Gutachten: Tarifgesetz rechtswidrig

+++ Das geplante Gesetz zur Tarifeinheit könnte verfassungswidrig sein. Zu diesem Ergebnis kommt ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages. Mit dem Gesetz, das im März Thema im Bundestag sein soll, will die Große Koalition die Macht kleiner Gewerkschaften einschränken. +++

+++ Dem Hotelportal HRS sind Bestpreisklauseln untersagt worden. Damit verpflichtete HRS teilnehmende Hotels, Zimmer nirgendwo anders billiger anzubieten. Das Unternehmen teilte nun mit, es werde das Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf akzeptieren. +++

+++ Fußballfans haben keinen Anspruch auf Abokarten. Vielmehr darf ein Club, hier der FC Bayern, ein Abo sogar jederzeit ohne Angabe von Gründen unter Einhaltung der vereinbarten Kündigungsfrist beenden. Ein langjähriger Fan hatte vor dem Amtsgericht München geklagt (Aktenzeichen 122 C 16918/14). +++

+++ Eine Fahrtenbuchauflage darf gegenüber Firmen nur verhängt werden, wenn die Behörde selbst ausreichend ermittelt hat. Dazu gehört nach einem Beschluss des Verwaltungsgerichts Trier, dass der Geschäftsführer befragt und Unterlagen verlangt werden. Ein Gespräch mit der „Seniorchefin“ reiche nicht (1 L 349/15.TR). +++

Filesharing in der Normfamilie

In Filesharing-Prozessen wird gern darüber gestritten, was ein Anschlussinhaber vortragen muss, um sich zu entlasten.

Das Landgericht Potsdam zur Konstellation „normale Familie“ hierzu Stellung bezogen. Ich zitiere den Leitsatz, welche die Zeitschrift JurPC aus dem Urteil kristallisiert hat (Aktenzeichen 2 O 252/14):

Die tatsächliche Vermutung der Alleinnutzung des Anschlusses durch die Anschlussinhaberin ist bereits widerlegt, wenn nach den Angaben der Anschlussinhaberin deren Ehemann und der Sohn im Haushalt wohnen und freien Zugang zum Internet haben.

Weitergehender Feststellungen zum zeitlichen Umfang und zu den Zeitpunkten der Nutzung bedarf es dann nicht, da der der tatsächlichen Vermutung zugrundeliegende Erfahrungssatz bereits widerlegt ist.

Das Urteil enthält auch noch einige interessante Ausführungen dazu, wie weit Angehörige über die „Gefahren“ der Internetnutzung aufgeklärt werden müssen und wie weit Abgemahnte verpflichtet sind, in der eigenen Familie nach Übeltätern zu forschen.

Auf Teppich ist kein Verlass

+++ Die Philosophische Fakultät in Rostock möchte Edward Snowden zum Ehrendoktor machen. Die Universitätsspitze mauert. Die Philosophen werden dagegen vor Gericht ziehen. +++

+++ Von der Kölner Bettensteuer sind Geschäftsreisende ausgenommen. Theoretisch. Denn die Stadt lässt Hotelgäste ein umfangreiches Formular ausfüllen, ohne dass diese zu den Angaben verpflichtet sind. Der NRW-Datenschutzbeauftragte kritisiert die Praxis. +++

+++ Wer seinen Teppichboden durch Parkett ersetzen will, muss als Wohnungseigentümer wegen des größeren Trittschalls keine Rücksicht auf Nachbarn nehmen. Der Bundesgerichtshof entschied, dass hier keinen Vertrauensschutz gilt. Maßgeblich sei allein, dass die Schallschutzwerte eingehalten werden, die zur Zeit der Errichtung des Gebäudes galten (Aktenzeichen V ZR 73/14). +++

+++ Die Bundesregierung bringt einen Gesetzentwurf zur Abschaffung freier WLANs auf den Weg. So jedenfalls muss man das Vorhaben eigentlich korrekt benennen, meint das IT-Rechtsportal CR online. +++

Durchsuchung ohne Maß

Das Bundesverfassungsgericht musste sich mit einer Hausdurchsuchung bei einem schwerkranken Menschen beschäftigen. Der Betroffene hat zwar Anspruch auf Cannabis auf Rezept, um seine Schmerzen zu lindern. Da er sich den fertigen Stoff nicht leisten kann, baute er seinen Eigenbedarf selbst an – und machte eine Selbstanzeige.

