Millionen Passwörter in falschen Händen?

Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und andere Behörden haben Listen mit rund 16 Millionen Logindaten entdeckt, davon ein großer Teil mit der Endung .de. Bei den Daten handelt es sich möglicherweise um gültige Zugangsdaten für Online-Dienste.

Nach Angaben des BSI enthalten die Listen reihenweise E-Mail-Adressen, zu denen Passwörter notiert sind. Diese Daten werden normalerweise für den Login bei Online-Angeboten genutzt. Für welche Dienste die Informationen passen, weiß das BSI bislang nicht.

Eine große Gefahr kann darin liegen, dass Internetnutzer die Kombination aus E-Mail-Adresse und Passwort für mehrere Angebote nutzen. Die Datendiebe könnten dadurch Zugriff auf gleich mehrere Konten des Kunden erhalten, wenn sie nur lange genug probieren. Das BSI hält es außerdem für möglich, dass betroffene Rechner mit Schadsoftware infiziert wurden.

Das BSI hat eine Sonderseite eingerichtet. Darauf kann jeder prüfen, ob seine E-Mail-Adressen betroffen sind. Die Adresse lautet: https://www.sicherheitstest.bsi.de/ Sofern die E-Mail-Adressen in den Listen stehen, erhalten die Nutzer als Antwort eine Warnmail mit weiteren Hinweisen.

Die Testseite ist derzeit allerdings nicht erreichbar, wie die gesamte Website des BSI. Offenbar ist die Behörde für den Besucheransturm nicht gerüstet, obwohl er ja eigentlich zu erwarten war.

Der überholte Ehrenschutz

Ich bin kein Freund des BILD-Kolumnisten Franz-Josef Wagner. Aber heute wird ihm Unrecht angetan. Und zwar von höchster Stelle. Das Bundesverfassungsgericht ist der Meinung, Wagner dürfe die ehemalige bayerische Landrätin Gabriele P. womöglich nicht als „durchgeknallte Person“ bezeichnen. Die Gerichte müssen über P.s Unterlassungsklage neu entscheiden.

Vor dem Oberlandesgericht München, wo die Bild-Zeitung verklagt wurde, war die Sache noch recht eindeutig. Die Politikerin habe keinen Unterlassungsanspruch gegen Wagner, weil seine Bewertung, P. sei eine „durchgeknallte Person“, nicht beleidigend gewesen sei und jedenfalls noch der Meinungsfreiheit unterfalle.

Der Kolumnist äußerte sich im Jahr 2006 in seinem deftigen und – wie bei ihm üblich – wirren Text zu dem Umstand, dass sich Gabriele P. von sich Aufnahmen in Latexhandschuhen hatte fertigen lassen, die später zuerst in der Zeitschrift „Park Avenue“ erschienen.

Das Bundesverfassungsgericht zieht dagegen nun eine Karte, die unserem Land immer wieder für unnötigen juristischen Ärger sorgt. Den Ehrenschutz. In ihrem kurzen Beschluss bejahen die Richter einen weitgehenden Ehrenschutz. Diesen habe das Oberlandesgericht München nicht hinreichend berücksichtigt.

Wagner wird zwar attestiert, er dürfe sich kritische und auch polemisch äußern, die „durchgeknallte Person“ gehe aber zu weit. Wieso das der Fall ist, begründet das Gericht eigentlich nicht. Es bemüht sich eher um Abgrenzung zu einem eigenen anderen Urteil, in dem es die Bezeichnung „durchgeknallter Staatsanwalt“ noch hat durchgehen lassen. Den Unterschied soll nun machen, dass Wagner seinen Text angeblich überlegt zu Papier gebracht hat (was der verbale Schnellschütze Wagner möglicherweise als Ehrkränkung empfinden könnte), während es in dem anderen Fall um eine Spontanäußerung ging.

Nun ja. Ich finde, wir sollten uns eigentlich grundsätzlich nicht so haben. Hier könnten wir durchaus mal was von den USA lernen. Dort kann sich jedermann gerne selbst zum Affen machen, indem er über andere herzieht. Und jeder, der verbal angegangen wird, muss halt grundsätzlich damit leben, dass jemand eine Meinung über ihn äußert, die ihm nicht gefällt.

