Häkchen für Häkchen

Für eine Spedition haben wir ziemlich hohe Außenstände eingeklagt. Der Auftraggeber hörte letztes Jahr einfach auf, Rechnungen zu bezahlen. Die Forderungen selbst sind gut dokumentiert. Die Aufträge liegen schriftlich vor. Alle  Empfänger, die unsere Mandantin beliefert hat, haben den Erhalt der Ware abgezeichnet. 

Nun liegt die Sache geraume Zeit beim Gericht. Bis heute hat sich die Gegenseite nicht geäußert. Auch vor der Klage hat sie nichts gerügt. Als Anwalt macht man sich da natürlich Gedanken, was jetzt wohl für Einwände kommen können.

Immerhin kriegten wir heute mal etwas von der Gegenseite zu hören. In der Form eines Briefes, den sie direkt an unsere Mandantin geschrieben hat. Die Firma bittet “zum Zwecke der Prüfung unseres Jahresabschlusses” dem Wirtschaftsprüfer zu bestätigen, wie viel Geld unsere Mandantin zu kriegen hat.

Beigefügt war praktischerweise eine Liste mit allen Rechnungen unserer Mandantin, dem Fälligkeitszeitpunkt, den mittlerweile aufgelaufenen Verzugstagen und, was ich besonders schön finde, einem Häkchen hinter dem jeweiligen Rechnungsbetrag. Natürlich wird man ausgiebig darüber streiten können, was so ein Häkchen aussagen soll. Wie auch immer das Ergebnis lautet, jedenfalls macht man normalerweise keine Häkchen hinter Forderungen, die man für ungerechtfertigt hält.

Der Gegenanwalt muss sich jetzt allemal noch einen Tick mehr ins Zeug legen, wenn er dem Gericht eine plausible Geschichte erzählen will. Ich hoffe aber mittlerweile, dass es auf ein Versäumnisurteil hinausläuft. 

Fall abgeschlossen

Besser mal jemand fragen, der sich damit auskennt. Eine Regel, die durchaus auch für Polizeibeamte gelten kann.

Sicherlich ist es ein großer und erwähnenswerter Erfolg, wenn die Polizei in Kelsterbach der Jugendkriminalität Einhalt gebietet. Und zwei sechs- und achtjährigen Schülerinnen das Geständnis entlockt, mit Steinen und Stöcken auf drei Motorhauben “gemalt” zu haben. Hervorragend auch der Fahndungsansatz, in der “nahegelegenen Schule” zu forschen, um die Übeltäterinnen zu ermitteln.

Weniger nachvollziehbar ist allerdings, dass die Polizei in ihrer Pressemitteilung die Mädchen für “verantwortlich” erklärt. Gut, das mag vielleicht nicht juristisch gemeint sein. Gepflegte Unkenntnis im Zivilrecht beweist die Polizei allerdings mit der gönnerhaften Bemerkung, die sie ans Ende ihrer Erfolgsmeldung setzt:

Für die Polizei sind die Fälle damit abgeschlossen, auf die Eltern der Mädchen kommt eine Schadensersatzforderung in Höhe von rund 800 Euro zu.

Forderungen erheben ist nicht verboten. Aber tatsächlich ist es sehr unwahrscheinlich, dass die Eltern was bezahlen müssen. Die Töchter selbst sind noch zu jung, um direkt für den Schaden herangezogen werden zu können. Erst ab dem siebten Lebensjahr kommt eine Schadensersatzpflicht überhaupt in Betracht. Bei dem älteren Mädchen kommt es darauf an, ob sie schon die erforderliche Einsichtsfähigkeit hat. Bei Achtjährigen ist das normalerweise nicht der Fall.

Was die Eltern selbst angeht, hat die Polizei vielleicht den Satz vor Augen gehabt, ohne den kein Baustellenschild auskommt: “Eltern haften für ihre Kinder.” Aber das tun sie gerade nicht. Eltern können für Delikte des Nachwuchses nur herangezogen werden, wenn sie ihre eigene Aufsichtspflicht verletzt haben.

Sollten die Kinder noch Unterricht gehabt haben oder auf dem Nachhauseweg gewesen sein (ohne im letzteren Fall schon vorher Autos zerkratzt zu haben), wäre schon Schluss mit einer Verantwortung der Eltern. Denn die Aufsichtspflicht liegt dann bei der Schule oder besteht nicht.

