sagt er selbst, hat er die Unterschriften seiner Großmutter auf Überweisungsformularen gefälscht. Und sich so in den Besitz größerer Summen gebracht, die diese ihm gar nicht zukommen lassen wollte.

Schließlich plagte Herrn S. das schlechte Gewissen zu sehr. Er ging also vor kurzem zur Polizeiwache und zeigte sich selbst an. Herausgekommen ist ein sechs Seiten langes Vernehmungsprotokoll. Am Ende des Gesprächs auf dem Polizeirevier fiel Herr S. allerdings aus allen Wolken. Sicher, sagte ihm der Polizeibeamte, werde die Justiz seine neu entflammte Ehrlichkeit zu würdigen wissen.

In Form eines Strafrabatts.

Dumm nur, dass Herr S. etwas ganz anderes erwartet hatte. Nämlich, dass er komplett straflos ausgeht, wenn er eine Selbstanzeige erstattet. Immerhin stehe doch jeden Tag in den Zeitungen, wie viele Sünder von der „strafbefreienden“ Selbstanzeige Gebrauch machten. Es war dann meine Aufgabe ihm zu erklären, dass es dieses Privileg eigentlich nur im Steuerrecht gibt. Und dass es selbst da kaum noch möglich ist, ungeschoren davon zu kommen. „Da habe ich wohl was falsch verstanden“, sagt Herr S. heute.

Vorbestraft sein möchte Herr S. aber auf gar keinen Fall. Das soll ich jetzt richten. Sofern mir nicht noch was Grandioses einfällt, bleibt nur eins. Ich werde für eine Einstellung gegen eine Geldauflage ganz altmodisch auf die Tränendrüse drücken. Dafür mache ich wohl besser gleich einen persönlichen Termin beim zuständigen Staatsanwalt.

Die Bundespolizei weiß Bescheid

Für Schlagzeilen sorgt der Rauswurf eines dunkelhäutigen Mannes aus der Waldbahn im Landkreis Regen. Ein Schaffner hatte mit Hilfe von zwei weiteren Männern den Fahrgast gewaltsam aus dem Zug auf den Bahnsteig befördert. Allerdings gibt es noch andere interessante Aspekte in dem Fall – etwa das Verhalten der Bundespolizei.

Die Bundespolizei ermittelt zwar gegen die drei Betroffenen, will ein Video aus dem Zug aber nicht zur Kenntnis nehmen. Dieses sei nicht „beweisfähig“, erklärte ein Behördensprecher gegenüber den Medien. Grund sei der Umstand, dass das Video „geheim“ aufgenommen worden sei. Deshalb könne es mit Rücksicht auf Persönlichkeitsrechte nicht herangezogen werden.

Zu dem Video ist bekannt, dass es ein pendelnder Schüler im Abteil mit seinem Handy aufgenommen hat. Später hat er es der Bundespolizei übergeben. Bei dieser Sachlage verwundert es, dass die Bundespolizei heute schon weiß, dass das Video nicht genutzt werden kann.

Zunächst ist es schon mal gar nicht Aufgabe der Bundespolizei, ihr vorliegende Beweismittel juristisch zu bewerten. Das ist Aufgabe der Staatsanwaltschaft und des Gerichts, wenn es zu einem Prozess kommt. Die Bundespolizei ist also gar nicht berufen, über Beweisverwertungsverbote zu entscheiden.

Auch in der Sache ist es ziemlich absurd, hier gleich mal so einfach von einem Beweisverwertungsverbot auszugehen. Die Aufnahme ist in einem öffentlich zugänglichen Bereich gemacht worden, und der Schüler hat sich dabei offensichtlich auch nicht versteckt.

