Die eigene Abschiebung nicht gefördert

Mein Mandant ist afrikanischer Herkunft. Sein Asylantrag wurde abgelehnt. Er kann aber nicht in seine Heimat abgeschoben werden, weil ihm kein Land einen Pass ausstellt. Zunächst hat die Botschaft Sierra Leones abgewinkt. Mein Mandant gibt an, aus Sierra Leone zu stammen.

Später wurde er so gut wie zu jeder afrikanischen Botschaft in Deutschland gefahren. Seltsamerweise fand sich kein Land, das ihn als Staatsbürger akzeptieren wollte. Womit ihm also zumindest nicht nachzuweisen ist, dass er nicht aus Sierra Leone stammt.

Das hindert das Amtsgericht aber nicht, gegen meinen Mandanten einen Strafbefehl über eine Geldstrafe von 600,00 € zu erlassen. Wegen Verstoßes gegen das Aufenthaltsgesetz. Der Tatvorwurf: Mein Mandant habe keine zumutbaren Anstrengungen unternommen, um im Rahmen seiner, so wörtlich „Mitwirkungs- und Initiatvipflicht die Feststellungen der sierreleonischen Botschaft zu widerlegen und insoweit die für eine Abschiebung erforderliche Passbeschaffung zu fördern“.

Es wird interessant werden, welche Handlungen denn von meinem Mandanten im Rahmen seiner Initiativpflicht erwartet werden, um die Botschaft seines Heimatlandes davon zu überzeugen, dass er doch aus Sierra Leone kommt. Soll er den zuständigen Sachbearbeiter schütteln? Oder ihn bestechen? Einen Hungerstreik vor der Botschaft beginnen? Diplomaten als Geiseln nehmen?

Sehr freundlich ist auch, dass das Gericht meinem Mandanten gestattet, die Strafe in monatlichen Raten von 100,00 € zu zahlen. Das wird ihm allerdings auch nicht leicht fallen. Er kriegt vom Staat 1,91 € Taschengeld – pro Woche. Aber vielleicht nimmt die Justizkasse ja auch Lebensmittelgutscheine, und ich weiß es nur nicht.

Neue Arbeitsplätze

Neben der Frage nach Schuld oder Unschuld, der nach Einstellung oder Strafe gibt es in Ermittlungsverfahren auch ganz praktische Dinge zu regeln. Etwa, wie kommt der Beschuldigte wieder an beruflich oder privat benötigte, harmlose Daten, die sich auf beschlagnahmten Festplatten oder DVDs befinden?

Es gibt mehrere Wege. Der Beschuldigte bringt eine originalverpackte Festplatte mit zur Polizei. Oder die Polizei stellt gegen Kostenerstattung leere Datenträger. Auf die Festplatten werden dann die freigegebenen Daten kopiert. Mitunter macht sich auch die Polizei Kopien und gibt die Datenträger (und vielleicht sogar die Hardware) zurück. Das alles lässt sich normalerweise verhandeln, und fast immer findet sich ein gangbarer Weg.

In Brandenburg, so habe ich heute erfahren, sind derart unbürokratische Lösungen nicht mehr erlaubt. Dort geht das alles nur noch mit Formularen, unterschriebenen und abgestempelten Freigaben und Einschaltung von besonders verpflichteteten Sachverständigen. Diese „Sachverständigen“ machen die Kopien – und halten dafür natürlich die Hand auf. Unter 500 Euro Kosten laufe gar nichts, hieß es. Bei größeren Datenmengen könne es auch schnell sehr viel teurer werden.

Aber immer wieder schön zu sehen, wie Arbeitsplätze geschaffen werden.

Schlupfloch aus unliebsamen Verträgen

Wie kommt man aus unliebsamen Verträgen raus? Das Amtsgericht München weist einen unkonventionellen Weg, wenn Fitnessstudio, Telefonanbieter oder Zeitungsverlag auf Kündigungfristen pochen.