Ansonsten kommt es darauf an, ob die Eltern in der konkreten Situation verpflichtet waren, ihre Kinder ständig im Auge zu behalten. Gerichte halten das bei Sechs- bis Achtjährigen jedenfalls nicht für durchgehend erforderlich. Wäre ja auch traurig, wenn Kinder in diesem Alter nicht mal draußen spielen dürften.

Zum Zwecke

Das Landgericht hat einen Zeugen geladen. Es geht um einen Totschlag in einer Familie mit Migrationshintergrund. In dem Schreiben findet sich, wie auch sonst bei Zeugenladungen dieser Strafkammer, ein besonderer Hinweis. Dieser lautet:

Zum Zwecke der Mitteilung kurzfristiger Terminverschiebungen wird gebeten, Ihre telefonische Erreichbarkeit schriftlich oder per e-mail zu o.g. Aktenzeichen mitzuteilen.

Freundlich gemeint und ein keineswegs selbstverständliches Angebot, aber die Ausdrucksweise dürfte die Erfolgsquote nicht gerade steigern.  

Wie einen Worte ins Gefängnis bringen

Ermittlungen wegen Besitz oder Verbreitung von Kinderpornografie kommen schnell in Gang. Es reicht, wenn eine IP-Adresse beim Zugriff auf eine “verdächtige” Datei auftaucht. Meist geschieht das in Tauschbörsen. Dem Anschlussinhaber, dem die IP-Adresse zugeordnet ist, droht dann unweigerlich eine Hausdurchsuchung. Ob auch andere Nutzer – Familienangehörige, Besucher, Freunde, Arbeitnehmer – in Frage kommen, wird vorher nicht geprüft. Es trifft zunächst immer denjenigen, auf den der Anschluss angemeldet ist.

Früher kam es durchaus mal vor, dass das fragliche Bild oder Video sich tatsächlich auf der Festplatte des Betroffenen fand. Aber auch da war es schon häufiger so, dass von der überprüften Datei gar keine Spuren zu finden waren. Es kam in diesen Fällen halt darauf an, ob die beschlagnahmten Datenträger sonstige Kinderpornografie enthielten. War das der Fall, spielte der Auslöser der Ermittlungen gar keine Rolle mehr. 

Die Zeiten haben sich geändert. Ich muss nun schon sehr lange zurückdenken, um auf einen Fall zu kommen, bei dem bei meinem Mandanten oder meiner Mandantin (= Anschlussinhaberin) die verdachtsbegründende Datei gefunden werden konnte. Oder zumindest Spuren vom betreffenden Downloadvorgang im Filesharingclient, so denn überhaupt einer installiert war.

Das lässt mehrere Schlussfolgerungen zu.

Womöglich wird mittlerweile auch mal Fünfe gerade sein gelassen bei der Frage, ob sich hinter einem Angebot, dessen Zugriffe geloggt werden, tatsächlich strafbare Kinderpornografie verbirgt. Oder ob der Internetnutzer wenigstens irgendwelche Indizien dafür haben konnte, dass er nun wirklich den legalen Bereich verlässt. Wir haben ja mittlerweile eine erhöhte Zahl von “Internetstreifen”, und zwar auf Landes- sowie Bundesebene. Ob da ein gewisser Erfolgsdruck entsteht, der sich in der Zahl veranlasster Durchsuchungen entlädt, wäre zu hinterfragen.

Überdies hat sich natürlich auch längst herumgesprochen, dass Tauschbörsen intensiv überwacht werden. Und nicht nur das, es gibt auch von den Behörden reichlich gekaperte oder selbst ins Netz gestellte einschlägige Angebote, die dann als “Honeypots” laufen.

Der offenkundige Ermittlungsdruck dürfte also zu erhöhter Wachsamkeit bei denen führen, die kein Interesse an Kinderpornografie haben, aber sich halt sonstige Pornografie aus Tauschbörsen holen.

Jene, die wirklich systematisch nach strafbarem Material suchen, werden aufgrund der offenkundigen Überwachung ohnehin auf andere Quellen ausweichen. Die harten User, das behaupte ich mal, verirren sich höchstens noch volltrunken oder sonstwie zugedröhnt in eine Tauschbörse.

Kombiniert man all dies, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die wegen eines einzigen Internetzugriffs angeordnete Durchsuchung Unschuldige trifft. Wie ich oben schon erwähnte, ist es in den Fällen, die auf meinem Schreibtisch landen, ganz normal, dass auf den vorgefundenen Rechnern das Material eben nicht vorhanden ist, welches die Durchsuchung ausgelöst hat.

