Studie: Vorratsdatenspeicherung verbessert Aufklärungsquote nicht
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Nach dem unfreiwilligen Ende von Megaupload stellt sich für viele Nutzer die Frage, ob sie Abmahnungen oder gar Ärger mit der Polizei zu befürchten haben. Eine Boulevardzeitung schürt aktuell Panik, indem sie im Zusammenhang mit der Verhaftung von Kim Dotcom Schmitz von einer Abmahnwelle erzählt, die – angeblich – Deutschland überrollt.
Das mit der Abmahnwelle ist richtig. Aber sie hat mit Megaupload oder anderen Filehostern nichts zu tun.
Tatsächlich mahnt die Contentindustrie schon seit Jahren massenhaft ab. Aber praktisch nur Nutzer, die in Tauschbörsen wie Gnutella oder eMule aufgefallen sind. Tauschbörsen sind dezentrale Netzwerke, in dem ein Download meist nur möglich ist, wenn man gleichzeitig Inhalte zum Upload bereit hält. Die beteiligten Rechner identifizieren sich im Netzwerk der Tauschbörse immer über ihre IP-Adresse. Diese wiederum kann von Überwachungsfirmen geloggt und dann zur Identifizierung des Anschlussinhabers verwendet werden. Genau so gehen die Abmahner vor.
Filehoster funktionieren anders, und an ihrem System beißen sich Contentanbieter bislang die Zähne aus. Filehoster sind Unternehmen, die riesige Speicherkapazitäten zur Verfügung stellen. Jeder Nutzer kann auf den Festplatten der Filehoster Daten hinterlegen. Für jede gespeicherte Datei erhält er einen Link. Über diesen Link können dann Dritte, die den Link kennen, die Datei ebenfalls herunterladen.
Beim Filehoster geht also nicht um Tausch, sondern ausschließlich ums Rauf- und wieder Runterladen (über einen genau definierten Link). Die IP-Adresse des Nutzers taucht im Gegensatz zu einer Tauschbörse an keiner Stelle auf, wo Rechteinhaber sie einfach abgreifen können. Deshalb bleiben die Nutzer von Filehostern normalerweise anonym. Und genau aus der Erkenntnis, dass man mit den heutigen technischen Möglichkeiten an die Nutzer nicht herankommt, fordert zum Beispiel nun die deutsche GVU, Filehostern das Haftungsprivileg für die bei ihnen hinterlegten Inhalte zu entziehen.
Die einzig praktisch relevante Quelle für die IP-Adresse von Kunden eines Filehosters sind momentan dessen eigene Datenbanken. Aber muss man davon ausgehen, dass Megaupload oder andere Dienste wirklich so dumm sind und genau festhalten, über welche IP-Adresse welche Dateien gezogen wurden?
Das wären nämlich genau jene Daten, die (möglicherweise) belegen, dass der allergrößte Teil des Traffic mit urheberrechtlich geschütztem Material geschieht. Beweismittel also, die den Verfolgern vom FBI und ihren Kollegen Freudentränen in die Augen treiben dürften.
Filehoster handeln also schon im eigenen Interesse, wenn sie möglichst keine Verbindungsdaten speichern. Dieses Interesse dürfte nicht geringer geworden sein, seitdem die mutmaßlichen Köpfe hinter Megaupload im Gefängnis sitzen und ihre Auslieferung an die USA befürchten müssen.
Razzien bei Filehostern dürften also kaum bergeweise Verbindungsprotokolle ergeben. Hinzu kommt, dass die meisten Provider in Deutschland die Verbindungsdaten bei dynamischen IP-Adressen nur für einen begrenzten Zeitraum speichern. Mit Ablauf dieses Zeitraums ist es dem Provider nicht mehr möglich, die eventuell beim Filehoster gespeicherte IP-Adresse einem deutschen Nutzer zuzuordnen.
Eine Vorratsdatenspeicherung würde hieran übrigens auch nichts ändern. Denn das bloße Runterladen von urheberrechtlich geschütztem Material ist kein so schweres Delikt, welches nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einen Rückgriff auf Verbindungsdaten zulässt.
Eine Möglichkeit gibt es aber dennoch, deutsche Nutzer von Filehostern zu ermitteln. Der Weg führt über die Buchhaltung. Wer, wie so viele, für einen Premiumzugang beim Filehoster mit Kreditkarte, PayPal oder Bankeinzug bezahlt, hinterlässt klare Datenspuren. Diese Datenspuren sind auch nicht einfach so aus der Welt zu kriegen.
