An Unglücksstellen besser nicht fotografieren

In Schwabach (Bayern) hat ein Passant aus etwa fünf Metern Entfernung eine verunglückte Frau fotografiert, während sich Rettungskräfte um sie kümmerten. Der Mann soll sogar dann nicht mit dem Fotografieren aufgehört haben, als ihn Polizisten dazu aufforderten. Einzelheiten stehen bei Spiegel Online.

Früher wäre so ein Verhalten kaum zu ahnden gewesen. Mittlerweile gibt es hierfür aber einen eigenen Straftatbestand, nämlich § 201a Abs. 1 Ziff. 2 StGB. Danach darf man eine hilflose Person jedenfalls nicht in der Weise fotografieren, dass dadurch ihre Hilflosigkeit zur Schau gestellt wird. Ein Verstoß kann mit Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren geahndet werden.

Wer die Vorschrift aufmerksam liest, wird ein weiteres Tatbestandsmerkmal sehen. Die Tat muss den „höchstpersönlichen Lebensbereich“ des Opfers verletzen. Der Begriff ist wohl aber nicht so gemeint, dass sich die Tat zu Hause bei dem Opfer zugetragen hat. Vielmehr tragen wir alle wohl unseren höchstpersönlichen Lebensbereich, so jedenfalls die Kommentierungen des noch ziemlich neuen Gesetzes, irgendwie mit uns herum. So können wir im Falle unserer Hilflosigkeit an jedem Ort taugliches Opfer sein.

Jedenfalls ist das Fotografieren hilfloser Menschen aktuell sehr schnell strafbar. Dabei spielt es auch überhaupt keine Rolle, ob Rettungs- oder sonstige Einsatzkräfte behindert wurden.

Die gute Tat für heute

Post vom Insolvenzverwalter. Diesmal hat eine frühere Mandantin den Gang ins Insolvenzverfahren angetreten. Natürlich auch wieder eine jener Personen, bei denen man an sich nie denken würde, dass die finanziellen Möglichkeiten nicht mehr für die bescheidenen Gebühren eines Rechtsvertreters reichen.

Bevor ich mich mit den Formularen des Insolvenzverwalters rumärgere und kurz vor meiner Rente in etlichen Jahren dann mal 3,87 Euro bezahlt werden, von denen ich dann schon gar nicht mehr weiß, in welche Akte sie eigentlich gehören, schreibe ich das Honorar halt ab. Sozusagen eine ebenso freiwillige wie vorweggenommene Restschuldbefreiung. Meine gute Tat für heute.

Wer mich nach ernsthafter juristischer Unterstützung ohne Vorkasse fragen möchte, sollte jetzt aber besser zwei oder drei Monate warten. Dann habe ich den aktuellen Reinfall wahrscheinlich so verdrängt, dass ich vielleicht auch mal wieder schwach werde.

„Kunde“ meint Männer und Frauen

Die Anrede „Lieber Kunde“ oder die Bezeichnung „Kontoinhaber“ erfasst Frauen und Männer gleichermaßen. Jedenfalls hat eine Frau keinen Anspruch darauf, im Geschäftsverkehr ausschließlich in der weiblichen Form angesprochen zu werden. Die Kundin einer Sparkasse hatte geklagt, weil sich sich als Frau bei Formbriefen und Formularen der Bank benachteiligt sieht, in denen lediglich die „männliche“ Form verwendet wird.

Der Bundesgerichtshof hat die Klage abgewiesen, die im wesentlichen auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz gestützt wurde. Die Klägerin werde nicht im Sinne des Gesetzes „benachteiligt“. Als Maßstab, so der BGH, gelte hierbei nicht das persönliche Empfinden des Betroffenen, sondern die objektive Sicht eines verständigen Dritten.

Dieser verständige Dritte – letztlich also das Gericht – erkennt aber keine Benachteiligung. Die Richter weisen darauf hin, dass der allgemeine Sprachgebrauch seit jeher bei männlichen Personenbezeichnungen auch Personen umfasst, deren natürliches Geschlecht nicht männlich ist („generisches Maskulinum“). Dieser Sprachgebrauch bringe keine Geringschätzung gegenüber Personen zum Ausdruck, die nicht männlichen Geschlechts seien.