Überraschenderweise droht den Vereinigten Staaten trotzdem nicht der Untergang, jedenfalls nicht wegen ihrer Liberalität im Äußerungsrecht. Bei uns wird dagegen das Mimosentum gefördert. Das wäre alles nicht so schlimm. Aber der weitreichende Ehrenschutz lädt halt auch zum Missbrauch ein.

Dann wird in Wirklichkeit nicht die Ehre verteidigt, sondern eine Meinungsäußerung wegen ihres Inhalts bekämpft. Dabei spielt die finanzielle Potenz der Beteiligten natürlich immer eine entscheidende Rolle. Wer den Streit um eine Abmahnung nicht durchziehen kann, hält halt lieber vorsorglich die Klappe.

Das ist schlecht in Zeiten, in denen der Einzelne durch das Web erstmals eine hörbare Stimme erhält. Dies unterstützt das Bundesverfassungsgericht, so lange es den Ehrenschutz nicht mal auf ein Mindestmaß zurechtstutzt (1 BvR 194/13).

Sky mahnt unterirdisch ab

Erst Redtube, gestern Autoflirt und nun Sky: Das Abmahngeschäft läuf momentan nicht sonderlich rund – natürlich nur in bedauerlichen Einzelfällen. Nun macht der Bezahlsender Sky wegen unberechtigter Abmahnungen Schlagzeilen. Sky hat eingeräumt, etwa hundert Kneipenbesitzer abgemahnt zu haben, ohne dass es hierfür eine rechtliche Grundlage gibt. Das berichtet etwa Der Spiegel.

In den Abmahnungen, die in jüngster Zeit verschickt worden sein sollen, hielt Sky den Gastwirten vor, sie hätten in ihren Lokalen Live-Spiele der 2. Bundesliga gezeigt – und zwar auf dem Free-TV-Sender Sport 1. Sky behauptete, das sei illegal, weil nur Sky die nötigen Rechte besitze.

Allerdings hat sich da wohl jemand gründlich vertan. Sky schiebt die schuld auf die eigene Rechtsabteilung. Dort habe man die Rechtslage falsch eingeschätzt. Tatsächlich bezeichnet Sky die Abmahnungen nun als gegenstandslos.

Pikantes Detail: Wenn sich Abgemahnte bei Sky meldeten, soll diesen laut Presseberichten ein Preisnachlass bei der Abmahnung angeboten worden sein – wenn sie ein kostenpflichtiges Sky-Abo bestellen. Nun will Sky seinerseits den Betroffenen ein Wiedergutmachungs-Angebot unterbreiten.

Eile mit Weile

Vermerk des Staatsanwalts in einer Wirtschaftsstrafsache:

Gemäß Telefonat mit Ermittlungsrichter R. um 14.30 Uhr kann der Beschluss heute nicht mehr erlassen werden, das er bis spätestens 14.45 Uhr das Gericht verlassen muss.

Am nächsten Mittag, nun mit dem ersehnten Durchsuchungsbeschluss versehen, stellte die Kripo den Server in den Büros des betreffenden Unternehmens sicher.

Viel ließ sich leider nicht mehr ermitteln. Wie das halt so ist, bei nächtlichen Wasserschäden.

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Mieterhöhung: Wer zahlt, stimmt zu

Ein Wohnungsmieter ist nicht verpflichtet, dem Mieterhöhungsverlangen seines Vermieters schriftlich zuzustimmen. Es genügt, wenn er freiwillig die erhöhte Mieter zahlt. Das ergibt sich aus einem Urteil des Amtsgerichts München.

Eine Vermieterin hatte ihre Mieter verklagt, weil diese einer Mieterhöhung nicht schriftlich zustimmen wollten. Die Mieter sollten eine entsprechende Erklärung abgeben – obwohl sie die erhöhte Miete schon monatelang zahlten.

Laut Amtsgericht München kann die Vermieterin die schriftliche Zustimmung nicht verlangen, auch nicht wegen ihres Wunsches nach Rechtssicherheit. Schon eine einmalige, aber jedenfalls eine mehrmalige Zahlung der erhöhten Miete sei eine schlüssige Zustimmung. Zu mehr könnten die Mieter nicht verpflichtet werden.