Aber was folgt aus der bloßen Tatsache, dass jemand für einen Premiumzugang beim Filehoster zahlt? Reicht das für einen Anfangsverdacht wegen gewerblicher Urheberrechtsverletzung? Nur auf diesen könnte ja zum Beispiel eine Hausdurchsuchung durch die Polizei gestützt werden, bei der sich möglicherweise “Beweismittel” finden. (Sony oder Universal dürfen ja zum Glück – noch – nicht einfach so zu Hause vorbeischauen.)
Nach meiner Meinung kann man aus einem Premiumzugang keinen Anfangsverdacht herleiten. Vom Grundsatz her sind Filehoster nämlich legale Dienste. Firmen nutzen sie, um große Datenmengen zu bewältigen. Und natürlich steht es jedermann frei, selbst geschaffenes oder freies Material über Filehoster zu vertreiben. Von daher lässt sich kaum schlussfolgern, dass jeder Premiumkunde eines Filehosters auch ein “Raubkopierer” sein muss.
Selbst wenn also Listen zahlender Kunden in die Hände der Ermittlungsbehörden gelangen, werden diese sehr sorgfältig überlegen müssen. Zumal Kunden, die auch Filme und Musik geladen haben, bis dahin ohnehin genug Zeit gehabt haben dürften, ihre Festplatten zu bereinigen.
Gegen den Grünen-Politiker Stefan Wenzel gingen gleich mehrere Anzeigen ein, weil er den Bundespräsidenten im niedersächsischen Landtag einen Lügner genannt hatte. Wenzel ist Fraktionsvorsitzender der Grünen.
Vielleicht war es von den Anzeigenerstattern nicht besonders schlau, Christian Wulff auf diese Weise beispringen zu wollen. Denn die Staatsanwaltschaft Hannover hat sich die Anzeigen angesehen und entschieden: Den Bundespräsidenten einen Lügner zu nennen, ist – angesichts der aktuellen Debatte – von der Meinungsfreiheit gedeckt. Deshalb gebe es auch kein Ermittlungsverfahren gegen Wenzel, zitiert Welt online Oberstaatsanwältin Irene Silinger.
Er jagte Kriminelle, kontrollierte Verkehrssünder, kassierte über die Jahre sicher auch etliche Führerscheine. In eigener Sache nahm es ein Polizeibeamter aus dem Harz aber nicht so genau. Wie sich jetzt herausstellte, fuhr der Polizist 22 Jahre Streifenwagen und sein Privatauto, ohne selbst eine Fahrerlaubnis für Autos zu besitzen. Gemerkt hat das bis vor kurzem niemand. Angeblich nicht mal der Beamte selbst.
Erst bei einer Überprüfung der Polizeiberechtigung, die zum Führen von Streifenwagen berechtigt, soll die Wahrheit ans Licht gekommen sein. Die Berechtigung ist an sich unbefristet. Der Beamte hatte sie in Zeiten der Wende erhalten. “Das waren damals ziemlich wilde Zeiten, wo das durchgerutscht sein muss”, zitiert die Magdeburger Volksstimme einen Polizeisprecher.
Es sei nun jedoch klar, dass der Beamte eigentlich gar kein Auto fahren darf. Er hatte in der DDR nur einen Führerschein gemacht, der für Motorräder und Traktoren gilt. Auch nach dem Überleitungsrecht erstreckte sich diese Fahrerlaubnis nie auf Autos.
Laut Magdeburger Volksstimme hat sich die Polizei redlich bemüht, den Vorfall nicht öffentlich werden zu lassen. Jedoch hätten Nachbarn des Polizisten von der Sache Wind bekommen und sich empört. Nicht nur, weil der Beamte auch 22 Jahre für alle sichtbar einen Privatwagen gefahren hat, sondern weil er auch in einige Verkehrsunfälle verwickelt gewesen sein soll.
Hierbei hätte seinen Kollegen eigentlich auffallen müssen, dass der Mann keinen Autoführerschein hat. Die Polizei Magdeburg räumt bislang lediglich ein, dass der Beamte “indirekt” an einem Zusammenstoß von zwei Streifenwagen beteiligt war. "Hier war eine Überprüfung seiner Fahrerlaubnis nicht erforderlich", rechtfertigt sich laut Magdeburger Polizeistimme der Polizeisprecher.