Der BGH verweist auf Gesetze, in denen ebenfalls nur die männliche Form verwendet wird („Kontoinhaber“, „Darlehensnehmer“). Zwar habe die Debatte um eine geschlechterspezifische Benachteiligung durch Sprache dazu geführt, dass auch in der Gesetzgebung und Verwaltung verstärkt neutrale Formen verwendet werden. Doch sei der bisherige Sprachgebrauch des Gesetzgebers zugleich prägend wie kennzeichnend für den allgemeinen Sprachgebrauch und das sich daraus ergebende Sprachverständnis.

Nach Meinung des Gerichts ist auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin nicht verletzt. Die Sparkasse verwende nämlich in persönlichen Gesprächen und individuellen Schreiben an die Kundin die Anrede „Frau …“. Schon die Vorinstanzen hatten die Klage abgewiesen (Aktenzeichen VI ZR 143/17).

„Bis spätestens…“

Telefonnotiz aus dem Sekretariat:

Frau S. bittet erneut um Rückruf. Sie beklagt sich darüber, dass Sie entgegen ihrem ausdrücklichen Wunsch von heute morgen nicht bis spätestens 13.45 Uhr zurückgerufen haben.

Sie möchte herausfinden ob Sie der richtige Anwalt für sie sind, dann würde sie auch weitere Daten angeben.

Ich will ja nicht überempfindlich wirken. Aber so eine Art der Kontaktaufnahme motiviert mich jetzt nicht unbedingt, aus dem Gerichtssaal zu rennen und übers Handy ganz schnell Frau S. zurückzurufen.

Es kann natürlich sein, dass mir jetzt ein superduper Mandat durch die Lappen geht. Meine nun weit über 20-jährige Erfahrung als Anwalt spricht allerdings etwas dagegen…

Ex-DFB-Präsident scheitert mit Klage

Der ehemalige DFB-Präsident Theo Zwanziger ist mit einer Klage gegen das Land Hessen gescheitert. Zwanziger wollte 25.000 Euro Schmerzensgeld, weil gegen ihn wegen einer Millionenzahlung für eine Gala, die nie stattgefunden hat, ein Ermittlungsverfahren wegen Steuerhinterziehung eingeleitet wurde.

Wie schon das Landgericht Frankfurt am Main hält auch das Oberlandesgericht Zwanzigers Klage für unbegründet. Gegen Zwanziger war seit Ende 2015 ermittelt worden. Unter anderem wurde die Wohnung des ehemaligen DFB-Präsidenten durchsucht.

In der Sache ging es um eine Überweisung in Höhe von 6,7 Milionen Euro an die FIFA, welche Zwanziger für das Organissationskomitee der WM freigegeben hatte. Der Verwendungszweck dieser Zahlung bezog sich auf eine „FIFA-Gala“. Diese Gala fand aber nie statt. Was Grund für die Zahlung war, ist bis heute nicht abschließend geklärt. Der Betrag wurde im Jahr 2006 vom DFB als Betriebsausgabe gebucht und steuermindernd geltend gemacht.

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts stellt die Einleitung und Fortführung des Ermittlungsverfahrens keine Amtspflichtverletzung dar. Staatsanwaltschaftliche Ermittlungsmaßnahmen seien im Amtshaftungsprozess nur darauf überprüfbar, ob sie „vertretbar“ erschienen. Unvertretbar seien sie nur, wenn bei Würdigung auch der Belange einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege das staatsanwaltschaftliche Verhalten nicht mehr verständlich erscheine.

Dies könne hier nicht festgestellt werden.

Vielmehr sei es nach kriminalistischer Erfahrung vertretbar, aus der Betriebsausgabe für die nicht stattgefundene Gala einen Anfangsverdacht abzuleiten. Auch aus der Durchsuchung könne keine Amtspflichtverletzung hergeleitet werden. Sie habe dem Auffinden von Beweismitteln gedient und stehe nicht außer Verhältnis zu dem Tatvorwurf.

Zwanziger erhält auch keine Entschädigung dafür, dass ein Boulevardblatt Internas aus dem Ermittlungsverfahren berichtet hatte. Der Artikel hat sich laut dem OLG nur am Rande mit Zwanziger befasst und lediglich mitgeteilt, dass gegen den Funktionär ermittelt wird. Das sei zu dem Zeitpunkt jedoch schon öffentlich bekannt gewesen (Aktenzeichen 204 O 328/16).

Schwarzfahren soll keine Straftat mehr sein

Wieso muss Schwarzfahren eigentlich eine Straftat sein? Diese Frage habe ich hier im law blog auch schon das eine oder andere Mal aufgeworfen; jetzt nimmt sich die Fraktion „Die Linke“ im Bundestag der Sache an.