Aber damit nicht genug. Bei mir steigt auch die Zahl der Fälle sprunghaft an, bei denen schlicht und einfach keinerlei Kinderpornografie gefunden wird. Natürlich kann und sollte man nicht alle diese Fälle mit Irrtümern der Ermittler erklären.

Das liegt zum einen daran, dass nicht mehr nur Geeks ihre Daten verschlüsseln. Verschlüsselung ist ein solides und auch vom Bundesverfassungsgericht abgesegnetes Recht, für das man sich nicht entschuldigen muss. (Ebenso für die Weigerung, Passworte herauszugeben.) Sind verschlüsselte Daten vorhanden, die nicht geknackt werden können, bleibt natürlich immer die theoretische Möglichkeit, dass der Beschuldigte zu Recht in Verdacht geraten ist, dieser Verdacht sich aber wegen der Verschlüsselung in Verbindung mit der Unschuldsvermutung nicht erhärten lässt.

Ich selbst frage Passwörter natürlich auch nicht ab. Außerdem kann ich niemandem hinter die Stirn gucken. Trotzdem bleibt mein Eindruck, dass sich die gestiegene Zahl schlicht ergebnisloser Durchsuchungen nicht allein mit TrueCrypt erklären lässt. Immerhin gibt es, wie ich meine, immer mehr Fälle, in denen nichts verschlüsselt wurde, aber trotzdem kein strafbares Material aufgefunden wird. Das macht den Anfangsverdacht natürlich höchst fragwürdig.

Es wird nach meiner Einschätzung also zu häufig auf vager Grundlage durchsucht. Wobei ich diesen Eindruck auch mit einem anderen Fakt erhärte: Ermittler sind immer weniger bereit, den Fehlschlag einzuräumen. Stattdessen wird nach Strohhalmen gesucht, aus denen sich doch noch ein Tatvorwurf konstruieren lässt.

So werden Datenträger mittlerweile längst nicht mehr nur nach tatsächlich vorhandenen Bild- und Videodateien gescannt. Ist die Standardsuche mit dem System “Perkeo”, in dem so gut wie die gesamte bekannte Kinderpornografie registriert ist, erfolglos (und das Verfahren damit einstellungsreif), werfen findige Polizisten und Sachverständige nun die Phrasensuchmaschinen an.

Alle Systembereiche werden dann nach einschlägigen Schlüsselworten gescannt, die (auch) zur Beschreibung kinderpornografischer Dateien verwendet werden. Taucht dann in einem längst toten Dateipfad so ein Begriff auf, gilt dies manchen Staatsanwälten schon als Beleg dafür, dass eine kinderpornografische Datei auf dem Rechner war.

So wurde kürzlich ein Mandant wegen des Besitzes von Kinderpornografie angeklagt, obwohl für die hier fraglichen Zeiträume kein einziges strafbares Bild oder Video auf seinem Rechner war. (Legale Pornografie fand sich allerdings reichlich.) Jedoch galt er schon deshalb als hinreichend verdächtig, weil sich in den Tiefen des Betriebssystems einige Schlüsselbegriffe auslesen ließen, die gemeinhin (auch) mit Kinderpornografie in Verbindung gebracht werden. So wird das dann beschrieben:

Der Verzeichnispfad der angegebenen Datei verweist auf ein Verzeichnis, welches auf dem sichergestellten Laptop nicht mehr existent ist. Jedoch findet sich beim Öffnen mit einem Texteditor eine Auflistung, deren Dateinamen eindeutig auf kinderpornografische Inhalte schließen lassen. 

Für eine Anklage bedarf es also nicht mehr tatsächlich vorhandener Kinderpornografie. Es reichen schon schlichte Worte. Vielleicht wäre dieses Vorgehen im Ansatz nachzuvollziehen, wenn sich aus dem Fundort der Dateinamensfragmente auf eine eindeutige Quelle im Netz schließen ließe. Außerdem auf die exakte Zeit des Downloads. Wenn dann noch nachgewiesen werden könnte, dass die damals zu erreichende Datei tatsächlich kinderpornografisch war, ja, dann hätte man sozusagen ein gewisses Indiz, das für eine Besitzverschaffung sprechen könnte.

Ob selbst das als Beweis ausreichen würde, bezweifle ich. Aber selbst das, was als Minimum anzusehen ist, lässt sich natürlich nicht mehr belegen. Vielmehr sind es bloße, im Betriebssystem oder an Dateibäumen hängende Worte ohne eine Verknüpfung mit einem noch überprüfbaren Datentransfer, die den Tatnachweis ersetzen sollen. Dabei scheint nicht mal in Betracht gezogen zu werden, dass Dateinamen nicht von einem Amt vergeben werden. Oder dass nicht alles unter Flagge segelt, die es gehisst hat.

