– Toter darf nicht zu Diamant gepresst werden
Urlaubsplanung in der Justiz
Heute, am 3. April, erreicht mich eine Mitteilung des Landgerichts Düsseldorf:
Sehr geehrte Damen und Herren Rechtsanwälte,
in dem Rechtsstreit H. GmbH gegen W. findet der Termin vom 17. April 2007 nicht statt. Grund: Urlaub. Der neue Termin ist am 5. Juni 2007.
Gibt’s bei Opodo wieder Schnäppchen?
Eine Lizenz fürs Internet
Der Vorsitzende der Landesanstalt für Medien NRW Norbert Schneider fordert, „Rundfunkinhalte“ im Internet zu regulieren. Insbesondere Bewegtbilder sollen „lizenziert“ werden. Schneider:
Was wir überlegen, ist, ob wir nicht die Pionierphase im Netz, was die Verbreitung von Radio und Fernsehen angeht, für beendet erklären sollen. Ob wir nicht sagen sollen: Macht euch ehrlich und besorgt euch eine Lizenz. Das würde Klarheit bringen.
Kriterien sollen „Meinungsmacht, Relevanz und Suggestivkraft“ sein. Dies zu bewerten sei nicht eindeutig festzulegen und falle in die Kompetenz der Landesmedienanstalten. „Wo kommen wir hin, wenn wir Inhalte nicht mehr bewerten können – oder wollen?“, so Schneider laut DWDL.de.
Besorgt euch eine Lizenz. Die kriegt ihr, wenn eure Inhalte in Ordnung sind. Was in Ordnung ist, bestimmen wir. Vielleicht sollte man Herrn Schneider mal daran erinnern, dass sich der Regulierungsbedarf im Internet in deutlichen Grenzen bewegt. Denn im Gegensatz zur terrestrischen Verbreitung und dem Kabel gibt es hier keine Kapazitätsprobleme. Und damit auch keine unmittelbare Notwendigkeit, den Platz ausgewogen zu verteilen.
Die Frage ist also anders zu stellen: Wo kommen wir hin, wenn solche Leute wie Schneider über die Inhalte bestimmen? Man braucht ja nur mal abends durchs Kabel zu zappen…
Kann ich mal Herrn XIXUL sprechen?
Unser Zeichen:
00976/07M 2 XIX/UL XIII/YH/ve
Wenn ich gleich bei den Kollegen anrufe, bringe ich die Telefonistin zur Verzweiflung.
Keine Durchsuchung vor Hauptversammlung
Eine Aktiengesellschaft darf die Teilnehmer der Hauptversammlung nicht einfach durchsuchen lassen. Insbesondere eine Taschenkontrolle hält das Oberlandesgericht Frankfurt für unzulässig. Die Maßnahme sei unverhältnismäßig. Erst wenn eine „Durchleuchtung“ verdächtige Gegenstände zeige, müsse der Besucher seine Taschen öffnen. Eine Durchleuchtung sei außerdem effektiver.
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Polizei möchte nicht die Stasi geben
„Dr. Wolfgang Maßlos“ titelt die Süddeutsche Zeitung über den Architekten der Überwachungsgesellschaft:
Der Schäuble-Plan ist vielmehr ein Plan zum Umbau des Rechtsstaates in einen Präventions- und Sicherheitsstaat. Schäuble missachtet die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts. Er missbraucht ein von ihm propagiertes, ungeschriebenes „Grundrecht auf Sicherheit“ zur Banalisierung aller anderen Grundrechte. Schäuble hat ein Puzzle der rechts- und innenpolitischen Maßlosigkeit vorgelegt.
Offenbar gefällt sich nicht einmal mehr die Polizei in der Rolle, die ihr zugedacht ist. So kritisiert ausgerechnet der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft Konrad Freiberg die Pläne, alle Fingerabdrücke aus Pässen und Personalausweisen zentral zu speichern:
Das wäre der Einstieg in eine bundesweite Fingerabdruck-Kartei und damit nach Auffassung der GdP ein grober Verstoß gegen das verfassungsmäßige Recht jedes Einzelnen auf die so genannte informationelle Selbstbestimmung.
Eine bundesweite Fingerabdruck-Datei lege den Grundstein zu einer umfassenden Datensammlung über jeden einzelnen Bürger. Als vertrauensschaffende Maßnahme hinsichtlich der Arbeit der Polizei könne dies nicht bewertet werden.
Offensichtlich hat man – anders als Innenministerium – längst erkannt, welcher verhängnisvolle Imagewechsel der Polizei droht, wenn sie auch unverdächtige Bürger über zentrale Register rastern und scannen kann. Selbst bei der Verwendung der Maut-Daten und der Online-Durchsuchung schlägt die Polizeigewerkschaft moderate Töne an. Freiberg fordert eine Einschränkung auf strikt definierte Einzelfälle und schwere Straftaten.