Das entspricht dem Gesetz. Während der Vermieter die Erhöhung immer schriftlich verlangen muss, ist die Zustimmung zwar erforderlich, aber an keine besondere Form gebunden. Schlüssiges Handeln, insbesondere durch Zahlung des korrekten Betrages, reicht deshalb aus. Auf die Frage, ob das Verlangen überhaupt wirksam war, kam es nach Auffassung des Amtsgerichts München dann gar nicht mehr an (452 C 11426/13).

Kurzer Flirt mit dem schnellen Geld

Seit Ende letzter Woche machen weitere dubiose Abmahnungen die Runde. Eine Heidelberger Anwaltskanzlei verschickte offenbar ziemlich wahllos Zahlungsaufforderungen über den stolzen Betrag von rund 3.100 Euro. Dabei sollten die Empfänger angeblich widerrechtlich die geschützte Marke „Autoflirt“ genutzt haben.

Dumm nur: Der angebliche Inhaber der Marke, ein Autoflirt e.V., steht gar nicht im Markenregister. Sondern jemand anderes. Außerdem ist aus den Abmahnungen nicht mal ansatzweise ersichtlich, worin die Markenrechtsverletzung überhaupt liegen soll. Alleine die Verwendung des Begriffs Autoflirt reicht ja keineswegs aus. Vielmehr muss die Marke im geschäftlichen Verkehr verwendet worden sein.

Nichts davon scheint vorzuliegen. Die betreffende Anwaltskanzlei schrieb jetzt an Rechtsanwalt Thomas Stadler, der einen Abgemahnten vertritt, sie habe ihr Mandat beendet. Auch an der Abmahnung halte man nicht fest.

Tatsächlich möchte man wohl sogar darauf hinaus, dass das Schreiben gar nicht wirksam ist. Die Abmahnung, zitiert Stadler aus dem Brief, sei „von unserer Kanzlei vor … Absendung nicht vollumfänglich geprüft und auch nicht zur Übersendung autorisiert” worden. Das hält Stadler allerdings ebenfalls für wenig plausibel. Die Abmahnung sei nämlich vom verantwortlichen Rechtsanwalt unterschrieben.

Immerhin dürfte ein Autoflirt damit auch in Zukunft risikolos sein, zumindest in juristischer Hinsicht.

Hintergründe bei heise online

Redtube-Gutachten veröffentlicht

Das Rätselraten um das Sachverständigengutachten im Fall der Pornoabmahnungen hat ein vorläufiges Ende. Heute veröffentlichte die Anwaltskanzlei MMR das Gutachten der Münchner Patentanwaltskanzlei Diehl & Partner. Das Gutachten war Grundlage dafür, dass das Landgericht Köln in vielen tausend Fällen grünes Licht für die Abmahnung von Internetnutzern gegeben hat.

Das Gutachten selbst ist nach meiner Einschätzung völlig untauglich. Insbesondere gibt es keine Auskunft darüber, wie die Abmahner die IP-Adressen der Nutzer ermitteln konnten. Offenbar hat sich die Kanzlei Diehl & Partner damit zufriedengegeben, lediglich drei Clips von Videoplattformen abzurufen.

Dabei handelte es sich, da muss man sich echt festhalten, um Dateien, welche den Patentanwälten vom Auftraggeber als „geeignet“ vorgegeben wurden. Das heißt, tatsächlich wurde nicht mal überprüft, ob der Auftraggeber des Gutachtens die benannten Dateien bzw. den Aurufvorgang manipuliert hat.

Für eine objektive Überprüfung hätten die Sachverständigen jedenfalls selbst nach dem Zufallsprinzip Videos auswählen und gegebenfalls auch die Plattform auswählen müssen, auf der die Clips angeklickt werden. Auswahl gibt es ja genug. Somit ist nicht einmal ansatzweise ersichtlich, dass die Software tatsächlich korrekt die Datenübertragung von einer Videoplattform zum Nutzer protokollieren kann.

Nach meinem Eindruck wollten sich die Sachverständigen solche Fragen auch nicht stellen. Das Gutachten erschöpft sich über etliche Seiten in Beteuerungen, die Software habe als Ergebnis korrekte Werte gezeigt. Die entscheidende Frage, wie diese Werte technisch zustande gekommen sind, wir mit keinem Wort beantwortet. Tatsächlich wird sie noch nicht einmal gestellt.

