Kein open end

In einer Strafsache war heute eigentlich der Showdown geplant. Dritter Prozesstag, es stand noch die Vernehmung eines Zeugen aus. Dann die Plädoyers und das Urteil. Da die Sitzung erst um 13 Uhr begann, hatte ich mich auf einen durchaus langen Prozesstag eingestellt, aber eben auch auf ein Ende des Verfahrens. Die anderen Beteiligten ebenso, den Richter eingeschlossen.

Eine Ausnahme gab es allerdings im Raum. Um 15.45 Uhr war nach der Rückkehr von einer Pinkelpause die zeitliche Planung völlig über den Haufen geworfen – der Protokollführerin sei Dank. Diese hatte den Richter gerade informiert, dass sie spätestens um 16.30 Uhr Feierabend machen wird. Das ist tarifvertraglich wahrscheinlich ihr gutes Recht, aber in die verbleibenden 45 Minuten waren die Plädoyers einer Staatsanwältin, von vier Anwälten, die Urteilsberatung des Gerichts und die Verkündung der Entscheidung offenkundig nicht zu pressen.

Leider, so erfuhr der Richter auf Nachfrage in der Gerichtsverwaltung, gab es am ganzen Amtsgericht, einem der größten in NRW, angeblich auch keinen einzigen Bediensteten, der in der Lage und / oder willens war, ab 16.30 noch etwas Dienst zu machen. Dem Richter blieb deshalb nichts anderes übrig, als die Sache zu vertagen. Wir kommen also alle in zwei Wochen noch mal zusammen. Dann zwar sogar erst um 15 Uhr. Aber der Richter hat uns versprochen, er werde für ein „open end“ sorgen.

Ich bin gespannt.

Feinwaagen etc.

Aus einem Durchsuchungsbeschluss:

… wird die Beschlagnahme von Betäubungsmitteln, Verpackungsmaterialien, Feinwaagen etc. angeordnet.

Im Gerichtstermin ging es um die Frage, ob mein Mandant Betäubungsmittel im Internet bestellt hat. Die Lieferung kam von einem unbekannten Absender. Sie wurde schon auf dem Postweg vom Zoll abgefangen. So wäre es schon interessant gewesen zu erfahren, ob mein Mandant in seiner Wohnung vielleicht irgendwelche Bestell- oder Zahlungsbelege aufbewahrt. Oder ob so was auf seinen Rechnern gespeichert ist.

Auf die Frage des Strafrichters, ob er denn nicht daran gedacht und entsprechend ermittelt habe, reagierte der Polizeibeamte recht schlagfertig:

Ich habe nach den Dingen gesucht, die im Durchsuchungsbeschluss stehen. Wenn Sie wollen, dass ich Computer und Handys beschlagnahme, schreiben Sie das doch bitte rein.

Damit war die Sache weitgehend erledigt. Wir konnten ohne Verurteilung nach Hause gehen.

Privilegiert

Aus der Homepage eines Anwaltskollegen:

Beachten Sie, dass wir in unserer Kanzlei ausnahmslos keine Beratung per Mail oder Telefon anbieten.

Tatsächlich scheint es nur Besprechungstermine vor Ort zu geben. Das ist sicherlich eine sehr privilegierte Situation. Ich persönlich wäre wahrscheinlich schon pleite, wenn ich es so handhaben würde.

Dem folgenden Satz kann ich mich allerdings anschließen:

… es gibt in unserer Kanzlei auch keinerlei kostenlose Tätgkeit!

Wobei ich die Einschränkung machen möchte, dass ich durchaus auch mal pro bono tätig bin. Aber nur dann, wenn ich es möchte und es aufgrund besonderer Umstände für richtig halte.

Ein Laufzettel für den Tag

Bei meinem Mandanten gab es eine Hausdurchsuchung. Als die Polizei weg war, fand mein Mandant auf einem Tisch diverse handschriftliche Notizen der Polizei. Darunter eine Art Laufzettel für den Einsatz, worauf der verantwortliche Beamte alles achten wollte. Dann natürlich die Dinge, die er sich während des Einsatzes notiert hat. Und überdies eine schöne Wohnungsskizze.

