Kein Abruf durch die abrufenden Stellen

ELENA, die seit Jahresanfang in Fahrt kommende Datenkrake im Bereich der Lohnabrechnung und Sozialversicherung, stellt die Zwangsbeteiligten natürlich nicht ganz rechtlos. So gibt es einen Auskunftsanspruch. Jedem Teilnehmer ist auf Verlangen mitzuteilen, welche Daten über ihn gespeichert sind (§ 103 Abs. 4 SGB IV).

Dummerweise scheinen sich die Behörden aber nicht in der Lage zu sehen, diesen Auskunftsanspruch auch zu erfüllen. So heißt es auf der ELENA-Homepage:

Im ELENA-Verfahren besteht ab 2010 für den Teilnehmer ein Anspruch auf Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten Daten. Eine Auskunft ist vor 2012 aber nicht realisierbar, da der Abruf durch die abrufenden Stellen erst ab 2012 möglich ist.

Aus datenschutzrechtlichen Gründen ist eine Öffnung des Verfahrens gegenüber Dritten ohne die Zwischenschaltung einer prüfenden abrufenden Stelle, also dem Vieraugenprinzip mit zwei Signaturkarten, nicht zu vertreten. Von daher wird es im Übergangszeitraum bis 1. Januar 2012 keine Auskunftsmöglichkeiten an die Teilnehmer geben.

Ein privates Unternehmen, das mit dem lapidaren Hinweis auf fehlenden technische Möglichkeiten beziehungsweise ein nicht ausgereiftes System seine Auskunftspflicht nach § 34 BDSG mal kurzerhand für zwei Jahre verneint, müsste wahrscheinlich zügig mit Verurteilungen, Zwangsvollstreckung und auch Bußgeldern rechnen.

Wenn man der Staat ist, setzt man den Datenschutz in Form des Auskunftsanspruchs halt einfach außer Kraft. Ob und inwieweit das haltbar ist, werden sicher bald die Gerichte entscheiden.

Nachtrag: Hier kann man sich an einer Verfassungsbeschwerde gegen ELENA beteiligen.

(Danke an Jupp Schugt für den Hinweis)

Anzahl berichtigt

Aus dem Bericht einer Kreispolizeibehörde:

Beim Verladen der Kartons auf ein Transportwägelchen wurde im Asservatenraum festgestellt, dass einer der Kartons geöffnet und leer war. Die Anzahl der sichergestellten LCD-Flachbildschirme musste von elf auf zehn Stück berichtigt werden.

Weiter ist, soweit ersichtlich, nichts passiert.

Monatliche Einkünfte

Nachdem das Amtsgericht ein Machtwort gesprochen hat, gab der zahlungsunwillige Arzt nun tatsächlich die eidesstattliche Versicherung ab. Durch ein Vögelchen war unserem Mandanten zugetragen worden, dass der Doktor in anderer Sache bei einem Gerichtstermin erscheinen muss. Eine günstige Gelegenheit für die Gerichtsvollzieherin, die den Arzt gleich verhaftete.

Für seine angeblich unglaublich angeknackste Psyche ist der Mediziner mit eigener Praxis übrigens erstaunlich leistungsfähig. Im Vermögensverzeichnis schreibt er:

Ich erziele als Arzt monatliche Einkünfte in Höhe von 20.000 € brutto.

Gleichzeitig räumt er ein, dass sämtliche Honorare von Privatpatienten aufs Konto seiner Tochter umgeleitet werden. Im nächsten Satz weist er dann darauf hin, dass künftige Honorare ab sofort auf ein „Notaranderkonto“ bei seinen Hausanwälten gehen.

Ich nehme an, er macht sich falsche Vorstellungen davon, wie pfändungsfest so ein „Anderkonto“ ist. Das werden wir jetzt mal als erstes testen, und dann geht die Strafanzeige gegen die Tochter wegen Beihilfe zum Vereiteln der Zwangsvollstreckung raus.

PS. Die Verhaftung hat keine offensichtlichen Schäden hinterlassen. Nach der eidesstattlichen Versicherung musste der Arzt schnell in die Praxis zurück. Die Patienten warteten bereits.

Weiße Weste für Katja Günther

Die Staatsanwaltschaft München hat das Ermittlungsverfahren gegen die Inkassoanwältin Katja Günther eingestellt, berichtet die Augsburger Allgemeine. Katja Günther gehörte zu den fleißigsten Juristen im Dienst der Betreiber von Abofallen im Internet. Über eintausend Strafanzeigen sollen gegen die Anwältin vorliegen.

