Justizadressen mit wenigen Klicks

Es gibt diverse Suchmaschinen, um die Kontaktdaten von deutschen Gerichten, Staatsanwaltschaften, Gefängnissen und anderen Justizbehörden zu finden. Ich persönlich nutze gerne das Orts- und Gerichtsverzeichnis der NRW-Justiz.

Die Suchfunktion ist übersichtlich, die Daten stets aktuell. Über die Selektionsmöglichkeit unten lassen sich die Daten außerdem filtern. Es wird also für den Ort nur die Behörde angezeigt, die man wirklich sucht. Die Suchergebnisse lassen sich überdies ohne großes Trara sauber ausdrucken.

OLG Düsseldorf kippt Videomessungen

Der 54-jährige Werner W. aus dem sauerländischen Wenden hatte vor fast zwei Jahren das übliche Pech im Straßenverkehr. Er war mit seinem Auto auf der A 3 in Richtung Köln unterwegs – und wurde bei Erkrath erwischt. Ein Polizeibeamter stand mit einer Videokamera samt Stoppuhr auf der Autobahnbrücke. Er stellte fest, dass W. bei einer Geschwindigkeit von 125 km/h den erforderlichen Mindestabstand von 62,5 Meter zum vorausfahrenden Fahrzeug nicht eingehalten hatte.

Deswegen verhängte das Amtsgericht Mettmann eine Geldbuße von 100 Euro und ein einmonatiges Fahrverbot. Dagegen ging W. an – und wurde jetzt vom 3. Senat des Oberlandesgerichts Düsseldorf (OLG) freigesprochen. Der rechtskräftige Beschluss nährt einmal mehr die Hoffnung abertausender Autofahrer. Denn er spricht Klartext. Wortwörtlich heisst es: „Bis zu einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage sind Videoüberwachungen zur Feststellung von Verstößen gegen den Mindestsicherheitsabstand und/oder gegen angeordnete Höchstgeschwindigkeiten unzulässig.“

Der Hintergrund ist eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom August vorigen Jahres. Das höchste deutsche Gericht hatte nach einer Geschwindigkeitsübertretung in Mecklenburg-Vorpommern verboten, einen Videofilm ohne ein Gesetz als Beweismittel zuzulassen.

Auf diesen Beschluss stützt sich auch der Düsseldorfer Strafsenat. So wie bei Erkrath ein Verstoß festgestellt worden ist, gehe es um den „systematisch angelegten Eingriff“ in die Grundrechte beinahe unzähliger Menschen. Eben um „massenhaft durchgeführte Überwachungen im Rahmen von standardisierten Verfahren“. Die erforderliche Rechtsgrundlage dafür fehle.

Zwar beruft sich das NRW-Innenministerium auf eine juristische Basis, deren Schwerpunkt in der Strafprozessordnung steht. Dort heisst es in Paragraf 100 h wörtlich: „Auch ohne Wissen der Betroffenen dürfen außerhalb von Wohnungen … Bildaufnahmen hergestellt werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes eines Beschuldigten auf andere Weise weniger erfolgversprechend oder erschwert wäre.“

Doch genau dieses Argument zerpflückt der OLG-Senat. Diese Vorschrift, so hält der Beschluss fest (AZ IV-3 RBs 8/10), „soll nach ihrem Sinn und Zweck in erster Linie der Bekämpfung von schwer ermittelbarer Kriminalität dienen“. Nicht also zur Verfolgung einer – meist nur fahrlässig – begangenen Ordnungswidrigkeit.

Demnach war der Polizeifilm, zusammengefasst, ein Verstoß gegen das vom Grundgesetz geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht. Gegen das Recht jedes einzelnen Menschen also, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden, und daher grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu bestimmen.

Der 54-jährige Werner W. war dazu vorher nicht gefragt worden. Er war auch nicht einverstanden mit der Brückenfilmerei. Das Fazit: Der Polizeibeamte hinter der Kamera hat illegal gehandelt. Was nun? Auch diese Frage beantwortet der Senatsvorsitzende: „Der zuständige Gesetzgeber ist gefordert, die vom Bundesverfassungsgericht angesprochenen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlagen zu schaffen.“

Mehr noch! Der Richter lässt zwar offen, ob die Grundsätze nicht auch für Videoüberwachungen und –aufzeichnungen aus fahrenden Überwachungsfahrzeugen und für ortsfeste und mobile Radar- oder Laserüberwachungsmaßnahmen gelten. Dazu bedürfe es für den vom OLG Düsseldorf beurteilten Fall „keiner Entscheidung“, sagt er. Er fügt aber hinzu: „Indessen dürfte die Fragestellung auch in diesem Zusammenhang von entscheidender Bedeutung sein.“ (pbd)

