Mann mit Prinzipien

Dem Anwalt des Klägers war ein Lapsus unterlaufen. Er hatte zwar, wie üblich, Zinsen für die Klageforderung geltend gemacht. Aber leider hatte er nicht geschrieben, ab wann er Zinsen möchte. In der mündlichen Verhandlung fragte die Richterin heute:

Und ab wann verlangen Sie Zinsen?

Diese Frage ließ den Kläger, der bislang friedlich neben seinem Anwalt stand, aufschrecken.

Zinsen? Das geht nicht. Das will ich nicht. Das verbietet meine Religion.

Sein Anwalt erklärte ihm, dass Klageforderungen in Deutschland verzinst werden. Bei der Summe, um die es gehe, könne da am Ende ein schöner Batzen zusammen kommen. Doch der Kläger erwies sich als Mann mit Prinzipien. Er werde seine Religion nicht wegen ein paar Euro verraten, sagte er.

Sein Anwalt ließ auftragsgemäß den Antrag auf Zinsen weg. Damit hatte sich die Frage der Richterin erledigt, wenn auch auf überraschende Art und Weise.

kino.to offline

Unseren täglichen Gratisfilm gib uns heute – mit kino.to war das für viele Internetnutzer eines Selbstverständlichkeit. Doch damit scheint vorläufig Schluss zu sein, denn die Seite zeigt seit heute nur noch – Achtung, der Link führt zu kino.to – folgenden Inhalt:

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Startseite von kino.to

Die Staatsanwaltschaft Dresden hat in einer groß angelegten Aktion die vermuteten Hintermänner von kino.to festnehmen lassen. Insgesamt, berichtet Spiegel online, sollen 13 Personen in Haft genommen worden sein, davon 12 in Deutschland, eine in Spanien. Ein Verdächtiger werde noch mit Haftbefehl gesucht.

Mit kino.to sollen siebenstellige Gewinne erzielt worden sein.

Vom letzten Satz auf der neu designten Startseite von kino.to sollten sich Nutzer der Seite nicht zu sehr verängstigen lassen. Es ist keineswegs ausgemacht, dass das bloße Betrachten von Streams, wie sie kino.to angeboten hat, eine Urheberrechtsverletzung darstellt. Es fehlt nämlich an der notwendigen Vervielfältigung des Films, da auf dem Rechner des Nutzers keine Kopie gespeichert wird.

Wenn die Polizei also tatsächlich meinen sollte, die einfache Nutzer von kino.to belangen zu können, begäbe sie sich auf ziemlich glattes Parkett.

 

Verpixelungsgebot schwächer als Pressefreiheit

Strafrichter haben nicht die Möglichkeit, die Pressefreiheit zu beschränken. Das ist die Lehre aus einem Beschluss des Bundesgerichtshofs, welcher der Bild-Zeitung einen späten Sieg beschert. Die Zeitung hatte Fotos eines mittlerweile veuurteilten Terrorhelfers aus dem Gerichtssaal unverpixelt abgedruckt – obwohl das Gericht die Aufnahmen nur unter der Bedingung gestattet hatte, dass das Gesicht des Angeklagten bei einer Veröffentlichtung verpixelt wird.

Bild hielt sich nicht hieran. Der mittlerweile zu sieben Jahren Haft Verurteilte klagte und bekam in den ersten beiden Instanzen recht. Der Bundesgerichtshof hatte nun keine Probleme mehr mit den Bildern. Die Richter kommen zu dem Ergebnis, der Terrorprozess sei ein wichtiges Ereignis gewesen. Der Angeklagte habe die Veröffentlichung deshalb hinnehmen müssen.

Auf die “sitzungspolizeiliche” Anordnung des Vorsitzenden geben die Karlsruher Richter nichts. Der Richter habe keine gesetzlichen Möglichkeiten, die Pressefreiheit über das zulässige Maß einzuschränken. Deshalb habe sich Bild nicht an die Anordnung halten müssen.

