Kino inspiriert

Am Tatort eines Einbruchs in Wanne-Eickel überlegten Beamte sicher schon, wo sie diese Szene bereits gesehen hatten. Spätestens beim Pressesprecher der Bochumer Polizei machte es Klick. "Bang Boom Bang" heißt der Film, in den man sich versetzt fühlen konnte. In dem Streifen trennt sich ein Tresordieb bei der Arbeit einen Finger ab. Und genau dieses Bild bot sich den Einsatzkräften, die zu einem Bekleidungsgeschäft in Wanne-Eickel gerufen wurden.

Einbrecher hatten ein rückwärtiges Fenster aufgehebelt und waren ins Ladenbüro gestiegen. Dort hatten sie es auf einen schweren Tresor (1 m x 1 m) abgesehen. Der Abtransport durchs Fenster gestaltete sich aber schwierig. Bei der Aktion dürfte sich einer der Täter eine Fingerkuppe abgerissen haben. Die Fingerkuppe fanden die Polizisten am Tatort. Der Tresor war übrigens auch noch da.

120309a

Der Tresor.

Die zuständige Bochumer Polizei sucht jetzt Zeugen. Womöglich ist sie bei ihrer Fahndung doch etwas zu sehr vom Krimikonsum berauscht. In ihrer Pressemeldung wendet sich die Polizei nämlich ausdrücklich auch an Ärzte, die jemanden mit so einer Fingerverletzung behandelt haben. Die Mediziner sollen sich beim Bochumer Polizeipräsidium als Zeugen melden. In Kinofilmen gilt die ärztliche Schweigepflicht vielleicht nicht. In Wanne-Eickel schon.

Exif_JPEG_PICTURE

Die Fingerkuppe. (Fotos: Polizei Bochum)

Nachtrag: Die Polizei hat den Verdächtigen anhand der Fingerkuppe identifiziert

Gericht: Hausverbote müssen nicht begründet werden

Hotels, Restaurants und Geschäfte dürfen Hausverbote erteilen, wenn ihnen die politische Überzeugung eines Kunden nicht gefällt. Der Bundesgerichtshof hat dies im Falle eines früheren NPD-Vorsitzenden entschieden. Der Politiker hatte einen Wellness-Urlaub gebucht, dann aber wegen seiner politischen Ansichten im Hotel Hausverbot erhalten.

Mit der Entscheidung stärkt der Bundesgerichtshof das Hausrecht von Geschäftsleuten mit Publikumsverkehr. Das Gericht betont nämlich, grundsätzlich dürfe jedermann frei entscheiden, wie er sein Hausrecht ausübt. Dementsprechend seien auch Hausverbote erlaubt. So ein Hausverbot muss nach Auffassung des Bundesgerichtshofs noch nicht einmal begründet werden. Dies bedeutet, dass ein Abgewiesener noch nicht einmal Auskunft verlangen kann, warum er keinen Zutritt erhält.

Allerdings geht das Hausrecht nach Auffassung der Richter nicht so weit, dass es bereits vertraglich begründete Ansprüche aushebelt. Insoweit erzielte der Politiker einen Teilerfolg. Das Hotel hatte ihm die Buchung bereits bestätigt. Hierdurch habe der Betroffene einen Anspruch auf seinen gebuchten Wellnessurlaub gehabt. Im Falle eines vertraglichen Anspruchs komme ein Hausverbot nur noch in Betracht, wenn sich der politisch missliebige Kunde dann tatsächlich daneben benimmt.

Der Bundesgerichtshof verweist ausdrücklich darauf, dass die politische Anschauung im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz nicht aufgeführt wird. Das AGG regelt Diskriminierungsverbote im Privatrecht, also zum Beispiel am Arbeitsplatz, für Bestellungen, den Zutritt zu Bus und Bahn sowie Kaufhäusern und Diskotheken. Der Gesetzgeber habe sich bewusst entschieden, die politische Überzeugung nicht aufzunehmen. Deshalb müsse es der Kläger hinnehmen, dass er benachteiligt wird. Das Hausverbot betreffe auch nur seine Freizeitgestaltung, so dass er nicht übermäßig belastet sei.

