Hoch die Tassen

Um nicht ganz so einsam zu sein beim Italiener auf dem Carlsplatz, hatte ich mir den Spiegel als Gesellschaft besorgt. Seite 34:

Über zehn Stunden verhandelten die Koalitionsspitzen in der Entscheidungsnacht vom 2. auf den 3. Juli – mit einem mageren Ergebnis. Übermüdete Politiker, die zudem bei der Arbeit auch dem Alkohol zugesprochen hatten, einigten sich auf eine milliardenschwere Beitragserhöhung.

Ich hoffe, die Flecken im Hemd gehen raus.

Richter müssen auch abends erreichbar sein

Das Bundesverfassungsgericht in einem heute veröffentlichten Beschluss:

Es kann nicht hingenommen werden, dass in einer Stadt der Größe Münchens am frühen Abend gegen 18.00 Uhr eine Wohnung allein auf Grund der Anordnung von Polizeibeamten ohne Gefahr im Verzug und ohne den Versuch, einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss zu erwirken, durchsucht wird.

Sowohl die Strafverfolgungsbehörden als auch die Ermittlungsrichter und die Gerichtsorganisation haben im Rahmen des Möglichen sicherzustellen, dass auch in der Masse der Alltagsfälle die in der Verfassung vorgesehene Regelzuständigkeit des Richters gewahrt bleibt. Die Strafverfolgungsbehörden müssen regelmäßig versuchen, vor einer Durchsuchung eine richterliche Anordnung zu erlangen.

Die Annahme von Gefahr im Verzug kann nicht allein mit dem abstrakten Hinweis begründet werden, eine richterliche Entscheidung sei um 18.00 Uhr nicht mehr zu erlangen. Dem korrespondiert die verfassungsrechtliche Verpflichtung der Gerichte, die Erreichbarkeit eines Ermittlungsrichters zu sichern. Bei Tage (vgl. § 104 Abs. 3 StPO, der im Zusammenhang mit der nächtlichen Hausdurchsuchung als Nachtzeit für die Sommermonate die Stunden von neun
Uhr abends bis vier Uhr morgens und für die Wintermonate von neun Uhr abends bis sechs Uhr morgens definiert) muss die Regelzuständigkeit des Ermittlungsrichters uneingeschränkt gewährleistet sein.

Ich bin gespannt, wie die Justiz auf diese Vorgaben reagiert. Mein Tipp: gar nicht.

Einbruch bei der Polizei

Pressemitteilung des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen:

Bei einem Einbruch in ein Büro des Landeskriminalamtes am vergangenen Wochenende entwendeten bislang unbekannte Täter einen dienstlichen Laptop und eine Schusswaffe.

Der oder die Täter verschafften sich vermutlich über ein auf Kipp gestelltes Fenster Zugang zu einem im Hochparterre befindlichen Büro des Gebäudes an der Völklinger Straße. Sie durchsuchten den Raum und entwendeten einen dienstlichen Laptop, sowie eine Schusswaffe mit acht Schuss Munition, die sich in einem unverschlossenen Schreibtisch befand.

Aufgrund des auf Kipp gestellten Fensters löste das Sicherheitssystem keinen Alarm aus. Es wird intern ermittelt aus welchen Gründen das Fenster nach Dienstende nicht geschlossen wurde und der Beamte seine Waffe entgegen dienstlicher Weisung in dem Büro lagerte.

Die auf dem Laptop befindlichen Daten sind gegen unbefugten Zugriff gesichert.

Das Polizeipräsidium Düsseldorf hat die Ermittlungen übernommen. Die erforderlichen disziplinarrechtlichen Ermittlungen wurden eingeleitet.

Sofortige Entsorgung

Der Hausmeister des benachbarten Altenheims war so freundlich, einen Warnzettel an den Briefkasten Ottweilerstraße in Düsseldorf zu kleben:

Der Briefkasten wurde nach der Leerung zum wiederholten Male nicht richtig verschlossen. Die Post lag deshalb auf dem Bürgersteig.

Ich hoffe mal, der Mann von der Post bzw. der eingesetzten Fremdfirma kann lesen. Unabhängig davon erklärt das natürlich einiges.

„Mittelpunkt Mensch“

Einem psychisch erkrankten Lokführer aus dem westfälischen Steinfurt ist es gelungen, vom Bundeseisenbahnvermögen mehrere tausend Euro einzuklagen, die durch seine psychotherapeutische Behandlung und eine sechswöchige Heilkur entstanden waren. Der Mann hat eine lange Leidengeschichte durchlebt.