Klappt bei allen …
Wieder was gelernt. Zigarettenindustrie, Brauereien und andere Wirtschaftsunternehmen zahlen kräftig, um Partei- und Regierungsfeiern zu unterstützen. Auch wenn es ganz offiziell wirkt, wird anscheinend gern auf Kosten von „Sponsoren“ einer draufgemacht. So musste jetzt Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff eingestehen, dass die Zigarettenhersteller zum Beispiel das Sommerfest der niedersächsischen Landesvertretung in Berlin mit 2.500 Euro unterstützt haben.
Ist Wulff, dessen Land als einziges bisher kein wirksames Rauchverbot in der Gastronomie einführen möchte, damit käuflich? Dies wirft ihm die SPD vor. Bemerkenswert, wie Wulffs Pressesprecher laut Wirtschaftswoche den Vorwurf zu entkräften sucht:
Wulffs Sprecher konterte: Das Sponsoring aus der Tabakindustrie „unter der Regierung Gabriel-Jüttner ist doppelt so hoch gewesen, ohne dass nennenswerte Aktivitäten zum Nichtraucherschutz gezeigt wurden“.
Die Aussage lässt sich aber auch verdammt gut in eine ganz andere Richtung deuten.
Musik ohne DRM
EMI verzichtet künftig auf Digital Rights Management. Apple zieht mit und bietet das Repertoire im iTunes-Store an (Pressemitteilung).
Auch wenn das kein Freibrief für „Raubkopierer“ ist, wird durch den Wegfall des Kopierschutzes die Privatkopie wieder eine größere Rolle spielen.
In einigen deutschen Anwaltskanzleien dürften heute nicht unbedingt die Sektkorken knallen.
Zu Gunsten des Beschuldigten
Auf zweieinhalb eng beschriebenen Seiten bewertet der Staatsanwalt die Sach- und Rechtslage. Ergebnis:
Unter Berücksichtigung dieser Sachlage ist ein entsprechender Tatnachweis nicht zu führen, da der in-dubio-Grundsatz zu Gunsten des Beschuldigten Anwendung finden muss.
Und ich habe noch nicht mal eine Verteidigungsschrift vorgelegt.
Vorstrafe per unterlassenem Federstrich
Der Richter hat mich wie Luft behandelt. Obwohl ich
a) eine schriftliche Verteidigervollmacht vorgelegt,
b) Akteneinsicht erhalten habe und
c) im Strafbefehl als Verteidiger genannt bin,
hat der Richter in der Verfügung über die Zustellung des Strafbefehls nur die Zustellung an den Beschuldigten angeordnet.
An sich hätte zumindest unter Ziff. 2 angekreuzt werden müssen, dass ich auch eine Kopie erhalte. Das ist in § 145a Abs. 3 Strafprozessordnung so vorgeschrieben. Mit der Nichtinformation des Verteidigers verletzt ein Richter seine prozessuale Fürsorgepflicht (Meyer-Goßner, StPO, § 145a Rdnr. 13).
Mein Mandant sagt, er habe den Strafbefehl nicht bekommen. Ich glaube ihm. Die Zustellungsurkunde ist von einem privaten Zustelldienst ausgefüllt. Die Firma hat nicht gerade den besten Ruf in solchen Dingen.
Hätte der Richter ordentlich gearbeitet und mir die Kopie des Strafbefehls zusenden lassen, wäre die Einspruchsfrist nicht abgelaufen. Und wir könnten uns alle ein Verfahren auf Wiedereinsetzung sparen, dessen Ausgang mehr als offen ist. Denn die Benachrichtigungspflicht ist nur eine Ordnungsnorm. Will heißen: Wenn sich das Gericht nicht daran hält, hat der Beschuldigte in der Regel Pech gehabt.
Sofern mein Mandant nicht lügt, ist er jetzt zunächst mal rechtskräftig verurteilt und vorbestraft, ohne dass er oder ich überhaupt von der gerichtlichen Entscheidung wussten. Natürlich will ich dem Richter keinen bösen Willen unterstellen. Aber in dem Strafbefehl, den er wenige Sekunden vor der Verfügung unterzeichnet hat, bin ich als Verteidiger unüberlesbar genannt. Auf der Vorderseite des Aktendeckels übrigens auch.
Wenn der Richter den Strafbefehl so sorgfältig geprüft hat, wie er seine Verfügungen ausfüllt, darf man allerdings fragen, ob das noch qualitativ gute Arbeit ist.