Der Beamte schiebt nach Angaben der Zeitung nun Innendienst. Gegen ihn ist ein Disziplinar- und auch ein Strafverfahren eingeleitet worden.
Mit der naheliegenden Ausrede, er sei immer davon ausgegangen Auto fahren zu dürfen, wird der Polizist übrigens nur bedingt weiter kommen. Fahren ohne Fahrerlaubnis ist kein reines Vorsatzdelikt. Man kann die Tat auch fahrlässig begehen, aber auch dann drohen als Höchststrafe noch sechs Monate Gefängnis.
Ob ein Gericht einem Beamten, der Tag für Tag Führerscheine kontrollieren muss und somit überdurchschnittliche Fachkenntnis hat, Fahrlässigkeit zubilligt, steht überdies auf einem anderen Blatt.
Wer mit einem Internetanbieter eine bestimmte Bandbreite vereinbart hat, muss sich nicht mit einer geringeren abspeisen lassen. Eine entsprechende Klausel von Vodafone erklärte das Landgericht Düsseldorf für rechtswidrig. Geklagt hatte der Verbraucherzentrale Bundesverband.
Eine Kundin hatte DSL 6.000 bestellt, erhielt aber eine Leistung, die ungefähr DSL 2.000 entsprach. Vertragspartner Vodafone berief sich auf folgende Vertragsklausel:
Sollte Vodafone-Internet nicht mit der von mir gewünschten Bandbreite zur Verfügung stehen, möchte ich das von mir ausgewählte Paket … mit der maximal verfügbaren Bandbreite erhalten.
Darin sieht das Landgericht Düsseldorf eine unangemessene Benachteiligung des Kunden. Normalerweise komme gar kein Vertrag zustande, wenn der Vertragspartner nur eine geringere Leistung erbringen könne. Rechtlich liege dann nämlich nur ein Abänderungsangebot vor. Dem Kunden stehe es nochmals frei, ja oder nein zu sagen. Außerdem könne eine Leistungsänderung zum Nachteil des Bestellers vertraglich nur ausgeschlossen werden, wenn die Gründe klar definiert werden. Dafür sei das Kleingedruckte von Vodafone zu schwammig.
Doch damit nicht genug. Das Landgericht Düsseldorf unterbindet auch Vodafones Versuch, dem Kunden Werbung per SMS zu schicken. Die in den Geschäftsbedingungen versteckte Klausel, wonach der Kunde Werbung akzeptiert, sei unwirksam. Werbung sei nur mit ausdrücklicher Einwilligung des Kunden gestattet.
Weiter monieren die Richter eine Klausel, wonach der Kunde an seinen Antrag gebunden ist, bis Vodafone ihn bestätigt. Damit könne eine Frist laufen, die unangemessen lang ist.
Landgericht Düsseldorf, Urteil vom 28. Dezember 2011, Aktenzeichen 12 O 501/10
Die Hamburger Polizei darf die Reeperbahn per Video überwachen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden.
Geklagt hatte ursprünglich eine Anwohnerin der Reeperbahn. Sie fühlte sich durch die insgesamt zwölf Kameras in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt. Im Prozess vor dem Bundesverwaltungsgericht ging es aber nur noch darum, ob eine direkt gegenüber dem Wohnhaus der Frau angebrachte Kamera den Straßenraum überwachen darf.
Das Verwaltungsgericht Hamburg hatte schon in erster Instanz untersagt, dass die Kamera den Hauseingang und das Gebäude, einschließlich der Fenster, überwacht. Dieses Verbot bleibt bestehen, denn auch die Stadt Hamburg ging dagegen nicht in Revision.
Das Bundesverwaltungsgericht hält die Kameraüberwachung des öffentlichen Straßenraumes für zulässig. Nach Hamburger Recht seien Kameras an “Brennpunkten für Straßenkriminalität” zulässig. Es bestehen beim Bundesverwaltungsgericht offenbar auch keine Zweifel darüber, dass Videokameras solche Delikte verhüten und zur Identifizierung von Straftätern beitragen können. Gegen so wichtige Anliegen müsse das Recht der Anwohnerin auf informationelle Selbstbestimmung zurücktreten.