Die Linke legt einen Gesetzentwurf vor, wonach das Fahren ohne Fahrschein keine Straftat mehr sein soll. Entsprechend soll § 265a StGB geändert werden. Der bisherige Zustand sei ungerecht, heißt es in dem Entwurf.

So kann man das wohl zusammenfassen. Über Jahrzehnte haben Verkehrsbetriebe ihre Fahrscheinkontrollen in der Gewissheit immer weiter abgebaut, dass Schwarzfahrer schon von der bloßen Strafbarkeit nach geltender Rechtslage abgeschreckt werden. Faktisch wurden so die Zugangskontrollen kostenmäßig auf die Justiz und damit auf den Steuerzahler abgewälzt.

Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichte sind zu einem erheblichen Teil mit Beförderungserschleichung belastet. Ganz zu schweigen von den vielen Schwarzfahrern, die ihre Geldstrafen nicht bezahlen und diese im Gefängnis absitzen.

Als Alternative nennen die Abgeordneten die Herabstufung des Schwarzfahrens zu einer Ordnungswidrigkeit, was aus ihrer Sicht aber unnötig ist. Jedenfalls rechnet Die Linke mit einer erheblichen Entlastung der öffentlichen Haushalte.

Die Verkehrsbetriebe würden auf keinen Fall rechtlos gestellt. Sie müssten nur wirksame Ticketkontrollen einführen, wie es sie in vielen anderen Ländern schon lange gibt.

Zum Gesetzentwurf

Alles zum Internetrecht – gratis

Wer eine Frage zum Internetrecht hat und nicht gleich viel Geld in Fachbücher oder kostenpflichtige Aufsätze investieren will, für den gibt es seit vielen Jahren eine super Quelle: das Skript „Internetrecht“ des Münsteraner Professors Thomas Hoeren.

Das Handbuch ist jetzt in einer Neuauflage erschienen und somit auf dem aktuellsten Stand. Ich gucke selbst sehr gern rein und kann das Skript Internetrecht sehr empfehlen.

Hier geht es zum Download.

„Es stimmt, ich war zu schnell“

Wer wegen eines Verkehrsverstoßes angehalten wird, kennt vielleicht die Situation. Der Polizeibeamte nimmt nach einem lockeren Gespräch die Personalien auf. Und später liest man als Betroffener dann in den Unterlagen, dass man den Tatvorwurf eingeräumt hat. Standardformulierung: „Es stimmt, ich war zu schnell.“

Genau hiermit sollte auch ein mutmaßlicher Temposünder überführt werden. Der zuständige Polizeibeamte konnte dem Richter allerdings gar keine konkreten Informationen liefern, um wie viel der Betroffene tatsächlich zu schnell durch eine Tempo-30-Zone gefahren sein soll. Insbesondere blieb der Polizist eine Erklärung schuldig, nach welchem Maßstab er von einer Geschwindigkeitsüberschreitung ausging.

Blieb letztlich nur das vermeintliche Geständnis im Rahmen der Anhörung zum Tatvorwurf. Seine mündlichen Angaben muss der Betroffene in solchen Fällen nicht durch Unterschrift bestätigen. Der Polizeibeamte sagt einem in der Regel auch nicht, wie er einen zu zitieren gedenkt.

Vor diesem Hintergrund will sich der Richter in dem entschiedenen Fall aber nicht alleine auf das angebliche Geständnis verlassen. Ohne nachvollziehbare Fakten, die ihm eine eigene Überprüfung möglich machen, könne er sich nicht auf das Geständnis stützen. Die Pflicht des Gerichts, den Verkehrsverstoß mit den vorliegenden Beweismitteln selbst zu überprüfen, werde durch ein angebliches Geständnis nicht außer Kraft gesetzt.

Überdies hatte der Betroffene in der Hauptverhandlung natürlich auch darauf hingewiesen, dass er den ihm in den Mund gelegten Satz so nicht gesagt hat.

Link zum Beschluss des AG Dortmund

Telemedizin soll Inhaftierten helfen

Die Telemedizin ist ja groß im Kommen. Derzeit ändern die Ärzte ihre Standesregeln für die Fernbehandlung von Patienten, und jetzt entdeckt auch die baden-würrtembergische Justiz den möglichen Nutzen für den Strafvollzug. Im Rahmen eines Modellprojekts sollen dort künftig Gefangene Fachärzte online konsultieren können.