Die Entscheidung des Gerichts wirkt sich aber auch auf Hausverbote aus anderen Gründen auf. Offenbar meint der Bundesgerichtshof, nur die im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz genannten Gründe sprächen gegen ein Hausverbot. Diese Gründe sind Rasse und ethnische Herkunft, Geschlecht, Religion und Weltanschauung, Behinderung, Alter und sexuelle Identität. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass alle Hausverbote, die nicht auf diese gesetzlichen Diskrimierungstatbeständen beruhen, zulässig sind.

Wenn das Verbot dann grundsätzlich noch nicht einmal begründet werden muss, wird es künftig sicher nicht einfacher, sich gegen echte Diskriminierung zu wehren.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 9. März 2012, Aktenzeichen V ZR 115/11

Keine Online-Werbung mit Ex-Angestellten

Arbeitgeber schmücken sich mitunter gern mit ihren (hochqualifizierten) Angestellten. Zum Beispiel auf der firmeneigenen Homepage. Was passiert aber, wenn der Arbeitnehmer ausscheidet? Nach Auffassung des Hessischen Landesarbeitsgerichts müssen dann nicht nur Name und Foto des Mitarbeiters von der Homepage gelöscht werden. Auch die Erwähnung in einem “News Blog” der Firma, in dem die Neuanstellung vermeldet werde, ist zu entfernen.

Geklagt hatte eine Rechtsanwältin, die für drei Monate in einer Anwalts- und Steuersozietät tätig war. Mit ihrem Einverständnis wurde sie mit Arbeitsbeginn auf der Homepage vorgestellt. Außerdem meldete die Sozietät den personellen Neuzugang in ihrem News Blog. Nach ihrem Ausscheiden verlangte die Anwältin, dass alle Daten gelöscht werden. Die Arbeitgeber entfernten aber nur den Eintrag auf der Webseite, jedoch nicht im News Blog.

Auch diese Veröffentlichung greift nach Auffassung der Arbeitsrichter unzulässig in das Persönlichkeitsrecht der Anwältin ein. Das im News Blog veröffentlichte Profil habe werbenden Charakter. Bewusst würden durch Foto und Text die individuelle Persönlichkeit und die berufliche Qualifikation der Klägerin herausgestellt. Es entstehe der unzutreffende Eindruck, die Anwältin arbeite nach wie vor in der Sozietät. Dies führe unmittelbar zu Wettbewerbsnachteilen der Anwältin in ihrer Position als Rechtsanwältin.

Das Hessische Landesarbeitsgericht bestätigte damit eine einstweilige Verfügung gegen die Sozietät.

Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 24. Januar 2012, Aktenzeichen 19 Sa Ga 1480/11

Auch chinesische Anwälte sind bockig

Besuchergruppen im Gerichtssaal sind normalerweise ein Grauen für Verteidiger. Meist handelt es sich um Schulklassen. Man darf schon sagen, dass nicht wenige Richter und Staatsanwälte bei jugendlichen Zuschauern innerlich wie äußerlich Haltung annehmen und einen verschärften Kurs fahren. Schließlich soll die junge Generation ja nicht den Eindruck kriegen, dass die Justiz Angeklagte nur im Weichspülgang behandelt.

Heute blieb es am Amtsgericht jedoch nicht dabei, dass eine größere Schulklasse im Zuschauerraum Platz nahm. Nein, kurzfristig stellte sich dann auch noch heraus, dass uns eine rund 25-köpfige Delegation aus China beehren würde. Und zwar nicht irgendwer, sondern allesamt Richter aus dem Reich der Mitte. Die Juristen schauen sich gerade auf offizielle Einladung hin in der nordrhein-westfälischen Justiz um und sollen auch einen Eindruck bekommen, wie Strafverfahren in Deutschland ablaufen.

Wir mussten sogar in einen größeren Saal umziehen. Selbst dort war der Zuschauerraum vollgepackt, als die Verhandlung begann. Die Gäste aus China saßen freundlich und aufmerksam in den ersten drei Reihen, die Schüler dahinter.

Anfänglich gab es einige Scharmützel zwischen dem Richter und mir, die allerdings nur die Schüler belustigten. Das wollte ich dann doch mal hinterfragen. Ich nutzte eine Verhandlungspause und kam mit zweien der Juristen ins Gespräch. Englisch ging, deutsch sprachen die beiden aber nicht, ich wiederum kein Chinesisch. Auch die anderen Mitglieder der Delegation sprechen nicht deutsch, wie mir die beiden verrieten.