Selbst wenn man eine Gefahr für die ins Spiel gebrachten Persönlichkeitsrechte des Schaffners und der anderen Akteure sieht, hat dies rein gar nichts mit der Frage zu tun, ob das Video Beweismittel bei strafrechtlichen Ermittlungen sein kann. Das sind juristisch zwei Paar Schuhe. Überdies werden bei uns Beweisverwertungsverbote allenfalls in krassen Fällen bejaht. Selbst schwere Rechtsverletzungen bei der Gewinnung von Beweismitteln werden regelmäßig ignoriert – das Strafinteresse des Staates hat fast immer Vorrang. Über die „Verletzung“ von Persönlichkeitsrechten in diesem Umfang dürfte jeder Strafrichter nur milde lächeln.

Andererseits stirbt die Hoffnung ja zuletzt. Es wäre im Ergebnis natürlich zu begrüßen, wenn von bayerischem Boden ein generelles Verwertungsverbot für „illegale“ Videoaufnahmen ausginge. Dann könnte schon mal ein Großteil der ohne ausreichende Kennzeichnung arbeitenden Überwachungskameras abgehängt werden.

Bald-Ex-Abmahnanwälte

Am Filesharing-Geschäft haben sich etliche Anwälte die Finger verbrannt. Mittlerweile dürften nur noch wenige Anwaltsbüros in dem Marktsegment auf lukrative Fallzahlen kommen. Doch der (Rück-)Schritt von der Abmahnkanzlei zur Anwaltskanzlei scheint mitunter nicht einfach zu sein. Google vergisst bekanntlich nur sehr eingeschränkt.

Wie hier nachzulesen ist, möchte nun eine – zumindest einstmals – emsige Abmahnkanzlei mit ihrer Vergangenheit brechen. Früher waren die Anwälte eine feste Größe im Filesharing-Zirkus. Sie haben auch engagiert für Pornoproduzenten abgemahnt, worüber natürlich auch berichtet wurde.

Deswegen müssen potenzielle Mandanten beim Anwerfen der Suchmaschinen jetzt wohl zu oft was von Ficken und Blasen lesen, und zwar dort, wo sie sich eigentlich Infos über die juristischen Vorzüge der betreffenden Anwälte erhoffen.

Wie es sich für eine Abmahnkanzlei gehört, greift man auf das bewährte Instrumentarium zurück. Und mahnt erst mal ab. Derzeit geht es wohl um Google-Werbung anderer Anwälte, die den Namen der betreffenden Bald-Ex-Abmahnkanzlei im Zusammenhang mit Abmahnungen erwähnen. Es, so wird argumentiert, schrecke potenzielle Mandanten ganz doll ab, wenn sie auf eine Homepage gelangen, auf der „im großen Stil über Abmahnung von X und Y im Bereich des Filesharings“ berichtet wird.

Die abgemahnten Anwälte wollen nicht nachgeben. Das wird lustig.

Der schlafende Schöffe

Auch als ehrenamtlicher Richter kann man Ärger mit der Justiz bekommen. Diese Erfahrung schildert ein Mitarbeiter von Spiegel Online, den es schon als Studenten in den bei ihm eher unfreiwilligen Justizdienst verschlagen hat. Er verschlief seinen Sitzungsdienst am Landgericht Hamburg

Das passierte nicht während der Gerichtsverhandlung, wie es ansonsten schon mal häufiger und meist fast immer folgenlos geschieht. Eine genervte Richterin soll es gewesen sein, die ihren noch unausgeschlafenen Schöffen im Streifenwagen aus dem Bett ins Gericht bringen ließ. Immerhin blieb dem Laienrichter ein Ordnungsgeld erspart. Das hätte wegen seiner Säumnis später gegen ihn verhängt werden können, allerdings nur durch einen anderen Richter.

Möglicherweise war der Verzicht auf einen Ordnungsgeld-Antrag auch ein Geschäft auf Gegenseitigkeit. Denn zur Nutzung der vom Gericht organisierten Mitfahrgelegenheit war der Schöffe jedenfalls nicht verpflichtet. Unter anderem berichtet er, die Polizei habe ihm nur drei Minuten zum Anziehen gewährt. Für so eine „Zwangsmaßnahme“ gegenüber Schöffen gibt es allerdings keine Rechtsgrundlage.