Worte sollen also im Ergebnis mittlerweile reichen, einen Beschuldigten ins Gefängnis bringen. Nicht aufschreien, das mit dem Gefängnis ist keine Übertreibung. Es gibt inzwischen Gerichte, die keine Probleme damit haben, auch Ersttätern in dieser Deliktsgruppe Bewährung zu verweigern.

Ich fürchte, es sind genau diese Gerichte, die der Idee, Dateinamen als Beweis für ihren Inhalt zu nehmen, etwas abgewinnen können.

Drei Tritte bleiben ungesühnt

Polizeiprotokolle sind immer mit Vorsicht zu genießen. Das liegt zum einen daran, dass Beamte gern Normalsprech in Bürokratendeutsch konvertieren. Überdies besteht schon mal die Neigung, weniger das Gesagte festzuhalten, sondern das, was der Vernehmungsbeamte gern hören möchte. Was mit der ausgeprägten Abneigung vieler Befragter, sich das Protokoll noch mal richtig durchzulesen, zu verhängnsivollen Resultaten führen kann. 

Kommunikationsprobleme treten jedoch nicht nur im Verhältnis Polizist – Bürger auf, sondern auch dienstintern. Mit einem schönen Beispiel durfte sich heute das Amtsgericht Düsseldorf beschäftigen. Es ging um einen Vorfall, der sich an Altweiber 2010 in der Düsseldorfer Altstadt zugetragen haben soll.

An diesem Tag schoben sich die Narren dicht an dicht durchs Kneipenviertel. Es heißt, die Stimmung sei aggressiv gewesen. Am Rande eines Polizeieinsatzes soll es dann zu einem Vorfall gekommen sein. Diesen hielt ein unbeteiligter Beamter später in einer “Lagemeldung” fest:

Der Beamte POK H. wurde durch einen Störer mindestens drei Mal in das Gesäß getreten. Als sich der Beamte umdrehte, sah er die Person auf sich zulaufen und zu einem Tritt ausholen. Diesen Angriff konnte der Beamte abwehren. Dem Beamten gelang es, an den Personalausweis der betreffenden Person zu kommen.

Der Polizist, der die Tritte abbekommen hatte, schrieb keinen eigenen Bericht. Er stellte auch keinen Strafantrag. Das hätte die zuständige Staatsanwältin stutzig machen können. Hat es aber nicht. Statt den Beamten selbst noch mal befragen zu lassen, klagte sie den vermeintlichen Übeltäter direkt wegen Körperverletzung an. Schönster Satz der Anklageschrift: “Die Zufügung der Schmerzen hatte der Angeschuldigte beabsichtigt.” Den fehlenden Strafantrag ersetzte die Staatsanwältin, indem sie das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bejahte.

Mit dem Inhalt der Lagemeldung, die zu der Anklage führte, hatte das, was der Polizist heute selbst vor Gericht erklärte, wenig zu tun. “Ja”, sagte er, “ich bin von hinten getreten worden.” Wer das war, habe er aber wegen des Rummels nicht gesehen. Er sei mit jemandem vor sich beschäftigt gewesen. Als er sich umdrehte, sei der Angeklagte irgendwie auf ihn zugekommen. Vielleicht sei er auch geschoben oder geschubst worden. Der Angeklagte habe aber nicht zu einem Tritt ausgeholt, wie das in der Lagemeldung steht. Dementsprechend habe er ihn auch nicht abwehren müssen, wovon ebenfalls in dem Dokument die Rede ist.

Das Fazit des Polizisten: “Der Angeklagte kann mich getreten haben. Es kann aber ebenso jeder andere von den 30, 40 Leuten gewesen sein, die direkt hinter mir waren. Ich habe es definitiv nicht gesehen.”

Deshalb, wunderte sich der Polizist, sei ihm nicht klar, wie es zu einer Gerichtsverhandlung kommen könne. Weder die Richterin noch ich hatten jedoch sonderliches Interesse, das Offensichtliche zu hinterfragen. Der Beamte am Schreibtisch, dem die Lagemeldung aus der Feder geflossen war, hatte entweder nicht hingehört oder die Sache mächtig aufgebauscht. Vielleicht auch beides. 

Den unvermeidlichen Freispruch auf Kosten des Steuerzahlers trug am Ende selbst die Staatsanwaltschaft mit.