Die Strafverfolger in Darmstadt durchsuchten bei dem Mann. Zu Unrecht, wie jetzt das Bundesverfassungsgericht feststellte. Das Gericht kritisiert, wie so häufig, dass sich die verantwortlichen Richter nicht einmal ansatzweise mit den Besonderheiten des Falles beschäftigten. Erwägungen zur Verhältnismäßigkeit fehlten in dem Beschluss vollständig.

Der Beschluss zeigt einmal mehr, dass nicht jeder Anfangsverdacht eine Durchsuchung rechtfertigt. Wie wenig Mühe sich die verantwortlichen Richter insgesamt in der Sache machten, stößt beim Bundesverfassungsgericht auf deutliche Kritik. Der Beschluss ist hier nachzulesen.

Edathy liegt taktisch richtig

Der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy hat heute vor dem Landgericht Verden ein Geständis abgelegt. Über seinen Anwalt räumte er ein, mit seinem Dienst-Notebook kinderpornografische Seiten aufgesucht und Inhalte heruntergeladen zu haben.

Die Erklärung war sicher auch taktisch motiviert: Das Verfahren gegen Edathy wurde sogleich eingestellt. Edathy zahlt 5.000 Euro an den Kinderschutzbund. Edathy beugte sich mit seiner Erklärung dem Druck der Staatsanwaltschaft Hannover. Diese hatte die Einstellung davon abhängig gemacht, dass der Ex-Politiker ein glaubwürdiges Geständnis ablegt. Ohne Zustimmung der Strafverfolger kann das Gericht ein Verfahren nicht einstellen.

Ein Geständnis ist keineswegs Voraussetzung für eine Einstellung. Das habe ich schon in diesem Beitrag erläutert. Dass Edathy sich darauf einlässt, ist allerdings schlau. Offensichtlich sind die Richter am Landgericht Verden bereit, sich nicht vom Namen des Angeklagten und dem Rummel leiten zu lassen, der mit dem Verfahren bisher verbunden war.

Vielmehr haben sie bereits früh dargelegt, dass es nicht um viel verbotenes Material geht und Edathy nicht vorbestraft ist. Eine Einstellung liegt deshalb durchaus im Bereich des Möglichen. Jedenfalls mehr als die so oft beschworene Freiheitsstrafe, die sich irgendwo auf die Obergrenze von zwei Jahren zubewegt, die für Edathys Delikt gilt.

Allerdings bedeutet das noch lange nicht, dass bei ein paar kinderpornografischen Bildern stets eine Einstellung einfach zu erreichen ist. Eine große Zahl Amtsgrichter, die normalerweise über solche Fälle entscheiden (Edathys Fall kam nur wegen „besonderer Bedeutung“ ans Landgericht), lehnen Einstellungen und sogar Geldstrafen für solche Delikte grundsätzlich ab. Ob es dann letztlich wirklich so heftig kommt, ist natürlich oft eine andere (Beweis-)Frage. Es hängst natürlich auch davon ab, wie ein Angeklagter sich verteidigt. Edathy jedenfalls kann mit dem Ergebnis zufrieden sein. Denn es rückt sein Vergehen wieder in einen vernünftigen Maßstab.

Bestraft ist er ohnehin schon genug.

Wenn die Polizei Drogen kauft

+++ Der 48-jährige Richter Jörg L. ist heute zu fünf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Das Landgericht Hannover hält es für erwiesen, dass L. als Referatsleiter im niedersächsischen Justizprüfungsamt Klausurlösungen für teilweise hohe Beträge verkauft oder sexuelle Gefälligkeiten dafür verlangt hat. +++

+++ An der Millionenklage des Wettermoderators Jörg Kachelmann könnte was dran sein. Kachelmann verlangt von Bild, Bunte und Focus insgesamt 3,25 Millionen Euro, weil er sich durch die Berichterstattung über ihn verleumdet fühlt. In dem ersten Prozess gegen Bild regte der Richter eine gütliche Einigung an, ohne konkrete Beträge zu nennen. +++