Kritiker verweisen dagegen darauf, dass es bis heute keine Belege für einen Rückgang der Kriminalität durch Videoübewachung gibt. Stattdessen werde jeder Passant beobachtet, was Konformitätsdruck erzeuge. Nur nicht auffallen, diese Devise werde zum stillschweigenden Begleiter aller Passanten. Überdies spiegelten Kameras häufig nur Sicherheit vor, weil es gar nicht genug Personal gebe, um die Bilderflut auszuwerten.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 25. Januar 2012, Aktenzeichen 6 C 9.11
Aus einem Anhörungsbogen der Polizei:
Sie haben die Geschädigte mit den Worten “Doofe Trulla” und “Schwing deinen dicken Arsch von der Straße” beleidigt.
Da kommen einem als Anwalt gleich viele schöne Beweisanträge in den Sinn. Mit denen ließe sich möglicherweise belegen, wie wahr die Aussagen doch sind. Wenn man schon von der Beleidigung nicht runterkommt, steht sie vielleicht in etwas milderem Licht da.
Oder die Sache geht nach hinten los. Es wird also nicht schaden, zuerst zu klären, wer bei Staatsanwaltschaft und Gericht zuständig ist.
Von Torsten Kleinz
Palimm-Palimm
“Hallo?”
“Ja, hallo. Mein Name ist Bömmerlunder von der SpuSi. Wir müssten Mal in Ihre Wohnung.”
“SpuSi?”
“Ja, Spurensicherung.”
“Spurensicherung?”
“Sprech ich chinesisch? Ja, Spurensicherung. Machen Sie auf!”
“Warum?”
“Weil ich Spuren sichern muss. Jungejunge, sind Sie schwer von Begriff…”
“Welche Spuren?”
“Na, das Übliche. Fingerabdrücke, DNA, Fasern”
“Und weshalb?”
“Haben Sie es noch nicht gehört? Frau Piepenbröck ist tot.”
“Das tut mir leid. Wer ist Frau Piepenbröck?”
“Gerda Piepenbröck. Wohnt nur zwei Straßen von hier. Das heißt: wohnte.”
“Nie von ihr gehört. Was hab ich damit zu tun?”
“Sagte ich doch. Sie wohnte nur zwei Straßen von hier.”
“Aha. Dann gehen Sie die beiden Straßen zurück zur Wohnung von Frau Piepenbröck und tun sie dort Ihren Job.”
“Jetzt werden Sie nicht unverschämt. Wir können nämlich auch das alte Pulver zum Fingerabdrucksichern nehmen. Das bekommen Sie nie wieder aus dem Teppich!”
“Jetzt Mal langsam…”
“Okayokay, ich sag dem Kommissar Bescheid.”
“Warten Sie…”
“Ja?”
“Könnten Sie mir denn bitte erklären, warum Sie meine Wohnung durchsuchen wollen?”
“Na, das machen wir immer so. Wenn ein Gewaltverbrechen nicht ausgeschlossen werden kann, sichern wir alle Spuren in einem Kilometer Umkreis vom Tatort. Sie sind wohl neu? In den meisten Wohnungen war ich schon vier oder fünf Mal…”
“Sie gehen einfach so in alle Wohnungen? Ohne Verdacht?”
“Wir haben einen Verdacht. Frau Piepenbrock ist tot!”
“Piepenbröck dachte ich.”
“Meinetwegen auch die. Warten Sie, ich hab mir für solche Fälle etwas aufgeschrieben.”
“Was?”
“Hier steht’s, hören Sie genau zu! Wenn genügend Personal vorhanden ist um Fingerabdruckspuren im Umfeld des Tatortes massenhaft aufzunehmen und auszuwerten, müssen wir das tun und anschließend den Täter herauszufiltern. Wenn auch nicht immer von Erfolg gekrönt, bleibt es jedoch ein Werkzeug im Kampf gegen das Verbrechen.”
“Hä?”
“Es geht noch weiter: Wir sind nach dem Gesetz verpflichtet Straftaten zu verfolgen. Der Bürger erwartet das zu Recht, die Politik fordert das nachdrücklich, der Gesetzgeber hat uns das Handwerkszeug dazu gegeben und die Richter achten darauf, dass wir es richtig anwenden”
“Hmmm.”
“Na, was sagen Sie nun?”
“Ja, das klingt absolut logisch.”
“Na, dann lassen Sie mich schon rein.”
“Nehmen Sie aber auch das neue Fingerabdruckpulver? Wenn die Teppiche ruiniert sind, bringt mich meine Frau um.”
“Keine Bange, wenn das passiert, sind wir von der SpuSi schon zur Stelle. Ihre Frau wird ihrer Strafe nicht entgehen.”
“…”
“Kleiner Scherz.”