Der Beschluss ist hier nachzulesen

Von der Abschottung zur Redefreiheit

Das Recht der Untersuchungshaft ist zum Jahreswechsel grundlegend geändert worden. War dem Inhaftierten früher praktisch nichts erlaubt, müssen Beschränkungen jetzt ausdrücklich angeordnet werden. Die Telekommunikation kann nach dem neuen § 119 Strafprozessordnung zum Beispiel nur eingeschränkt werden, wenn „dies zur Abwehr einer Flucht-, Verdunkelungs- oder Wiederholungsgefahr (§§ 112, 112a) erforderlich ist“.

Telefonate mit dem Verteidiger, mal unterstellt er ist kein linker Vogel, müssten also problemlos möglich sein. Haftanstalten sind jedoch seit jeher auf konsequente Kommunikationsverweigerung angelegt. Um als Verteidiger mal mit einem Mandanten telefonieren zu können, bedurfte es nach dem früher geltenden Recht stets gnädiger Sozialarbeiter oder Pastoren. Die sind leider nicht zu üppig gesät.

Seit Jahresanfang beantrage ich stets, eventuelle Beschränkungen dahingehend zu lockern, dass mein Mandanten in angemessenem Umfang mit mir telefonieren darf. Das klingt ungefähr so:

Ich bitte darum, mir nicht überwachte Telefongespräche mit meinem Mandanten zu gestatten. Die Unterbindung von Gesprächen mit mir als Verteidiger ist nicht zur Abwehr einer Flucht-, Verdunkelungs- oder Wiederholungsgefahr erforderlich, so dass eine Beschränkung insoweit gemäß § 119 Abs. 1 StPO nicht erforderlich ist.

Die Justizvollzugsanstalt kann sicherstellen, dass lediglich ich mit meinem Mandanten telefoniere, indem die Verbindung über meinem Büroanschluss hergestellt wird bzw. ein Rückruf durch die JVA erfolgt. Ich bitte insbesondere auch zu berücksichtigen, dass die Justizvollzugsanstalt für mich weit entfernt liegt, so dass Telefonate die sachgerechte Verteidigung erheblich erleichtern.

Die Erfahrung mit den Staatsanwaltschaften, die jetzt meist für die Haftüberwachung zuständig sind, ist sehr gut. Bislang hat noch kein Strafverfolger ernsthaft versucht, mir Telefonate zu verwehren. Es gab zwar zwei, drei Rückfragen, ob das denn sein müsse und wie das praktisch laufen soll. Aber meist scheinen die Staatsanwaltschaften für das neue Recht gut gebrieft. Typisch sind freundliche Antworten, wie zum Beispiel gestern von der Staatsanwaltschaft Gera:

„… hinsichtlich der von Ihnen genannten Telefongespräche habe ich eine entsprechende Mitteilung an die JVA übersandt und Ihre Kanzleinummer angegeben.“

Was allerdings noch gar nicht klappt, sind die Telefonate selbst. Es bedarf in der Regel einiger nachdrücklicher Worte, bis ich den Mandanten wirklich in der Leitung habe. Oder auch mal angedrohter Petze beim Staatsanwalt oder dem Ermittlungsrichter.

Falls auch das nichts hilft, bleibt der Antrag auf gerichtliche Entscheidung, der gegen alle Beschränkungen möglich ist. Von diesen Anträgen musste ich erst einen formulieren, der hatte aber nichts mit einem Telefonierverbot zu tun.

Deutsches Presserecht für den Rest der Welt

Bei den Pressekammern an den Landgerichten Hamburg und Berlin knallen womöglich die Sektkorken. Und über zusätzliches Personal darf sicher auch bald nachgedacht werden. Denn eine erhebliche Ausweitung des Einsatzgebietes steht ins Haus: Waren die Kammern bislang nur dafür bekannt und berüchtigt, mit Hilfe des „fliegenden Gerichtsstandes“ die Presse- und Meinungsfreiheit in ganz Deutschland zu knebeln, kann an ihrem Wesen nun bald die ganze Welt genesen.

