Ablaufdatum für Musik und Filme

Viele Abgemahnte wundern sich, woher die Musik- und Filmindustrie eigentlich ihren Namen und ihre Adresse hat. Die Lösung findet sich in einem Gerichtsbeschluss, welcher der Abmahnung meistens beigefügt ist. In diesem Beschluss hat das für den Provider des Abgemahnten zuständige Landgericht angeordnet, dass der Provider dem Rechteinhaber sagen muss, welchem seiner Kunden die festgestellte IP-Adresse zugeordnet war.

Diese Auskunft durchbricht faktisch das Telekommunikationsgeheimnis. Deswegen hat der Gesetzgeber gewisse Hürden aufgestellt. Herausgegeben werden dürfen nur Daten von Kunden, die in „gewerblichem Ausmaß“ Urheberrechte verletzt haben. Das bedeutet aber nach Auffassung der Gerichte nicht, dass der Filesharer selbst finanzielle Vorteile gehabt haben muss. Vielmehr reicht es für sie, wenn dem Rechteinhaber ein wirtschaftlicher Schaden entsteht.

Aber wann ist das der Fall? Das Oberlandesgericht Köln, zuständig für den größten Provider Telekom, hat seine Maßstäbe jetzt in einem aktuellen Beschluss noch einmal zusammengefasst.

Bei kommerzieller Musik bejahen die Richter ein gewerbliches Ausmaß regelmäßig in den ersten sechs Monaten nach Veröffentlichung. Das ist die „Abverkaufsphase“, in der die meisten Umsätze erzielt werden.

Sind diese sechs Monate vorüber, fordert das Oberlandesgericht Köln „besondere Umstände“, um eine Urheberrechtsverletzung noch als „gewerblich“ gelten zu lassen. Das kann der Fall sein, wenn ein Album noch in den „Top 50“ vertreten ist oder eine Singleauskopplung sich in den Charts hält.

Für Hörbücher und andere „nicht aktualitätsbezogene“ Werke legt sich das Gericht zeitlich nicht fest. Diese könnten sich durchaus auch länger als sechs Monate in der Abverkaufsphase befinden, je nach Verkaufserfolg und Umfang des Titels.

Bei Filmen wenden die Richter am Oberlandesgericht Köln ebenfalls die Sechsmonatsfrist an. Diese beginnt aber nicht schon mit dem Kinostart, sondern erst mit der DVD-Veröffentlichung.

Bei älteren Werken müssen die Rechteinhaber den Gerichten also genau darlegen, wieso die Urheberrechtsverletzung noch ein gewerbliches Ausmaß erreichen soll. Dies alles geschieht aber, bevor der Filesharer überhaupt angeschrieben wird. Bewilligt ein Gericht fälschlich die Herausgabe seines Namens und seiner Adresse, kann er selbst sich dagegen nicht mehr wehren. Er hat kein Rechtsmittel. Die Preisgabe der persönlichen Daten lässt sich also nicht rückgängig machen.

Trotzdem bleibt es natürlich ein gutes Argument gegen die Abmahnung selbst, dass die Urheberrechtsverletzung wegen des Alters der abgemahnten Titel jedenfalls kein gewerbliches Ausmaß hatte. Es lohnt sich also immer, das juristische Verfallsdatum der fraglichen Werke zu prüfen.

OLG Köln, Beschluss vom 27.12.2010 – 6 W 155/10

RapidShare gewinnt gegen Rechteinhaber

Der Filehoster RapidShare aus der Schweiz steht seit langem im juristischen Sperrfeuer der Musik-, Film- und Spieleindustrie. Nun hat das Unternehmen in einem Rechtsstreit vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf bestätigt erhalten, dass es sich ausreichend darum bemüht, Urheberrechtsverletzungen zu verhindern.

RapidShare hatte Berufung gegen eine Entscheidung des Landgerichts Düsseldorf vom März 2010 eingelegt, wonach das Unternehmen keine ausreichenden Maßnahmen ergriffen habe, um die Verbreitung des Atari-Computerspiels „Alone in the dark“ über seine Plattform zu verhindern. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat das ursprüngliche Urteil des Landgerichts Düsseldorf nun aufgehoben und die Klage abgeweisen.

