Am Ende des Tages…

Aus bestimmten Gründen mussten wir in einem Rechtsstreit ein Versäumnisurteil ergehen lassen. Unsere Mandanten, die Kläger, wollten das Verfahren aber anschließend fortsetzen. Die Beklagte hatte über ihre Rechtsanwälte Widerklage erhoben und bekam im Versäumnisurteil den mit der Widerklage geltend gemachten Betrag zugesprochen.

Unser Hinweis, dass das Verfahren mit einem Einspruch gegen das Urteil fortgesetzt wird und doch bitte die endgültige Entscheidung des Gerichts abgewartet werden soll, beeindruckte den gegnerischen Rechtsanwalt nicht. Er schickte den Gerichtsvollzieher und ließ die Widerklageforderung bei unseren Mandanten eintreiben.

Neulich kam es dann zur abschließenden mündlichen Verhandlung. Die Richterin hatte eine klare Meinung. Die Klage ist begründet, an der Widerklage ist nichts dran. Am Ende stand ein Vergleich: Die Beklagte zahlt zwei Drittel der Klageforderung und verzichtet auf die Widerklage. Außerdem muss sie den vom Gerichtsvollzieher eingetriebenen Betrag erstatten – zuzüglich der hierdurch entstandenden Kosten.

Interessant an der Sache ist: Man musste nicht unbedingt Jurist sein, um zu ahnen, dass es am Ende auf so ein Ergebnis hinausläuft. Das hätte einem auch der gesunde Menschenverstand sagen können. Ich würde gern wissen, wie der Kollege seiner Mandantin das Ergebnis „verkauft“ hat, insbesondere die offensichtlich vermeidbaren Mehrkosten.

GBL-Razzia: Durchsuchungsbeschlüsse mangelhaft

In der letzten Woche wurden rund 600 Wohnungen durchsucht. Gemeinsam war den Betroffenen nur, dass ihre Namen in der Kundendatei zweier Chemikalienhändler auftauchen und dort auch Bestellungen verzeichnet sind.

Es geht unter anderem um die Industriechemikalie GBL, aber auch um andere Substanzen. Das Amtsgericht Verden (Aller) hat eine Vielzahl der Durchsuchungsbeschlüsse erlassen. Soweit sich Betroffene an mich gewandt haben, ist festzustellen: Die Beschlüsse sind wortgleich, kurz und nach meiner Meinung schon deshalb rechtswidrig.

Die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts an Durchsuchungsbeschlüsse sind eindeutig:

1. Die Tathandlung muss, wenn auch nur kurz, konkret dargestellt werden.

Die Durchsuchungsbeschlüsse enthalten lediglich nur die Feststellung, der Beschuldigte habe an einem genannten Datum online Stoffe bezogen, die zur Herstellung von Betäbungsmitteln in nicht geringer Menge geeignet und bestimmt seien.

Der Beschluss nennt keinerlei Einzelheiten zum Bestellvorgang, zur Art und Menge der bestellten Chemikalien und zu den Modalitäten der Lieferung. Diese Angaben wären aber notwendig. Ebenso notwendig wäre eine Darlegung, warum und unter welchen Umständen die Stoffe zur Herstellung von Betäubungsmitteln geeignet sind.

2. Es muss dargelegt werden, warum sich der Beschuldigte mit der Tathandlung strafbar gemacht haben könnte.

Das Amtsgericht sagt lediglich, die Stoffe seien zur Herstellung von Betäubungsmitteln bestimmt. Hierdurch wird wohl ausgedrückt, der Beschuldigte habe den notwendigen Tatvorsatz gehabt. Aus welchen tatsächlichen Anhaltspunkten sich dieser Vorsatz aber ergeben soll, wird mit keinem Wort erklärt und schon gar nicht individuell ausgeführt.

Das ist in den vorliegenden Fällen aber unbedingt nötig. Der Kauf der Chemikalien als solcher war – soweit absehbar – legal, da diese Stoffe keiner Verkaufsbeschränkung unterliegen. Es gibt lediglich das sogenannte „Monitoring“, in dessen Rahmen die Personalien der Kunden überprüft und die Bestellmengen festgehalten werden. Den Betroffenen war also bekannt, dass ihre Bestellungen festgehalten werden.

Woraus sich aus einer legalen Handlung und dem Wissen, dass man erfasst ist, nun herleiten lässt, der Kunde wolle mit den Chemikalien Drogen herstellen – hierüber findet sich im Durchsuchungsbeschluss kein Wort.