Denn deutsche Gerichte sind auch für Klagen gegen Veröffentlichungen im Internet zuständig, deren Urheber seinen Sitz im Ausland hat. Nur einen vagen Vorbehalt macht der Bundesgerichtshof in einer heute veröffentlichten Entscheidung: Die angegriffene Publikation muss „deutliche Bezüge“ zu Deutschland aufweisen.

Im entschiedenen Fall hatte jemand die New York Times wegen eines online veröffentlichten Artikels vor dem Landgericht Düsseldorf verklagt. In dem Artikel waren dem in Deutschland wohnenden Kläger Mafiakontakte nachgesagt worden. Der Bundesgerichtshof bestätigte ihm nun, dass sich die New York Times juristisch in Deutschland verantworten muss.

Die Zuständigkeit deutscher Gerichte bejaht der Bundesgerichtshof schon deswegen, weil es nahe liege, dass der Artikel in Deutschland zur Kenntnis genommen werde. Immerhin sei die New York Times weltweit bekannt und habe auch Leser in Deutschland.

Auch für die weitaus meisten Internetpublikationen, bis hinab zum Weblog, dürften sich ohne Probleme derartige Anknüpfungspunkte finden lassen. Jedenfalls gehe ich nicht davon aus, dass die Landgerichte Hamburg und Berlin übertrieben strenge Anforderungen stellen werden. Immerhin würden sie sich ja sonst die Möglichkeit entgehen lassen, nun auch im Ausland so wichtig und so unbeliebt zu werden, wie sie es in Deutschland schon lange sind.

Pressemeldung des Bundesgerichtshofs

Formvorschriften, hausgemacht

Das kommt als Auto-Reply, wenn man an die Staatsanwaltschaft Essen mailt und die Adresse auf dem Briefbogen verwendet:

Sehr geehrte Damen und Herren,

vielen Dank für Ihre E-Mail. Dieser Übermittlungsweg per E-Mail dient ausschließlich dazu, nicht formbedürftige Mitteilungen zu übersenden. In Rechtssachen können daher auf diesem Wege insbesondere keine Schriftsätze, Mitteilungen oder sonstige Einsendungen zu Verfahren übersandt werden, die anhängig sind oder anhängig gemacht werden sollen, da die Identität des Absenders nicht mit Sicherheit feststeht.

Bitte benutzen Sie deshalb in diesen Angelegenheiten in Ihrem eigenen Interesse die üblichen Übermittlungswege, insbesondere auch dann, wenn durch eine Mitteilung eine Frist gewahrt werden soll, da dies per E-Mail nicht möglich ist. Alle übrigen Anliegen werden an die zuständige Stelle weitergeleitet und bearbeitet.

Mit freundlichen Grüßen
Die Leitende Oberstaatsanwältin

Den letzten Satz finde ich bemerkenswert. Sollte in der Poststelle tatsächlich ein Löschbeamter sitzen, der ausgerechnet die wichtigen E-Mails (Schriftsätze zu Verfahren, Fristsachen) löscht und nur die unwichtigen Schreiben an die jeweilige Abteilung durchlässt? Ein umgekehrter Spamwächter, sozusagen.

Aber womöglich ist das auch nur etwas schräg formuliert. Ich fände es jedenfalls gut, wenn jede meiner Einsendungen zumindest bis zur zuständigen Stelle durchdringt. Die kann dann ja gerne pflichtgemäß entscheiden, was sie damit macht.

Nur am Rande: Die Formvorschriften sind originell ausgedacht bzw. von der Homepage eines Gerichts abgeschrieben. Auf letzteres deutet die Formulierung zu den Verfahren hin, die „anhängig“ gemacht werden sollen. Das passt gar nicht, wo doch gerade Strafanzeigen, die Verfahren bei der Staatsanwaltschaft normalerweise einleiten, überhaupt keiner Form bedürfen. Sonst müsste die Polizei ihre Internetwachen aber ganz schnell offline nehmen.

Tatsächlich gibt es keine gesetzliche Norm, die besagt, dass man sich in laufenden Verfahren bei der Staatsanwaltschaft nicht per E-Mail äußern darf und diese Eingaben deshalb – zumindest ohne Nachfrage – unberücksichtigt bleiben könnten. Nur Strafanträge und einige Rechtsmittel können möglicherweise unwirksam sein, wenn sie nicht schriftlich (d.h. zumindest per Fax) fristgerecht bei der Behörde eingehen.

Vorratsdatenspeicherung grundgesetzwidrig

Das Bundesverfassungsgericht hat die Vorratsdatenspeicherung soeben für verfassungswidrig erklärt. Zwar hält das Gericht eine Vorratsdatenspeicherung nicht für grundsätzlich unzulässig; die jetzige gesetzliche Regelung genüge jedoch nicht dem Grundrecht auf Telekommunikationsfreiheit.