1975 warf sich eine Selbstmörderin vor sein Auto, als er auf dem Weg vom Dienst nach Hause war. Im Juli 1993 und im April 1996 überfuhr er mit seinem Zug jeweils einen Selbstmörder. Im Dezember 1996 kam ein Kollege bei einem Zugunglück ums Leben.

Im Februar 1997 erlebte er als Mitfahrer im Führerstand eines Triebwagens einen Zusammenstoß mit einem Traktor, der sich in den Zug bohrte. Im Juni 2000 geriet ein Reisender zwischen den Bahnsteig und den vom Lokfahrer geführten Zug, was eine Schnellbremsung erforderlich machte. Im Oktober 2002 rutschte er mit seinem Zug an einem Bahnhof vorbei, weil das Bremssystem versagte.

Nach all diesen beruflichen Belastungen verweigerte das Bundeseisenbahnvermögen (Motto „Mittelpunkt Mensch“) jahrelang seinem Beamten die Erstattung der Behandlungskosten im Rahmen der Unfallfürsorge. Das Verwaltungsgericht Münster entschied jetzt (AZ: 11 K 2651/04) gegen die Bundesbehörde: Insgesamt fünf Ärzte hatten dem klagenden Lokführer eine „posttraumatische Belastungsstörung“ im Zusammenhang mit den beruflichen Ereignissen attestiert. (pbd)

Telekomtochter stört sich an Handykosten

T-Systems soll sich einen radikalen Sparkurs verordnet haben, berichtet die Computerwoche:

Das 29-Punkte-Sparprogramm verbietet nicht nur Inlandsflüge, Weihnachtsfeiern oder die Beschaffung neuer Dienstwagen, sondern untersagt neben Buch- und Zeitschriftenbestellungen auch Bewirtungen bei internen Meetings. Getränke auf Geschäftskosten sind erst bei Konferenzen von mehr als vier Stunden Dauer gestattet. Ferner kapppt T-Systems … auch alle internen Lehrgänge, Qualifizierungs- und Fortbildungsmaßnahmen. Außerdem sollen die Mitarbeiter Handytelefonate einschränken und die Nutzung von Hotspots vermeiden.

Wenn eine Konzerntochter die eigenen Handy- und Hotspottarife doch recht treffend bewertet, sollte man das einfach mal so stehenlassen.

Nachtrag: die angebliche Sparliste (PDF). Der Sparzwang soll nur für einen Teil des Unternehmens gelten, die T-Systems Business Services.


(Link gefunden bei Nico Lumma)

Ein Haus, zwei Heizungen

Auf diverse Einwände gegen eine Betriebskostenabrechnung teilt der Haus- und Grundbesitzerverein auch Folgendes mit:

… ist die Wohneinheit der Vermieter nicht zu berücksichtigen. Für die Vermieterwohnung gibt es eine separate Heizung.

Zwei Heizungen in einem Haus mit gerade mal drei Parteien. Wenn das nicht dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit widerspricht (§ 556 Abs. 3 S. 1 BGB).

Name des Kreditinstituts

Eine Mandantin ruft mich an und beklagt, dass sie die Überweisung für einen Kostenvorschuss in der Bank nicht losgeworden ist. Ich hatte ihr telefonisch Kanzleinamen, Kontonummer und Bankleitzahl durchgegeben.

Der Schalterbeamte, erzählt die Mandantin, wollte die Überweisung nicht annehmen. Im Formular sei nämlich das Kreditinstitut nicht angegeben. Er könne das auch nicht raussuchen. Sie solle mich anrufen, nach der Bank fragen und das Formular ordentlich ausgefüllt abgeben.

Komisch, beim Onlinebanking reicht die Angabe der Bankleitzahl doch auch. Was aber wirklich toll ist, dass so eine Filiale noch nicht mal über so simple Tools wie dieses hier zu verfügen scheint.

Oder der Mann hatte einfach keine Lust. Wahrscheinlich die naheliegendere Erklärung.

Leicht erhöht

In einer Abschiebungssache hatte ich es erreicht, dass der Haftantrag zurückgewiesen wird. Das war ein schönes Stück (Begründungs-)Arbeit, und auch die Diskussion im Anhörungstermin war nicht von Pappe.