Einzelheiten stehen in diesem Bericht. Interessant ist auch das Argument, dass die Telemedizin die Fluchtgefahr mindern dürfte. In der Tat, das darf ich hoffentlich sagen, sind gerade Ausführungen zu Ärzten oft eine günstige Gelegenheit, wenn sich ein Gefangener aus dem Staub machen will. Aber die Regel ist das natürlich nicht.

Ich persönlich denke in diesem Zusammenhang gern an einen schwer zuckerkranken und auch überdies sehr angeschlagenen Mandanten, der sich auch mal selbst aus der Haft entließ. Aber nur, um im Knast „nicht zu krepieren“, wie er es formulierte. Den Aufenthalt in einer Privatklinik hat ihm seinerzeit sein Bruder finanziert. Nach knapp drei Wochen ging der Mandant dann freiwillig zurück und saß brav seine Reststrafe ab.

Mehr Rechte für Flugreisende

Der Europäische Gerichtshof stärkt die Rechte von Flugreisenden. Bei verspäteten Umsteigeflügen können die Reisenden sowohl am Abflugs- als auch am Zielort die vorgeschriebene Entschädigung einklagen.

Dieses Recht auf Wahl des Gerichtsstandes gilt der Entscheidung zufolge, wenn die verschiedenen Flüge für eine Reise einheitlich gebucht wurden „und die große Verspätung bei Ankunft am Endziel auf eine Störung zurückzuführen ist, die sich auf dem ersten Flug ereignet hat“.

Konkret bedeutet die Klarstellung durch das Gericht, dass sich ausländische Airlines, die eine Teilstrecke bedient haben, nicht auf einen Gerichtsstand in ihrem Heimatland berufen dürfen. Vielmehr können sie auch sowohl an Start und Ziel des Reisenden verklagt werden. In dem entschiedenen Fall musste sich die spanische Air Nostrum, die den ersten Teilflug innerhalb von Spaniens durchgeführt hatte, nun dem Prozess in Düsseldorf stellen. Dort war das Endziel der Reise, deren letzte Etappe Air Berlin ausgeführt hatte.

Das Grundsatzurteil gilt für alle Airlines, die ihren Sitz in der EU haben (Aktenzeichen C-274/16, C-447/16, C-448/16).

Mehr Penisbilder

Wenn es nach dem Verwaltungsgericht Cottbus geht, dürfte die Fahndungskartei der Polizei künftig um eine Rubrik reicher werden. Penisbilder. Das Gericht hält es für zulässig, wenn zur Verbrechensvorbeugung bei Sexualdelikten auch das Geschlechtsteil des Beschuldigten fotografiert wird.

Ein Beschuldigter, selbst Polizist, hatte sich gegen die Anordnung gewehrt, im Rahmen einer erkennungsdienstlichen Behandlung auch seinen Schniedel ablichten zu lassen. Dem Polizisten, der wegen der angeblichen Tat bislang noch nicht verurteilt ist, wird sexueller Missbrauch eines Kindes vorgeworfen. Der Beamte soll über seinen Dienstrechner länger mit einem Kind erotische Chats geführt haben.

Von sich selbst hat der Beamte allerdings nur Bilder verschickt, die ihn mit unbekleidetem Oberkörper zeigen. Dennoch halten es die Richter für erforderlich, dass bei künftigen Ermittlungen auch ein Bild seines Geschlechtsteils zur Verfügung steht. Immerhin sei es nicht unüblich, dass im Internet auch Intimbilder ausgetauscht werden. Von daher liege die Vermutung nahe, dass der Betroffene auch zum Austausch von Nacktbildern bereit sei. Wenn eine Aufnahme seines Geschlechtsteils vorliege, sei es in ähnlichen Fällen schneller möglich, ihn als Täter zu ermitteln. Oder ihn auszuschließen.

Dieser Beschluss dürfte keine lange Haltbarkeit haben. Die Menschenwürde gilt auch für Verdächtige einer Straftat, und zwar uneingeschränkt. Fotos des Geschlechtsteils, schon gar nicht im erigierten Zustand, können nach meiner bescheidenen Meinung nicht erzwungen werden – wenn man eben diese Menschenwürde nicht völlig über Bord wirft. Fotos des nicht erigierten Penisses, die man vielleicht noch irgendwie als zulässig betrachten könnte, sind aber als solche kaum für die Zwecke des Erkennungsdienstes „erforderlich“, wie es § 81b StPO ausdrücklich verlangt. Und zwar schon ganz einfach deswegen, weil die Versender der Bilder in 99,9 % der Fälle ganz sicher nicht als Schlappschwanz dastehen wollen. Mir sind aber schon Gerüchte zu Ohren gekommen, dass nicht erigierte Penisse eher überhaupt keinen Rückschluss darauf zulassen, wie sie im erregten Zustand aussehen. Von daher wäre die Penisbilderkartei nur eins: schlicht nutzlos und somit gesetzeswidrig.