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Düsseldorf hat RapidShare im konkreten Fall genug getan, um die illegale Verbreitung des Spiels zu verhindern. Weitere Maßnahmen, wie von der Klägerin gefordert, seien unzumutbar oder nicht zielführend.

So könne RapidShare beispielsweise nicht auferlegt werden, per Wortfilter alle Dateien aufzuspüren und zu löschen, in deren Dateinamen bestimmte Schlüsselbegriffe vorkommen. Hierdurch entstehe nämlich die Gefahr, dass auch legale Dateien gelöscht werden, deren Dateinamen die entsprechenden Schlüsselbegriffe enthalten. Auch eine manuelle Überprüfung von Inhalten, bei denen der Verdacht auf Rechtsverletzungen besteht, stehe wegen des damit verbundenen personellen Aufwands in keinem angemessenen Verhältnis zum Erfolg.

Atari hatte außerdem gefordert, dass RapidShare Suchanfragen in bestimmten Linksammlungen unterbinden solle. Das Gericht wies auch diese Forderung zurück, da RapidShare mit den genannten Websites in keinerlei Verbindung stehe und es dem Unternehmen folglich unmöglich sei, Einfluss auf deren Inhalte zu nehmen.

RapidShare-Anwalt Daniel Raimer: „Das Urteil zeigt einmal mehr, dass RapidShare ein völlig legales Angebot betreibt und Maßnahmen gegen den Missbrauch seiner Dienste ergriffen hat, die über das rechtlich gebotene Maß hinausgehen. Wir sind guter Dinge, dass sich diese Erkenntnis allmählich auch bei den Rechteinhabern durchsetzt.“

(Oberlandesgericht Düsseldorf, I-20 U 59/10)

Einer ist am Ende tot

Der Straftatbestand Totschlag heißt so, weil am Ende jemand tot ist. Daran dachte das Landgericht Bonn offenbar nicht, als es einer Frau im Urteil strafschärfend ankreidete, sie habe nicht nur ihren Gatten getötet, sondern durch die Tat auch ihren Kindern den Vater genommen.

Der Bundesgerichtshof merkt dazu trocken an, es gehöre nun mal „zu den regelmäßigen Tatfolgen eines vollendeten Tötungsverbrechens, dass der Täter den Angehörigen des Opfers Leid zufügt“.

Aufgehoben wurde die sechsjährige Freiheitsstrafe gegen die Frau letztlich aber wegen eines anderen Fehlers. Das Landgericht Bonn hatte der Angeklagten außerdem zur Last gelegt, der durch Beleidigungen und frühere Tätlichkeiten des Ehemanns ausgelöste tödliche Stich sei eine „völlig unangemessene Reaktion“ gewesen.

Dazu sagt der Bundesgerichtshof, mit einer Tötung auf Kränkungen zu reagieren, sei immer unangemessen. Allerdings dürfe das den Blick nicht darauf verstellen, dass Provokationen – der Ehemann hatte seine Frau ordentlich getriezt – grundsätzlich strafmildernd zu berücksichtigen sind.

Über das Strafmaß muss nun eine andere Kammer des Landgerichts Bonn neu entscheiden.

(Link zum Beschluss / gefunden im LexisNexis Strafrecht Online Blog)

Anlageprotokolle: Bloß nichts unterschreiben

Bereits seit dem 1. Januar 2010 müssen Banken über jede Anlageberatung zu Wertpapieren ein schriftliches Protokoll anfertigen und dem Privatanleger vor Vertragsabschluss aushändigen. Statt die Qualität der Anlageberatung dadurch zu verbessern, versuchen einzelne Anbieter mit den Protokollen nur ihr eigenes Haftungsrisiko zu minimieren. Dies hat die Verbraucherzentrale festgestellt. „So lange Anbieter Gesetze missachten und den Schutz vor Falschberatung sogar ins Gegenteil verkehren, sollte sich niemand zur Unterschrift drängen lassen“, rät Andreas Gernt, Finanzexperte der Verbraucherzentrale.