“OK, kommen Sie rein.”
Inspiriert vom Bund Deutscher Kriminalbeamter
Torsten Kleinz ist freier Journalist in Köln
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Die Zulässigkeit des Weiterverkaufs von Eintrittskarten zu
Spielen der Fußball-Bundesliga
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Vereine dürfen ihre Mitgliederversammlung auch virtuell abhalten. Dies hat das Oberlandesgericht Hamm entschieden. Die Richter gaben einem Verein recht, der die Hauptversammlung in einem Chatraum durchführen wollte.
Das Amtsgericht Iserlohn hatte dem Verein noch die Eintragung verweigert. Bei Online-Versammlungen bestehe die Gefahr, dass sich Nichtmitglieder einschmuggeln. Außerdem könne nicht festgestellt werden, ob Mitglieder, die nur an ihrem Bildschirm sitzen, geschäftsfähig sind. Die Vereinsversammlung sei eine so wichtige Veranstaltung, dass hier keine Risiken eingegangen werden dürften.
Diese Einwände überzeugten das Oberlandesgericht Hamm nicht. Grundsätzlich stehe es jedem Verein frei, seine Organisation selbst zu bestimmen. Auch die Geschäftsfähigkeit der Mitglieder müsse nicht aktiv überprüft werden. Vielmehr könne der Vorstand erst mal davon ausgehen, dass bei den Mitgliedern geistig alles in Ordnung ist. Nur bei konkreten Zweifeln müsse diesen nachgegangen werden.
Die Technik halten die Richter auch für ausreichend zuverlässig, um Missbrauch auszuschließen. So reiche es aus, wenn den Mitgliedern das Passwort für den Chatraum unmittelbar vor der Versammlung per Mail geschickt wird.
Auch Vereinsmitglieder ohne Computer seien nicht über Gebühr benachteiligt. Ein Verein müsse nicht jede Form der Kommunikation anbieten. Überdies, so die Richter, gebe es genug öffentliche Internetzugänge.
Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 27. September 2011, Aktenzeichen I-27 W 106/11
Auch Strafgerichte dürfen die Wahrheit nicht um jeden Preis erforschen. Im Umgang mit widerspenstigen Zeugen müssen sie auch deren Rechte ausreichend wahren und insbesondere prüfen, ob Zwangsmittel verhältnismäßig sind. Mit dieser Begründung hob der Bundesgerichtshof nun einen Ordnungshaftbeschluss gegen eine Zeugin auf, die im Verfahren gegen die frühere RAF-Terroristin Verena Becker nicht aussagen wollte.
Obwohl die Zeugin schwer an Krebs erkrankt ist, hatte das Oberlandesgericht gegen sie Ordnungshaft verhängt. Das Oberlandesgericht Stuttgart wollte aufgrund der Erkrankung die Ordnungshaft zwar zunächst nicht vollstrecken; die Anordnung selbst wollten die Richter aber nicht aufheben. Das tat nun der Bundesgerichtshof auf die Beschwerde der Betroffenen.
Die Karlsruher Richter zeigen in ihrer Entscheidung Schranken auf, die auch für Strafrichter gelten:
Die besondere Bedeutung der Aufgabe des Strafverfahrens, die wichtigsten Individual- und Gemeinschaftsrechtsgüter zu schützen, darf auch in Fällen schwerer und schwerster Kriminalität nicht den Blick darauf verstellen, dass die Strafverfolgung stets mit Eingriffen in die Rechte der vom Verfahren Betroffenen einhergeht und Rechtsgüter der Gemeinschaft beeinträchtigen kann.
Auch deren Schutz ist dem Staat aufgegeben. Der Zweck des Strafverfahrens würde daher verfehlt, wenn es den Strafverfolgungsorganen zur Aufdeckung und Ahndung einer Rechtsgutsverletzung gestattet wäre, unbegrenzt in andere Individual- oder Gemeinschaftsrechtsgüter einzugreifen.
Das Wertesystem der Verfassung, das zu schützen Zweck des Strafverfahrens ist, setzt diesem daher gleichzeitig auch Schranken. Deshalb gilt – auch in Fällen terroristisch motivierter Tötungsdelikte - der Grundsatz, dass die Wahrheit nicht um jeden Preis – hier: um den Preis der hohen Gefährdung des Lebens einer schwer erkrankten Zeugin - erforscht werden darf.