Anscheinend stellt das Gericht, so die gerade laufende mündliche Begründung, maßgeblich auf die fehlende Sicherheit der gespeicherten Daten ab. Es fordert eine getrennte Speicherung von den laufenden Kommunikationsvorgängen, Verschlüsselung und transparente Kontrolle. Schon bei der mündlichen Verhandlung Ende letzten Jahres war klargeworden, dass das Gericht äußerst verwundert darüber ist, dass es praktisch keine Regeln dafür gibt, wie die enormen Datenmenge bei den Providern gespeichert werden.

Erneut wird betont, dass die Vorratsdatenspeicherung nur bei schweren Straftaten zulässig sein kann. Ebenso wie bei der Onlinedurchsuchung müsse es einen eng begrenzten Katalog schwerer Straftaten geben. Außerdem seien die Daten nur bei Gefahr für Leib und Leben verwendbar. Für eine solche Gefahr bedürfe es konkreter, nachvollziehbarer Anhaltspunkte.

Das Verfassungsgericht fordert für die unmittelbare Nutzung der Daten einen Richtervorbehalt. Es müsse Rechtsschutz gegen die Verwendung der Daten geben.

IP-Adressen könnten unter geringeren Voraussetzungen überprüft und Nutzerdaten herausgegeben werden.

Das Gericht kritisiert im einzelnen, dass das geltende Gesetz viel zu allgemein ist. Konkrete Straftaten seien nicht aufgeführt. Verwendungszwecke würden überhaupt nicht konkret genannt. Das führe zu einem offenen Datenpool, der notwendige Zusammenhang zwischen Speicherung und Nutzung gehe verloren.

Die gesamte Vorschrift ist nichtig. Alle erhobenen Vorratsdaten müssen unverzüglich gelöscht werden.

Der Gesetzgeber kann nun einen neuen Anlauf machen, ein neues Gesetz zu erlassen.

Nun liegt auch die Pressemitteilung vor.

Erst verwarnt, dann verschubt

Es geht um eine kleine Geschwindigkeitsübertretung für 35,00 Euro, aber auch um wichtige Rechtsfragen. Also ums Prinzip. Das Amtsgericht in Hessen schickt nicht nur die Ladung zum Verhandlungstermin, sondern auch gleich eine beredte Erklärung, wonach der Verkehrssünderbeschluss des Bundesverfassungsgerichts in unserem Fall nicht weiter hilft.

Da konnte ich ebenso flink mit der brandaktuellen Entscheidung eines Oberlandesgerichts antworten, welche die Rechtsauffassung der Bußgeldrichterin haarklein wiederlegt. Das Oberlandesgericht liegt allerdings in einem anderen Bezirk, so dass seine Argumente möglicherweise nicht ausreichendes Gehör finden werden.

Ebenso interessant wie der absehbare juristische Streit ist die Frage, ob wir eine Hauptverhandlung brauchen. Mein Mandant ist zwar nicht verhindert, kann aber nur erschwert anreisen. Er befindet sich nämlich in Untersuchungshaft und müsste sich, sofern er nicht Ausgang kriegt, an die 300 Kilometer „verschuben“ lassen.

Bevor ich mich darauf einlasse, werde ich auf jeden Fall klären, wer die möglicherweise happigen Kosten für diese Maßnahme trägt. Bin gespannt, ob man bei der Rechtsschutzversicherung darauf eine Antwort weiß. Dann bleibt noch zu ermitteln, ob der Mandant sich die Strapaze, im Justizbus über etliche Zwischenstationen zum Zielort zu tingeln, wirklich antun möchte.

Aber vielleicht hat die Richterin ja auch ein Einsehen und entscheidet ohne Hauptverhandlung. Ich habe es beantragt und hätte nichts dagegen – auch wenn ich gemütlich mit dem Auto anreisen kann.

Schwäbische Nächte sind trocken

In Baden-Württemberg gilt seit heute ein nächtliches Verkaufsverbot für Alkohol. Zwischen 22 und 5 Uhr dürfen weder Bier, Schnaps noch Wein verkauft werden, berichtet die Welt. Das Verbot gilt auch für Erwachsene. Ausgenommen ist der Ausschank in Gaststätten.