Die Verbraucherzentralen haben im vergangenen Jahr immer wieder festgestellt, dass viele Protokollvordrucke nicht die gesetzlichen Vorgaben erfüllen und stark verbesserungsbedürftig sind. Sofern überhaupt ein Protokoll ausgehändigt wird, entsprach der Inhalt auch nicht dem Inhalt des Beratungsgesprächs oder es wurde ein Produkt empfohlen, das nicht zum Anlageziel oder Risikoprofil des Kunden passte.

Hauptärgernis war allerdings, dass häufig Protokolle auch vom Kunden unterzeichnet werden mussten, obwohl der Gesetzgeber ausdrücklich bestimmt hat, dass nur der Anlageberater das Protokoll unterschreiben muss.

Deshalb weisen die Verbraucherzentralen nochmals darauf hin, dass die Unterschrift des Verbrauchers unter dem Beratungsprotokoll nicht erforderlich ist, auch nicht zur Bestätigung der Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben oder zum Empfang bestimmter Unterlagen. Andreas Gernt: „Jeder seriöse Anbieter wird Verständnis dafür haben, wenn ein Kunde die Aushändigung ohne Unterschrift verlangt, um sich den empfohlenen Vertragsabschluss nochmals in Ruhe überlegen zu können.“

Weitere Hinweise zum richtigen Umgang mit den Beratungsprotokollen bietet das Faltblatt „Beratungs- und Dokumentationspflichten bei der Anlageberatung“ der Verbraucherzentrale. Es kann hier heruntergeladen werden.

Unendlich erleichtert

Aus der Vernehmung eines Beschuldigten:

Seit dem Besuch der Polizei bin ich froh, dass diese Angelegenheit für mich erledigt ist. Hier muss ich nochmal sagen, auch in Absprache mit meinem Verteidiger, der mich insoweit unterstützt hat, dass ich das alleine nicht geschafft hätte. Ohne die Durchsuchung hätte ich weitergemacht und es ist gut, dass diese Durchsuchung bei mir stattgefunden hat, um mir das Ganze aufzuzeigen.

Ist halt immer Geschmacks- und Mentalitätsfrage, wie sehr man auf die Tränendrüse drückt. Auf den folgenden Seiten liefert der unendlich Erleichterte dann übrigens ungerührt seine „Kunden“, unter anderen meinen Mandanten, ans Messer, um sich einen kleinen Strafrabatt zu erkaufen.

Ob man sich am Ende der Vernehmung in den Armen lag, ist nicht festgehalten.

Nur ein Staatsanwalt

Zumal in der Weihnachtszeit gäbe es für den Wuppertaler Oberstaatsanwalt K. ein Geschenk – das er allerdings für eine Selbstverständlichkeit hält. Eine vermeintliche Belanglosigkeit ist es, die ihm bislang das Justizministerium versagt: die korrekte Amtsbezeichnung auf dem Dienstausweis. Ohne die wäre, beispielsweise, ein Hauptwachtmeister zwar ein Mensch mit Haupt, aber kein Meister der Wacht. Geschweige denn: einer ihrer Anführer.

Es geht also um den beruflichen Rang eines Menschen in einer Behörde, landläufig auch als Dienstgrad bekannt. Nun hat es allerdings der Landesregierung gefallen, dergleichen abzuschaffen. Korrekt: Es war der „Interministerielle Ausschuss für Organisationsfragen“, der diese Vorgabe für die neuen Dienstausweise gemacht hat.

Die Umstellung läuft auf Hochtouren, sie soll bis zum Ende nächsten Jahres abgeschlossen sein. Mittendrin traf es nun den Herrn K. – er ist einer von rund 14.700 in der Justiz, für die es einen dieser neuen Dienstausweis (zum Anschaffungspreis von je 3,10 Euro) gibt.