Der Betroffene hätte also durchaus auch weniger humorvoll reagieren und Freiheitsberaubung rufen können. Oder Nötigung. Wäre sicher ein interessantes Verfahren geworden.

Exotische Karten

Bei Flugreisen müssen Anbieter stets von Anfang an den Endpreis angeben. Nur „vermeidbare“ Zuschläge dürfen in späteren Buchungsschritten auftauchen. Das Oberlandesgericht Dresden musste nun klären, für welche Zahlungsarten der Endpreis zu gelten hat.

Das Portal fluege.de hatte einen Endpreis angegeben, der allerdings nur bei Zahlung mit einer Mastercard Gold oder einer Kreditkarte Visa Electron zu erreichen war. Bei der Zahlung mit anderen Kreditkarten oder etwa Lastschrift fielen Gebühren von über 30 Euro an, die anfangs nicht genannt wurden.

Nach Auffassung der Richter muss sich der Endpreis auf eine gängige Zahlungsart beziehen. Das sei bei einer Mastercard Gold oder der Visa Electron nicht der Fall. Erstere müsse gegebenenfalls erst über fluege.de beantrag werden. Die Prepaid-Karte Visa Electron müssten Kunden erst umständlich aufladen.

Es handele sich somit nicht um gängige und zumutbare Zahlungsmöglichkeiten (Aktenzeichen 14 U 1489/14).

Online-Wut gegen Edathy

Die erfolgreichsten Online-Petitionen der letzten Zeit richten sich gegen die Justiz. Erst vor kurzem half der Druck der Öffentlichkeit einem Notarzt, der bei einem Einsatz Autofahrer genötigt haben soll. Der Strafbefehlsantrag gegen den Mann wurde zurückgenommen. Keineswegs ein alltäglicher Vorgang.

Nun wird es andersrum versucht: 146.000 Menschen, und es werden stündlich mehr, fordern mittlerweile, das Verfahren gegen Sebastian Edathy wieder aufzurollen.

Es ist legitim, auch über die Justiz seine Meinung zu haben. Und die Einstellung bei Edathy nicht gut zu finden. Viel Hoffnung auf einen Erfolg dürfen sich die Petenten aber in diesem Fall nicht machen. Denn weder das Gericht, die Staatsanwaltschaft noch jemand anderer haben die Möglichkeit, es sich noch anders zu überlegen.

Das ergibt sich aus dem Verfahrensrecht. Bei einer – derzeit vorläufigen – Einstellung nach § 153a Strafprozessordnung wie bei Edathy gegen Zahlung einer Geldauflage hängt es nur noch vom Angeklagten ab, ob es zu einer endgültigen Einstellung kommt. Er muss lediglich innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist die Auflage erfüllen.

Nur für den Fall, dass er nicht fristgerecht die Auflage erfüllt, kann der Prozess fortgesetzt werden. Es hängt also ganz allein von Edathy ab, ob die Einstellung endgültig festgezurrt wird – oder es vielleicht schon ist. Wir können jedenfalls davon ausgehen, dass Edathy die 5.000 Euro längst gezahlt hat, um das letzte Hindernis für eine endgültige Einstellung sofort zu beseitigen. Dazu haben ihm seine Anwälte mit Sicherheit geraten.

Eine eher theoretische Lücke gibt es noch. Die Einstellung bringt es nur mit sich, dass die Tat nicht mehr als Vergehen verfolgt werden kann. Vergehen sind alle Delikte, für welche die Mindeststrafe unter einem Jahr liegt. Sollte sich dagegen herausstellen, dass die Tat ein mit mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe bedrohtes Verbrechen war, erstreckt sich die Einstellung nicht darauf. Wegen des Verbrechens könnte also weiter vorgegangen werden.

Allerdings gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass Edathy in diesem Zusammenhang ein Verbrechen zur Last gelegt werden könnte. Die einschlägigen Vorschriften, selbst für die gewerbliche oder bandenmäßige Begehung, sind allesamt nur als Vergehen ausgestaltet.