S21: Stuttgarter Polizist nun vorbestraft

In Stuttgart ist ein erster Polizist wegen übermäßiger Härte am “Schwarzen Donnerstag” gegen S21-Demonstranten verurteilt worden. Der Beamte soll einer am Boden sitzenden wehrlosen Frau grundlos Pfefferspray ins Gesicht gesprüht haben. Er akzeptierte nun einen Strafbefehl wegen Körperverletzung, berichtet die taz.

Die Bereitschaftspolizei Göppingen habe den Beamten angezeigt. Grundlage sei eine Videoaufzeichnung des Vorfalls gewesen. Nach Angaben der taz verhängte das Gericht eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen, was für den Beamten 6.000 Euro ausmacht. Gegen den Strafbefehl habe der Polizist keinen Einspruch eingelegt, so dass dieser nun rechtskräftig sei. Ob es zu disziplinarrechtlichen Schritten komme, werde noch geprüft.

Es sollen noch weitere 17 Strafanzeigen gegen Polizeibeamte wegen Übergriffen am “Schwarzen Donnerstag”, dem 30. September 2010, geben. An diesem Tag hatte die Polizei mit großer Härte Demonstrationen und Blockaden aufgelöst, um die Baumfällarbeiten im Schlosspark beginnen zu lassen.

Im Beichtstuhl ausgehorcht?

Das Beichtgeheimnis ist, wie es Wikipedia schön formuliert, eine der ältesten Datenschutzvorschriften der Welt. Einem katholischen Geistlichen, der aus dem Beichtstuhl plaudert, droht nicht weniger als die Exkommunikation. Sogar das staatliche Strafrecht nimmt Rücksicht auf das Beichtgeheimnis. Priester haben umfassende Zeugnisverweigerungsrechte und dürfen sogar schweigen, wenn sie in der Beichte von der Planung schwerster Straftaten erfahren.

Im wirklichen Leben scheint das Beichtgeheimnis jedoch nicht immer hochgehalten zu werden. So steht nun ein Oberhausener Kaplan im Verdacht, einen Gläubigen gezielt nach den sexuellen Präferenzen seines früheren Vorgesetzten, eines inzwischen versetzten Pastors, ausgehorcht haben.

Dabei soll der Kaplan, berichtet Der Westen, mit Wissen aus der Beichte regelrecht hausieren gegangen sein. Vermutlich sei es ihm darum gegangen, den Verdacht gelebter Homosexualität gegen den früheren Gemeindespastor zu erhärten. Der Betreffende sei bereits versetzt worden, weil er Mitglied in der Onlinecommunity Gayromeo gewesen sein soll. Dass er aber tatsächlich gegen den  Zölibat verstoßen habe, sei bislang nicht belegt.

Beschwerden des Kirchenmitglieds wegen der ausgeplauderten Beichtgeheimnisse bei der örtlichen Kirche blieben wohl ungehört. Ermittlungen seien erst in Gang gekommen, nachdem sich der Vatikan eingeschaltet habe. Der Betroffene habe sich direkt in Rom beschwert, nachdem der örtliche Bischof keinen Handlungsbedarf gesehen habe.

Älterer Beitrag zum Thema

Three Strikes Out bald auch bei uns?

Das Bundeswirtschaftsministerium ist nach eigenem Bekunden “daran interessiert, dass Internet-Zugangsanbieter und Rechteinhaber stärker zusammenarbeiten”. Gemeinsam soll es offenbar gegen Internetnutzer gehen, die im Verdacht von Urheberrechtsverletzungen stehen.

Um die “Zusammenarbeit” in dieser Richtung zu fördern, schreibt das Wirtschaftsministerium eine vergleichende Studie aus, die Modelle “zur Versendung von Warnhinweisen durch Internet-Zugangsanbieter an Nutzer bei Urheberrechtsverletzungen” aufarbeiten soll.  Es soll offenbar geprüft werden, ob und wie die bereits in England (“Three Strikes Out”) und Frankreich (Hadopi) praktizierten Abschreckungs- und Ausgrenzungsmodelle für Filesharer in Deutschland übernommen werden können.

Mit diesem ersten konkreten Schritt in Richtung Zugangssperren ist jedenfalls klar, dass die Bundesregierung diese drastischen und dementsprechend umstrittenen Maßnahmen nicht grundsätzlich ablehnt. Wirtschaftsminister Brüderle könnte sich damit eine Diskussion aufhalsen, an deren Ende er so belämmert dasteht wie Ursula von der Leyen mit ihrem Sperrgesetz.