Auch in China seien Anwälte mitunter bockig, lachte einer der Gesprächspartner. Ich hätte das Thema natürlich gern vertieft, aber leider mussten wir zurück in den Gerichtssaal.

Zwischen Tür und Angel drückte ich den Gästen noch meine Hochachtung aus, dass sie trotz der Sprachprobleme so aufmerksam lauschten. Dabei erwähnte ich auch, dass das Gericht leider nur in deutscher Sprache verhandeln darf, weil unser Gesetz das so vorschreibt. Ich weiß nicht, ob es den Richtern schon vorher klar war, dass wir nicht auf mal Englisch hätten switchen können, selbst wenn das jemand im Gerichtssaal erwogen hätte.  

Interessant war, dass der Delegationsleiter dem Richter ein Gastgeschenk ins Beratungszimmer brachte. Der Staatsanwalt und ich dachten im gleichen Augenblick natürlich an die Causa Wulff. Ein kleines gemeinsames juristisches Brainstorming ergab, dass die Gefahr einer Vorteilsgewährung schon wegen der räumlichen Distanz wohl eher gering sein dürfte.

Es sei denn natürlich, ein Delegationsmitglied schlägt in der sicher kargen Freizeit während der Dienstreise so über die Stränge, dass es ein Fall für eben diesen Strafrichter wird. Aber so viel präventives Denken wollten wir dem Delegationsleiter nicht unterstellen. Außerdem wird der deutsche Dienstherr das Gastgeschenk ohnehin genehmigt haben.

Die Richter hielten übrigens noch gut drei Stunden im Sitzungssaal aus, dann stand für sie der nächste Termin an. Die Schüler blieben noch eine ganze Zeit bis zum Urteil, das für meinen Mandanten leider eine bittere Pille war. Allerdings keine unerwartete – die Möglichkeit einer Verständigung hat heute ausnahmsweise mal mein Mandant ausgeschlagen.

Nr. 5 und Nr. 8

Ich predige immer, von den eigenen Rechten Gebrauch zu machen. Dazu gehört, nicht vorschnell mit der Polizei zu reden. An diesen Ratschlag hat sich ein Mandant gehalten, der eine kleinere Sache im Straßenverkehr angestellt haben sollte. Sein Fall ist ein schönes Beispiel dafür, dass sich der Rat auszahlen kann.

Zum Beschuldigten wurde mein Mandant, weil er Halter des Fahrzeugs ist, dessen Nummernschild sich eine Zeugin aufgeschrieben hat. Auch dem Polizisten war offensichtlich klar, dass die Tatsache, dass jemand Halter eines Autos ist, noch lange nicht belegt, dass er auch der Fahrer war. Aber immerhin, so heißt es in der Ermittlungsakte:

Da die Halterdaten in den Punkten “GESCHLECHT” und “ALTER” mit der Personenbeschreibung des Fahrers zur Tatzeit übereinstimmen, hat der Halter den Status “BESCHULDIGTER” erhalten.

Diese messerscharfe Schlussfolgerung brachte meinem Mandanten eine Vorladung zur erkennungsdienstlichen Behandlung. Er musste sich fotografieren lassen. Auch dabei hielt er sich an meinen Rat, kein Wort zur Sache zu sagen.

Der Zeugin wurden später Bilder von acht Personen vorgelegt. Sieben Bilder hat ein Computerprogramm generiert, Nr. 4 war mein Mandant. Die Zeugin erkannte jedoch nur Nr. 5 und Nr. 8 wieder, und auch die nur mit mageren 40 bzw. 60 Prozent. Erfreuzlich. Die Bildvorlage offensichtlich ohne sanfte Beeinflussung durch den Polizisten verlaufen; in dieser Richtung habe ich auch schon anderes erlebt.

Mit dem Ergebnis der Bildvorlage hat sich die Vermutung Halter = Fahrer zerschlagen. Der Fall wird wohl nicht aufzuklären sein. Hätte mein Mandant gleich zu Anfang mit der Polizei geredet, wäre die Sache womöglich anders ausgegangen. Zumindest, wenn er doch der Fahrer war.

Was ich allerdings auch nicht weiß.