Bislang hat sich niemand wegen der Unterlagen gemeldet. Nicht, dass es deswegen noch eine Durchsuchung gibt…

Anwälte dürfen Geld fordern, Mandanten müssen aber nicht zahlen

Darf ein Pflichtverteidiger von seinem Mandanten ein zusätzliches Honorar verlangen? Ja, darf er. Dies hat der Bundesgerichtshof aktuell entschieden. Allerdings muss der Mandant der Honorarforderung nicht zustimmen, wenn er nicht will, denn verteidigen muss der Anwalt ihn auch ohne zusätzliches Honorar. Überdies trifft den Anwalt die Pflicht, den Mandanten genau darüber aufzuklären, dass dieser zwar zahlen darf, aber nicht muss.

In dem Fall ging es um 12.500,00 €, die ein Anwalt für eine Strafsache wollte. Der Jurist war als Pflichtverteidiger beigeordnet, hatte es aber trotzdem geschafft, mit dem Mandanten eine Honorarvereinbarung über 12.500,00 € zu schließen (Hochachtung, Herr Kollege). Der Mandant verweigerte allerdings die Zahlung mit der Begründung, er habe nicht gewusst, dass der Anwalt aufgrund der Beiordnung sowieso verpflichtet ist, ihn sachgerecht zu verteidigen.

Gegen die Gebührenvereinbarung als solche hat der Bundesgerichtshof nicht einzuwenden. Anders als in Zivilverfahren (Prozesskostenhilfe) dürfen Pflichtverteidiger Extrahonorar von ihren Mandanten nehmen. Allerdings, so das Gericht, ist vielen Beschuldigten womöglich nicht klar, dass der Pflichtverteidiger auch ohne zusätzliches Honorar die gleiche Arbeit erbringen muss. Deshalb, so das Gericht, gilt eine vorvertragliche Aufklärungspflicht.

An dieser Stelle vielleicht auch noch der Hinweis, dass Pflichtverteidiger zwar zunächst von der Staatskasse bezahlt werden. Sollte es aber zu einer Verurteilung kommen, holt sich die Justiz die Anwaltskosten vom Betroffenen wieder. Aber auch der Pflichtverteidiger muss sich nicht unbedingt mit den (eher niedrigen) Gebührensätzen zufrieden geben. Hat der Mandant nämlich ein ausreichendes Einkommen, kann der Pflichtverteidiger nachträglich die sogenannten Wahlverteidigergebühren verlangen, also die normalen Anwaltshonorare nach dem Vergütungsgesetz. Ob der Mandant ausreichende Mittel hat, prüft im Streitfall das Gericht.

Bericht in der Legal Tribune Online

Schau links, schau rechts

Wer von einem Grundstück aus einen Fuß- oder Radweg betritt, muss auf „Seitenverkehr“ achten. Das Oberlandesgericht Celle verweigert einem Fußgänger Schadensersatz, weil dieser beim Verlassen des Grundstücks nicht nach links und recht geschaut hat. Der Mann war von einem Radfahrer erfasst und verletzt worden, der den kombinierten Rad- und Fußweg vor dem Grundstück befuhr.

Dabei spielt es nach Auffassung des Gerichts auch keine Rolle, dass das Grundstück von einer Hecke eingefasst ist. Jeder, der ein Grundstück verlasse, müsse sich zuerst vorsichtig umschauen. Auf Fuß- und Radwegen gälten auch keine geringeren Sorgfaltspflichten als beim Überschreiten einer Fahrbahn.

Der Fußgänger hatte behauptet, der Radfahrer sei schneller als 20 km/h und viel zu dicht an der Hecke gefahren. Beides konnte er jedoch nicht belegen. Das Gericht weist darauf hin, ein Tempo von bis zu 20 km/h sei jedenfalls nicht unangemessen für einen Radfahrer (Aktenzeichen 14 U 102/18).