So lobt das Gutachten zwar die Fülle der Daten, die sich auf dem Kontrollbildschirm des Rechners ablesen lässt, auf dem die Software mit dem wohlklingenden Namen GLADII 1.1.3 angeblich läuft. Wo und wie diese Daten (zum Beispiel die IP-Adresse des angeblichen Nutzers) von der Software abgegriffen werden, interessierte die Experten ersichtlich nicht.

Zu den technischen Hintergründen verrät das Gutachten also nichts. Deutlich wird dies an der reichlich selbstsicheren Feststellung:

Die bei den Tests durchgeführten Aktionen beruhen technisch auf üblichen Internettechnologien, welche beim Einsatz in dem verwendeten Test-Szenario keine Bedenken hinsichtlich etwaigen Gesetzesverstößen erkennen lässt.

Dabei rätselte die interessierte Öffentlichkeit schon seit Bekanntwerden der Redtube-Abmahnungen, wie die Software denn tatsächlich auf legalem Weg den Datenverkehr zwischen dem Rechner der Plattform und dem Betrachter des Streams analysieren können soll. Bisher hat sich noch niemand gefunden, der erklären kann, wie dies mit „üblichen“ und vor allem legalen Methoden gelingen soll. Auch das Landgericht Köln hatte in den negativen Beschlüssen (solche gab es auch) entsprechende Zweifel geäußert.

Immerhin erfahren wir in dem Gutachten, der Sachverständige sei promovierter Physiker und seit 18 Jahren Patentanwalt. Der Experte nimmt für sich in Anspruch, er sei

mit den Technologien der Informationsverarbeitung und Informationsübertragung über das Internet in einem Maß vertraut, welches über das für die vorliegende Untersuchung notwendige Maß weit hinausgeht.

Ich vermute, mit dem Satz hat er sich keinen Gefallen getan.

Link zum Gutachten

Erläuterungen der Kanzlei MMR

Fünf Richter entscheiden Streit um 2,45 Euro

Bis zum Bundesgerichtshof und somit durch drei Instanzen hat die Staatskasse einen Rechtsstreit durchgezogen, in dem es um nicht mal drei Euro ging. Zuletzt entschieden nun am Bundesgerichtshof fünf Richter das brisante Problem – zu Lasten der öffentlichen Hand.

Zu dem Verfahren kam es, weil ein Rechtsanwalt die Kosten für sieben Fotokopien abrechnete. Dazu war er berechtigt. Der Streit entzündete sich an der Frage, ob er 50 Cent pro Fotokopie abrechnen darf. Das ist der gesetzliche Tarif, den Anwälte normalerweise für Kopien ansetzen dürfen.

Der Jurist handelte aber formal nicht als Anwalt. Sondern als gerichtlich bestellter Verfahrenspfleger. Der Kostenbeamte am Amtsgericht Kassel hielt nur 15 Cent pro Fotokopie für angemessen. Sein Argument: Mehr koste eine Fotokopie im Copyshop auf keinen Fall.

Der Rechtsstreit, von der Staatskasse durch eine Rechtsbeschwerde bis ganz nach oben eskaliert, drehte sich also tatsächlich um den Differenzbetrag von netto 7 x 35 Cent. Das macht stolze 2,45 Euro. All das hinderte die Richter am Bundesgerichtshof aber nicht, sich der Sache liebevoll anzunehmen und das juristische Problem in einem achtseitigen Beschluss sorgfältig aufzudröseln.

Das Gericht kommt zu einem fast absehbaren Ergebnis. Nämlich dass der Satz von 50 Cent pro Fotokopie im Vergütungsgesetz schon eine sachliche Grundlage hat. Etwa deswegen, weil sich die Fotokopien in einem Anwaltsbüro nicht von alleine machen, Hardware angeschafft und unterhalten werden muss und Verbrauchsmaterialien zu zahlen sind. Damit gebe es eine geeignete Schätzungsgrundlage, von der ohne triftigen Grund nicht abgewichen werden kann.

Der beteiligte Anwalt kann sich jetzt auf die Nachzahlung freuen. Und der Steuerzahler sich die Haare raufen.

Beschluss des Bundesgerichtshofs

Viel Bewegung im Redtube-Fall

Im Fall der Redtube-Abmahnungen bewegt sich so manches. Vor allem bei den Abmahnern selbst. Die ominöse The Archive AG, die als Rechteinhaberin auftritt, wechselt gerade auf bemerkenswerte Weise ihr verantwortliches Personal und die Anschrift. Auch von anderer Stelle wird über gewisse Auflösungserscheinungen berichtet.