Dann kann der Kunde erwägen, künftig einfach bar zu zahlen. Zwar weist der im Juni letzten Jahres entschiedene Fall einige Besonderheiten auf. Es ging um die Kundin eines Sportstudios, die bei Anmeldung kein Konto hatte, anfangs bar bezahlen durfte, später aber zu Überweisungen und Vorauszahlungen gedrängt wurde.

Darauf ließ sich die Frau nicht ein. Zu Recht, meint das Amtsgericht, denn der Vertrag sehe nun mal keine Pflicht zur bargeldlosen Zahlung vor. Zumindest so lange nichts anderes vereinbart ist, hat der Kunde nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch das Recht zur Barzahlung – ein Grundsatz, der für jeden gilt.

Links 481

Sollte der Regierung irgendwann ein detailliertes Verzeichnis aller Bürger angeboten werden, die seit Jahren ihre Putzfrau schwarz bezahlen, sollte die Politik nicht mehr auf eine breite Zustimmung für den Datenkauf setzen

Regierung an Köhler: Wir wollen keine Internetsperren mehr

Verfassungsschutz zieht nicht in die Kölner Abhörzentrale

Literatur-Wunderkind soll abgeschrieben haben / „Mit der Sharing-Kultur des Internets aufgewachsen“

„Vodafone is fed up of dirty homo’s and going after beaver“

Pistol statt „Bristol“

„Tilgungsverordnung“ sorgt für weiße Weste

Ein Staatsanwalt der Paderborner Staatsanwaltschaft ist, wie berichtet, befördert worden, obwohl auf seinen privaten und dienstlichen Computern vor neun Jahren kinderpornografisches Material gefunden worden war. Die pikante Personalie hat das Justizministerium auf Anfrage bestätigt, spricht aber von einem „Routinevorgang“.

Seinerzeit gab es gegen den Beamten keine öffentliche Gerichtsverhandlung – das Ermittlungsverfahren war von der Detmolder Staatsanwaltschaft sang- und klanglos eingestellt worden. Der Beamte musste eine Geldauflage in Höhe von 6.000 Euro zahlen. Als er sich im vorigen Jahr auf die Stelle eines Gruppenleiters bewarb, hatte er bereits seit 2005 per „Tilgungsverordnung“ dienstrechtlich wieder eine weiße Weste und bekam von seinem Vorgesetzten eine sehr gute Beurteilung.

Nachdem der Generalstaatsanwalt in Hamm auch noch die Beförderung empfahl, entschied diese abschließend per Federstrich Jan Söffing (FDP), Staatssekretär des Justizministeriums. Dessen Sprecher Ulrich Hermanski erklärt: „Die Personalakte enthielt keinerlei Hinweise auf den Sachverhalt.“

Die mögliche Straftat oder ein Hinweis auf das Ermittlungsverfahren habe sich „aufgrund zwingender gesetzlicher Vorschriften“ zur Zeit der Beförderung in der Akte „nicht wiederfinden dürfen“. Weil das Disziplinarverfahren im Herbst 2002 abgeschlossen war, musste es, so die Auffassung des Ministeriums, aufgrund der internen Vorschriften drei Jahre später „getilgt“ sein.

Es sei, so Hermanski, weder möglich gewesen, die Beförderung zu versagen, sie sei auch nicht mehr rückgängig zu machen. Dennoch hat die Ernennung ein parlamentarisches Nachspiel. Die Landtagsabgeordnete Monika Düker (Grüne) will mit einer Anfrage von der Landesregierung wissen, wie die den Sachverhalt bewertet. (pbd)

Steuer-CD: Anzeige gegen Ermittler

Der Münchner Rechtsanwalt Günter Frhr. v. Gravenreuth hat Mitarbeiter der Wuppertaler Steuerfahdnung und alle, die für den Ankauf der Steuer-Sünder verantwortlich sind, Strafanzeige bei der Wuppertaler Staatsanwaltschaft erstattet. Hier seine Begründung:

Der Kauf der sogenannten „Steuer-CD“ mit gestohlenen Bankdaten umfasst ca. 1.500 Datensätzen aus der Schweiz. Die Übergabe soll in Frankreich erfolgen. Vier Steuerfahnder aus Wuppertal seien zu einem Geheimtreffen mit dem Informanten unterwegs, berichtet der „Focus“ unter Berufung auf Ermittlerkreise. Dem Datendieb sei an einem Treffen im Ausland gelegen, weil er in Deutschland mit einer Verhaftung rechnen müßte und die CD beschlagnahmt werden könnte.