Auf 26 Seiten legt die Staatsanwaltschaft nach dem Zeitungsbericht dar, warum Katja Günther keine Beihilfe zum Betrug geleistet, nicht genötigt und auch nicht erpresst habe. Nach Auffassung der Strafverfolger habe Katja Günther nicht wissen können bzw. müssen, dass die geltend gemachten Forderungen unbegründet sind. Außerdem müssten Bürger einem „gewissen Druck“ standhalten.

Ich habe auch gegen Katja Günther eine Strafanzeige erstattet, weil sie mir Betrugsabsichten unterstellte. So werden ich vermutlich zu den Empfängern des Einstellungsbescheides gehören.

Ich melde mich, wenn die Post von der Staatsanwaltschaft eingeht.

Amtsrichter darf nicht länger arbeiten

Ein Amtsrichter aus Neuss muss mit 65 Jahren in Rente gehen, obwohl er gern noch zwei Jahre drangehängt hätte. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf wies die Klage des Richters ab. Der Jurist hatte über die für ihn geltende Altersgrenze von 65 Jahren hinaus bis zum Ablauf des 67. Lebensjahres weiter beschäftigt werden wollen.

Zur Begründung führte das Gericht in der mündlichen Urteilsbegründung aus, die Festlegung der Altersgrenze sei durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt. Dieses Ziel seien eine angemessene Altersstruktur und eine hinreichende Vorhersehbarkeit der Personalplanung. Damit verstoße die Altersgrenze auch nicht gegen die Diskriminierungsrichtline der EU.

Der Richter habe auch keinen Anspruch darauf, dass auf seinen Antrag hin die Arbeitszeit individuell verlängert werde. Diese Regelung gelten zwar für Beamte, sei für Richter aber gerade nicht vorgesehen. Diese unterschiedliche Praxis diene dem Schutz der richterlichen Unabhängigkeit. Es solle jeder Anschein der Beeinflussbarkeit durch den Dienstherrn zu vermeiden.

Der Amtsrichter kann die Zulassung der Berufung beantragen.

(Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteil vom 8. März 2010, Aktenzeichen 13 K 6883/09)

Nachtrag: Bericht im Express

Unterschreiben Sie hier…

Die neugefassten Vorschriften der Strafprozessordnung über Festnahme und Untersuchungshaft kommen im Alltag an. Auch die Berliner Polizei verteilt, wie der Kollege Carsten Hoenig bildlich belegt, nun Formulare, in denen die Rechte des Beschuldigten in einigermaßen verständlichem Deutsch aufgelistet sind.

Die schriftliche Belehrung, für Ausländer in einer für sie verständlichen Sprache, ist seit Anfang des Jahres für die Ermittlungsbehörden Pflicht (§ 114b Strafprozessordnung). Das Formular muss unverzüglich nach der Festnahme ausgehändigt werden. Überdies muss der Beschuldigte natürlich auch Gelegenheit bekommen, den Text zu lesen.

Aktuell stellt sich die Frage, ob man einem Beschuldigten empfehlen kann, die Belehrung mit seiner Unterschrift zu bestätigen. Ich sehe keinen Grund, meine bisherigen Ratschläge zu ändern. Diese lauten: In so einer meist unglaublich stressbelasteten Situation nichts zur Sache sagen und schon gar keine Formulare unterschreiben. Was sonst schnell an unnötiger Selbstbelastung dabei herauskommt, haben wir ja erst vor einigen Tagen gesehen.

Das Gesetz nimmt auf das Recht des Beschuldigten zur Inaktivität Rücksicht. Es heißt nur, der Beschuldigte „soll schriftlich bestätigen, dass er belehrt wurde“. Er muss es aber nicht. Hält er sich an meinen Rat und lässt er es sein, darf ihm daraus kein Nachteil entstehen. Den Ermittlern bleibt nach § 114b Abs. 1 S. 4 Strafprozessordnung die Möglichkeit (und die Pflicht), die Unterschriftsverweigerung zu dokumentieren.

Überall hat sich die erweiterte Belehrungspflicht noch nicht rumgesprochen. Gerade im Bereich der Streifenpolizei geht es vielerorts munter weiter nach dem alten Schema. Ich hatte deshalb seit Jahresanfang schon mehrfach Gelegenheit, in Akten auf dem To-do-Zettel „Verwertungsverbot wegen § 114b StPO?“ zu notieren.