Offiziell wurden die Abmahnungen im Namen der The Archive AG verschickt. Diese ist jedoch bisher kaum in Erscheinung getreten. Es gibt nur eine Erklärung per Mail, die angeblich von der The Archive AG stammen soll. Sie datiert aber vor Weihnachten, da tönte auch Unternehmensanwalt wesentlich vollmundiger als zuletzt.

Ansonsten, so berichten alle unisono, die in der Sache recherchieren: Der Telefonanschluss der The Archive AG funktioniert zwar, aber es geht niemand ran. Auf Briefe, Faxe oder E-Mails reagiert das Unternehmen nicht. Die Website der Firma ist schon länger nicht mehr online. Bekannt wurde jetzt auch ein Wechsel des Firmensitzes, vom schweizerischen Bassersdorf nach Weisslingen. Bei den Adressen soll es sich um unscheinbare Wohnhäuser handeln.

Sehr bemerkenswert ist auch ein Wechsel im Führungspersonal. Nachdem schon anderen Ende des Jahres aus dem Handelsregister verschwanden, ist nun auch der bisherige Direktor Philipp Wiik ausgeschieden. An seine Stelle tritt ein bisher völlig Unbekannter namens Djengue Nounagnon Sedjro Crespin. Über ihn ist lediglich bekannt, was im Handelsregister steht. Dass er Staatsbürger von Benin ist.

Ebenso wenig auffindbar ist inzwischen die Firma itGuards. Diese soll angeblich die Software zur Feststellung möglicher Urheberrechtsverletzungen durch das Betrachten der Redtube-Streams entwickelt haben. Nach überinstimmenden Berichten ist die Website der itGuards verschwunden.

Zum Jahreswechsel verdichteten sich außerdem Zweifel, dass die The Archive AG tatsächlich die Rechte an den fraglichen Filmen hat. Nachdem Firmenanwalt Thomas Urmann öffentlich einräumte, es könne zu Fehlern bei den Lizenzen gekommen sein, haben viele bei den Beteiligten recherchiert. Der letzte angebliche Rechteinhaber, eine „Hausner Productions“, ist am angeblichen Firmensitz in Berlin nicht bekannt. Weder für das Gewerbeamt, wo das Unternehmen angemeldet sein müsste. Noch vor Ort. Es gibt keine Firmenschilder, und auch die Hausverwaltung soll eine Firma Hausner nicht kennen.

Unklar ist nach wie vor auch, wie die Rechte an den Streifen überhaupt an Hausner Productions gekommen sein sollen. Nach Berichten gibt es Zweifel, ob die angeblichen Zwischenhändler existieren oder zumindest von ihrem Glück wussten. Recherchen im Bereich der Filmverwertungsgesellschaft GÜFA sollen auch Anhaltspunkte ergeben haben, dass Lizenznummern sowie GÜFA-Siegel gefälscht sein könnten.

Eine weitere Frage ist, welche Rolle die amerikanische Firma Combat Zone spielt. Combat Zone soll die Streifen produziert haben. Interessant ist, dass Combat Zone die Filme noch heute offiziell anbietet. Schon dieser Umstand macht fraglich, ob die The Archive AG überhaupt ausreichende Vertriebsrechte eingeräumt erhalten haben kann.

Ohnehin verbleiben die schon länger bekannten Punkte. Etwa die Frage, wie auf legalem Wege die IP-Adressen der angeblichen Stream-Betrachter ermittelt worden sein können. Oder ob das Landgericht Köln, das die Herausgabe der Daten angeordnet hat, aktiv getäuscht wurde.

Es wird interessant, ob und wie intensiv die eingeschalteten Staatsanwaltschaften ermitteln. Angesichts der aktuellen Entwicklungen wäre es überraschend, wenn es nicht bald zu energischeren Maßnahmen kommt.

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Kostenlose Jura-Werke bei Amazon

Das law blog ist bekanntermaßen nicht die Neue Juristische Wochenschrift. Deshalb stehen möglichst wenige Paragrafen in den Texten. Und oft genug finden sich – im Interesse der Allgemeinvrständlichkeit – auch simplifizierende Formulierungen.