(via Stephan Schmidt)

Sitzblockaden müssen keine Nötigung sein

Karlsruhe stärkt Demonstranten: In einem heute bekanntgegebenen Beschluss stemmt sich das Bundesverfassungsgericht gegen die mittlerweile durchgehende Linie der Strafgerichte, Sitzblockierer wegen Nötigung zu verurteilen.

Nach Auffassung der Verfassungsrichter sind politisch motivierte, friedliche Sitzblockaden vom Recht auf Versammlungsfreiheit geschützt. Dies kann dazu führen, dass solche Proteste nicht als “verwerflich” anzusehen sind. Mit der Folge, dass der Nötigungsparagraf nicht eingreift.

Geklagt hatte ein Mann, der im Jahr 2004 gemeinsam mit 40 anderen Demonstranten die Zufahrt zu einer US-Basis in Hessen blockiert hatte. Die Teilnehmer wandten sich gegen eine sich abzeichnende militärische Intervention der US-Streitkräfte im Irak. Etliche Militärfahrzeuge konnten nicht weiter fahren.

Das Amts- und Landgericht Frankfurt verurteilten den Mann wegen Nötigung zu einer Geldstrafe. Der Demonstrant habe strafbare Gewalt angewandt. Er könne sich auch nicht auf das Grundrecht der Versammlungsfreiheit berufen. Zwangseinwirkungen, die allein darauf abzielten, durch gewaltsamen Eingriff in Rechte Dritter gesteigertes Aufsehen in der Öffentlichkeit zu erregen, seien durch das Grundrecht der
Versammlungsfreiheit nicht gedeckt. Zudem sei die Beeinträchtigung fremder Freiheit ein völlig ungeeignetes Mittel zur Erreichung des angestrebten Zweckes gewesen. Auch gesellschaftspolitische Motive änderten nichts daran, dass die Demonstranten rechtswidrig handelten.

Dem folgt das Bundesverfassungsgericht nicht. Nur unfriedliche Versammlungen genießen nach dem Beschluss keinen Grundrechtsschutz. Eine politisch motivierte Sitzblockade betrachten die Verfassungsrichter noch als friedliche Versammlung. Demgemäß dürfe nicht gesagt werden, dass die Versammlungsfreiheit nicht gilt.

Das Bundesverfassungsgericht attestiert den Gerichten überdies ein komplett falsches Verständnis von der Versammlungsfreiheit:

Die Ausführungen des Landgerichts unterliegen bereits im Ausgangspunkt verfassungsrechtlichen Bedenken. Das Landgericht hat bei der Abwägung den Zweck der Sitzblockade, Aufmerksamkeit zu erregen und so einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung zu leisten, als einen für die Verwerflichkeit der Tat sprechenden Gesichtspunkt zulasten des Beschwerdeführers gewertet, obwohl dieses sogar den sachlichen Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG eröffnet und damit eine Abwägung zwischen der Versammlungsfreiheit und den hierdurch betroffenen Rechtsgütern Dritter überhaupt erst erforderlich macht.

Konkret müsse bei jeder Sitzblockade zu Gunsten der Demonstranten geprüft werden, ob ein “Sachbezug” vorliege. Dieser Sachbezug sei bei einer Blockade von Fahrzeugen des US-Militärs mehr als gegeben gewesen. Quasi vorsorglich weisen die Verfassungsrichter darauf hin, an eine straflose Sitzblockade dürften keine zu hohen Anforderungen gestellt werden. Ein hinreichender Sachbezug sei jedenfalls nicht nur dann anzunehmen, wenn die Blockade “verantwortliche Entscheidungsträger und Repräsentanten für die den Protest auslösenden Zustände” aufhält.

Die Strafgerichte müssen jetzt sorgfältig abwägen, ob die Blockade tatsächlich verwerflich war. Voraussetzung hierfür, so das Verfassungsgericht, seien nachvollziehbare Tatsachenfeststellungen. Die in den früheren Urteilen verwendeten Sprechblasen á la „nicht unerhebliche Wartezeit“ und „möglicherweise über einen nur kurzen Zeitraum“ genügen den Karlsruher Richtern jedenfalls nicht.

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 7. März 2011, Aktenzeichen 1 BvR 388/05

Staatsanwälte können’s auch nicht

Gleich reihenweise sprach im letzten Jahr ein Herforder Amtsrichter Verkehrssünder frei. Radarbilder hielt er für schlicht unverwertbar, Tempomessungen sah er vielerorts als Abzocke. Mit seinen autofahrerfreundlichen Urteilen am Fließband schaffte es der Jurist bis ins Fernsehen – und zum Titel “Richter Gaspedal”.