Schon die Anordnung der Beugehaft bedeute für die Zeugin eine so enorme Belastung, dass mit einer Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes zu rechnen sei, möglicherweise sogar mit ihrem Tod. Im Hinblick auf die besonderen Umstände sei deshalb schon die Anordnung der Beugehaft unverhältnismäßig.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10. Januar 2012, Aktenzeichen StB 20/11
Hat eine Gemeinde für ihre Straßen und Plätze bei Eis- und Schneeglätte einen Streuplan, den sie auch einhält, dann ist sie nach dem Sturz eines Passanten nicht zum Schadensersatz verpflichtet. So hat es der 9. Zivilsenat des Oberlandesgericht Hamm rechtskräftig entschieden (I-9 U 113/10) und damit die Klage eines Essener Bürgers in zweiter Instanz abgewiesen.
Der 54-Jährige war an der Fintroper Straße im Westen Essens im Winter vor sieben Jahren am frühen Mittag auf einem Fußgängerüberweg ausgerutscht, der noch nicht gestreut war. Die Folgen waren schwere Verletzungen an Arm und Schulter – deswegen machte der selbständige Kaufmann Schadensersatz (auch wegen seines Verdienstausfall) und Schmerzensgeld in Höhe von 240 000 Euro gegen die Stadt Essen geltend.
Das Landgericht Essen hier hatte diese Klage bereits abgewiesen, dem folgte nun auch das OLG. Bei konkreter Glättegefahr, so heißt es in dem Urteil, müsse den Gemeinden für deren Streupflicht ein gewisser Zeitraum für organisatorische Maßnahmen zugebilligt werden.
Zwar sei abweichend vom Streuplan zunächst der Süden der Stadt geräumt worden, dort aber fiel der Schnee auch früher als im westlichen Stadtteil. Insgesamt sei sichergestellt gewesen, dass die „allgemeine Glättegefahr rechtzeitig erkannt“ und auch rechtzeitig Streualarm für den Unfallbereich ausgelöst wurde.
Demnach war der 54-Jährige schlicht zur falschen Zeit am falschen Ort. (pbd)
Wie es aussieht, werde ich nächste Woche meine letzten Knastbesuche in der Ulmer Höh’ machen. Das baulich marode Düsseldorfer Gefängnis mitten in der Stadt hat ausgedient. In der Nachbarstadt Ratingen ist ein nagelneuer Knast gebaut worden, in den Anfang Februar 529 Gefangene umziehen werden.
Witzigerweise heißt die JVA Ratingen weiter JVA Düsseldorf. Ratingen hat zwar das Grundstück hergegeben, mit der Rolle als Namensgeber für ein Gefängnis konnte man sich aber nicht anfreunden. So spricht das Land NRW in seinen Presseinformationen auch diplomatisch von der “neuen Justizvollzugsanstalt Düsseldorf, die auf Ratinger Boden ihre Heimat gefunden hat”.
Auf rund 125.000 Quadratmetern wird in Ratingen nach Angaben des Justizministeriums der “moderne Behandlungsvollzug” umgesetzt. Die Gefangenen sollen in der Großanstalt mit einem umfänglichen Betreuungsprogramm motiviert werden, ihr Leben auf eine neue, vielfach erstmalig gesellschaftsfähige Grundlage zu stellen. Experten wissen, dass Straftäter, die hinter Gittern eine gesellschaftliche und berufliche Perspektive geboten bekommen, deutlich höhere Chancen haben, zukünftig straffrei zu leben. "Moderner Strafvollzug", sagt Justizminister Thomas Kutschaty, "ist auch der effektivste Opferschutz".
Die neue JVA Ratingen (Foto: Justiz NRW)
Das Betreuungsangebot in der neuen JVA Düsseldorf/Ratingen umfasst unter anderem Schuldnerberatung, soziales Training, Entlassungsvorbereitungen und die abstinenzorientierte Abteilung für die Betreuung und Behandlung Suchtmittelabhängiger.
Das Gefängnis ersetzt die alte in ganz Deutschlang bekannte Ulmer Höh’ von 1893, die modernen Ansprüchen nicht mehr genügte. In Ratingen bieten 775 Hafträume insgesamt 855 Gefangenen Platz. Der Bau kostete 180 Millionen Euro. Die Sicherheitstechnik entspricht dem neuesten Standard.
529 Gefangene aus der alten Ulmer Höh werden Anfang Februar mit insgesamt 5.200 Umzugskartons in die neue JVA Düsseldorf umziehen.