Diese liefern den studierten Juristen unter den Lesern mitunter Anlass zu stets beredten, mitunter auch empörten Kommentaren. Die sind natürlich alle gern gesehen. Deshalb leiste ich heute mal Vorschub zu kultivierter Besserwisserei. Ich möchte nämlich auf einige kostenlose E-Books hinweisen, die Amazon derzeit im Angebot hat.

Es handelt sich um diverse Jura-Fachbücher von Professor Dr. Dieter Klett, der an der Fachhochschule Köln lehrt. Im Angebot sind unter anderem eine Einführung in das Bürgerliche Recht sowie Lehrbücher zum Schuld-, Sachen- und Handelsrecht.

Das ist schon ein stattliches Repertoire fürs Zivilrecht. Besonders für Studenten oder eben das interessierte Publikum. Ich weiß nicht, wie lange das Angebot gilt. Also deshalb bei Interesse schnell klicken.

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Helmkameras – ein Beweismittel gegen sich selbst

Seit dem Unfall von Michael Schumacher sind Helmkameras ein Gesprächsthema. Schon vorher nutzten vor allem Extremsportler die Möglichkeiten von solchen Kameras. Damit dokumentieren Skifahrer, Surfer oder Mountainbiker ihre Erlebnisse.

Aber auch Freizeitsportler kommen immer mehr auf den Geschmack, und so boomt die Branche dieser hippen Kameras, die wie ein zweites Paar Augen das Erlebte aufzeichnen können – und damit zur Weiterverbreitung über soziale Netzwerke geradezu auffordern.

Der Landesdatenschutzbeauftragte Rheinland-Pfalz, Edgar Wagner, rät bei Helmkameras zu Vorsicht und vor allem zur Rücksichtnahme. „Solange diese Aufzeichnungen im Kreis der Familie und Freunde bleiben, sind aus datenschutzrechtlicher Sicht keine durchgreifenden Bedenken zu erheben“, so Wagner. Problematisch werde die Verwendung der Kameras aber dann, wenn Dritte, die von der Kameraaufzeichnung erfasst werden, ungewollt mit aufgenommen werden.

Diese Betroffenen könnten sich dadurch in ihren Persönlichkeitsrechten beeinträchtigt sehen. Da sei, so Wagner, auf jeden Fall Fingerspitzengefühl gefragt.

Werden die Aufnahmen noch dazu im Internet und damit weltweit abrufbar veröffentlicht, kann der Sportler auch noch mit Vorschriften des Datenschutzrechts oder des Kunsturheberrechtsgesetzes in Konflikt kommen.

Fotografiert oder filmt er aus „touristischen Zwecken“, ist das laut Wagner in aller Regel nicht zu beanstanden. Kommen dabei aber andere Personen in den Fokus oder richtet der Sportler seine Helmkamera gar gezielt auf diese, dann braucht er im Regelfall deren ausdrückliche Einwilligung, wenn er die Aufnahmen veröffentlichen will.

In solchen Fällen drohen nicht nur Abmahnungen oder Klagen. Auch die die Aufsichtsbehörden werden tätig, wenn Beschwerden eingehen. So können etwa Bußgelder verhängt werden.

Regelmäßig beschlagnahmen außerdem Ermittlungsbehörden die Kameras samt Videoaufzeichnungen, um Unfälle oder gar Straftaten aufzuklären – wie etwa nach dem Unglück von Michael Schumacher. Das kann für die Ermittlungsbehörden sehr hilfreich sein, muss aber nicht immer im Interesse des Sportlers liegen. So manch bewegter Hobbyfilmer hat dann für sein Verhalten das Beweismaterial an die Polizei gleich mit geliefert.

1 : 0 für die Justiz

Das „Empfangsbekenntnis“ ist ja auch so eine Institution. Bei wichtiger Post fügen die Gerichte immer einen vorbereiteten Zettel bei, mit dem man als Anwalt den Erhalt des Schreibens schriftlich quittieren muss.

Vor etlichen Jahren ist im Gesetz aufgenommen worden, dass der Anwalt das Empfangsbekenntnis nicht unbedingt per Post zurückzuschicken hat. Er darf es auch faxen.