Dem Angeklagten geben die Richter den nachträglichen Hinweis, er hätte vor der Verhandlung ja sein Gesicht verbergen können. Das hat er vermutlich nicht getan, weil er das Pixelgebot des Gerichts für wirksam hielt.

Immerhin weiß man nun in der Zukunft, woran man in solchen Verfahren ist. Also lieber Baseballcap und einen Schal bereithalten. Viele Verteidiger haben solche Utensilien übrigens stets im Kofferraum…

Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs

Richter parkt bequem im Halteverbot

Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. Alle? Der Düsseldorfer Richter Lutz B. ist schon ein besonderer Mensch. Wenn der 63-jährige aus dem heimischen Wegberg nach Düsseldorf gefahren ist und seinen Arbeitsplatz erreicht hat, parkte er seinen schwarzen Mercedes stundenlang im absoluten Halteverbot – direkt an seinem Arbeitsplatz, dem Oberlandesgericht.

Der Vorsitzende des 3. Strafsenats könnte sein Auto genauso gut auf einen der 77 Stelllpätze in der Tiefgarage des Gerichts bugsieren. So wie es andere Justizbedienste auch machen. Die Dienstparkplätze sind kostenlos.  Doch B., der sich schon einen Namen als „Rasender Richter“ und „Richter Bleifuß“ gemacht hat, nimmt wieder mal ein Sonderrecht in Anspruch. Er hat sich beim Ordnungsamt der Stadtverwaltung Düsseldorf eine Ausnahmegenehmigung besorgt. Sie gilt für die Gegend um das Oberlandesgericht, eine vielbesuchte Zone, in der tagsüber nur schwer Parkplätze zu finden sind. Die Genehmigung liegt hinter der Windschutzscheibe von B.s Wagen. Sie schützt ihn zuverlässig vor teuren Knöllchen, selbst im Halteverbot.

 

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Richterauto im absoluten Halteverbot. (Foto: pbd)

Es ist nicht die erste Vergünstigung, die sich der Senatspräsident in eigener Sache verschafft hat. B. hatte, wie berichtet, per Beschluss einen Autofahrer vom Vorwurf der Geschwindigkeitsüberschreitung rechtskräftig freigesprochen. In diesen Beschluss flocht er aber eine Klausel ein, die helfen konnte, seine eigenen Temposünden entfallen zu lassen.  Motto: Ihr Richter bei den unteren Instanzen, beachtet meine Rechtsauffassung gefälligst bei meinen Taten!

Aus dieser Verfehlung zog Anne-José Paulsen seinerzeit die Konsequenzen. Die verärgerte OLG-Präsidenten ließ ihrem Kollegen per Präsidialentscheidung die Zuständigkeit für Ordnungswidrigkeiten entziehen.

Da ahnte Paulsen jedoch noch nichts von einem anderen Trick. Vor gut einem halben Jahr sollte sich B. vor dem Amtsgericht Erkelenz verantworten, weil er mal wieder zu schnell gefahren war und deshalb ein einmonatiges Fahrverbot kassierte. Doch der OLG-Senatspräsident verhöhnte den Amtsrichter. Dem ließ er – nach vergeblichen Ausflüchten zur Verlegung des Termins – ein ärztliches Attest zukommen. „Verhandlungsunfähig krank“ sei B., so hieß es. Am Verhandlungstag wurde B. jedoch munter im Düsseldorfer OLG beobachtet.

Überrascht zeigte sich die OLG-Präsidenten auch über die Tatsache, dass ihr Kollege unbehelligt sein Auto im absoluten Halteverbot parkt: „Das wusste ich nicht“, sagt sie und betont: „Es bestehen keine dienstlichen Gründe, Herrn B. eine Ausnahmegenehmigung zum Parken im Halteverbot ‚im Umfeld des OLG’ zu erteilen.”

Warum das Düsseldorfer Ordnungsamt dieses Sonderrecht, mit dem es sonst äußerst zurückhaltend umgeht, ausgerechnet dem Richter genehmigt hat, mochte die Stadtverwaltung Düsseldorf nicht offenbaren. Sie verweigert bislang nähere  Auskunft. Auch B., zu seinen Motiven gefragt, mag sich nicht äußern.