+++ Drogendealer müssen den Kaufpreis zurückzahlen, wenn sie auf einen getarnten Polizisten hereinfallen. In dem entschiedenen Fall hatte das LKA Berlin Drogen für 50.000 Euro gekauft; das Geld war bei der Festnahme des Mannes aber wohl schon bei unbekannten Hintermännern. Das Kammergericht Berlin hält derartige Scheinkäufe für ein „legitimes Mittel der Prävention und Strafverfolgung“. Deshalb sei eine Rückforderung gesetzlich nicht ausgeschlossen (Aktenzeichen 27 U 112/14). +++

+++ Facebook ist mal wieder im Visier der Verbraucherschützer. Diesmal geht es um 19 Klauseln aus den kürzlich neugefassten Facebook-Bedingungen. Der Verbraucherzentrale Bundesverband beanstandet in einer nun eingereichten Klage vor allem einen leichtfertigen Umgang mit sensiblen Kundendaten. Insbesondere monieren sie, dass die Voreinstellungen bei Accounts extrem nutzerunfreundlich sind. +++

+++ Kritische Fragen oder „Störung“? An einer bayerischen Schule schlagen die Wellen um einen Schüler hoch, dem sein Rektor eine „zweifelhaft linksorientierte Gesinnung“ attestiert. +++

+++ Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank Jürgen Fitschen muss sich vor Gericht verantworten. Ihm wird versuchter Prozessbetrug vorgeworfen. Es geht um den Fall Leo Kirch. Das Landgericht München ließ eine Anklage gegen Fitschen und vier weitere Mitarbeiter der Deutschen Bank zu. +++

Nicht strafbar? Wo kommen wir da hin!

Über Rechtsfragen kann man natürlich immer streiten. Das ist der Job von uns Juristen. Manchmal überrascht es mich schon, wie zum Beispiel Strafverfolger bei ihrer Arbeit die Rechtslage außer acht lassen oder jedenfalls grob falsch bewerten. Hier ein Beispiel:

Meinem Mandanten wird unter anderem zur Last gelegt, er habe eine junge Frau, die zu ihm bei Besuch war, sexuell genötigt. Richtig ist, dass er, als sie vor seinem PC saß, ihr von hinten einige Zeit über die Brüste streichelte und dabei in freundlichem Ton gestand, er sei in sie verliebt. Selbst in mehrfachen Vernehmungen und bei höchst suggestiver Befragung durch eine engagierte Kommissarin blieb die Frau dabei, sie habe sich nicht gewehrt. Sie habe auch keine Signale gegeben, dass sie das nicht will. Nach dem Vorfall, über den später nicht mehr gesprochen wurde, gab es auch keinen Streit oder ähnliches.

Es mag einem gefallen oder nicht. Aber nach geltendem Recht scheidet hier eine Sexualstraftat aus. Denn dazu bedarf es zumindest bei Erwachsenen stets des Einsatzes von Gewalt, der Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder den Umstand, dass das Opfer dem Täter schutzlos ausgeliefert ist.

Das erkannte der Staatsanwalt auch. Allerdings greift er behend zu einer Notlösung. Statt das Verfahren in diesem Punkt einzustellen, klagt er meinen Mandanten an – wegen Beleidigung. Dabei steht in wirklich jedem Strafrechtskommentar in breitester Ausführlichkeit, dass es keine „Geschlechtsehre“ als solche gibt. Und dass die Beleidigungsdelikte kein Auffangstatbestand sind, um straflose sexuelle Handlungen doch zu bestrafen.

Vielmehr ist es für eine Beleidigung immer erforderlich, dass die sexuelle Handlung als solche eine besondere Missachtung des Opfers zum Ausdruck bringt. Es gibt unzählige Urteile, die sich lang und breit mit genau diesen Fragen beschäftigen und betonen, dass es eben gerade besonderer Umstände bedarf, um aus einer sexuellen Handlung auch eine Ehrverletzung zu machen.

Ich bin etwas geknickt, weil ich die Rechtslage in zwei Schriftsätzen wirklich detailliert dargestellt habe. Und sogar noch Telefonate mit dem Staatsanwalt führte, in denen ich zumindest das Gefühl hatte, er versteht was ich meine. Wie auch immer, jetzt darf ich mein Glück beim Gericht versuchen und darauf hoffen, dass die Anklage in diesem Punkt nicht zugelassen wird.