Daten ohne Grund

Der E-Mail-Anbieter Posteo muss mit den Ermittlungsbehörden stärker kooperieren, als es das Unternehmen möchte. Posteo speichert grundsätzlich keine IP-Adressen, und zwar aus Datenschutzgründen, aber nach eigenen Angaben auch, weil Posteo die IP-Adressen gar nicht zur Erfüllung seiner Dienste benötigt.

Vor dem Bundesverfassungsgericht wehrte sich Posteo gegen ein Zwangsgeld von 500,00 €. Posteo hatte sich im Rahmen einer gerichtlich angeordneten Telekommunikationsüberwachung geweigert, die IP-Adressen in Bezug auf den überwachten Anschluss mitzuteilen. Zur Begründung wies Posteo ausdrücklich darauf hin, die IP-Adressen gar nicht festzuhalten. Es bestehe eine gesetzliche Verpflichtung auch nur zur Herausgabe der Daten, die beim Anbieter tatsächlich anfallen.

Die Verfassungsrichter sehen dies anders. Sie meinem zusammengefasst und vereinfacht ausgedrückt, Posteo müsse im Interesse einer funktionierenden Rechtspflege alle Daten festhalten, an denen die Ermittler üblicherweise Interesse haben und welche diese von anderen Anbietern auch problemlos erhalten. Posteo dürfe unter Berufung auf den Datenschutz nicht einfach die Speicherung von IP-Adressen unterlassen.

Posteo hat sich schon mit einer lesenswerten Stellungnahme zu Wort gemeldet. Das Unternehmen weist derauf hin, selbst der Bundesdatenschutzbeauftragte gehe bslang davon aus, dass sich die Herausgabepflicht nur auf Daten bezieht, die im Geschäftsbetrieb erhoben werden und somit schon vorhanden sind. Die aktuelle Entscheidung verpflichte E-Mail-Anbieter aber, alleine im Interesse der Strafverfolger Daten ohne jeder andere Notwendigkeit aktiv zu erheben.

Man kann hier auch mal auf die Grundsätze des Zeugenrechts hinweisen. Ein Zeuge muss zwar mitteilen, was er weiß. Er ist aber nicht von sich aus verpflichtet, sich aktiv Informationen zu besorgen, die er nicht hat und vielleicht auch gar nicht haben will. Insoweit kann ich gut verstehen, dass Posteo hier einen Systembruch beklagt (Aktenzeichen 2 BvR 2377/16).

Kommissar Dick und Kommissar Doof

Bei Beleidigungsdelikten wird häufig übersehen, dass nicht jede Beleidigung strafbar sein muss. Es gibt nämlich – auch Juristen mitunter unbekannt – einen ehrschutzfreien Raum. Dieser erstreckt sich zumindest auf den engsten Familienkreis, kann aber auch bis in den Freundeskreis bzw. eng verbundene Gruppen hineinreichen.

Diese „beleidigungsfreie Sphäre“ gibt es deshalb, weil man sich innnerhalb des engsten persönlichen Kreises frei aussprechen können muss, ohne eine gerichtliche Verfolgung befürchten zu müssen. Das Oberlandesgericht Frankfurt hat dies jetzt in einem Zivilverfahren festgestellt. Eine Frau hatte ihren Schwiegersohn via WhatsApp gegenüber ihrer Schwester des Kindesmissbrauchs bezichtigt, was der Schwiegersohn nicht auf sich beruhen lassen wollte.

Das Gericht lehnt einen Unterlassungsanspruch jedoch ab, weil die Kommunikation zwischen Geschwistern voraussetze, dass diese sich frei aussprechen können. Dabei spiele es keine Rolle, ob die Betroffenen persönlich miteinander sprechen oder über einen Messenger.

Den beleidigungsfreien Raum gibt es auch im Strafrecht. Ich habe zum Beispiel vor einiger Zeit die mutmaßlichen Mitglieder einer Motorradclique vertreten, die für ihre Youtube-Stunts öfter mal andere Verkehrsteilnehmer gefährdet haben sollen. Im Rahmen der Ermittlungen waren auch ein Kommissar Dick und ein Kommissar Doof tätig. Jedenfalls erhielten die Beamten diese Namen in der WhatsApp-Gruppe, in der die Motorradfreunde sich über die aktuellen Entwicklungen austauschten.