1.500 Datensätze sind ein urheberrechtlich geschützten Datenbank (§§ 2, 87a UrhG). Spätestens das Auslesen dieser CD auf einem Computer stellt eine Vervielfältigungshandlung dar (§§ 16, 106 UrhG). Die Beschuldigten haben keine Rechte an dieser Datenbank. Angesichts des Kaufpreises von über 2 Mio. € ist von einer gewerblichen Verletzungshandlung auszugehen, so es keines Strafantrags des Rechteinhabers bedarf (§ 109 UrhG). Die Beschuldigten haben daher eine Raubkopie einer urheberrechtlich geschützten Datenbank erworben, bzw. an deren Erwerb mitgewirkt und diese vervielfältigt.

Sollte kein Auslesen dieser CD auf einem Computer erfolgen, diese Datensätze also nicht ausgewertet werden, so liegt für eine „nicht benutzbare“ CD kein Gegenwert von über 2 Mio. € vor. Mit dieser Zahlung wäre dann der Tatbestand der Untreue erfüllt.

Der Sachverhalt ergibt zumindest einen Anfangsverdacht i. S. v. § 152 II StPO für eine Vergeben gem. §§2, 87a; 16, 17; 106, 108a UrhG bzw. § 266 StGB.

Natürlich müssen (und sollen) die Finanzämter jedem Hinweis auf Steuerhinterziehung nachgehen. Dies ergibt aber kein Recht zu einer Urheberrechtsverletzung. Urheberrechte unterliegen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG. Von einer Einwilligung der Banken ist ja nicht auszugehen.

Nachtrag: Rechtsanwalt Thomas Stadler zu der Strafanzeige

Quelle: wulkan (www.wulkan-comic.de)

Beredt knapp

Der Fachanwalt für Strafrecht gegen einen betagten Rechtsanwalt, der schon vor seiner Advokatenkarriere als Richter am Oberlandesgericht durchs Paragrafen-Stahlbad gegangen ist. Es wurde von Anfang an mit harten Bandagen gefochten und auch etwas agitiert, wie schon in diesem Beitrag angemerkt. (Die Kommentare zum Eintrag sind, wie immer, auch lesenswert.)

Selbst eine begleitende Strafanzeige gegen meinen Mandanten, übrigens ebenfalls Anwalt, hat dem forschen Ex-Richter nicht den gewünschten Erfolg gebracht. Das Ermittlungsverfahren hat der Staatsanwalt kurzerhand mangels Tatverdachts eingestellt. Und jetzt weist das Amtsgericht auch noch die Klage auf Zahlung eines stattlichen Betrages ab. Die Urteilsbegründung aus der Hand des Amtsrichters fällt beredt knapp und pointiert aus.

Ich wage die Prognose, dass die Berufungsbegründung aus der Feder des Kollegen einen weiteren Blogeintrag wert sein wird.

Keine Halterhaftung für Internetzugänge

Filesharing urheberrechtlich geschützter Werke führt zu zivilrechtlichem Ärger. Die Rechteinhaber lassen Tauschbörsen überwachen. Sie mahnen ab und verlangen Schadensersatz. Ihre Schreiben sind regelmäßig an den Anschlussinhaber gerichtet, obgleich damit natürlich keineswegs feststeht, dass der Anschlussinhaber auch tatsächlich selbst in der Tauschbörse war.

Im zivilrechtlichen Bereich wird dann mit der Krücke der Störerhaftung gearbeitet und eine Halterhaftung für Internetanschlüsse konstruiert. Der Anschlussinhaber soll haften, weil er mit dem Internetanschluss (WLAN) eine Art Gefahrenquelle geschaffen und diese nicht ausreichend überwacht hat. Ob das juristisch durchgeht, ist eine Frage des Einzelfalls…

Im Strafrecht gibt es die Störerhaftung allerdings nicht. Deshalb ist hier die Ausgangssituation für den beschuldigten Anschlussinhaber wesentlich besser. Ihm muss nachgewiesen werden, dass tatsächlich er der Sünder ist – und nicht Partner, Kinder, Besucher oder gar ungebetene Mitbenutzer des Drahtlosnetzwerks.