Neues Gericht, völlig andere Sicht

Auto-Reply-Mails auf Kundenpost mit angehängter Werbebotschaft sind nicht unbedingt rechtswidrig. Das Landgericht Stuttgart korrigiert jetzt mit einem Urteil eine Entscheidung des Amtsgerichts Stuttgart-Bad Cannstatt.

Der Kunde einer Versicherung hatte auf seine Kündigung hin eine Eingangsbestätigung erhalten. Am Ende war eine Werbebotschaft angehängt. Werbung ist Werbung, befand das Gericht erster Instanz. Da der Kunde Reklame nicht zugestimmt habe, sei die Botschaft verbotener Spam.

Das Landgericht Stuttgart sieht dies anders. Es handele sich hier um tatsächliche, vom Kunden veranlasste Korrespondenz, die auch eindeutig als automatisierte Antwort erkennbar sei. In dieser Konstellation liege zwar ebenfalls Werbung vor, aber es fehle an der erforderlichen Erheblichkeit der damit verbundenen Belästigung. Ein besonderer Aufwand ergebe sich schon deshalb nicht, weil eine Eingangsbestätigung typischerweise nicht von Hand gelöscht werde, sondern der Empfänger diese aufbewahrt. Aus dem Urteil:

Abgesehen davon war auch bereits aus dem Betreff, nämlich „automatische Antwort auf Ihre Mail“, und aus der Uhrzeit für den Kläger erkennbar, dass es sich bei der E-Mail um eine Eingangsbestätigung handelte. Ein Aussortieren ist in einem solchen Fall schon deshalb nicht erforderlich, weil für gewöhnlich solche E-Mails nicht von den Empfängern gelöscht werden, damit sie später einen Nachweis für den Eingang ihrer E-Mail haben. Der Umstand, dass am Ende der E-Mail auf eine kostenlose Unwetterwarnung per SMS und auf die App (…) hingewiesen wird, ändert nichts daran, dass eine erhebliche Belästigung nicht angenommen werden kann.

Link zum Urteil

Standpunkte

Disclaimer einer E-Mail, die ich heute erhalten habe:

Die in dieser E-Mail enthaltenen Informationen sind vertraulich. Sie sind einzig und allein für den Adressaten bestimmt. Wenn Sie nicht der für diese E-Mail bestimmte Adressat sind, löschen Sie diese E-Mail bitte unverzüglich.

Der Inhalt dieser E-Mail darf ohne Zustimmung des Versenders weder weiterverbreitet noch kopiert werden. … Die Standpunkte und Meinungen, die in dieser E-Mail zum Ausdruck kommen, sind die des Autors. Das Unternehmen übernimmt keinerlei Verantwortung für die Ansichten des Autors.

Die Mail stammt von meinem Installateur.

Geschäftsmodell Crapware

+++ Dürfen Mobilfunkanbieter Gebühren für eine Papierrechnung verlangen? Nachdem schon der Bundesgerichtshof diese Frage verneint hat, verklagte der Verbraucherzentrale Bundesverband weitere Anbieter, unter anderen Vodafone, Telefonica und Simyo. Erfolgreich. +++

+++ Lenovo hat auf vielen Notebook-Modellen Gratis-Software installiert, die Sicherheitsrisiken birgt. Das tun die Software-Firmen nicht ohne Grund, sondern weil sie dafür viel Geld bekommen. Zeit Online schildert Hintergründe. +++

+++ Ist Kai Diekmann ein Volksverhetzer? Ich habe darüber mit dem Magazin „Vice“ gesprochen. +++

+++ Heimliche Filmaufnahmen können zulässig sein, wenn ein öffentliches Interesse überwiegt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte beanstandete nun das Strafurteil gegen Journalisten aus der Schweiz. Diese waren verurteilt worden, weil sie einen Versicherungsbroker heimlich gefilmt und die Aufnahmen für die Berichterstattung verwendet hatten. +++

+++ Die taz ist Opfer eines Lauschangriffs geworden – aus den eigenen Reihen. Wie die Chefredaktion berichtet, wird einem Mitarbeiter der Einsatz eines Keyloggers vorgeworfen. Damit soll er die Tastatureingaben von Ressortleitern, Redakteuren, aber auch Praktikantinnen mitgeschnitten worden sein. Die taz hat arbeitsrechtliche Schritte eingeleitet. +++

Die Ausweise, bitte

Spiegel Online hat von einem Gesetzentwurf erfahren, der ein längst überfälliges Problem lösen soll: die Störerhaftung beim Betrieb eines öffentlichen WLAN. Doch von freiem WLAN wäre man mit der Neuregelung womöglich noch weiter entfernt als heute.