Mails, Einsprüche und Fristen

Zu den unliebsamen Beschäftigungen gehört Steuerkram. Der bleibt bei vielen deshalb gerne etwas länger liegen. Und auch bei manchen Einspruch wird schon mal getrödelt, obwohl nach Untersuchungen ein großer Teil der Steuerbescheide Fehler aufweist. Wer die einmonatige Einspruchsfrist verpasst hat, muss sein Geld nicht unbedingt abschreiben. Ein Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts zeigt nämlich, dass so manche vermeintlich verpasste Rechtsbehelfsfrist noch gar nicht verstrichen ist.

Ein Steuerpflichtiger hatte seinen Einspruch Wochen zu spät ans Finanzamt geschickt. Der Einspruch wurde, wie zu erwarten, als unzulässig verworfen. Doch der Betroffene, na ja, wahrscheinlich eher sein Anwalt, schaute sich den Briefkopf des Finanzamtes und die Rechtbehelfsbelehrung genau an und stellte fest, dass da so einiges nicht zusammenpasst.

Das Finanzamt gab auf dem Briefbogen seine E-Mail-Adresse an. In der Rechtsbehelfsbelehrung wurde aber lediglich erwähnt, Einsprüche seien schriftlich oder zu Protokoll zu erkären. Von E-Mail kein Wort, obwohl die Finanzverwaltung mittlerweile Einsprüche per E-Mail akzeptiert, sofern das Finanzamt eine offizielle E-Mail-Adresse auf seinem Briefkopf nennt.

Obwohl er selbst seinen Einspruch auf Papier geschickt hatte, argumentierte der Steuerpflichtige nun clever: Eine Rechtsbehelfsbelehrung, die nicht auf die Möglichkeit des Einspruchs per Mail hinweise, sei unvollständig. Und für unvollständige Belehrungen sieht die Abgabenordnung vor, dass sich die Einspruchsfrist verlängert. Der Einspruch ist dann nicht nur einen Monat, sondern ein ganzes Jahr zulässig.

Dieser Auffassung schloss sich das Niedersächsiche Finanzgericht an. Wenn in der Belehrung “schriftlich” stehe, sei eine E-Mail schon vom allgemeinen Verständnis nicht umfasst. Genau das hatte das Finanzamt aber behauptet.

Bei einer unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung verlängert sich die Einspruchsfrist aber auf ein Jahr, unabhängig davon, ob sich der Fehler tatsächlich auf den konkreten Fall ausgewirkt hat. Was hier ja nicht der Fall war, weil der Betroffene selbst gar keine Mail geschickt hatte. Das Gericht hielt den Einspruch also für noch rechtzeitig.

Bei angeblich verspäteten Einsprüchen kann es sich also ein Blick darauf lohnen, ob das eigene Finanzamt eine E-Mail-Adresse nennt und die Einspruchsmöglichkeit per Mail auch in der Rechtsbehelfsfbelehrung erwähnt.

Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 24. November 2011, Aktenzeichen 10 K 275/11

Erfolgreiche Klage gegen Facebook

Facebook verstößt mit dem Freundefinder und seinen Geschäftsbedingungen gegen deutsches Verbraucherrecht. Dies entschied heute das Landgericht Berlin. Die Richter gaben einer Klage des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (vzbv) statt.

Beim Freundefinder kritisiert das Gericht, dass Facebook-Mitglieder dazu verleitet werden, Namen und E-Mail-Adressen von Freunden zu importieren, die selbst nicht bei Facebook sind. Die Freunde erhalten daraufhin eine Einladung, ohne dazu eine Einwilligung erteilt zu haben.

Das Gericht urteilt, die Nutzer müssten klar und deutlich informiert werden, dass durch den Freundefinder ihr gesamtes Adressbuch zu Facebook importiert und für Freundeseinladungen genutzt wird. Dies findet nach Angaben der Verbraucherzentralen bislang nicht statt.

Zwar habe Facebook die Anwendung inzwischen leicht modifiziert. Nach Auffassung des vzbv ist dies allerdings nicht ausreichend. „Dass man Facebook sein komplettes Adressbuch überlässt, ist nach wie vor nicht ohne Weiteres erkennbar“, kritisiert vzbv-Vorstand Gerd Billen.

Weiterhin urteilt das Gericht, Facebook dürfe sich in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht ein umfassendes weltweites und kostenloses Nutzungsrecht an Inhalten einräumen lassen, die Nutzer in ihr Profil einstellen. Vielmehr bleiben die Mitglieder Urheber ihrer selbst komponierten Musiktitel oder eigenen Bilder. Facebook darf diese Werke somit nur nach Zustimmung der Nutzer verwenden.