Ist halt so

Dürfen Verkehrssünder durch Video- oder Fotoaufnahmen überführt werden? Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, das eine fehlende gesetzliche Grundlage moniert, herrscht darüber großer Streit. Zuletzt hat sich das Oberlandesgericht Düsseldorf dazu geäußert – und einen auf der Autobahn gefilmten Autofahrer vom Vorwurf des Abstandsverstoßes freigesprochen.

Für andere Gerichte gilt dagegen, dass nicht sein kann, was nicht sein darf. Und so finden sich mitunter Begründungen, deren Abfolge nicht nur keine Logik aufweist, sondern fast schon komisch ist. Wie zum Beispiel diese Ausführungen des Amtsgerichts Rotenburg a. d. Fulda:

Liegt aber eine Verkehrsordnungswidrigkeit vor, verstößt das Fertigen des Lichtbildes zum Zwecke der Identifizierung des verantwortlichen Fahrzeugführers nicht gegen das Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen. Denn ohne das gefertigte Lichtbild wäre es nicht möglich, den Verkehrsverstoß zu ahnden. Dies wiederum würde den Polizeibehörden die Möglichkeit nehmen, ihrer gesetzlichen Aufgabe, Ordnungswidrigkeiten zu verfolgen, nachzukommen.

Ähnlich könnte man für die Folter auch formulieren…

(51 OWi – 36 Js 2020/10)

Auch Papst darf durch den Kakao gezogen werden

Die Verfügungen der Polizei gegen das 2006 in München beim Christopher-Street-Day mitgeführte „Papamobil“ waren rechtswidrig. Das hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof heute festgestellt und die Entscheidungen der Vorinstanz aufgehoben.

Die Kläger wollten am Christopher-Street-Day mit einem als „Papamobil“ bezeichneten LKW teilnehmen, auf dessen Ladefläche eine Puppe saß, auf deren Messgewand das doppelte Symbol für „männlich“ aufgestickt war. An den Seitenwänden des Lkw waren vier Plakate angebracht, auf denen jeweils Papst Benedikt XVI. zusammen mit kritischen Aussagen abgebildet war, unter anderem: „Homosexuelle Beziehungen sind zutiefst unmoralisch“ und „Homosexualität ist eine schwere Sünde!“

Auf allen Bildern war der Papst, dem eine Aids-Schleife an die weiße Soutane angeheftet war, mit einem übergezogenen Kondom am kleinen Finger der rechten Hand zu sehen. Auf zweien der Bilder waren Mund und Augen des Papstes geschminkt sowie die unter dem Pileolus hervorragenden hervorragenden Haare gefärbt.

Die Polizei ging von der Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts aus. Sie forderte die Verantwortlichen auf, die Papstpuppe unsichtbar auf der Ladefläche des Lkw zu verstauen und die Fotomontagen des Papstes zu entfernen. Das Strafverfahren gegen einen der Kläger hat die Staatsanwaltschaft eingestellt.

Anders als die Vorinstanz und die Polizei bewertete der Verwaltungsgerichtshof entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts das „Papamobil“ als satirische Kritik, die von der Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz gedeckt gewesen sei.

Angesichts des Anlasses, bei dem der Lkw mitgeführt werden sollte, sowie der textlichen Aussagen auf den Plakaten sei von einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit der Einstellung der katholischen Kirche und ihrem Oberhaupt zu homosexuellen Lebensweisen auszugehen. Diese Kritik sei im Rahmen der öffentlichen Meinungsbildung hinzunehmen.

Auch die satirische Einkleidung erfülle noch nicht den Tatbestand der Schmähkritik, weil es den Klägern um eine Auseinandersetzung um die Sache und nicht nur darum gegangen sei, die auf den Bildern dargestellte Person verächtlich zu machen. Die satirische Verfremdung der Bilder des Papstes sei so deutlich zu erkennen, dass ein unvoreingenommenes und verständiges Publikum nicht zu der irrigen Einschätzung gelangen könne, der Papst sei homosexuell oder empfehle homosexuellen Personen den Gebrauch von Kondomen.

Daher setze sich im die Meinungsfreiheit der Kläger gegen das Persönlichkeitsrecht
des Papstes durch.

(Bayer. Verwaltungsgerichtshof, Urteile vom 8.3.2010, Aktenzeichen 10 B 09.1102 und 10 B 09.1837)

Sind Sie beteiligt gewesen?

Mandant schickt mir ein Telefonprotokoll:

Anruf mit unterdrückter Rufnummer.

Meier: Meier.

Polizist stellt sich vor, sagt worum es geht, fragt ob ich der Fahrer war. (Keine Belehrung!)

Meier: Dazu möchte ich nichts sagen. Wenden Sie sich bitte an meinen Anwalt.