Tatsächlich liest sich der Entwurf, soweit er in dem Bericht zitiert wird, eher so, als würden juristische Hürden durch bürokratische ersetzt. So sollen sich WLAN-Nutzer bei dem Anbieter registrieren müssen, um Netzzugang zu erhalten. Außerdem müssen sie mit einem Häkchen versichern, keinen Quatsch zu machen. Der WLAN-Betreiber selbst soll zu „zumutbaren Maßnahmen“ verpflichtet sein, um Missbrauch, also vor allem Filesharing, zu unterbinden.

Natürlich ist Registrierung nicht gleich Registrierung. Die spannende Frage könnte also sein, in welchem Umfang WLAN-Anbieter Klarnamen und Adressen ihrer Kunden abfragen und möglicherweise Belege, vielleicht gar eine Unterschrift verlangen müssen. Immerhin dürfte es ja ansonsten ein Leichtes sein, sich etwa in einem Café als Sigmar Gabriel oder Alexander Dobrindt Zugang zum WLAN zu „verschaffen“.

Noch unerfreulicher könnte die Lösung für privates WLAN ausfallen. Laut dem Bericht sollen private WLAN-Betreiber im Zweifel die Namen aller Nutzer vorlegen müssen. Gerade dieser Gedanke könnte auch der Feder eines Lobbyisten der Contentindustrie entsprungen sein. Hierdurch würde die Störerhaftung im privaten Bereich nämlich faktisch sogar drastisch verschärft. Nicht nur die Idee des „Freifunks“ dürfte dabei auf der Strecke bleiben.

Filmstar wider Willen

Wer freiwillig bei einem Werbeauftritt seiner Firma mitgewirkt hat, muss auch nach seinem Ausscheiden grundsätzlich damit leben. Nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts gibt es keinen Anspruch von Arbeitnehmern, dass deren Bilder nachträglich aus Promomaterial entfernt werden.

Es ging um den offiziellen Werbefilm einer Firma für Klimatechnik. Der Mitarbeiter, seit 2007 in der Firma, war darin ebenso wie einige seiner Kollegen zu sehen. Der Mann hatte bei dem Dreh freiwillig mitgewirkt, verlangte nach seinem Weggang im Jahr 2011 aber, dass er in dem Film unkenntlich gemacht wird.

Das Bundesarbeitsgericht sieht hierfür keinen Rechtsanspruch. Der Arbeitnehmer habe sich sogar schriftlich mit den Aufnahmen einverstanden erklärt. Dieses Einverständnis ende nicht mit seiner Anstellung. Der Mann benötige außerdem einen „plausiblen Grund“ für einen Widerruf. Er habe aber nicht dargelegt, wie und in welchem Umfang der Werbefilm heute sein allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzt (Aktenzeichen 8 AZR 1011/13).

Der aggressive Mieter

Die Situation ist alltäglich: Mieter beschweren sich, weil ein Mitbewohner den Hausfrieden stört. Die Vermieterin mahnt den Betroffenen ab. Aber muss sie ihrem Mieter auch sagen, wer sich über ihn beschwert hat? Diese Frage musste das Amtsgericht München beantworten.

Es ging um bedrohliches Auftreten, Beleidigungen, falsche Anschuldigungen, Gewaltandrohungen. All das legte die Vermieterin einem Mieter zur Last und drohte ihm die Kündigung an. Der Betroffene reagierte seinerseits mit einer Klage auf Auskunft, wer ihn angeschwärzt hat.

Nach Auffassung des Amtsgerichts München muss die Vermieterin nicht sagen, wer sich bei ihr beklagt hat. Gegenüber den anderen Mietern habe sie eine Fürsorgepflicht, zumal diese um Vertraulichkeit baten und wohl auch Angst vor dem Mann hätten. Im Fall einer Auskunft sei zu befürchten, dass es zu neuen Problemen komme.