Rechtswidrig ist nach Auffassung der Richter ferner die Einwilligungserklärung, mit der die Nutzer der Datenverarbeitung zu Werbezwecken zustimmen. Zudem muss Facebook sicherstellen, dass es über Änderungen der Nutzungsbedingungen und Datenschutzbestimmungen rechtzeitig informiert.   

Landgericht Berlin, Urteil vom 06. März 2012, Aktenzeichen 16 O 551/10

Zentralisierungshölle

Mein Mandant bekommt einen Brief. Absender ist die Kreispolizeibehörde Mettmann, Adalbert-Bach-Platz 1, 40822 Mettmann. So steht es jedenfalls kleingedruckt über dem Adressfeld.

Rechts oben auf dem Briefbogen, unter dem Landeswappen, steht allerdings ein anderer Absender. Nämlich das Kriminalkommissariat Velbert. Das gehört zwar auch zur Kreispolizeibehörde Mettmann, sitzt aber an der Nedderstraße 52 in 42549 Velbert. Wohl deshalb ist diese Anschrift dann als eigentliche Absenderadresse aufgeführt.

Zur Vernehmung vorgeladen wird mein Mandant zwar vom Kriminalkommissariat Velbert. Die Vernehmung findet aber weder in Mettmann noch in Velbert statt, sondern “bei Kreispolizeibehörde Mettmann Polizeiwache Ratingen Düsseldorfer Straße 45, 40878 Ratingen”. So steht es dann weiter unten im eigentlichen Brieftext.

Wäre mal interessant, wie viele der Angeschriebenen, die sich tatsächlich auf eine Vernehmung einlassen wollen, beim ersten Versuch auf der falschen Dienststelle aufschlagen.

Gut gemeint

“Ich habe es doch nur gut gemeint”, wird eine 58-jährige Gemeindeangestellte nach ihrer Gerichtsverhandlung geseufzt haben. Geholfen hat es ihr nicht. Das Amtsgericht Rosenheim verurteilte sie wegen übler Nachrede zu einer Geldstrafe. Die Frau hatte aufgeschnappte Gerüchte weitergetragen, wonach es in einer Familie zu Gewalttaten komme.

Die Informationen über Schläge und mögliche Gefährdung der Kinder sollen von Dritten gekommen sein. Von wem sie das alles gehört haben will, wollte die Angeklagte dem Gericht nicht sagen. Fest stand aber, dass sie selbst die betroffene Familie gar nicht näher kannte. Trotzdem sprach sie von sich aus eine Mitarbeiterin des Kindergartens an, den der Nachwuchs des angeblich gewalttätigen Ehemanns besuchte.

Die Kindergärtnerin wiederum informierte das Jugendamt, das gleich einen Besuchstermin wegen “Partnerschaftsgewalt” ankündigte. Es fanden sich aber keinerlei Belege dafür, dass die von der 58-Jährigen behaupteten Probleme tatsächlich bestehen. 

Das Amtsgericht betrachtete die Äußerungen, es gebe Partnerschaftsgewalt und das Kindeswohl sei gefährdet, als Tatsachenbehauptungen. Diese Behauptungen hätten sich als falsch herausgestellt. Auch der unbestrittene Wunsch der Angeklagten, mögliche Probleme in der betroffenen Familie zu verhindern, rechtfertige die Äußerungen nicht.

Wenn überhaupt, so das Gericht, hätte sich die Angeklagte an das Jugendamt wenden und den Zeugen benennen müssen, von dem sie die Informationen hatte. Das Jugendamt hätte dann entscheiden können, ob es dem Zeugen und möglicherweise auch der Angeklagten Anonymität zusichert.

Die Äußerung gegenüber der Kindergärtnerin sei somit der falsche Weg gewesen. Wenn die Angeklagte nun ihrerseits nicht belegen könne, dass ihre Angaben doch wahr sind, liege üble Nachrede vor. Die Kinder der Betroffenen Familie würden durch die entstandenen Gerüchte nämlich nun ausgegrenzt, die Eheleute selbst seien isoliert.