Ob man nun pflichtgemäß faxt oder eintütet, macht vom Zeitaufwand wohl eher keinen Unterschied. Allerdings kommt im Zeitalter der Telefonflatrates ein Fax natürlich deutlich billiger als das Briefporto. Und eine Kopie des Empfangsbekenntnisses für die Akte muss man auch nicht anfertigen.

Es gibt aber immer noch einige wenige Gerichte, die mit den Faxen anscheinend auf Kriegsfuß stehen. Anders kann ich es mir nicht erklären, dass diese Gerichte es zwar schaffen, ihre Postadresse ins Rücksendefeld des Empfangsbekenntnisses zu drucken, aber nirgends ein Plätzchen für ihre Faxnummer finden. Im Gegensatz zu den weitaus meisten Gerichten wohlgemerkt. Die schreiben nämlich auf jedes Empfangsbekenntnis gleich drauf, an welche Rufnummer es am besten zurückgefaxt werden kann.

Die Verweigerer sind damit sogar erfolgreich. Jedenfalls bei uns. Wir handhaben es im Büro so, dass die Faxnummer nicht extra aus der Akte oder irgendwelchen Online-Verzeichnissen rausgesucht werden soll, wenn sie nicht auf dem Empfangsbekenntnis steht. Dann lieber rein in den Umschlag und ab die Post.

1 : 0 für die Justiz.

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Lose Gullydeckel auf der Autobahn

Selbst schuld ist das Land Nordrhein-Westfalen. Nicht nur an hohen Schulden oder zu wenig Lehrern, sondern ganz konkret auch an einem Schlagloch. Weil der landeseigene Straßenbaubetrieb auf einer Autobahn nicht ordentlich gearbeitet hat, muss das Land einem Autofahrer nun 2.200 Euro ersetzen.

Der betroffene Autofahrer befuhr auf der A 40 in Gelsenkirchen den Standstreifen und knallte dort in ein 20 Zentimeter tiefes Schlagloch. Dieser war wegen einer Baustelle für den Verkehr freigegeben. Um den Standstreifen für das Verkehrsaufkommen fit zu machen, waren unter anderem Gullyschächte mit Eisendeckeln verschlossen worden. Vorher waren die Schächte mit einer bituminösen Masse und Asphalt aufgefüllt worden.

Allerdings wendete der Straßenbaubetrieb nicht die erforderliche Sorgfalt an. Eiserne Gullydeckel waren bei der Verkehrsdichte riskant. Stattdessen hätte man zur zuverlässigeren Methoden greifen müssen, etwa Schachtabdeckungen aus Schnellbeton. Das fand ein vom Gericht bestellter Sachverständiger heraus.

Das Land habe, so die Richter, selbst eine „vermeidbare Gefahrenquelle“ geschaffen. Deshalb müsse es auch für den Schaden durch den schlaglochbedingten Achsbruch gerade stehen (11 U 52/12).

Kameras im Sportstudio

Sportstudios können sich die Videoüberwachung ihrer Trainings- und Umkleideräume nicht vorab von Kunden absegnen lassen. Der Vorbehalt in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, Teile des Studios dürften zur Sicherheit der Nutzer mit Kameras überwacht und Aufnahmen gespeichert werden, ist unwirksam. Dies hat das Landgericht Koblenz entschieden.

Ein Sportstudio hatte im Kleingedruckten aufgenommen, dass Mitglieder der Videoüberwachung zustimmen. Außerdem ließ es sich der Fitnessclub genehmigen, dass Aufnahmen aus „Sicherheitsgründen“ so lange gespeichert werden, wie dies für nötig gehalten wird.

Das Landgericht Koblenz hält das für eine unzulässige Benachteiligung der Kunden. Diese könnten den Klauseln nicht entnehmen, auf welche Teile des Fitnessstudios tatsächlich Kameras gerichtet sind.

Auch das Recht zur Speicherung geht den Richtern zu weit. Die Formulierung „zur Sicherheit der Mitglieder“ lasse die Möglichkeit offen, dass Aufnahmen ohne triftigen Grund gespeichert werden. Dies alles verletze das Persönlichkeitsrecht der Studiobesucher.

Das Urteil kann man gut zum Anlass nehmen, mal im eigenen Sportclub zu fragen, wo Kameras aufgestellt sind, wie lange Bilder gespeichert werden und wer darauf Zugriff hat. Überraschungen sind da sicher nicht ausgeschlossen (Aktenzeichen 3 O 205/13).