3. Der Durchsuchungsbeschluss muss erkennen lassen, dass sich das Gericht mit dem konkreten Fall auseinandergesetzt hat.

Hiervon ist nichts zu bemerken. Außer dem Bestelldatum, dem Lieferort und dem Namen des Verkäufers finden sich keine individuellen Angaben im Durchsuchungsbeschluss, der insgesamt noch nicht einmal eine Textseite ausmacht. Es sind offensichtlich Textbausteine verwendet worden.

4. Letztlich muss der Beschluss erkennen lassen, dass die Verhältnismäßigkeit geprüft wurde.

In dem Beschluss findet sich noch nicht einmal die sattsam bekannte, aber ebenfalls ungenügende Floskel, die Verhältnismäßigkeit sei gewahrt.

Dabei hätte es hier besonderen Anlass für eine Prüfung gegeben. Immerhin wird aus einer legalen Handlung der Verdacht einer Straftat, noch dazu eines Verbrechens (!) hergeleitet. Wie das gehen soll, müsste dem Betroffenen schon erklärt werden.

Es spricht vieles dafür, dass die Durchsuchungsbeschlüsse schon aus den dargelegten Gründen angreifbar sind. Das kann insbesondere für Betroffene wichtig sein, bei denen „Zufallsfunde“ gemacht wurden, die mit dem eigentlichen Vorwurf gar nichts zu tun haben.

Möglicherweise führen die Mängel der Beschlüsse zu Verwertungsverboten. Aufgefundene Beweismittel, insbesondere Zufallsfunde, könnten dann nicht gegen den Beschuldigten ins Feld geführt werden.

Wir haben bereits in mehreren Fällen Beschwerden gegen die Durchsuchungsbeschlüsse eingelegt und gleichzeitig bei der zuständigen Staatsanwaltschaft Akteneinsicht beantragt. Über die Beschwerden muss das Landgtericht entscheiden. Möglich sind dann letztlich auch Verfassungsbeschwerden.

Die Akteneinsicht wird zeigen, ob es neben den mangelhaften Durchsuchungsbeschlüssen noch weitere Kritikpunkte gibt.

Filesharer: Bagatellklausel in Kraft

Wie dem Bundesgesetzblatt zu entnehmen ist, tritt am 1. September der neue § 97a Urheberrechtsgesetz in Kraft. Er schützt die „kleinen Fische“ unter Filesharern vor überzogenen Anwaltskosten:

§ 97a Abmahnung

(1) Der Verletzte soll den Verletzer vor Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens auf Unterlassung abmahnen und ihm Gelegenheit geben, den Streit durch Abgabe einer mit einer angemessenen Vetragsstrafe bewehrten Unterlassungsverpflichtung beizulegen. Soweit die Abmahnung berechtigt ist, kann der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangt werden.

(2) Der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen für die Inanspruchnahme anwaltlicher Dienstleistungen für die erstmalige Abmahnung beschränkt sich in einfach gelagerten Fällen mit einer nur unerheblichen Rechtsverletzung außerhalb des geschäftlichen Verkehrs auf 100 Euro.

Was ist ein einfacher Fall? Woran erkennt man eine nur unerhebliche Rechtsverletzung? Wann handelt jemand im geschäftlichen Verkehr? Auch wenn die Rechtsprechung diese Fragen erst noch beantworten muss, wird es für die Abmahnindustrie sicherlich schwieriger, ihre ruinösen Streitwerte durchzusetzen.

Der Richter und das Recht

Ein Düsseldorfer Amtsrichter hat seine ganz eigene Meinung zur Heizkostenerfassung. In einem Hinweisbeschluss schreibt er:

Die Beklagte mag bei der von ihr angestrebten Abrechnung berücksichtigen, dass diese die Heizkosten generell erhöht. Die Verbrauchserfassung veranlasst Kosten, die auf den Mieter umgelegt werden können. Die durch die Verbrauchserfassung ermittelten Werte geben den tatsächlichen Verbrauch ebenso wie die Erfassung nach dem Flächenmaßstab nicht korrekt wieder. Sie sind ebenfalls lediglich angenäherte Werte.

In erster Linie nützt die Verbrauchserfassung den Firmen, die damit ihr Geld verdienen und von den Wohnungsnutzern bezahlt werden müssen. Insgesamt wird das Wohnen durch die Verbrauchserfassung teurer. Die Beklagte mag deshalb im eigenen Interesse überlegen, ob sie eine Erfassung der Heizkosten nach dem Flächenmaßstab nicht generell tolerieren will.