AG Rosenheim, Urt. v. 03.11.2011 – 1 Cs 420 Js 18674/11 / Das Heymanns Strafrecht Online Blog zum gleichen Thema

Barfuß

Aus einem Einsatzbericht der Polizei:

Herr Z. war mit der Beschlagnahme seiner Schuhe nicht einverstanden. Er zeigte sich wenig kooperativ. Grund war, dass er kein zweites paar Schuhe habe und nun “ohne Schuhe dastehen” würde. Jetzt müsse er nachher barfuß zur Schule gehen.

Die Schuhe wurden mündlich beschlagnahmt.

Vorzugsbehandlung

Womöglich wird man bald Post von Christian Wulffs Anwalt erhalten, wenn man mit Blick auf den heutigen Tag in Großburgwedel das Wort Hausdurchsuchung in den Mund nimmt. Denn offenbar versuchen alle Seiten geradezu krampfhaft, das Unvermeidliche nicht mit einer richterlich angeordneten Zwangsmaßnahme zu verbinden. Trotzdem passierte heute nachmittag  etwas: Freundliche Ermittler besuchten ohne Durchsuchungsbeschluss die Wulffs zu Hause und erhielten nach Medienberichten freiwillig Dokumente, Computer und Festplatten ausgehändigt.

Ein Durchsuchungsbeschluss sei nicht nötig gewesen, heißt es in den bisherigen Eilmeldungen. Danach waren die Visite der Ermittler und damit wohl auch ihre Befugnisse nicht nur abgesprochen, sondern es wurde alles auch terminlich flexibel gehandhabt – fast so wie ein Meeting in Geschäftskreisen. Eigentlich habe man sich sogar schon gestern in Wulffs Haus treffen wollen, die Sache dann aber wegen großen Medienauflaufs auf heute verschoben. Wulff habe sich komplett kooperativ gezeigt.

Als Strafverteidiger bin ich hellauf begeistert von so viel behördlichem Fingerspitzengefühl. Hier wird dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz einmal in höchstem Maße Genüge getan. Und es wird vor allem respektiert, dass ein Beschuldigter auch freiwillig das gesuchte Material herausgeben kann, um eine Durchsuchung abzuwenden.

Nachdenklich stimmt mich nur, dass diese Rücksichtnahme ausgerechnet gegenüber einem Mann geübt wird, der mal die Nr. 1 im Lande Niedersachsen war. An einen Zufall kann ich da nicht so recht glauben, dafür ist das Verhalten der Staatsanwaltschaft Hannover doch zu weichgespült. Selbst wenn man berücksichtigt, dass der Beschuldigte schon längere Zeit von Ermittlungen weiß. Denn das tun andere sehr häufig auch.

Die tägliche Praxis, auch in Wirtschaftsverfahren, sieht jedenfalls anders, als es die Gentlemen unter den Strafverfolgern jetzt demonstrieren. Da lässt es sich praktisch kein Staatsanwalt nehmen, unangekündigt in Privaträumen und Büros des Beschuldigten nach Beweismitteln zu suchen. Und das nach Möglichkeit unter Ausnutzung des gerade noch möglichen Überraschungseffekts. Was heißt, die Aktion findet auch dann um halb sieben Uhr morgens statt, selbst wenn der Betroffene eben nicht ahnungslos ist.

Auf einen richterlichen Beschluss wird schon gar nicht verzichtet. Man stelle sich nur mal vor, der Beschuldigte schaltet während des Besuchs auf Verweigerung und verweist die Ermittler des Hauses. Auf Gefahr im Verzuge werden diese sich dann nicht berufen können. Sie hatten ja genug Zeit, sich einen Beschluss zu besorgen…

Vor allem lassen sich Ermittler normalerweise auch nicht so lange Zeit. Wulffs Rücktritt liegt jetzt schon mehr als zwei Wochen zurück. Seitdem hatten die Ermittler die Möglichkeit, bei ihm vorbeizuschauen. Das ist ein fast absurd langer Zeitraum. Schon deswegen, weil auch bei einem Bundespräsidenten a.D. nun mal nicht ausgeschlossen werden kann, dass er Dokumente frisiert oder verschwinden lässt.

Es ist also kaum damit zu rechnen, dass die Wulffsche Vorzugsbehandlung, nennen wir sie mal Ehren-Hausdurchsuchung, demnächst auch dem einfachen Volk zu Gute kommt. Um so trauriger, dass er sie erfährt.

Früherer Beitrag zum Thema