Aber nun ja, vielleicht gibt es ja zumindest in anderen Polizeipräsidien kluge Köpfe, die solche Praktiken in unserem Land dann doch eher auch nicht wollen (Aktenzeichen 3 L 95/18).

Fernlöschung

Die Staatsanwaltschaft hat mir Bescheid gesagt, dass die Polizei einem Mandanten sichergestelltes Bargeld wieder aushändigen muss. Ein schöner Betrag, doch komischerweise löste bei meinem Mandanten der zweite Teil der Mitteilung viel größere Freude aus: Der Mandant kriegt auch sein Handy wieder.

Was wohl bedeutet: Die Fernlöschung hat tadellos funktioniert in dem Augenblick, als ein Polizeibeamter ganz konventionell den Ein-Schalter gedrückt hat.

Aber das alles reime ich mir möglicherweise auch nur zusammen, und der Mandant hatte überhaupt keine sensiblen Daten auf seinem Gerät.

Alternativen zum NetzDG

Bevor ich mich in einen kleinen Urlaub verabschiede, möchte ich noch auf einen ganz neuen Gesetzentwurf des Passauer Rechtsprofessors Dirk Heckmann hinweisen. Das Projekt, unterstützt von meinem Kooperationspartner ARAG, soll in erster Linie eine Alternative zum Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) aufzeigen, welches ja schon im Vorfeld viel Kritik einstecken musste – die sich seit Inkrafttreten weitgehend auch bestätigt hat.

Kernanliegen von Heckmanns Vorschlägen ist ein verbesserter und vor allem wirksamer Schutz der Internetnutzer vor Hass-Postings, Ehrverletzungen und Cybermobbing. Statt auf Bußgelder gegen Facebook & Co. setzt der Gesetzentwurf darauf, die Zuständigkeit für Maßnahmen gegen schwere Persönlichkeitsrechtsverletzungen wieder in die Hände der Justiz zurückzugeben.

Dazu soll auch ein neuer Straftatbestand eingeführt werden, bei dem Heckmann allerdings ganz schön in die Vollen geht. So soll sich die Strafdrohung für einfache Beleidigungen auf zwei Jahre verdoppeln, bloß weil die Beleidigung online erfolgte. Außerdem schlägt Heckmann Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren vor, wenn die Tat geeignet ist, die Lebensgestaltung einer Person nachhaltig zu beeinträchtigen oder sogar leichtfertig dazu beiträgt, dass der Betroffene von Cybermobbing sich das Leben nimmt.

Ich persönlich glaube allerdings nicht, dass drakonische Strafdrohungen alleine etwas bewirken. Vielmehr kommt es darauf an, dass bestehende Strafrahmen im Einzelfall angemessen ausgeschöpft werden.

Aber mit der Forderung nach neuen und härteren Strafen erschöpft sich der Diskussionsvorschlag natürlich nicht. So soll für schwere Ehrverletzungen im Internet kein Strafantrag mehr erforderlich sein. Online-Beleidigungen würden hierdurch zu Delikten, gegen die Staatsanwaltschaften im Regelfall von sich aus vorgehen müssen – auch nach Anzeigen unbeteiligter Dritter. Man kann sich allerdings lebhaft vorstellen, was das für eine Anzeigenlawine gegen Gott und die Welt auslösen würde, vom Missbrauchspotenzial ganz zu schweigen. Immerhin soll jeder persönlich Betroffene die Möglichkeit haben, einer Strafverfolgung zu widersprechen.

Weiterer Kernpunkt des Entwurfes ist die Pflicht sozialer Netzwerke, Nutzern die Meldung von Persönlichkeitsrechtsverletzungen zu erleichtern. Dazu fordert Heckmann einen Meldebutton auf jeder Seite. Soziale Netzwerke sollen Beschwerden sofort sichtbar für jeden Nutzer umsetzen, indem sie gemeldete Inhalte als fragwürdig kennzeichnen. Hierdurch sollen andere Nutzer davor „gewarnt“ werden, dass es sich um einen problematischen Inhalt handelt und sie sich möglicherweise selbst strafbar machen oder zumindest Persönlichkeitsrechte verletzen, wenn sie den beanstandeten Post teilen.