„Wir müssen den nächtlichen Alkoholgelagen und damit der Aggression und Gewalt ein Ende setzen“, rechtfertigte der zuständige Innenminister das Gesetz. Vorrangig geht es in den offiziellen Verlautbarungen um den Jugendschutz. Ziel soll es sein, die angeblich viel zu häufigen Saufgelage junger Menschen einzudämmen.

Mir scheint der Jugendschutz ein Deckmantel, mit dem den Menschen gewisse Moral- und Ordnungsvorstellungen von Leuten übergestülpt werden, welche die Zeit gern in die 50er oder 60er Jahre zurückdrehen möchten. Dem bereits jetzt sehr strengen Jugendschutz würde es besser tun, wenn man die geltenden Verkaufsverbote für Minderjährige einfach mal durchsetzt.

Dann wäre es auch nicht nötig, den Erwachsenen auf dem Kopf rumzutanzen.

Neun Euro – geschenkt

Das Amtsgericht Brühl nimmt es genau. Ich hatte in einem Fall, in dem die Staatskasse die Kosten zahlen muss, Fahrtkosten für 154 Kilometer abgerechnet. Darauf teilt das Gericht mit:

Abzusetzen waren 9,00 EUR Fahrtkosten. Die Entfernung Kanzlei – Amtsgericht beträgt aufgerundet 62 Kilometer x 2 = 124 Kilometer x 0,30 EUR ergibt 37,20 EUR.

Ich erinnere mich noch recht gut an den Tag. Das Wetter war winterlich; auf der A 57 und der A 1 gab es Staus. Das Navigationsgerät lotste mich um den Schlamassel herum, teilweise auch über Land und durch idyllische Dörfer am Rande Kölns.

Obwohl ich schon eine gute Stunde Fahrtzeit einkalkuliert hatte, kam ich 20 Minuten zu spät. Was aber nichts machte, denn der Anwalt in der Sache vorher war gleich eine dreiviertel Stunde zu spät gewesen und hatte dem Gericht entsprechenden Verzug eingebrockt. Ich konnte mit dem Mandanten also noch eine Weile gemütlich auf dem Flur sitzen.

Auf dem Rückweg war es ähnlich. Eigentlich bin ich überrascht, dass ich nur 30 Kilometer mehr gefahren bin als die Idealstrecke, welche das Gericht mit dem Falk Routenplaner akkurat ermittelt hat. Ich könnte jetzt natürlich die Verkehrssituation erklären. Aber leider bin ich nicht in der Lage, den tatsächlichen Weg darzulegen. Mangels eines nationalen Stauregisters und wegen eines Navis, in dem die Speicherung gefahrener Routen abgeschaltet ist. Letzteres übrigens aus guten Gründen. Jedenfalls wird mir das nicht in den nötigen Einzelheiten gelingen, wie sie das Amtsgericht Brühl erwarten dürfte.

Die neun Euro sind also geschenkt.

Ein besonders gröblicher Verstoß

Die Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts ist klar: Durchsuchungsbeschlüsse verlieren sechs Monate nach Erlass ihre Wirksamkeit. Durchsuchungen nach Ablauf eines halben Jahres sind rechtswidrig.

Nicht daran gehalten hat sich die Kriminalpolizei in Erfurt. Sie lief in der Wohnung meiner Mandantin ein und trug die Computer raus, obwohl der Durchsuchungsbeschluss mehr als zehn Monate auf dem Buckel hatte. Einzelheiten habe ich hier geschildert.

Auf meine Beschwerde gegen die Durchsuchung hat das Amtsgericht Erfurt einsilbig reagiert. Der Ermittlungsrichter bestätigte die Beschlagnahme. Die Beschwerde akzeptierte er nicht. Begründung: keine. Da entscheidet also ein Richter gegen die klare Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und hält es noch nicht mal für nötig, seine Beweggründe hierfür mitzuteilen. Es wird an der schrecklichen Arbeitsüberlastung liegen.

Nun musste sich das Landgericht Erfurt mit der Sache befassen. Das Gericht gab der Beschwerde statt, obwohl der Fall eine gewisse Besonderheit aufweist. Die Polizei hat nämlich, was sich zunächst nicht aus der Akte ergab, nach eigenen Angaben mehrfach durchsuchen wollen. Die Beamten wollen am 25. Juni, 7. Juli und 15. September 2009 vor Ort gewesen sein. Leider hätten sie niemanden angetroffen. Sie hätten die Tür nicht aufbrechen wollen, deshalb seien sie später wiedergekommen.