Deshalb habe ich meine Gebühren im zulässigen Rahmen etwas höher angesetzt. Der Antragsgegner, eine Stadtverwaltung, schoss dagegen aus allen Rohren. Allenfalls die „Mittelgebühren“ seien angebracht. Nun ja, der Rechtspfleger sieht ja auch Tag für Tag solche Fälle. Sein lapidares Fazit:

Die Sach- und Rechtslage war sehr komplex, so dass eine Erhöhung über den Mittelgebühren als angemessen erscheint.

Das nenne ich doch mal Augenmaß.

17 Cent

Nach einer Kontopfändung äußert sich die Sparkasse. Die Schuldnerin hat 74,50 € auf dem Girokonto und 17 Cent auf dem Sparkonto. „Es gehen nur Sozialleistungen ein.“ Das Finanzamt hat eine Pfändung über 251.028,22 €; diese ist vorrangig.

Immerhin, die 17 Cent könnten wir haben. Das Finanzamt hat auf den Betrag verzichtet, weil die Abwicklungskosten weitaus höher wären. Ich nehme an, wir arbeiten geringfügig effektiver als die Finanzverwaltung. Aber dafür reicht es dann doch nicht.

Europäisches Verbraucherzentrum Gronau vor dem Aus

Von EBERHARD PH. LILIENSIEK

Nach dem Kauf eines mangelhaften Produkts im europäischen Ausland übernimmt seit 15 Jahren das Europäische Verbraucherzentrum (evz) in Gronau mit seinem europäischen Netzwerk die oft schwierige Reklamation für die Kundschaft. Der wird diese nahezu wunderbare Möglichkeit zum Jahresende genommen. In einem offenen Brief an den deutschen EU-Kommissar Günter Verheugen begründete jetzt die NRW-Verbraucherzentrale die Schließung: Wachsende bürokratische Hürden aus Brüssel, ständige Streichungen finanzieller Unterstützungen.

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Presseausweis – für Rabatte taugt er noch

Wie aggressiv Heerscharen von „Leserreportern“ am Selbstverständnis der Journalisten nagen, beleuchtet Stefan Niggemeier in einem Artikel für die FAS:

Verbirgt sich hinter der Empörung darüber, daß „Bild“ einfach eine Art wertlose Fälschung dieses Dokumentes in Umlauf bringt, nicht auch die Sorge, jemandem könnte auffallen, daß man mit einem selbstgemalten Presseausweis nicht viel weniger machen kann als mit einem offiziell ausgestellten — außer natürlich, daß man damit keine Super-Journalisten-Rabatte beim Kauf von Autos bekommt? Und warum stehen „richtigen“ Journalisten diese Privilegien noch mal zu? …

Daß sich Hinz und Kunz „Journalist“ nennen konnten, war egal, solange sie kein Massenmedium als Plattform hatten. Jetzt aber kann jeder mit einfachsten Mitteln im Internet publizieren und ein theoretisch unbegrenztes Publikum haben, hat, und aus der akademischen Frage wird plötzlich eine ganz konkrete. Und die Journalisten versuchen, klare Mauern zu errichten zwischen sich, den „richtigen Journalisten“, und den Bürgern, Leser-Reportern, Bloggern.

Interessant auch der Hinweis auf einen ehemaligen Polizeireporter. Der beklagt, dass Rettungskräfte jetzt die Aufnahmen häufig selbst machen und, so dürfen wir vermuten, an die Medien verticken.

Notruf-Blog

VS-Geheim ist nicht nur ein neues Blog. Es ist auch von der anderen Seite. Ein Polizist berichtet über skurrile Anrufe, die er in einer Leitstelle entgegennimmt. Beispiel:

Polizeinotruf.“
Die Stimme eines älteren Mannes.“Guten Tag. Hier wird die ganze Zeit geschossen. Kommen Sie mal schnell!“
„Sehen Sie das oder hören Sie das?“
„Ich höre das. Das kommt aus Richtung Sportplatz. Da war im Frühling schon mal was. Da bin ich auch angeschossen worden!“

Rückmeldung des entsandten Streifenwagens:
„Die angeblichen Schüsse stellten sich als Geräuschkulisse von Skateboardfahrern da. Zu seiner Schussverletzung: Er hat sich im Frühjahr im Garten gebückt und dann ein Zwirbeln im Rücken verspürt – war wohl ein Hexenschuss…

(Link gefunden in der Krambox)