Hierauf weist in einer aktuellen Entscheidung auch das Amtsgericht Mainz hin. Es sprach einen mutmaßlichen Tauschbörsennutzer frei, weil offen blieb, ob er oder ein Familienangehöriger illegal Material in einer Tauschbörse angeboten hat.

Interessant ist im entschiedenen Fall, dass der Zugang zum mutmaßlich benutzten Computer durch ein Passwort oder eine Verschlüsselung geschützt war, die nicht geknackt werden konnte. Das Amtsgericht Mainz sieht diesen Umstand, juristisch korrekt, als „neutral“ an und dreht dem Beschuldigten aus dem Verschweigen des Passworts keinen Strick. Vielmehr kommt der Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“ zum Zuge.

AG Mainz, Urteil vom 24.9.2009 – 2050 Js 16878/07.408ECs (Näheres auch hier)

Staatsanwalt macht Karriere – trotz Kinderpornos

Im Jahr 2002 fiel ein Staatsanwalt in Paderborn unangenehm auf. Auf seinen dienstlichen und privaten Computern wurden Kinderpornos gefunden. Das Verfahren wurde eingestellt – gegen Zahlung einer Geldauflage von 6.000,00 €. Das war damals schon ein sehr mildes Ergebnis. Und es ist nichts im Vergleich zu dem, was Kinderpornobesitzern heute blüht. Vor kurzem habe ich vor einem ländlichen Gericht zum Beispiel hart darum kämpfen müssen, dass ein Mandant in einem ähnlichen Fall überhaupt noch Bewährung erhielt. Das Gericht wollte ihn, den ansonsten unvorbelasteten Normalbürger mit Job, Wohnung und intakter Familie, am liebsten ins Gefängnis schicken.

Nun, sollte man denken, dürfte ausgerechnet ein Staatsanwalt mit einer solchen Vorgeschichte keine nennenswerten Karrierechancen mehr haben. Aber nicht in NRW, nicht in Paderborn. Der Staatsanwalt bewarb sich, wie die Neue Westfälische berichtet, letztes Jahr auf eine Stelle als Gruppenleiter – und erhielt den Zuschlag.

Sein Vorgesetzter, so heißt es, habe ihm eine sehr gute Beurteilung geschrieben. Aus der Personalakte seien alle Hinweise auf die Angelegenheit schon 2005 entfernt worden. Exakt nach den Vorgaben der „Tilgungsverordnung“, heißt es im für die Beförderung letztlich verantwortlichen Justizministerium. Von daher sei alles korrekt gelaufen. Dem Staatsanwalt habe sein damaliges Fehlverhalten gar nicht mehr zur Last gelegt werden dürfen. Ganz ahnungslos sollte die Beförderungskommission aber nicht gewesen sein. Immerhin hatte die örtliche Zeitung das Thema schon vor der Personalentscheidung aufgegriffen und im Ministerium nachgefragt.

Nur innerhalb der Staatsanwaltschaft soll es rumoren, berichtet die Neue Westfälische:

Viele Staatsanwälte finden es kaum erträglich, wenn einer ihrer Kollegen sich einer solchen Tat schuldig macht. Sie sind empört darüber, dass dieser Mann später sogar noch Karriere macht und in die mittlere Leitungsebene befördert wird.

Nachtrag: Der Fall beschäftigt jetzt auch den Landtag

Von Razzien und Osterhasen

Bei einer groß angelegten bundesweiten Aktion haben das Bundeskriminalamt und örtliche Polizeibehörden auch in 12 nordrhein-westfälischen Städten Bordelle und ähnliche Betriebe durchsucht. Ziel des BKA war es, Opfer von Menschenhandel aus Westafrika zu identifizieren und Hinweise auf Menschenhändler zu bekommen.