Dick und Doof stellten natürlich Strafantrag, und mein Mandant, der die Nicknames erfunden und oft verwendet haben soll, erhielt eine Anklage. Diese konnte ich mit dem Hinweis entkräften, dass ja schon die Staatsanwaltschaft in ihrem Antrag auf einen Durchsuchungsbeschluss unter anderem geschrieben hatte, bei der Gruppe handele es sich um eine „verschworene Gemeinschaft“. Tja, da waren wir ganz schnell im beleidigungsfreien Raum, weswegen am Ende ein Freispruch stand (Aktenzeichen 16 W 54/18).

Mehr Tempo in Haftsachen

Wie es ausschaut, verliert das Bundesverfassungsgericht zunehmend die Geduld mit der schleppenden Bearbeitung von Haftsachen – wie sie an vielen Gerichten leider Alltag ist. In einem aktuellen Beschluss betont das Gericht nochmals in aller Deutlichkeit, dass in Haftsachen mindestens einmal in der Woche zu verhandeln ist. Wobei die Betonung auf mindestens liegt.

In einem Mordfall sitzt der Angeklagte seit Mai 2016 in Untersuchungshaft. Das Verfahren musste einmal komplett neu aufgerollt werden, weil der Vorsitzende Richter nach 23 von 25 geplanten Verhandlungstagen erkrankte. Die unvorhersehbare, schwere Erkrankung eines Richters kann nach dem Gericht zwar ein Grund sein, dass sich die Verhandlung verzögert. Allerdngs schaffte es auch die neu zusammengesetzte Strafkammer dann in der Folge nur, an 0,65 Tagen in der Woche zu verhandeln. Wobei hier schon etliche Verhandlungstage eingerechnet sind, an denen nicht substanziell verhandelt wurde, wie die Richter in ihrem Beschluss anmerken.

An der Untergrenze von einem Verhandlungstag pro Woche dürfte nach dieser Entscheidung kaum noch zu rütteln sein. Erneut betont das Verfassungsgericht auch, dass es nicht ausreicht, wenn möglicherweise überlasteten Strafkammern zusätzliches Personal zugewiesen wird (hier eine Richterstelle mit dem stolzen Faktor von 0,2). Vielmehr müssten die Entlastungsbemühungen eine klare Struktur aufweisen – und auch im konkreten Fall Erfolg zeigen. Insgesamt macht das Gericht deutlich, dass fehlende Ressourcen der Justiz kein Haftverlängerungsrecht mit sich bringen.

Deutliche Kritik übt das Verfassungsgericht auch am Pfälzischen Oberlandesgericht in Zweibrücken, welches die Verhandlungsfürung durch die Strafkammer weitgehend kritiklos absegnete. Hier vermisst das Gericht in weiten Teilen eine „tragfähige Begründung“. Das kann man getrost als Warnung an die Gerichte verstehen, welche auch in Haftsachen eher losgelöst vom Einzelfall arbeiten und lieber auf bewährte Textbausteine zurückgreifen (Aktenzeichen 2 BvR 2429/18).

Kein Zwangs-Upgrade auf Abenteuerurlaub

Wenn aus dem Pauschalurlaub unerwartet ein Abenteuerurlaub zu werden droht, können Reisende von ihrer Buchung zurücktreten. Dies entschied das Amtsgericht München im Fall von Urlaubern, die nach einem Vulkanausbruch keine Lust mehr hatten, nach Costa Rica zu fahren.

Am 13.03.2015 brach in Costa Rica der Vulkan Turrialba aus. Am 15.03. sollte für die deutschen Urlauber die Reise genau in diese Gegend führen. Zwei Kilometer rund um den Vulkan wurden evakuiert. Selbst in der Landeshauptstadt San José, dem Ankunftsort des Ferienfliegers, war die Aschewolke noch zu bemerken. Das Auswärtige Amt hatte Personen mit angeschlagener Gesundheit gewarnt; jeder Reisende sollte im Freien eine Atemmaske tragen.