Polizist: Ich kann mich nicht direkt an Ihren Anwalt wenden, Sie bekommen dann Post. Wie Sie bereits gemerkt haben, müssen sie dazu auch nichts sagen. Sind Sie denn beteiligt gewesen?

Meier: Wie Sie gerade gesagt haben, muss ich dazu nichts sagen. Das möchte ich auch so machen.

Polizist wünscht schönen Tag.

Meier wünscht schönen Tag.

Telefonatende.

Vorbildlich.

Quelle: wulkan (www.wulkan-comic.de)

Hey, die haben mich umgesetzt

Der Reisebericht von Smallfire fängt ja prima an:

08:50 Uhr – Probleme am Ticketschalter – Timo meckert hinter mir und wechselt auf die andere Seite – gleiche Probleme bei ihm.

8:51 Uhr – Timo: “Hey, die haben mich auf einen anderen Platz gesetzt” – Ich: “Hey, mich auch!” – Bevor Timo schlimmeres anstellt und sich beschwert halte ich ihn zurück mit den Worten: “Schau dir das Ticket an und sei einfach ruhig. Einfach ruhig.”

8:55 Uhr – Business Class. Ich lehne den Sekt dankend ab und bestelle ein Glas frisch gepressten Orangensaft.

Richter lesen zu viel hinein

Aktion Ausländer-Rück-Führung
Aktionswochen 3. Juni – 17. Juni 2002
Für ein lebenswertes deutsches Augsburg
Augsburger Bündnis – Nationale Opposition

Mit diesem Plakat hatte ein Augsburger Verein geworben. Die Verantwortlichen wurden durch alle Instanzen wegen Volksverhetzung verurteilt. Zu Unrecht, wie das Bundesverfassungsgericht nun festgestellt hat. Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit sei unzureichend berücksichtigt worden.

Der Beschluss liegt auf der Linie der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach Volksverhetzung nicht leichtfertig bejaht werden darf. Das Gericht zeigt nochmals die strengen Voraussetzungen auf:

Soweit angenommen werden soll, dass der Gebrauch eines Grundrechts die Menschenwürde beeinträchtigt, ist eine besonders sorgfältige Begründung erforderlich. Ein Angriff auf die Menschenwürde ist nur gegeben, wenn der angegriffenen Person ihr Lebensrecht als gleichwertige Persönlichkeit in der staatlichen Gemeinschaft abgesprochen und sie als unterwertiges Wesen behandelt wird.

Die Strafrichter hätten der Aussage auf dem Plakat einen Sinngehalt gegeben, den das Plakat aus sich allein heraus nicht hat. In dem Plakat werde nicht die Minderwertigkeit von Ausländern ausgesprochen wie zum Beispiel durch die pauschale Zuschreibung sozial unerträglicher Verhaltensweisen oder Eigenschaften.

Eine solche Zuschreibung ergebe sich auch nicht aus der Bezeichnung „Ausländer“ in dem Wort „Ausländer-Rück-Führung“, das dem Begriffspaar „deutsches Augsburg“ und „lebenswert“ gegenübergestellt werde. Die Worte „Aktion Ausländerrückführung“ sagten dies ebenfalls nicht aus. Zwar mache das Plakat unmissverständlich deutlich, dass die Initiative der Beschwerdeführer Ausländer „rückführen“ will. Der Umfang und die Mittel,
ob nun beispielsweise durch Anreiz oder Zwang, werden jedoch nicht benannt.

Dem Plakat sei daher nicht ohne weiteres zu entnehmen, dass Ausländer entrechtet oder zum Objekt gemacht werden sollen beziehungsweise als rechtlos oder Objekt angesehen werden. Um zu einer diesbezüglichen Deutung des Plakates zu gelangen, hätten die Richter konkrete Begleitumstände benennen müssen, die dieses als unter den
Umständen einzig vernünftige Deutung hinreichend begründen. Das sei nicht geschehen.

Aus der Pauschalität einer verbalen Attacke dürfe auch nicht nicht ohne weiteres auf ein Verächtlichmachen geschlossen werden, das den Betroffenen ihre Anerkennung als Person abspricht.

Zum Beschluss vom 2. Februar 2010

Akten ablegen

Da fällt mir ein, ich muss bei Gelegenheit die Akten „Tor-Server-Betreiber ./. Bundesnetzagentur“ durchsehen, abrechnen und ablegen. Die Behörde hatte am Anfang noch mächtig Druck bei allen Tor-Server-Betreibern gemacht, derer sie habhaft werden konnte.