Von der Stadt war lediglich zu erfahren, dass B. die Sondererlaubnis nun zurückgeben wird beziehungsweise dies schon getan hat. (pbd.)

Berliner Richter haben Schwarzfahrer satt

Schwarzfahren – Straftat oder Kavaliersdelikt? Berliner Richter stehen jedenfalls vor einem Berg von Verfahren gegen Schwarzfahrer. Bis zu jeder dritte Prozess gegen Erwachsene soll sich in der Hauptstadt um dieses Delikt drehen, bei Jugendlichen jeder Fünfte. Einige Richter wollen jetzt die Notbremse ziehen. Sie fordern nach einem Bericht des Tagesspiegel, Schwarzfahren nur noch als Ordnungswidrigkeit zu ahnden und Hartz-IV-Empfänger kostenlos fahren zu lassen.

Wäre Schwarzfahren kein Fall mehr für die Strafgerichte, würde das nach Auffassung eines Richters “unglaubliche Kräfte freisetzen”. Derzeit seien viele Ressourcen mit der Verfolgung von Ticketsündern gebunden. Das gilt auch für die Gefängnisse. Schon länger ist bekannt, dass in der Berliner Justizvollzugsanstalt Plötzensee ein Drittel der Gefangenen wegen Schwarzfahrens einsitzt. Das kostet den Steuerzahler laut Tagesspiegel rund 80 Euro pro Tag.

Mutig finde ich den Vergleich des erwähnten Richters, wonach Schwarzfahren auch nichts anderes ist, als wenn ein Autofahrer sein Auto parkt und keinen Parkschein zieht. Jedenfalls führt das zum Kern der Frage, der schon seit jeher diskutiert wird: Wieso sorgt der Staat für “Abschreckung”, bloß damit Verkehrsbetriebe weitgehend auf Eingangskontrollen in den Bahnhöfen oder sonstige effektive Ticketsysteme verzichten können?

Diese offensichtlich gewollte Quersubvention stellt Juristen seit jeher vor Probleme. Der Straftatbestand selbst sah so was nämlich gar nicht vor. Er heißt  “Erschleichen von Leistungen”. Dass heute jeder Fahrgast einfach so in Busse und Bahnen einsteigen und mitfahren kann, passt schon nicht zum Begriff des Erschleichens. Denn dieser hat mit Tricksen, Tarnen und Täuschen zu tun. Generationen von Richtern haben sich damit beholfen, dieses Erfordernis auszuhebeln. Sie gingen und gehen nach meiner Meinung über die Grenze des Wortlauts hinaus, indem sie postulieren, es genüge für ein Erschleichen auch, wenn sich jemand “den Anschein des Ordnungsgemäßen” gebe.

Man müsste sich eigentlich nur darauf besinnen, dem Gesetz die gewollte Bedeutung zuzugestehen. Schwarzfahren wäre dann nur möglich, wenn jemand funktionierende Kontrollen aktiv umgeht. In Zeiten der “Near Field Communication” müssten das ja auch keine Drehkreuze mehr sein.

Der Ball läge dann im Spielfeld der Verkehrsbetriebe. Und die Justiz hätte mehr Zeit, sich um die wirklich wichtigen Fälle zu kümmern.

Eine Berufung scheidet aus…

Was sind die Beweggründe der Staatsanwaltschaft Mannheim, im Verfahren gegen Jörg Kachelmann Revision einzulegen? Im Gespräch mit Focus online äußert Jura-Professorin Monika Frommel ihre Ansichten. Unter anderem sagt sie:

Eine Berufung scheidet ohnehin aus, weil die Staatsanwaltschaft dann neue Beweise vorlegen müsste.

Diese Erwägung ist, nun ja, etwas neben der Spur. Wenn die Strafkammer am Landgericht wie im Fall Kachelmann in erster Instanz geurteilt hat, gibt es keine Berufung. Das einzig mögliche Rechtsmittel ist die Revision zum Bundesgerichtshof.