Für die einen war er ein Robin Hood, andere zeigten ihn wegen Rechtsbeugung an. Klar war von vornherein, die zuständige Staatsanwaltschaft wird sich die Massenfreisprüche nicht gefallen lassen. Die Strafverfolger aus Bielefeld legten Rechtsbeschwerden ein, die jetzt zu schmerzhaften Bauchplatschern führten. Das Oberlandesgericht Hamm wies die Eingaben der Staatsanwaltschaft nämlich brüsk zurück – die bisherigen Freisprüche von Richter Gaspedal haben Bestand.

Dabei hatten die Staatsanwaltschaft in der Sache selbst gute Karten. Die Richter am Oberlandesgericht stellten nämlich klar, dass sie keinen Grund sehen, von ihrer ständigen Rechtsprechung abzuweichen. Nach ihrer Auffassung gibt es mit § 100h Strafprozessordnung einen Paragrafen, der verdachtsabhängig geschossene Beweisfotos rechtfertigt. Bei der Vorschrift ist umstritten, ob sie als Rechtsgrundlage zur Verfolgung von Temposündern taugt. Immerhin hat der Gesetzgeber sie eigentlich geschaffen, um besser gegen Terroristen und die Mafia ermitteln zu können. Aber jüngst hat auch das Bundesverfassungsgericht erklärt, es sei zumindest nicht unvertretbar, sich bei Radarfotos auf den Paragrafen zu berufen.

Weiter hatte der Amtsrichter kritisiert, den Städten gehe es häufig gar nicht mehr um die Verkehrssicherheit; sie wollten nur ihre Kassen füllen. Auch diese Annahme reicht nach Meinung der Richter am Oberlandesgericht nicht, um Blitzerbilder als Beweismittel abzulehnen. 

Gescheitert sind die Rechtsbeschwerden letztlich, weil die Staatsanwälte nicht in der Lage waren, ihre Eingaben formal korrekt zu begründen. Das Oberlandesgericht sah die erhobenen Verfahrensrügen als unwirksam an. Konkret hätten die Staatsanwälte vergessen, die Beweisfotos in ihre Antragsschrift aufzunehmen oder zumindest zu schildern, was darauf zu sehen ist. Dies sei aber unerlässlich, um die hohen Hürden für eine Rechtsbeschwerde zu nehmen.

Allzu peinlich braucht den Bielefelder Staatsanwälten die Sache aber nicht zu sein. Auch Rechtsanwälte scheitern bei solchen Rechtsmitteln häufig an Verfahrensfragen. Dass das als streng bekannte Oberlandesgericht Hamm nicht Fünfe gerade sein lässt, bloß weil der Antrag mal von der “anderen Seite” kommt, ist für die ansonsten gequälten Anwälte,, zu denen ich mich auch zähle, ein kleiner Trost. 

Polizeidienst und Drogenbesitz beißen sich

Ein Polizeiangestellter kann gekündigt werden, wenn er Drogen herstellt oder diese in größerer Menge besitzt. Das Arbeitsgericht Berlin erklärte heute die Kündigung eines Behördenmitarbeiters im Objektschutz für wirksam. Bei dem Mann waren 266 Gramm “Liquid Ecstasy” gefunden worden. Es bestand der Verdacht, dass er die Betäubungsmittel mit dem Wirkstoff GHB selbst aufbereitet hat.

Das Land hatte den Mitarbeiter mit ordentlicher Frist gekündigt, nachdem die Staatsanwaltschaft ihn wegen eines Verbrechens angeklagt hatte. Die Besonderheit war hier, dass es keine Anhaltspunkte für Drogenkonsum oder sonstiges Fehlverhalten während der Arbeitszeit gab.

Das Arbeitsgericht meinte jedoch, der dringende Tatverdacht für eine Straftat reiche aus. Selbst wenn die möglichen Taten keinen direkten Bezug zur Arbeit hätten, sei der Polizei die Weiterbeschäftigung nicht zumutbar.

Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 29. März 2011, Aktenzeichen 50 Ca 13388/10

EU erhöht Grenzwerte für japanische Lebensmittel

Die EU zieht erste lebensmittelrechtliche Konsequenzen aus der Reaktorkatastrophe in Japan. Am 25. März wurden per Verordnung die Strahlengrenzwerte für Produkte erhöht, die aus den betroffenen Regionen Japans stammen. Ich wiederhole: Die Grenzwerte wurden erhöht. Auf diese enorm vertrauensbildende Maßnahme haben jetzt die Verbraucherorganisation foodwatch und das Umweltinstitut München e.V. hingewiesen.