Sicherlich kann man das alles so sehen. Aber die Heizkostenverordnung ist nun mal geltendes Recht. Sie verpflichtet in § 4 Vermieter dazu, die Heizkosten verbrauchsabhängig abzurechnen. Selbst vertraglich können Vermieter und Mieter hierauf nicht verzichten (§ 2).

Ein kleines Beispiel dafür, wie egal das geltende Recht manchen Richtern sein kann, wenn es nicht mit ihren persönlichen Ansichten übereinstimmt.

Ohne jede Substanz

500 Euro Missbrauchsgebühr muss ein Rechtsanwalt bezahlen, weil er eine offensichtlich sinnlose Verfassungsbeschwerde einlegte.

Gegen den Rechtsanwalt war ein Bußgeldbescheid ergangen, weil er den im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung erforderlichen Entgeltnachweis für das Jahr 2005 nicht oder nicht rechtzeitig eingereicht habe. Auf seinen Einspruch hin bestimmte das Amtsgericht Termin zur mündlichen Verhandlung. Dieser Termin wurde auf Antrag des Beschwerdeführers mehrfach verlegt.

Als sich die Amtsrichterin, nachdem sie mit dem Beschwerdeführer persönlich einen Termin vereinbart hatte, weigerte, den vereinbarten Termin erneut zu verlegen, lehnte der Beschwerdeführer sie wegen Befangenheit ab. Sein Ablehnungsgesuch hatte keinen Erfolg. Da der Beschwerdeführer zu dem festgelegten Verhandlungstermin nicht erschien, verwarf das Amtsgericht seinen Einspruch gegen den Bußgeldbescheid.

Die 2. Kammer des Zweiten Senats hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Zugleich hat sie dem Beschwerdeführer eine Missbrauchsgebühr von 500 Euro auferlegt, weil die von ihm vorgebrachten Rügen ohne jede verfassungsrechtliche Substanz sind und die Anrufung des Bundesverfassungsgerichts deshalb für den Beschwerdeführer erkennbar offensichtlich aussichtslos war.

Verwahrt, auch im nächsten Jahr

Bei einem in der forensischen Psychatrie verwahrten Mandanten steht die jährliche Prüfung an, ob die Unterbringung zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Der Ausgang ist – leider – jetzt schon klar, auch wenn die Mutter schreibt:

Bitte holen Sie meinen Sohn raus. Ärzte können und dürfen doch nicht alles machen, was sie wollen, oder?

Sie können, jedenfalls zusammen mit einem Richter. Wobei man in dem Fall aber sagen muss, dass es nachvollziehbare Gründe gibt für den Aufenthalt in der Klinik gibt. Schade ist aber, dass praktisch nichts dafür getan wird, die Ursachen für die Unterbringung zu beseitigen. Für die notwendige Einzelbehandlung, intensive Betreuung, Anleitung und Begleitung fehlen offenbar die Möglichkeiten.

Verwahrung statt Therapie, das ist in diesem Fall leider die traurige Wahrheit. Ich werde erneut vorschlagen, es in einer anderen Klinik zu probieren. Aber leider habe auch ich noch keine gefunden, die dem Betreffenden mehr Perspektiven bietet.

Hoffnung auf die Melde-Welle

Ein V-Mann des Bundesnachrichtendienstes hat bekanntlich für eine DVD voller Steuerhinterziehungsdaten wenigstens vier Millionen Euro eingestrichen – diese Meldung hat der Diplom-Kaufmann Jörg Sprave (43) nicht nur aufmerksam gelesen, er hat sie für sich und seine beiden Gesellschafter auch gründlich umgesetzt. Die Firma Steuerverrat GbR ruft im Internet dazu auf, ihr Steuersünder zu melden.

Mit diesem Wissen will das Trio freilich nicht vorrangig der deutschen Rechtspflege dienen. Die drei wollen schlichtweg Kasse machen. Die Liechtenstein-Affäre, so erzählt Sprave freiweg, habe ihn auf die Idee gebracht. Mit seinem Bruder Hartmut Sprave, einem Diplom-Physiker, und dem 53-jährigen Willi Mattutat gründete er kürzlich die Gesellschaft in Hagen. Einziges Tätigkeitsfeld: Die Vermittlung von Beweismaterial im Bereich der Steuerhinterziehung.