Der Reiseveranstalter wollte von alledem nichts wissen. In Ländern wie Costa Rica mit insgesamt zehn Vulkanen, von denen vier aktiv sind, müsse stets mit einem Ausbruch gerechnet werden. Außerdem seien die Beeinträchtigungen nur sehr lokal gewesen. Die Kläger hätten mit ihrem Mietwagen in andere Regionen ausweichen können.

Das Amtsgericht München bejaht einen Fall höherer Gewalt. Selbst wenn es öfter kleinere vulkanische Aktivitäten in Costa Rica gebe, sei der Ausbruch des Turrialba wesentlich heftiger gewesen. So sei die Vulkanasche großflächig verbreitet worden. Die aktuellen Medienberichte hätten die Urlauber demnach zu Recht von ihrer Reise abgehalten.

Das Amtsgericht weist darauf hin, die Reisenden hätten die Berichte auch nicht hinterfragen müssen. Sie müssten nicht noch aktiv nachforschen, ob die Berichte übertrieben und dramatisiert seien. Der Veranstalter muss den gesamten Reisepreis von 5.720,00 € erstatten. Das Landgericht München hat die Entscheidung mittlerweile bestätigt (Aktenzeichen 133 C 21869/15).

Sächsische Polizei muss Auskunft geben

Der Freistaat Sachsen darf vor der Presse nicht geheim halten, ob ein wegen Volksverhetzung rechtskräftig verurteilter Polizist weiter im Dienst ist und ob er mit hoheitlichen Aufgaben betraut ist. Das Verwaltungsgericht Dresden verpflichtet die sächsische Polizei in einem Beschluss, dem Nachrichtenmagazin Spiegel Auskunft zu geben.

Der Polizist hatte sich in sozialen Medien volksverhetzend geäußert – und sich dabei auch noch als Polizist zu erkennen gegeben. Er akzeptierte letztlich eine Geldstrafe. Durch sein Verhalten habe sich der Polizist selbst in die Öffentlichkeit begeben und sich identifizierbar gemacht, meinen die Richter. Deshalb überwiege das Informationsinteresse der Öffentlichkeit gegenüber seinen Persönlichkeitsrechten.

Weitergehende Auskunftsansprüche lehnt aber auch das Gericht ab. So muss der Freistaat Sachsen nicht sagen, auf welchem konkreten Posten sich der Beamte gerade befindet und wie das Disziplinarverfahren gegen ihn ausgegangen ist (Aktenzeichen 2 L 827/18).

Gericht zahlt kein Fünf-Personen-Ticket

Wer Anspruch auf Erstattung seiner Fahrtkosten zu einem Gerichtstermin hat, darf trotzdem nicht in großer Gesellschaft reisen. Ein Kläger hatte für die Bahnreise zu seinem Sozialgerichtsprozess eine Fahrkarte vorgelegt, auf der bis zu fünf Personen fahren dürfen.

Das Sozialgericht Karlsruhe billigte dem Mann aber nur den Preis zu, den er für ein Ein-Personen-Ticket hätte zahlen müssen. Das war natürlich billiger. Das Gericht verweist auf die grundsätzliche Pflicht jedes Verfahrensbeteiligten, die Kosten möglichst gering zu halten.

Ob auf dem Ticket tatsächlich mehrere Personen gefahren sind oder ob der Kläger sich nur vertan hatte, teilt das Gericht leider nicht mit (Aktenzeichen S 1 KO 24/18).

Fristen? Gelten nicht für die Telekom

Ich will ja gar nicht darauf hinweisen, dass mein Anwaltsbüro seit 25 Jahren Kunde der Telekom ist. Ach was, ich will es doch. Wir haben hier im Büro so einigen Übernahmeversuchen mit durchaus attraktiven Konditionen widerstanden, zum Beispiel durch Unitymedia. Da erwarte ich eigentlich seriöses Geschäftsgebaren – auch wenn es um die von der Telekom nun offenbar bei uns in Düsseldorf in Angriff genommene Abschaltung von ISDN geht.