Allerdings nennt der Ausweis nur die „Funktionsbezeichnung“. Herr K. ist, folgerichtig, auf dem Ausweis kein Oberstaatsanwalt. Sondern gemäß seiner Funktion nur „Staatsanwalt“. So was fuchst ihn; er ärgert sich, fühlt sich nahezu entehrt. So sehr, dass er sich, soweit bekannt als einziger Justinzangehäriger bisher, bis hin zum Justizministerium beschwerte.

Vergeblich.

Wie steht er nun da, der Herr Ober, wenn er sich dann mal ausweist, ohne sein „Ober“? Ihm kann geholfen werden. Ein Blick auf die Rückseite des Ausweises bietet möglichen Trost. Da steht „Es wird ersucht, … dem Inhaber/der Inhaberin notfalls Schutz und Hilfe zu gewähren.“ (pbd)

Frohe Weihnachten

Ich wünsche allen Lesern des law blog frohe Weihnachten und erholsame Festtage.

Nur zur Erinnerung. Wir sind momentan im Urlaubsmodus; regulär geht es ab dem 4. Januar 2011 weiter.

Ex-Jugoslawen fragen nach Asyl

Sie kommen, frei von jeder Visumpflicht, in Gruppen aus Serbien und Mazedonien. Bürger aus diesen Ländern reisen in Bussen an – vorgeblich zu Besuch am Niederrhein und in Düsseldorf. Doch hier angekommen, ersuchen sie um Asyl und versuchen auch, sich dieses Recht auf juristischem Weg zu erstreiten. Am Verwaltungsgericht Düsseldorf sind Verfahren mit Bezug auf diese Herkunftsländer in den vergangenen sieben Monaten „explosionsartig angestiegen“.

Während im Mai die Verwaltungsrichter noch mit 20 neuen Asylverfahren beschäftigt waren, kamen im vorigen Monat 240 solcher Klagen gegen ablehnende Entscheide des Bundesamtes für Flüchtling rein.

„Wir mussten“, erklärt Behördensprecher Gerd-Ulrich Kapteina, „die zuständigen Kammern von einer auf drei aufstocken.“ Die Klagen selbst blieben letztlich meist erfolglos, auch weil sich die Sicherheitslage in den Herkunftsländern gebesssert habe.

Weil nun auch seit drei Tagen die Visumspflicht für Besucher aus Bosnien-Herzegowina und Albanien abgeschafft worden ist, könne sich die Belastung des Verwaltungsgerichts noch verschärfen. (pbd)

Beamter leidet an Frauenbild

Die E-Mail eines Dienstvorgesetzten hat bei einem Beamten einer Landesbehörde „krankhafte Gedanken und Impulse“ ausgelöst. Diese Mail zeigte im Anhang freizügige Fotos von Frauen „in anstößiger Art und Weise“. Der Vorgesetzte hatte die Mail als eine Art „Kettenbrief“ an seine Untergebenen geschickt.

Die Mail führte bei dem Beamten laut Feststellung seiner Ärzte zu Gefühlen und Vorstellungen, die vom ihm als unsinnig, übertrieben oder quälend erlebt werden. Sie führten, so jedenfalls ein medizinisches Gutachten, „regelhaft zu deutlicher Beeinträchtigung in den Alltagsfunktionen“.

Die Krankheit sei „sehr schambesetzt, quälend und immer wieder von Zweifeln bestimmt“. Aufgrund dieser Störungen klagte der Beamte gegen das Land Nordrhein-Westfalen und bekam Zustimmung vom Verwaltungsgericht Düsseldorf (AZ: 23 K 5235/07). Die E-Mail des Vorgesetzten habe eine Erkrankung ausgelöst, die als Dienstunfall zu werten sei.

Für die Behandlungskosten und Spätfolgen hafte demnach der Staat. (pbd)

Angeklagter redet 14 Stunden

Das dürfte eines der längsten letzten Worte gewesen sein, die je ein Angeklagter vor einem deutschen Gericht gesprochen hat. 14 Stunden redete ein Angeklagter in Freiburg – wohl aus Angst vor dem anschließenden Urteil.