Eine Berufung wäre nur möglich, wenn das Amtsgericht gegen Jörg Kachelmann verhandelt hätte. Hat es aber nicht.

Die Äußerung der Juristin offenbart eines der großen Rätsel der Strafprozessordnung. Bei harmloseren Anklagen, die am Amtsgericht verhandelt werden, hat der Angeklagte zwei Rechtsmittel. Die schon erwähnte Berufung, über die dann tatsächlich das Landgericht entscheidet. Und dann die Revision gegen die Berufungsentscheidung des Landgerichts, die am Oberlandesgericht verhandelt wird.

Wer wegen einer schwereren Straftat direkt am Landgericht angeklagt wird, kann dagegen nur in Revision gehen. Die Frage einer Berufung stellt sich im Fall Kachelmann also nicht.

Auch der Hinweis Frommels, wonach eine Berufung zwingend neuer Beweismittel bedarf, ist so nicht richtig. Weder die Staatsanwaltschaft noch der Angeklagte sind gezwungen, neue Beweismittel zu nennen. Die Sache muss bei fristgerecht eingelegter Berufung immer neu verhandelt werden, so weit das Urteil angefochten wurde. Nur bei Bagatelldelikten (Geldstrafe bis 15 Tagessätze) hat das Landgericht die Möglichkeit, die Berufung ohne Hauptverhandlung zu verwerfen.

Ich halte es übrigens für sehr wahrscheinlich, dass der Interviewer nichts verstanden und/oder einiges durcheinander geworfen hat.

Einschreiben ist keine Pflicht

“Haben wir nicht gekriegt.”

Ein Satz, den man durchaus öfter in Behörden hört. Fehlt – aus welchen Gründen auch immer  – ein wichtiges Schreiben in der Akte, sucht man die Schuld ungern bei sich selbst. Vielmehr soll der Bürger büßen. Anträge werden abgelehnt, Leistungen gekürzt. Immerhin, so heißt es dann gerne, hätte der “Kunde” seine Mitteilung ja per Einschreiben schicken können.

Selbst schuld?

So einfach dürfen es sich Ämter aber dann doch nicht machen. Dies hat das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz klargestellt. Ein junger Mann sollte Ausbildungsbeihilfen zurückzahlen. Ein Schreiben, in dem er auf eine Änderung seiner Lebensverhältnisse hinwies, hatte die Agentur für Arbeit angeblich nicht bekommen. Die Behörde hielt es für “grob fahrlässig”, wenn ihre Kunden Briefe mit normaler Post schicken.

Das sehen die Richter anders. Sie weisen darauf hin, einfache Post sei keine unsichere Versendungsform. Was sich unter anderem daraus ergebe, dass die Agentur für Arbeit die weitaus meisten ihrer Bescheide selbst nur per “normalen” Brief versende. Auch wenn ein geringer Bruchteil der Sendungen verschwinde, dürfe der Bürger darauf vertrauen, dass ein Brief normalerweise den Empfänger erreicht.

Hier konnte der Betroffene eine Zeugin aufbieten. Seine Mutter bestätigte, sie habe das Formular ausgefüllt und ordnungsgemäß an die Agentur für Arbeit geschickt. Mehr sei nicht zu verlangen, konstatiert das Landessozialgericht. Es gebe auch keine Pflicht nachzufragen, ob das Schreiben tatsächlich angekommen ist.

Diese Sicht der Dinge ersparte dem Kläger eine Rückforderung von etwas mehr als 1.000 Euro.

Es kann also nie schaden, wenn man einen glaubwürdigen Zeugen hat. Bestätigt dieser, dass der Brief auf den Weg gegangen ist, kann man den Kampf aufnehmen gegen ein lakonisches “Haben wir nicht gekriegt”.

Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 29. Oktober 2010, L 1 AL 49/09

Drogen: NRW hebt Eigenbedarf an

Kehrtwende: In Nordrhein-Westfalen gelten seit heute wieder höhere Eigenbedarfsgrenzen für Drogen. Beim Besitz von bis zu zehn Gramm Cannabisprodukten und einem halben Gramm harter Drogen (Heroin, Kokain) können die Staatsanwaltschaften von der Strafverfolgung absehen.

Die neue rot-grüne Regierung macht damit eine Verschärfung rückgängig, die Ex-Ministerpräsident Jürgen Rütters (CDU) durchgesetzt hatte. Er reduzierte die Eigenbedarfsmenge bei Cannabis auf sechs Gramm, bei harten Drogen strich er sie ganz.

Allerdings bedeuten die neuen Obergrenzen keinen Freibrief. Die Staatsanwaltschaften entscheiden vielmehr nach eigenem Ermessen in jedem Einzelfall, ob es auch bei geringen Mengen zum Eigenbedarf nicht doch zu einer Anklage, einem Strafbefehl oder vielleicht zu einer Einstellung des Verfahrens gegen eine Auflage kommt.

Der Beschuldigte hat somit keinen Rechtsanspruch auf Straflosigkeit.

Bei Jugendlichen soll auch weiterhin jeder Drogenbesitz Folgen haben. Darauf hat Justizminister Thomas Kutschaty hingewiesen. Er will, dass jeder auffällige Jugendliche zumindest ein Aufklärungsseminar besuchen muss.

Hochzeit und Kapital

Wer Dienstleister auch nur teilweise schwarz bezahlt, muss bei eventuellen Problemen Schadensersatzansprüche abschreiben. Darüber hat das Oberlandesgericht Frankfurt nun ein Ehepaar belehrt, das den eigenen Wedding Planer auf 8.250,00 Euro verklagen wollte.

Die Hälfte des Honorars für den Hochzeitsorganisator sollte unter der Hand fließen. Schon aus diesem Grund kann sich das Ehepaar nicht auf die mangelhafte Durchführung seiner Hochzeitsfeier berufen, meint das Oberlandesgericht. Wörtlich:

Dieser Teil der Vereinbarung sollte offenbar der Steuerhinterziehung dienen. Sie ist deshalb gemäß §§ 134, 138 BGB nichtig. Die Nichtigkeit dieser Abrede hat gemäß § 139 BGB die Nichtigkeit des ganzen Vertrages zur Folge.

Hintergrund des Streits war eine Fehlplanung bei der Location. Die stellte sich nämlich als zu klein heraus, so dass 220 von 620 Gästen vor der Feier wieder ausgeladen werden mussten. Hierdurch, so das offenbar geschäftstüchtige Ehepaar, sei ihm ein kapitaler Schaden entstanden. Die ausgeladenen Gäste hätten logischerweise auch kein Geschenk – man rechnete laut Gericht mit “Geld- und Goldgeschenken” – gemacht. Den “Verlust” von 8.250,00 € ermittelten die Kläger, indem sie den “durchschnittlichen Wert” eines Geschenks zu Grunde legten und davon die ersparten Bewirtungskosten abzogen.

Aber auch mit dieser Rechnung wollte sich das Oberlandesgericht Frankfurt nicht näher befassen:

Der Zweck einer Hochzeitsfeier ist aber nicht darauf gerichtet, wie bei einer gewerblichen Veranstaltung Gewinne zu erzielen. Die vom Antragsgegner übernommene Leistungspflicht hatte nicht auch zum Inhalt, dem Antragsteller mittelbar zu einem Gewinn in Form von Geld- und Goldgeschenken zu verhelfen. Der geltend gemachte „entgangene Gewinn“ aus der Nichtdurchführung der Hochzeitsveranstaltung durch den Antragsgegner liegt deshalb bei wertender Betrachtung außerhalb des Schutzbereiches der übernommenen Vertragspflicht.

Dem Ehepaar wurde die Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Klage mangels Erfolgsaussicht versagt. Ansonsten hätte das Gericht wahrscheinlich noch gefragt, ob der durch 400 anwesende Hochzeitsgäste erzielte Gewinn noch als “Vermögenswert” zur Verfügung steht. Das wäre sicher auch eine nette Diskussion geworden.

OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 16. Mai 2011, Aktenzeichen 19 W 29/11

Rollator Bande

Vor drei Tagen war eine 83-Jährige aus Lüneburg noch guter Dinge. Wie immer schloss sie ihren Rollator an einem Eisenring fest, bevor sie in ihre Wohnung ging. Den Schutz der Nacht nutzen unbekannte Täter dann, den Rollator zu entwenden und dem Gefährt Gewalt anzutun.

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Lüneburg: Sinnlose Gewalt gegen einen Rollator (Bild: Polizei)

Die Seniorin fand ihre Gehhilfe erst am nächsten Abend in einem bedauerlichen Zustand wieder. Die Täter hatten alle vier Räder des Rollators abgebaut, die Bremsseile durchschnitten und das Ablagefach mitgenommen.

Der Gehwagen ist so nicht benutzbar. Die Seniorin muss nun mit einem alten Rollator vorlieb nehmen, wenn sie nicht noch ein preisgünstiges Topmodell bei Lidl ergattert.

Die Polizei ermittelt. Vielleicht sollte sie auch prüfen, ob es sich um reisende Täter handelt. Jedenfalls wurde schon am nächsten Tag einer 64-Jährigen in Weimar ebenfalls der Rollator gestohlen

Unnötige Dinge (47): Krefelder Massengentest

Die Krefelder Polizei hat in einem Mordfall auf ihre “Profiler” gehört – und sich tüchtig verrannt. Bis zu 26.000 Krefelder Männer zwischen 18 und 31 Jahren passten theoretisch in das anhand von Tatspuren (und womöglich viel Intuition) aufgestellte Raster der Ermittler. 1.500 Männer waren bereits zum “freiwilligen” Gentest geladen; die allermeisten haben eine DNA-Probe abgegeben. Jetzt stellt sich heraus: Es war wahrscheinlich gar kein von unbekannten jungen Männern begangener Raub-, sondern ein Auftragsmord.

Fündig geworden ist die Kripo nun im engeren Umfeld der Getöteten. Ihre Alleinerbin soll, berichtet die Lokalpresse, mit ihrem Ehemann einen 29-jährigen Bordellbetreiber aus Mönchengladbach zu dem Mord angestiftet haben. Auf die Spur kamen die Ermittler dem mutmaßlichen Täter, weil dieser ein bei dem Opfer entwendetes teures Handy eingeschaltet haben soll. Laut Express hat es unter seinem Sofa geklingelt, als die hereinstürmenden Polizeibeamten die Nummer wählten.

Letztlich war es also die Dummheit des Verdächtigen, welche die Polizei auf seine Spur brachte. Der komplette DNA-Massentest war nicht mehr als Stochern im Nebel. Erfolgsaussicht gleich Null. Darüber kann man natürlich lächelnd hinwegsehen. Aber nur, wenn man unterschlägt, dass hiermit ein schwerer Eingriff in die Privatsphäre jedes Vorgeladenen verbunden war.

Überdies hat die Polizei in ihrer Selbstgewissheit auch die Grenzen der “Freiwilligkeit” ausgetestet. Personen, die den Test verweigerten, wurden “Hausbesuche” angekündigt. Der Leiter der Mordkommission verstieg sich sogar zu der Aussage:

Wenn man auf den Rechtsstaat und unser Wort vertraut, dass diese Untersuchung nur für diesen Einzelfall benutzt wird, hätte nur der Täter einen Grund die Speichelprobe zu verweigern! 

Ich habe bereits hier geschrieben, was ich von dieser Äußerung halte. Immerhin hat die Krefelder Polizei die Größe, in ihrer Pressemitteilung den DNA-Massentest zu erwähnen. Sie erklärt dann lapidar, die Ermittlungen hätten eine “dramatische Wende” genommen.

Dramatisch, sicher. Aber auch peinlich, was das Wundermittel Gentest angeht.