In Essen wurden unter 100 Frauen eine Nigerianerin des illegalen Aufenthalts verdächtigt, ihre Papiere waren aber in Ordnung. In Aachen wurden 9 Frauen aus Westafrika festgenommen, in Dortmund 5, im Krefelder Eros-Center 3. Nach der Anwerbung im Heimatland, so erklärte BKA-Präsident Jörg Ziercke, werden die Opfer in die Bundesrepublik eingeschleust, mit geeigneten Personaldokumenten versorgt und an Prostitutionsbetriebe vermittelt.

Die bisherigen Ermittlungen, so heißt es, lassen ein bundesweites Netz von westafrikanischen Zuhältern, eingeschleusten Prostituierten, Geldwäschern, Passverleihern, Dokumentenfälschern und Schleusern vermuten, das sich bis in das europäische Ausland erstreckt.

„Menschenhandel ist ein Kriminalitätsphänomen“, erläuterte Ziercke, „bei dem die Täter ein Abhängigkeitsverhältnis ausnutzen und ihre Opfer durch physische und psychische Gewalt gefügig machen. Viele der Opfer scheuen den Kontakt zu den Strafverfolgungsbehörden, so dass zahlreiche Straftaten im Verborgenen bleiben.“ Eine professionelle Opferbetreuung und die enge Zusammenarbeit mit Fachberatungsstellen seien von zentraler Bedeutung. (pbd)

Kommentar

Hurra, wir haben einige schwarze Frauen verhaftet!

Solche Erfolgsmeldungen lassen mich erschaudern.

Sicher, das Problem des Menschenhandels existiert. Es kann keinen Zweifel geben, dass ein guter Teil der bei uns tätigen Prostituierten afrikanischer Herkunft Reise- und Schlepperkosten abzahlen muss. Einher geht meist ein zumindest fragwürdiger ausländerrechtlicher Status.

Aber glaubt das Bundeskriminalamt ernsthaft, dass es mit Riesen-Razzien gegenüber den schwächsten Gliedern in der Kette das Problem auch nur ansatzweise löst? Die verhafteten Frauen wissen nichts Verwertbares über die Hintermänner und, das ist gerade bei afrikanischen Schleuserringen unübersehbar, die mächtigen Hinterfrauen.

Die Prostituierten haben ein, zwei Handynummern. Eine vom Anwalt, der ihnen gegenüber dem Ausländeramt hilft. Aber im übrigen auch nichts weiß. Unter der anderen Telefonnummer melden sich kleine Lichter wie die Frauen selbst, oft Sozialhilfeempfänger, Arbeiter mit Familie, die sich pro Monat 100 Euro dazu verdienen, indem sie sporadisch Nachrichten weitergeben. Oder auch mal Geld mit Western Union nach Afrika senden. Drahtzieher und Absahner, in Mafiakreisen wären das die Capos und Captains, sind noch durch mindestens ein, zwei weitere „Firewalls“ vom eigentlichen Geschehen abgeschottet. Von den großen Bossen wollen wir mal gar nicht reden. Obwohl man vielleicht öfter mit ihnen redet oder sie im Fernsehen sieht, als man sich das vorstellen kann.

Mit der neuen Razzia wird dasselbe Trauerspiel aufgeführt wie bei der Drogenkriminalität. Der kleine Junkie und Gelegenheitsdealer wird von der massierten Ordnungsmacht am Hauptbahnhof drei-, vier Mal im Monat festgenommen, es wird eine Akte angelegt und Manpower ohne Ende investiert – für bequeme Schreibtischarbeit. Am Ende stehen Einstellung, Bewährungsstrafe, die Therapie. Selbst die gelegentlich hochgejubelten großen Drogenfunde beruhen nur auf zufälligen Tipps, weniger auf systematischer Fahndungsarbeit. Aber auch die Kuriere halten nur den Kopf für die da oben hin.

Kann sich jemand an eine Erfolgsmeldung erinnern, dass das BKA oder eine sonstige Polizeibehörde Personen festgenommen hat, die solche kriminellen Strukturen beherrschen und sich die Taschen mit den Profiten vollstopfen? Gibt es nachvollziehbare Hinweise darauf, dass durch echte kriminalistische Arbeit tiefer gegraben wird als bis zur ersten Humusschicht?