Das ist sicher ein Diskussionsansatz. Aber auch hier stellt sich die Frage, wie soziale Netzwerke berechtigte und unberechtigte Meldungen vernünftig trennen sollen. Wenn man so etwas möchte, müsste man die Kennzeichnungspflicht vielleicht nach dem Prinzip der Radarwarner gestalten, die ja auch erst Alarm geben, wenn eine relevante Zahl an Nutzern eine Meldung gemacht haben. Für Postings ohne sonderliche Öffentlichkeit, zum Beispiel unter Jugendlichen, würde das dann aber wieder nicht helfen.

Sehr weitgehend ist auch der Vorschlag, dass soziale Netzwerke nach jeder Meldung fragwürdige Inhalte dokumentieren müssen, damit später eine gerichtliche Überprüfung möglich ist. Betroffene sollen über erweiterte Auskunftspflichten sogar erfahren können, wer gemeldete Inhalte weiterverbreitet oder auch nur zu Gesicht bekommen hat. So ehrenwert dieser Wunsch nach umfassendem Schutz vor Persönlichkeitsrechtsverletzungen ist, so funktioniert er aber nur mit weitgehender Überwachung jedes einzelnen Nutzers durch die Anbieter. Hier muss man ganz klar sehen, dass die Schaffung der nötigen Kontrollinfrastruktur weitere Begehrlichkeiten nach dem Datenzugriff schaffen wird – eher früher als später.

Ansonsten setzt der Vorschlag naturgemäß sehr stark auf eine Verbesserung von Opferrechten. So soll es erleichterte Möglichkeiten zur Nebenklage geben, einfacheren vorläufigen Rechtsschutz, ein Recht auf psychosoziale Betreuung und auf einen Opferanwalt.

Der Gesetzentwurf ist auf jeden Fall ein wichtiger Denkanstoß für alle, die sich nicht für mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz abfinden wollen. Der Entwurf ist hier nachzulesen. Es gibt auch eine konsolidierte Fassung, damit man sich nicht alle Änderungen mühsam zusammensuchen muss.

Im law blog geht es ab dem 6. März weiter.

Die neue Aussagepflicht für Zeugen

Früher war alles einfach: Mit der Polizei muss man nicht reden. Als Beschuldigter nicht. Aber auch nicht als Zeuge. Diese Rechtslage hat sich vor kurzem drastisch geändert. Zeugen sind unter bestimmten Umständen verpflichtet, bei der Polizei auszusagen.

In meiner aktuellen ARAG-Kolumne beleuchte ich die Hintergründe der Gesetzesänderung, die in der Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet geblieben ist. Natürlich erkläre ich auch, wie man doch um eine Aussage herumkommt, wenn man diese nicht machen möchte.

Viel Spaß beim Lesen.

Zum Einschlafen PayPal lesen

Wenn man die neuen Geschäftsbedingungen des Bezahldiensets PayPal ausdruckt, verbraucht man 80 Seiten Papier. Nutzer einer Smartphone-App müssen 330 Mal den Bildschirm herunter scrollen, um ans Ende des Textes zu gelangen. Einen derartigen Packen „Kleingedrucktes“ hält der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) für wettbewerbswidrig. PayPal wurde deswegen förmlich abgemahnt.

„Hier liegt nach unserer Auffassung nicht nur wegen formaler Unverständlichkeit der AGB, sondern gerade auch wegen des erforderlichen Zeitumfangs, um das vollständige Regelwerk lesen und verstehen zu können, ein Wettbewerbsverstoß vor“, sagt die zuständige Rechtsreferentin des vzbv. Selbst ein zügiger Leser brauche rund 80 Minuten, um die AGB zu verstehen. Wobei das mit dem Tempo so eine Sache ist. Der längste Satz in den PayPal-Bedingungen umfasst 111 Wörter, sehr viele weitere sind nicht wesentlich kürzer.

Den PayPal-Bedingungen fehle nicht nur jede Transparanz, sie seien auch schlicht unzumutbar. Mit diesen Bedingungen verschaffe sich PayPal einen Wettbewerbsvorteil, argumentieren die Verbraucherschützer. Sollte PayPal seine Bedingungen nicht ändern, will der Verbraucherzentrale Bundesverband klagen.