Darüber sind inzwischen auch schon ein Dutzend Staatsanwaltschaften schriftlich informiert worden und bundesweit rund 200 Finanzämter. Denn von solchen Behörden wird eine Zusammenarbeit erwartet. Sie sollen die Hinweise bekommen, die das Trio selbst aus trüben Quellen sammelt. Mit dem einzigen Ziel: die Belohnung durch den Staat. „Es gibt noch keinen Hinweis einer Behörde, dass es keine Zusammenarbeit gibt“, erzählt Sprave hoffnungsfroh.

Und nahezu stolz ist er auch darauf, dass die Gesellschaft schon 17 Hinweise bekommen hat. Er hofft auf eine Melde-Welle und setzt dabei konsequent auch auf niedrige Instinkte: „Es gab ja auch schon Rachefälle betrogener Ehefrauen oder entlassener Mitarbeiter“.

Im Internet wird mit Schlagzeilen gezielt und unverblümt nach Informanten gesucht: „Sie haben Kenntnis über einen Fall der Steuerhinterziehung? Sie besitzen vielleicht sogar Beweise? Sie möchten ganz leicht viel Geld aus diesem Wissen schlagen?“ Die Gesellschaft verspricht, sie übernimmt alle notwendigen Schritte. Die Auswertung etwaiger (anonymisierter) Beweise, die vertrauliche Vermittlung der Informationen an die Behörden.

Wenn es von denen Geld gibt, geht davon 75 Prozent an die ursprünglichen Verräter. Der Rest ist die Provision für die Zuträger-Gesellschaft. Die Frage, ob sie mit ihrem Aufruf nicht Denunzianten züchte, beantwortet Jörg Sprave ebenso ruhig wie nahezu lässig: „Weder unsere Quellen noch wir handeln aus niedrigen Beweggründen. Niemand machte uns einen Vorwurf, wenn wir nach Auto-Dieben suchten.“

Schließlich fahnde die Polizei ja auch öffentlich nach einem vermummten Bankräuber. Folgerichtig hat die Gesellschaft auf ihrer Internet-Seite denn auch eine „Schnellmeldung“ parat. Mit vorgegeben Auswahlmöglichkeiten kann anonym angeklickt werden, ob eine Person oder eine Aktiengesellschaft vermeintlich Steuern hinterzieht; ob die Höhe der Hinterziehung weniger als 1.000 oder mehr als 5 Millionen Euro beträgt; ob sie aus Bilanzmanipulationen stammt oder aus Schmuggel.

„Mit Interesse“ hat der Düsseldorfer Oberstaatsanwalt Hans-Otto Sallmann das Angebot der Steuerverrat-Gesellschaft zur Kenntnis genommen. Sein Kollege Raymund Schneeweis in Hagen ist bereit, „Erkenntnisse zu Straftaten“ gerne entgegen zu nehmen. Und Dr. Andreas Kondziela von der Staatsanwaltschaft Darmstadt teilt mit, er sei „selbstverständlich an Hinweisen interessiert“.

Was die Vereinbarungen von Belohnung allerdings anbelange, nun ja, da müsse es erst ein „konkretes Strafverfahren“ gebe. Die konkreten Grundlagen dazu haben Sprave und Kompagnons nach eigenen Worten gerade der Staatsanwaltschaft Duisburg offenbart. Es gehe um eine Steuerhinterziehung von 10 Millionen Euro, behaupten sie. Sie sagen sogar, wo der angebliche Täter seine Geschäfte macht und womit.

„Wir prüfen momentan das Angebot“, gibt sich Behördensprecher REolf Haferkamp knapp und zugeknöpft. Der Spagat der Strafverfolger zwischen Wissbegierde und einer klaren Vereinbarung kommt nicht von ungefähr. Sie haben die Strafprozessordnung im Rücken. Die kann aus dem Hagener Trio ruckzuck normale Zeugen machen, die notfalls ohne Belohnung, aber per Beugehaft gezwungen werden können, ihre Quelle zu nennen. Doch selbst für solche Fälle ist Jörg Sprave gewappnet: „Wir schalten einen Rechtsanwalt dazwischen. Der darf die Aussage verweigern!“ (pbd)

Prefetching

Kann man auf Internetservern Spuren hinterlassen, von denen man – wissentlich – gar keine Seiten abgerufen hat? Das ist möglich, insbesondere durch die Prefetching-Funktion. Dabei lädt der Browser schon Seiten im Hintergrund, die auf der aktuell besuchten Seite verlinkt sind. Auf dem verlinkten Webserver wird dann möglicherweise die eigene IP-Adresse gespeichert und der Besuch registriert, obwohl der betreffende Link letztlich gar nicht angeklickt wird.