Nein, denn richtige Polizeiarbeit ist aufwendig, teuer und sie erfordert einen Einsatz, der über das einmalige um Fünf-Uhr-Aufstehen für Haus- und Wohnungsdurchsuchungen bei den niederen Chargen hinausgeht. Richtige Polizeiarbeit würde insbesondere verdeckte Operationen im großen Stil bedeuten. Leider etwas, worüber sich nicht binnen 24 Stunden in Pressemeldungen strunzen lässt.

Wer dem BKA-Präsidenten glaubt, dass die Festnahme afrikanischer Prostituierter ein nennenswerter Schlag gegen den Menschenhandel ist, freut sich auch auf den Osterhasen.

U.V.

Bloß nicht diskutieren

Die Firma Antassia GmbH betreibt mit top-of-software.de eine der üblichen Abzockseiten. Auf der Suche nach kostenlosen Programmen (z.B. OpenOffice) verwechseln weniger aufmerksame Nutzer das Angebot mit einer üblichen Gratis-Downloadseite. Doch statt kostenloser Software erhalten sie eine zweijährige Mitgliedschaft aufgebrummt, die insgesamt 192,00 € kostet.

Es gibt bereits etliche Urteile, die den Abzockern bestätigen, dass sie keine Ansprüche geltend machen können. Laut den Gerichten kommt selbst dann kein Vertrag zustande, wenn die arglosen Surfer Namen und Adresse eingeben (aktuell zum Beispiel Landgericht Mannheim).

Kein Wunder, dass solche Läden alles daran setzen, die meist schockierten Rechnungsempfänger gehörig unter Druck zu setzen und zu schneller Zahlung zu bewegen. So heißt es bei der Antassia GmbH drohend:

Seit dem 01.01.2008 ist in Deutschland die Vorratsdatenspeicherung in Kraft getreten. Der Internetprovider … speichert die IP-Adresse, welche bei der Anmeldung übermittelt wurde. Unter Hinzuziehung des möglichen Anmeldezeitpunktes (siehe Rechnung) ist es den Ermittlungsbehörden möglich, die Adresse des Anschlussinhabers festzustellen. Sollte weiterhin kein Zahlungseingang erfolgen, behalten wir uns gerichtliche Schritte vor.

Klingt heftig, ist aber nur heiße Luft. Das Bundesverfassungsgericht hat angeordnet, dass Vorratsdaten nur zur Verfolgung schwerer Straftaten und zur Abwehr von Gefahren für Leib und Leben verwendet werden dürfen. Das Unrecht, dem sich die Abzockerfirmen von zahlungunwilligen Kunden ausgesetzt fühlen, ist schon mal keine Straftat, auf jeden Fall aber keine schwere.

Selbst wenn sich ein Staatsanwalt einer Anzeige der Antassia GmbH annähme (was wenig wahrscheinlich ist), wäre ein Zugriff auf die Vorratsdaten rechtswidrig. Kein Gericht, das sich an die Vorgaben des Verfassungsgerichts hält, würde die Herausgabe der Daten anordnen.

Überdies stünde auch dann nur fest, von welchem Computer aus die „Anmeldung“ erfolgte. Da die meisten Computer aber von mehreren Personen genutzt werden, ist das noch lange kein Beleg dafür, dass sich der vermeintliche Kunde selbst angemeldet hat.

Mit anderen Worten: Firmen wie die Antassia GmbH stoßen Drohungen aus, deren Substanz der Werthaltigkeit ihres Angebotes entspricht.

Entgegen den Empfehlungen mancher Verbraucherzentralen kann ich Betroffenen nur raten, sich gar nicht auf eine Korrespondenz mit diesen Läden einzulassen. Auf sämtliche Einwände, und seien sie noch so begründet, kommen als Antwort nur Textbausteine mit immer denselben Drohungen (Vorratsdaten, Schufa, Gerichtsvollzieher).