Seltsam auch, dass die Geschäftsstelle kritiklos offensichtliche Fehler in die Tat umsetzt. Der Mitarbeiter dort sieht doch auch auf dem Aktendeckel, dass der Beschuldigte einen Verteidiger hat. Außerdem steht es, ich wiederhole mich, auch im Strafbefehl, der gedruckt, ausgefertigt und eingetütet werden soll. Überdies stehe ich natürlich auch im Stammdatenblatt für den betreffenden Fall.
Wenn ich mal unterstelle, dass die betreffende Abteilung alles grundsätzlich korrekt handhabt, hätte der Fehler schon wegen der Abweichung vom Normalfall auffallen müssen. Immerhin ist ein Strafbefehl ja nun kein so wahnsinnig ungewöhnlicher Vorgang am Amtsgericht.
Staatsanwaltschaft international
Post von der Staatsanwaltschaft Cottbus. Die gibt sich in ihrem Briefkopf international:
Staatsanwaltschaft Cottbus
Statne recnikojstwo Chosébuz
Über das e im zweiten Wort gehört noch ein Häkchen. Ich weiß leider auf die Schnelle nicht, wo ich das auf meiner Tastatur finde.
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– Unfallflucht: Nicht alles ist strafbar
– „Blogs imprägnieren gegen Totalitarismus“
– Terrordatei: Speicherung auch ohne konkreten Verdacht
– Sogar die Telefonnummern sind verschieden
– Pressemitteilungen: Veröffentlichung nur mit Quellenangabe
– Geteilter Scheinwerfer ist halber Scheinwerfer
– Der Mensch wird zur Randerscheinung
– Mohnhaupt-Anwalt: „Kein Anlass für ein Medienspektakel“
Danke, Tina
Pulver, Powergel – half alles nichts. Das Wasser floss nicht vernünftig aus der Duschwanne ab. Gestern habe ich eine Flasche Cola light (1,25 Liter) in den Abfluss geschüttet.
Geht wieder. Herzlichen Dank an CarinaTinaMoniSusi. Oder wie auch immer die Frauenzeitschrift hieß, in der ich beim Friseur geblättert habe.
Die Unfähigkeit, die Realität zu akzeptieren
Um das Schicksal ehemaliger RAF-Mitglieder wird schrill debattiert. Dabei geht es längst nicht nur um die Vergangenheit, wie Felix Ensslin in der Zeit nachvollziehbar begründet. Am besten gefällt mir, wie er das große Dilemma der heutigen Konservativen in der Debatte auf den Punkt bringt:
Denn es ist ein Grundgedanke des Konservatismus, dass die Unfähigkeit, die Realität zu akzeptieren, der Anfang allen Übels ist und in letzter Konsequenz also auch der Nährboden für Terrorismus.
Die Schrillheit dieser Argumentation dient auch dazu, den darin enthaltenen Widerspruch zu überdecken. Denn in unserer Welt kann es keine echten Konservativen geben, und jeder wird scheitern, der die bestehenden Realitäten akzeptiert. Sie ändern sich einfach zu schnell. Der heutige Kapitalismus beruht nicht nur auf der Flexibilität der Biografien, die allerorts eingefordert und deren Folgen gleichzeitig beklagt werden, sondern darauf, grenzenlose Wünsche und Bedürfnisse zu wecken und ihre Befriedigung, und sei es in der Ersatzform des Konsums, zu verheißen.
Dieser Kapitalismus selbst produziert unentwegt einen gespenstischen psychischen Ausnahmezustand, einen unheimlichen Ort, in dem anything goes, niemandem nichts verwehrt bleibt und niemand etwas verpasst. Das »utopische« Denken – wenn auch in pervertierter Form – erweist sich als Grundbestandteil unserer Gesellschafts- und Wirtschaftsform. Das Gespenst einer anderen Welt gehört ihm an.
Die Aufgeregtheit hat, das füge ich mal an, ihren Grund auch darin, dass wir eines ahnen: Anything goes ist für viele Menschen Vergangenheit. Der Ausnahmeszustand darf mittlerweile auch gern von den billigen Plätzen bewundert, aber nicht mehr gelebt werden. Die Unfähigkeit, die Realität noch als angenehm zu empfinden, ist fühlbar geworden.
Sehen wir es also positiv: Das ebenso unbedachte wie dröhnende Eingeständnis, dass die Gesinnung der RAF-Täter doch eine Rolle spielt, ist nur die Generalprobe für relevante Abwehrschlachten. Die sind, denke ich, an anderen, erdig eingefärbteren Fronten zu schlagen. Wenn’s schlecht läuft, haben sich jene, die heute am lautesten sind, bis dahin heiser geschrien.