Prefetching ist zum Beispiel im Firefox serienmäßig aktiviert. Wie man die Funktion abstellt, steht hier.

Warum das Ärger ersparen kann, ist hier nachzulesen.

Auf Zack

Im Nachbarhaus war eine große Werbeagentur. Die Agentur ist weggezogen. Nur wenige Tage später hat die Stadt Düsseldorf auch den Behindertenparkplatz wieder freigegeben, der vor unserem Büro für einen rollstuhlfahrenden Mitarbeiter der Agentur reserviert war.

So ein Tempo muss man auch mal zur Kenntnis nehmen. Vor Jahren wäre so flott garantiert nichts passiert.

Auf Geschäftsreise

Anwaltspost:

Sehr geehrte Frau Kollegin,

soeben erhalte ich Ihr Schreiben vom 09.07.08. Darin fordern Sie Herrn N. auf, bis zum 16.07.2008 die erste Rate aus dem Vergleich zu zahlen. Leider ist Herr N. auf einer Geschäftsreise bis zum Ende der Woche. Ich bitte Sie daher die o.g. Zahlungsfrist stillschweigend zu verlängern.

Das klingt erst mal harmlos. Der Schuldner ist jedoch Unternehmensberater und bringt seinen Kunden das Onlinezeitalter näher. Dass ausgerechnet er auf Geschäftsreise nicht auf sein Konto zugreifen kann (oder will), klingt nicht sehr glaubhaft. Wahrscheinlich ist einfach nichts in der Kasse.

Etwas mehr Ehrlichkeit führt mitunter auch zu mehr Entgegenkommen.

Rückruf-Service

Es gibt auch fürsorgliche Mandanten:

Telefonisch bin ich nur über Handy zu erreichen. Sollten allerdings telefonische Klärungen erforderlich sein, kann ich von diesem Handy kostenfrei auf Festnetz zurückrufen.

Aktion Himmel: Gericht erklärt Durchsuchung für rechtswidrig

Nach den überschwänglichen Erfolgsmeldungen war schnell klar, dass die „Aktion Himmel“ ein Sturm im Wasserglas ist.

Nunmehr merken auch Gerichte, dass die dubiose Datenauswertung der Berliner Polizei in den meisten Fällen nicht mal für einen Anfangsverdacht reichte und die ergangenen Durchsuchungsbeschlüsse rechtswidrig sind. So hebt das Landgericht Aachen mit Beschluss vom 8. Juli 2008 einen Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Aachen auf und ordnet an, dass die beschlagnahmten Computer unausgewertet zurückzugeben sind.

In dem vom Landgericht Aachen entschiedenen Fall konnte nur eine einzige Verbindung des Computers des Beschuldigten zu einem Webserver mit angeblich kinderpornografischem Material festgestellt werden. Diese Verbindung dauerte insgesamt 45 Sekunden. Während dieser 45 Sekunden sendete der Server 45 Bilder.

Zunächst korrigiert das Landgericht Aachen die Berliner Polizei dahingehend, dass längst nicht alle Bilder kinderpornografisch sind. 39 Bilder stuft das Landgericht Aachen als „Nacktbilder“ ein, die nicht strafbar sind. Als kinderpornografisch bewertet das Gericht 6 Bilder; diese wurden alle nur als Thumbnails an den Rechner des Beschuldigten übermittelt.

Durch diese Datenübertragung allein kann nach Auffassung des Landgerichts Aachen kein Anfangsverdacht auf den Besitz kinderpornografischen Materials begründet werden. Dementsprechend sei auch eine Durchsuchung nicht zu rechtfertigen.

Das Gericht verweist auf die kurze Verbindungszeit und die Menge der in diesem Zeitraum übermittelten Bilder. Es sei schon vom äußeren Bild unwahrscheinlich, dass der Server gezielt aufgesucht und die Daten absichtlich heruntergeladen worden seien. Vielmehr sei es ebenso wahrscheinlich, dass es zum Übersenden der Bilddateien nur durch Verlinkung mit anderen pornografischen Webseiten oder durch Popups gekommen sei.

Ein Anfangsverdacht für eine eine Hausdurchsuchung müsse aber zumindest auf tatsächliche Anhaltspunkte gestützt werden, die auf die (vorsätzliche) Begehung einer Straftat schließen lassen. Diese tatsächlichen Anhaltspunkte kann das Gericht in den Auswertungen der Berliner Polizei für den vorliegenden Fall nicht erkennen.

(Beschluss vom 8. Juli 2008; 68 Qs 56/08)