Der Mieter, so das Gericht, muss abwarten, ob die Vermieterin ihn tatsächlich verklagt. Bei einem Prozess trage die Vermieterin die Beweislast für eine Störung des Hausfriedens. Spätestens dann müsse sie ihre „Quellen“ als Zeugen benennen (Aktenzeichen 463 C 10847/14).

AntarktUmwSchProtAG

+++ Videokünstler Alexander Lehmann („Du bist Terrorist“, „Wir lieben Überwachung“) hat ein neues Kurzvideo veröffentlicht. Lehmann zeigt, wie gerecht der Reichtum in der Welt verteilt ist. +++

+++ Vier Tage Knast: Ein taz-Reporter macht den Selbstversuch. +++

+++ Die Arbeitsministerin stellt klar: Der Mindestlohn von 8,50 Euro gilt nicht für Amateursportler in Vereinen. Dumm nur, dass das so nicht im Gesetz steht. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Arbeitsgerichte Frau Nahles sagen, was für sie gilt. Ich vermute, die goldenen Worte einer Ministerin eher nicht. +++

+++ Die Oktoberfestfeier einer internationalen Anwaltskanzlei scheint aus dem Ruder gelaufen zu sein. Ein Ex-Partner wird der versuchten Vergewaltigung bezichtigt. Anzeige hat einer seiner Kollegen erstattet, nachdem es wegen des Vorfalls zu einer Prügelei kam. Beide Anwälte haben schon den Hut genommen. +++

+++ Im Antarktis-Vertrag-Umweltschutzprotokoll-Ausführungsgesetz (AntarktUmwSchProtAG) ist festgelegt, dass Ausflüge in die südlichste Region der Welt einer Genehmigung bedürfen. Genau diese Genehmigung soll ein als „Antarktis-Bezwinger“ gefeierter Extremsportler nicht eingeholt haben. Ihm droht nun ein Bußgeld von bis zu 50.000 Euro. +++

Wenn’s kracht, hilft die Dashcam nicht

Dieses Urteil wird Betreiber von Dashcams nicht freuen. Zumindest dann nicht, wenn sie die Kamera im Auto laufen lassen, um bei einem Verkehrsunfall ein Beweismittel zu haben. Das Landgericht Heilbronn hält Dashcam-Aufnahmen im Zivilprozess nämlich für unverwertbar. Das ergibt sich aus einem Urteil des Gerichts vom 17. Februar 2015.

Ein Autofahrer soll einem anderen Verkehrsteilnehmer die Vorfahrt genommen haben. Ob das tatsächlich der Fall war, klärte das Amtsgericht Besigheim in einer Beweisaufnahme. So wurde auch ein Sachverständiger angehört. Allerdings weigerte sich das Gericht, eine vom Betroffenen vorgelegte Dashcam-Aufnahme in HD zu verwerten. Zu Recht, wie nun das Landgericht Heilbronn bestätigt.

Die Richter bejahen zwar ein grundsätzliches Interesse jedes Betroffenen, dass im Zivilprozess alle vefügbaren Beweismittel genutzt werden. Das gelte aber dann nicht mehr, wenn andere Interessen vorgehen. Dashcams verletzen laut dem Gericht das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Die lückenlose, für Passanten nicht erkennbare Aufzeichnung des gesamten Straßenverkehrs sei vergleichbar mit der verdachtslosen Überwachung von Hauseingängen. Oder der Videokontrolle von Arbeitnehmern. Auch hier setze die Rechtsprechung enge Grenzen. Die Situation sei für Passanten vergleichbar. Außerdem sieht das Gericht Verstöße gegen das Bundesdatenschutzgesetz und gegen das Kunsturheberrechtsgesetz.

Das Urteil bedeutet allerdings nicht, dass Dashcams mit dem Urteil „verboten“ sind. Vielmehr geht es nur um die Frage, ob Dashcam-Aufnahmen im Zivilprozess als Beweismittel zugelassen sind (Aktenzeichen I 3 S 19/14).

Älterer Beitrag zum Thema / ARAG-Kolumne über Dashcams