Da ist also nichts mehr zu machen, selbst wenn es die Petenten gerne hätten.

Edathys Geld ist nicht erwünscht

Für die Einstellung seines Verfahrens soll der frühere Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy 5.000 Euro für einen guten Zweck zahlen. Als Empfänger hat das Landgericht Verden den Kinderschutzbund Niedersachsen ausgewählt. Doch der will das Geld nun nicht annehmen.

Gestern hatte der Kinderschutzbund gegenüber der Zeit noch erklärt, man werde die Zahlung annehmen, auch wenn die Einstellung als „fatales Signal“ missverstanden werden könne. In sozialen Netzwerken gab es daraufhin Widerstand, dem der Verband nun nachgab. Man könne, heißt es auf der Facebook-Seite des Kinderschutzbundes, den moralischen Widerspruch für sich nicht lösen. Deshalb sei das Landgericht Verden gebeten worden, einen anderen Empfänger zu bestimmen.

Für mich ist diese Haltung unverständlich. Ich habe schon oft genug vergleichbare Verfahren im Bereich des Sexualstrafrechts damit beenden können, dass mein Mandant Geld an eine Kinderschutzeinrichtung zahlt. Auch an den Kinderschutzbund. Bislang habe ich es noch nie erlebt, dass die Annahme des Geldes verweigert wurde.

Es ist bei solchen Auflagen ja unvermeidlich, dass sie von möglichen Straftätern gezahlt werden. Wobei die Betonung auf möglich liegt. Denn bei einer Einstellung wird die Schuld ja gerade nicht positiv festgestellt. Somit kann auch nicht gesagt werden, das Geld stamme von einem Straftäter oder gar aus einer Straftat. Wobei auch das keinen Unterschied mit sich bringen sollte.

Will der Kinderschutzbund Niedersachsen jetzt ein Urteil nach dem Urteil fällen, zwischen gutem und schlechtem Geld unterscheiden? Ich kann so eine Anfälligkeit für offensichtlichen Populismus nicht ganz nachvollziehen.

Am Ende wird es jetzt wahrscheinlich so kommen, dass Edathys Geld an die Staatskasse geht. Davon wird dann irgendwo eine hübsche Brücke gebaut. Ob das im Sinne möglicher Opfer von sexuellem Missbrauch ist, erschließt sich mir nicht.

Weniger Fotos von Beate Zschäpe

Das NSU-Verfahren in München scheint einer der wenigen Prozesse zu sein, zu dem tagtäglich (und nicht nur zu besonders interessanten Terminen) Kamerateams und Fotografen anrücken. Vor allem, um die Angeklagte Beate Zschäpe abzulichten. Der Vorsitzende des Strafsenats reagiert nun auf diesen Berichterstattungsdruck.

Künftig sind Kameras im Gerichtssaal nur noch am ersten und siebten Verhandlungstag eines Monats zulässig. Vor dem Gerichtssaal kann uneingeschränkt weiter gefilmt werden. Die Verteidiger Zschäpes hatten einen entsprechenden Antrag gestellt, weil das tägliche Schaulaufen vor dem Verhandlungsbeginn die Persönlichkeitsrechte ihrer Mandantin verletzt.

Dem folgte das Gericht nun. Eine „Prangerwirkung“ müsse schon wegen der Unschuldsvermutung vermieden werden. Zschäpe müsse sich immerhin unfreiwillig filmen und fotografieren lassen. Eine Berichterstattung mit Bildern greife auch stärker in die Persönlichkeitsrechte ein als eine ohne Bilder.

Die Pressefreiheit sieht das Gericht nicht in Gefahr. Es sei den Medien zumutbar, auf Archivmaterial zurückzugreifen. Davon gebe es nach 190 Verhandlungstagen auch genug. Überdies heißt es in der Verfügung des Gerichts, dass bei „besonderen Prozesssituationen“ Ausnahmen zusätzliche Termine möglich sein werden.