Wie die Südwest Presse berichtet, war das Gericht wohl sehr geduldig. Wahrscheinlich, um sich keinen Revisionsgrund einzuhandeln, denn das letzte Wort des Angeklagten ist wichtig im Strafprozess.

Genutzt hat es dem Angeklagten aber letztlich wohl nicht. Er wurde zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt. Ob das Urteil ohne sein extrem langes Schlusswort günstiger ausgefallen wäre, ist nicht bekannt.

(Danke an @farbenstau für den Link)

Getrennt von Mann und Hund

Vom Ehemann lebt sie getrennt, doch vom Hund will die Frau nicht lassen. Sie will mit ihm wenigstens zweimal die Woche jeweils vier Stunden lang Gassi gehen – und so den zweieinhalb Jahre alten Vierbeiner, wie das juristisch heisst, „nutzen“.

Doch dazu hat sie nach Auffassung der Gerichte kein Recht. Und bekommt genau deswegen auch keine Prozesskostenhilfe mit der sie eventuell ein Verfahren zu diesem Thema hätte finanzieren können. Schon im Grundsatz hat das Oberlandesgericht Hamm (OLG) somit alle Wünsche der Dortmunderin erstickt. Die meinte, der bei ihrem Mann lebende Hund gehöre zum „Hausrat“, auf den sie – gesetzlich untermauert – einen „zeitlich begrenzten“ Anspruch habe.

Das hatte schon das Amtsgericht Dortmund verneint. Dieser Ansicht folgte nun auch der 10. Senat für Familiensachen beim OLG (AZ: II-10 WF 240/10). Der während der Ehezeit angeschaffte Hund bleibt damit, wie es vereinbart gewesen sei, nach der Trennung beim Ehemann. Der muss ihn auch nicht für Stunden herausgeben.

Einerseits gehe es beim Hund nicht, wie etwa bei einem Kind, um „die Befriedigung“ von Gefühlen und damit „um das Wohl“ des Betreffenden. Andererseits könne, rein rechtlich gesehen, der Hund zwar zum „Hausrat“ gehören – der sei aber zwischen Frau und Mann doch schon aufgeteilt gewesen.

Da komme eine nachträgliche „Nutzung eines Hausratsgegenstandes“ auch für ein paar Stunden in der Woche nicht infrage. Bevor sich der Senat mit seiner vierseitigen, kühlen Auslegung aller Vorschriften den Vorwurf einer gewissen Herzlosigkeit aussetzt, gelingt ihm zum Schluss noch eine naheliegende Weisheit: Dem Paar bleibe es ja losgelöst von der Gerichtsentscheidung unbenommen, im Interesse des Tieres noch eine Vereinbarung zu treffen. (pbd)

Ausweiskontrolle ja, aber nicht auf dem Revier

Die Polizei darf einen Bürger, der sich mit einem gültigen Personalausweis ausweist, an dessen Echtheit keine konkreten Zweifel bestehen, nicht für eine Personenfeststellung auf das Polizeirevier mitnehmen und dort vorübergehend festhalten. Das hat der 1. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg entschieden.

Die Richter gaben damit der Berufung einer Freiburger Stadträtin statt, die sich gegen ihre Mitnahme auf die Polizeiwache wehrte. Das Verwaltungsgericht Freiburg hatte die Maßnahme noch für rechtmäßig angesehen.

Die Stadträtin war in der Nacht vom 1. auf den 2. Mai in einer Gegend angetroffen worden, in der ein widerrechtliches Feuer angezündet und und mit Bierflaschen auf Polizisten geworfen worden sei. Wegen der Dunkelheit und des regen Kommens und Gehens im Bereich der Feuerstelle sei nicht klar gewesen, wie lange sich die Klägerin bereits am Feuer befunden habe und ob sie zu den Verantwortlichen für die Störungen gehörte. Die Polizei habe sie als „Anscheinsstörerin“ ansehen können, zumal sie eine Bierflasche in der Hand gehalten habe. Deshalb habe auch ihr Personalausweis kontrolliert werden dürfen.