Während Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner seit Tagen auf „verstärkte Kontrollmaßnahmen“ und „spezielle Schutzstandards“ verweist, werden die Grenzwerte offenbar schon den zu erwartenden Strahlenbelastungen angepasst.

Für Lebensmittel und Lebensmittelimporte gelten für Cäsium-134 und Cäsium-137 üblicherweise Höchstwerte von 370 Becquerel/Kilogramm für Säuglingsnahrung und Milchprodukte sowie von 600 Becquerel/Kilogramm für andere Nahrungsmittel (EU-Verordnung 733/2008). Mit der nun erlassenen Eilverordnung 297/2011 hat die Europäische Kommission diese Grenzen für Produkte aus den betroffenen japanischen Regionen deutlich heraufgesetzt: auf 400 Becquerel/Kilogramm für Säuglingsnahrung, auf 1000 Becquerel/Kilogramm für Milchprodukte und auf 1250 Becquerel/Kilogramm für andere Nahrungsmittel.

Bestimmte Produkte wie Fischöl oder Gewürze dürfen diesen Wert sogar um das Zehnfache übersteigen, also bis zu 12.500 Becquerel/Kilogramm belastet sein – ein 20-faches des bisherigen Limits.

Hintergrund für die Anhebung ist die nach der Tschernobyl-Katastrophe im Jahr 1987 erlassene EU-Verordnung 3954/1987. Demnach können im Falle eines „nuklearen Notstandes“ die Höchstgrenzen für die zulässige radioaktive Belastung von Lebensmitteln angehoben werden, um einer Nahrungsmittelknappheit vorzubeugen.

„Diese Regelung jetzt in Kraft zu setzen, ist absurd, denn es gibt in Europa keinen nuklearen Notstand und erst recht keine Nahrungsmittelknappheit. Importe aus Japan spielen für die Versorgungssicherheit der europäischen Bürger überhaupt keine Rolle“, erklärt Thilo Bode von foodwatch.

Die Organisationen betonen zwar, es gebe derzeit keinen Anlass zur Sorge, dass hochbelastete Produkte aus Japan großflächig im Handel auftauchen. Dies rechtfertige aber keinesfalls die Erhöhung der Grenzwerte, wie sie jetzt durch Artikel 3 Absatz 2 Spiegelstrich Nr. 3 der Eilverordnung geschieht. „Es ist nicht nachvollziebar, in der jetzigen Situation Grenzwerte für japanische Lebensmittel zu erhöhen, um sie in die EU einführen zu können“, erklärte Christina Hacker, Vorstand im Umweltinstitut München. Statt die Grenzwerte der Belastung anzupassen, müsse eher über einen Importstopp nachgedacht werden.

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Quelle des Fotos

Was man(n) auf dem Computer hat

Mann => Computer => Pornografie. Bei dieser Erkenntnis stütze ich mich nicht auf irgendwen, sondern auf den zuständigen Beamten in einer “deliktsübergreifenden Datenverarbeitungsgruppe” der Kriminalpolizei. Das sind jene Polizisten, die den ganzen Tag beschlagnahmte PCs überprüfen.

So ein Experte sieht natürlich viel und hat einen dementsprechend reichen Erfahrungsschatz. Mit diesem Hintergrund ging er wohl auch an die Festplatte eines Mandanten (Single!), dessen privater PC im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens beschlagnahmt wurde. Im Bericht liest sich das so:

Während der Untersuchung fiel auf, dass die Partition D frei von jeglichen pornografischen Darstellungen pp. ist. Dies ist auf der einen Seite genau so ungewöhnlich wie das Vorhandensein kinderpornografischer Dateien auf einem PC.

Dieses aus Polizeisicht verdächtig saubere System führt dann zu seitenlangen Spekulationen, ob der Beschuldigte vielleicht “trickst”, indem er sein wie auch immer geartetes Tun mittels eines aufgesetzten und somit spurlos arbeitenden Betriebssystems “verbirgt”, zum Beispiel mittels PXE-Boot.

Am Ende steht allerdings die Erkenntnis, dass man das sowieso nicht nachweisen kann. (Und wenn doch, so darf man anfügen, ist eine bestimmte Systemkonfiguration ebenso wenig strafbar wie die ständige Nutzung von Skype. Wobei letzteres ja auch oft argwöhnisch gesehen wird.)

Wir halten also fest: Ein paar legale Pornos sollten stets auf der Festplatte eines Mannes sein – schon um die Kripo nicht ins Grübeln zu bringen.