Ich habe mit der Umstellung bislang gezögert. Wir haben noch einen Vertrag über eine sehr gut funktionierende, aber halt nicht mehr ganz taufrische Telefonanlage. Der Vertrag endet 2019, so dass es mir eigentlich ganz recht wäre, wenn ich das ganze Umstellungsgedöns auf einen IP-basierten Anschluss dann im Herbst auf einen Schlag erledigen könnte. Das habe ich einem Herrn von der Telekom kürzlich auch gesagt. Er meinte, das wäre kein Problem.

Doch so ganz scheint die Auskunft nicht zu stimmen. Ich bekomme nun ein Schreiben, mit dem die Telekom unsere ISDN-Verträge kündigt. Zum 04.5.2019. Glasklare Abschaltungsdrohung inklusive.

Nun steht es der Telekom natürlich frei, ihren Kunden den Laufpass zu geben. Allerdings erwarte ich dann aber auch, dass man sich an die eigenen Vertragsbedingungen hält. Da genügt schon ein Blick in unsere laufende Telefonrechnung, um die derzeit für uns gültige Vertragslaufzeit festzustellen:

Meine zivilrechtlichen Kenntnisse sind sicher bescheiden. Aber irgendwie glaube ich mich zu erinnern, dass Kündigungsfristen an sich für beide Vertragsparteien gelten. Ich kann mir leidlich gut vorstellen, was die Telekom gesagt hätte, wenn wir vor drei oder vier Jahren kurzfristig zu einem anderen Anbieter hätten wechseln wollen. Da wäre garantiert der Hinweis auf die Mindestlaufzeit gekommen.

Ich habe der Telekom jetzt mal freundlich mitgeteilt, dass ich die Kündigung gerne zum 04.10.2019 akzeptiere. Aber bis dahin erwarte ich, dass unser Telefonanschluss ordnungsgemäß funktioniert.

In Holland geblitzt

Telefonnotiz:

Herr N. bittet um Rückruf und anwaltliche Vertretung. Er ist in den Niederlanden mit dem Auto unterwegs gewesen und dort geblitzt worden.

Ich glaube, ich empfehle da doch besser einen Kollegen aus Amsterdam. Aber trotzdem nett, was Herr N. mir als kleinen Anwalt aus Nordrhein-Westfalen so alles zutraut.

EGMR betont Recht auf einen Anwalt – nicht nur in Italien

Italien muss der zu Unrecht wegen Mordes verurteilten Amerikanerin Amanda Knox eine Entschädigung von 10.400,00 € und Verfahrenskosten von 8.000,00 € zahlen. Die Behörden haben bei den Ermittlungen die Rechte von Knox in schwerwiegender Weise verletzt, stellt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte fest.

So sei Knox trotz des Mordvorwurfes und anderer Anklagen ohne Anwesenheit eines Anwalts verhört worden, obwohl sie jung, noch fremd in Italien und offensichtlich nicht in der Lage gewesen sei, die Vorwürfe und ihre rechtliche Lage zu durchschauen. Insgesamt wird aus der Entscheidung deutlich, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Vernehmung ohne Rechtsbeistand ohnehin nur in Ausnahmefällen für zulässig erachtet. Auch deswegen wird ja gerade in Deutschland am Recht auf einen Pflichtverteidiger nachgebessert, denn auch bei uns werden Beschuldigte selbst bei schwersten Vorwürfen immer noch gerne ohne Anwalt befragt.

Weiter beklagte sich Knox, dass die Dolmetscherin ihre Rolle missbraucht hat. Diese übersetzte nämlich nicht nur, sondern formulierte tatsächlich Teile der Angaben für Knox. Außerdem habe sie mit „mütterlicher Attitüde“ eher die Rolle einer Vermittlerin gespielt, hält das Gericht fest.

Als nicht begründet betrachtet das Gericht Knox‘ Vorwürfe, sie sei während der Verhöre extrem rüde behandelt und teilweise sogar geschlagen worden. Hierfür gebe es keine ausreichenden Belege (Aktenzeichen 76577/13).