Da wurden schnell Bußgelder angedroht, sofern die Betreiber nicht innerhalb recht kurz bemessener Fristen Vorratsdaten erheben. Nach und nach schlief die Korrespondenz aber ein. Offenbar hatte sich in der Bundesnetzagentur jemand dafür entschieden, doch erst mal die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts abzuwarten.

So kam es gar nicht zu den angedrohten Bescheiden. Hätte die Bundesnetzagentur ihre Drohungen wahrgemacht, gäbe es jetzt wohl schon etliche Klageverfahren, die wegen der festgestellten Nichtigkeit der Normen nun alle für die Behörde verloren gingen.

Da hat ein kluger Kopf in der Bundesnetzagentur ordentlich Geld gespart. Und, was vielleicht noch wichtiger ist, gehörige juristische Schlappen und negative Publicity vermieden.

Die rätselhafte Anziehungskraft des Islamismus

Im sogenannten Sauerland-Verfahren ist heute das Urteil gesprochen worden. Die Presse berichtet groß darüber. Beim Staatsschutz-Senat des Düsseldorfer Oberlandesgerichts ist es in größeren Verfahren üblich, dass der Vorsitzende ein „Vorwort“ spricht. Dieses Vorwort möchte ich nachfolgend dokumentieren. Es handelt sich um das Manuskript, Abweichungen zum gesprochenen Wort sind deshalb möglich:

Mündliche Urteilsbegründung

Vorwort

Mit dem heutigen Urteil geht am nunmehr 65. Hauptverhandlungstag und nach einer Verhandlungsdauer von etwa zehn Monaten ein Verfahren zu Ende, dem ein Tatgeschehen zugrunde liegt, das seit der Festnahme der drei Angeklagten Fritz Martin Gelowicz, Adem Yilmaz und Daniel Martin Schneider am 4. September 2007 wie kein anderes Verfahren in den letzten Jahren zuvor im Blickpunkt der Medien und der Öffentlichkeit stand. Schon die ersten Verlautbarungen der Ermittlungsbehörden ließen erkennen, dass der möglicherweise größte Anschlag von islamistischen Terroristen in der Bundesrepublik Deutschland noch rechtzeitig verhindert werden konnte. Entsprechend groß war auch die Zahl der eingesetzten Kräfte bei der Observation und den sonstigen Ermittlungsmaßnahmen. Nahezu das gesamte gesetzlich vorgesehene Repertoire an Überwachungsmaßnahmen bis hin zur Wohnraumüberwachung kam zum Einsatz. Nach den ersten Erkenntnissen insbesondere aufgrund der Überwachung der in verschiedenen Fahrzeugen geführten Gespräche zwischen den Angeklagten Gelowicz, Yilmaz und Schneider sowie der Größenordnung des von Gelowicz gekauften Wasserstoffperoxids war die Sorge der Ermittlungsbehörden hinsichtlich eines außergewöhnlich gefährlichen und großen Anschlagsvorhabens mehr als berechtigt. Und in der Tat geisterte nicht nur in den Köpfen der Angeklagten, sondern auch in ihren Gesprächen untereinander die Vorstellung von einem Anschlag bzw. Anschlägen in der Größenordnung oder doch der Bedeutung eines “zweiten 11. September” herum.
Hätten die Angeklagten all das verwirklicht, was sie im Auftrag der in Waziristan, also im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet, ansässigen Islamischen Jihad Union (IJU) planten, einer ursprünglich usbekischen Terrorgruppe, so hätte es ein ungeheures Blutbad gegeben mit einer unübersehbaren Vielzahl von Toten und Verletzten vornehmlich unter US-amerikanischen Armeeangehörigen; aber auch Zivilisten wären unter den Opfern gewesen. Doch die Gefahr, dass die Angeklagten ihr Anschlagsvorhaben erfolgreich in die Tat umsetzen, konnte glücklicherweise von den Ermittlungsbehörden gebannt werden. Und zwar war es den Ermittlungsbehörden in einem recht frühen Stadium der Anschlagsvorbereitungen gelungen, das – später noch versetzt mit Mehl – als Sprengmittel vorgesehene Wasserstoffperoxid mit einer Konzentration von 35 % gegen ein solches mit einer ungefährlichen Konzentration von 3 % unbemerkt von den Angeklagten auszutauschen. Letztlich ist sogar nicht auszuschließen, dass das Anschlagsvorhaben infolge der überwiegend nicht funktionstüchtigen Sprengzünder nicht zur Umsetzung gekommen wäre – auch ohne das Einschreiten der Sicherheitsbehörden.

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