Die Mitnahme der Frau auf das Polizeirevier und das Festhalten dort sei jedoch rechtswidrig gewesen. Die das Recht auf Freiheit der Person einschränkende „Sistierung“ sei nur zulässig, wenn die Identität sonst nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden könne. Der mit der Sistierung verbundene Eingriff in die persönliche Freiheit dürfe nur erfolgen, wenn dies zur Feststellung der Identität unerlässlich sei.

Hier folge die Rechtswidrigkeit der Sistierung schon daraus, dass die Personenfeststellung bereits am Ort des Geschehens erfolgt sei. Die Klägerin habe den Polizeibeamten ihren gültigen Personalausweis ausgehändigt. Konkrete Anhaltspunkte für dessen eine Fälschung oder sonstige Unstimmigkeiten hätten nicht vorgelegen. Damit habe die Klägerin ihre Identität zweifelsfrei belegen können.

Ein Datenabgleich zum Zweck der Identitätsfeststellung sei daher nicht erforderlich gewesen. Selbst wenn ein Datenabgleich erforderlich gewesen wäre, hätte dieser an Ort und Stelle stattfinden müssen. Das Polizeigesetz gebe den Beamten in diesem Fall nämlich nur ein Anhalterecht.

(Urteil vom 14. Dezember 2010, Aktenzeichen 1 S 338/10)

Abmeldung

Aufmerksamen Lesern wird nicht entgangen sein, dass ich nun sieben Monate am Stück in dieses Blog geschrieben habe. Die sonst übliche Urlaubspause im Spätsommer fiel aus. Wenigstens gab es für diese Selbstkasteiung keinen triftigen, womöglich noch unangenehmen Grund.

Nun ist es aber wieder so weit. Wenn der Winter nicht zu unerbittlich zuschlägt, werde ich in Kürze auf dem Weg in deutlich sonnigere Gefilde sein. Ob und was bis zum Jahreswechsel hier im Blog erscheint, kann ich derzeit noch nicht absehen. Ich werde mich auf jeden Fall melden, wenn mir was Berichtenswertes auffällt oder ich tatsächlich mal den Mut habe, eine komplette Mahlzeit mit gerösteten Heuschrecken und frittierten Maden zu gestalten.

Ich wünsche allen Lesern zunächst mal möglichst wenig vorweihnachtlichen Stress. Ab dem 4. Januar 2011 geht es im law blog in gewohnter Weise weiter.

Massenfreisprüche, die Begründung

Mit Massenfreisprüchen mutmaßlicher Temposünder sorgt ein Herforder Amtsrichter für Aufsehen. Jetzt ist eines der ersten Urteile veröffentlicht worden (PDF). Im wesentlichen hat der Richter zwei Argumente:

1. Es gibt nach wie vor keine Ermächtigungsgrundlage für Blitzerfotos.

Aus Sicht eines Betroffenen stellt sich die Anwendung dieses „Terroristenparagraphen“ jedoch als justizpolitische Katastrophe dar. Es dürfte einem normalen Kraftfahrer nicht zu vermitteln sein, dass er bezüglich der Anfertigung von Bildaufnahmen auf die gleiche Stufe wie ein Schwerverbrecher gestellt wird.

2. Tempomessungen sind nur an Gefahrenstellen zulässig. In Wirklichkeit wird meist nur noch wegen des Geldes geblitzt.

Das erkennende Gericht hat in den letzten Jahrzehnten bisher kein einziges Mal erlebt, dass eine Bußgeldbehörde irgendwelche Überlegungen zum Grund und
Anlass der Geschwindigkeitsüberschreitung aktenkundig gemacht hat. Wenn
insoweit Polizeibeamte oder die Messbeamten der Kommunalbehörden als Zeugen befragt wurden, kamen stets vage Auskünfte, es gebe dort einen „Unfallschwerpunkt“. Konkrete Einzelheiten dazu konnten die Zeugen jedoch niemals benennen.

(Danke an Dietz V. für den Hinweis)