Diese (nachgeschobene) Rechtfertigung hielt die Staatsanwaltschaft für ausreichend. Motto: Es wurde ja innerhalb der Frist versucht zu durchsuchen, also durfte der Beschluss auch nach Ablauf der sechs Monate weiter vollstreckt werden. Klingt auf den ersten Blick nachvollziehbar, aber das Landgericht Gera geht der Staatsanwaltschaft nicht auf den Leim.

Ganz im Gegenteil, denn die Richter sehen in dem Verhalten der Polizei und der Staatsanwaltschaft gerade aufgrund der Begründung einen „besonders schwerwiegenden und willkürlichen Verstoß“ gegen die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts:

Es wäre Aufgabe der Staatsanwaltschaft bzw. der Kriminalpolizei gewesen, sich vor einer Durchsuchung am 10.12.2009 eine erneute richterliche Durchsuchungsanordnung zu besorgen. … Sowohl der Staatsanwaltschaft wie auch den ermittelnden Polizeibeamten musste klar sein, dass der Durchsuchungsbeschluss vorliegend älter als 10 Monate war. Ausgehend davon hätte auf diesen richterlichen Durchsuchungsbeschluss keine Durchsuchung mehr gestützt werden dürfen. Es handelt sich nach Auffassung der Kammer um einen Fall der gröblichen Verkennung des einzuhaltenden Richtervorbehaltes, zumal ganz zweifelsfrei ein Fall von Gefahr im Verzug nicht gegeben war.

Im Ergebnis schlägt der eigene Rechtfertigungsversuch der Staatsanwaltschaft auf diese zurück. Wegen der Gröblichkeit des Verstoßes hält das Landgericht Erfurt nicht nur die Durchsuchung für rechtswidrig. Das Gericht nimmt auch, was mangels einer fruit-of-the-poisonous-tree-Regel in Deutschland nicht ausgemacht ist, auch ein Beweiserhebungsverbot an. Deshalb müssen die beschlagnahmten Computer nun unausgewertet zurückgegeben werden.

(Landgericht Erfurt, Beschluss vom 19. Februar 2010, 7 Qs 21/10)

Quelle: wulkan (www.wulkan-comic.de)

Mal wieder was zu gewinnen

Die Kölner Band Pelemele macht seit 2001 Rockmusik. Die Zielgruppe ist speziell: Pelemele rockt für Kinder, live und aus der Konserve.

Bandmitglied Paulus Müller liest seit langem law blog. Die sporadische Erwähnung der Kanzleikinder war für ihn Anlass, drei Exemplare der neuen Pelemele-CD „Rockwürste“ springen zu lassen. „Rockwürste“ hat den Leopold-Preis (WDR 3, Verband der Musikschulen, Familienministerium) erhalten und war auch in den Lilipuz-Charts von WDR 5.

Wer eine der CDs gewinnen möchte, hinterlässt bitte bis zum 6. März 2010 einen Kommentar mit gültiger E-Mail-Adresse. Die Gewinner werden über die E-Mail-Adresse benachrichtigt und erhalten die CD frei Haus. Wer nicht gewinnt, dem wird bei amazon.de (MP3-Download), im Bandshop oder im Buchhandel geholfen.

Webseite der Band

Die Gewinner sind rr, Hendrik und FAK. Viel Spaß mit den CDs.

Was Erwiderungsfähiges

Was sich Anwälte und Richter mitunter so neben der Sache zu sagen haben, wurde auf einer Anwalts-Mailingliste zusammengestellt. Der Kollege Jens Hänsch zitiert einige Spitzen:

– Kommt noch ein Kollege – oder vertreten Sie?

– Herr Vorsitzender, haben Sie in dem Schriftstz etwas Erwiderungsfähiges entdeckt?

– Interessanter Gesichtspunkt. Beleidigt den Intellekt – aber interessant.

– Auf den Vorwurf des älteren Kollegen an den Jungen, er habe noch nicht die nötige Erfahrung: Graue Haare bekommt auch ein Esel

– Ihre Eitelkeit wäre für mich leichter zu ertragen, wenn sie nicht die meine verletzt hätte.

– Niveau sieht nur von unten wie Arroganz aus.

– Sie wissen gar nicht genug, um mir widersprechen zu können.

– Es gibt juristische Zeitgenossen, deren Zeitvorrat unerschöpflich und reziprok zum Vorrat an Fachliteratur und -Wissen scheint.

– Ich betrachte Ihr Urteil lediglich als Zulässigkeitsvoraussetzung für die Berufung.