Am besten ist es, dieses Gesülze einfach zu ignorieren. Entgegen der beharrlichen wiederholten Ankündigung gerichtlicher Schritte passiert nämlich fast immer – rein gar nichts.

Sollte so eine Abzockerfirma tatsächlich mal einen Mahnbescheid beim Amtsgericht beantragen, kann man dagegen mit dem dann beiliegenden Formular einfach Widerspruch einlegen. Es wäre dann Sache der Abzocker, den Prozess in Gang zu bringen. Dazu müssten sie ihren Anspruch begründen und das Gericht von der Forderung überzeugen. Was wenig wahrscheinlich ist.

Bis zu einem Gerichtsurteil ist auch keinerlei Raum für Schufa-Einträge. Wobei die Schufa nach meiner Erfahrung solche Buden sofort rauswirft, wenn sie vom Geschäftsmodell erfährt. Auch der Gerichtsvollzieher kann erst kommen, wenn man vom Gericht zur Zahlung verurteilt worden ist. Ohne Urteil ist eine Zwangsvollstreckung nicht zulässig.

Nichtstun ist im Umgang mit Antassia & Co. also nicht der bequemste, sondern auch der beste Weg.

Schneematsch – juristisch eine klare Sache

So ein kleiner Schwupps kann große Wirkung haben. Autofahrer, die Fußgänger oder Radfahrer aus Versehen oder gar absichtlich mit Schneematsch bespritzen, müssen mit rechtlichen Folgen rechnen. Diese können bis zur Strafanzeige reichen. Den an sich harmlosen Fall vergleicht Jaqueline Grünewald vom ADAC-Bezirk Nordrhein in Köln mit dem Spritzer Rotwein aus dem Glas auf die Garderobe des Nachbarn. Das sei juristisch nun mal zumindest fahrlässiges Verhalten. „Der Fahrer haftet für den Schaden!“

Aber wie kommt jemand an den Verursacher? „Wenn das amtliche Kennzeichen bekannt ist“, so rät Grünewald, „bei der Polizei eine Anzeige wegen Sachbeschädigung erstatten.“ Fährt ein Rüpel mehrfach und absichtlich durch den Matsch, könnte es für ihn sogar eng werden. „Das wäre dann ja bewusst und gewollt“, erläutert Susanne Heusgen, Sprecherin der Polizei in Düsseldorf, „wir könnten nach einer Anzeige und einem Strafantrag wegen Verdachts der Sachbeschädigung ermitteln“.

Um Schadensersatz zu erlangen, lässt sich die Haftpflichtversicherung des Gegners einschalten. Diese lässt sich online beim Zentralruf der Versicherer erfragen. Den Halter selbst kann man beim jeweiligen Straßenverkehrsamt herausfinden. Dazu bedarf es eines Antrags, in dem „ein berechtigtes Interesse“ nachgewiesen wird, erklärt Peter Keulertz von der Düsseldorfer Stadtverwaltung. Gegen eine bundeseinheitliche Gebühr von 5,10 Euro werden der Halter und dessen Anschrift genannt.

Aber war es auch der Halter, der den Schaden verursacht hat? „Das muss im Zweifel derjenige beweisen, der das Nachsehen hat“, weiß die ADAC-Sprecherin.

Aller Ärger und sämtliche Mühen blieben erspart, wenn sich alle an die Grundregel der Straßenverkehrsordnung hielten: „Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht.“ Weiter: „Jeder Verkehrsteilnehmer hat sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.“ (pbd)

Kernsanierung

Kurze Mitteilung aus dem Maschinenraum:

lawblog.de läuft gut fünf Jahren in dieser WordPress-Instanz. Während zwischendurch zweimal die Hardware getauscht wurde, sind Teile der Software doch in einer eher gewachsenen Struktur.

In den nächsten acht Wochen wird es daher diverse Umbaumaßnahmen geben, durch die sich die Seite mehrfach eigenartig verhalten könnte, oder auch vorübergehend nicht erreichbar ist. Sollte es für Besucher hier andauernde Probleme mit der Erreichbarkeit oder ähnliches geben, bin ich für Feedback per Mail (fh-lawblogbaustelle@fholzhauer.de) dankbar.

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