Warum Nutzer von kino.to nicht strafbar sind
Verkehrssünder: Polizei gleicht Fotos auf Facebook & Co. ab
Kinderpornografie sollte in Deutschland der Türöffner für Internetsperren sein. Doch das Zugangserschwerungsgesetz erwies sich als so heikel für den Rechtsstaat, dass selbst die CDU nun für seine Abschaffung gestimmt hat. Das hindert andere jedoch nicht daran, weiter an der Einführung von Internetsperren zu arbeiten. So planen derzeit die Ministerpräsidenten der Länder Websperren und damit staatliche Zensur. Dabei geht es ihnen noch nicht mal um Kriminalität. Vielmehr sollen Deutsche keine Möglichkeit mehr haben, online bei ausländischen Lotto- und Wettanbietern zu tippen.
Derzeit liegen die Pläne bei der EU in Brüssel. Wie zu hören ist, werden dort kritische Fragen gestellt. Kein Wunder, denn die gesamten Pläne für eine Reform des Glücksspiels sind nach einem neuen Gutachten verfassungs- und europarechtswidrig.
Der Heidelberger Staatsrechtler Prof. Dr. Bernd Grzeszick hat sich im Auftrag des Londoner Wettanbieters Betfair den Entwurf des Glücksspielstaatsvertrages angesehen und kommt – auch abseits des die Öffentlichkeit am meisten interessierenden Komplexes der Websperren – zu einem vernichtenden Ergebnis. Nach seiner Auffassung wird der aktuelle Entwurf, dessen Verabschiedung die Ministerpräsidenten diese Woche auf Oktober verschoben haben, vor dem Europäischen Gerichtshof und den deutschen Gerichten scheitern.
Grzeszick zeigt auf, wie unlogisch und in sich widersprüchlich die geplanten Regelungen gestaltet sind. Das allerdings ist kein Missgeschick, sondern einem Dilemma geschuldet. Nach außen müssen die Ministerpräsidenten der Länder so tun, als wollten sie die Deutschen vor den “Gefahren” des Glücksspiels schützen. In Wirklichkeit ist ihr vorrangiges Ziel aber, die Milliardenerlöse aus Lotto, Toto und staatlichen Spielbanken für ihre Kassen zu erhalten.
Dieses bestehende Monopol lässt sich aber nur verteidigen, wenn die Gefahren des Glücksspiel bis ins Groteske beschworen werden. Der Europäische Gerichtshof hatte nämlich in einem Grundsatzurteil nicht feststellen können, dass in anderen EU-Ländern durch freies Glücksspiel messbare Not und wahrnehmbares Elend entstehen. Er stellte die Deutschen also vor die Wahl: Glücksspielkontrolle ist nur zulässig, wenn das Risiko für die “Volksgesundheit” nicht nur einseitig bei privatem, sondern konsequent auch bei öffentlichem Glücksspiel bejaht wird. Was dann unter anderem die Folge hatte, dass Hartz-IV-Empfänger möglicherweise keine Lottoscheine mehr abgeben dürfen.
Das permanente Segeln unter falscher Flagge bedingt natürlich auch juristische Verrrenkungen, die das neue Gutachten Punkt für Punkt beleuchtet. Für private Sportwetten sieht der Gesetzentwurf etwa lediglich sieben Konzessionen vor. Dagegen ist der Markt für Geldautomaten und Pferdewetten weiter für eine unbeschränkte Zahl privater Anbieter offen. Und das, obwohl gerade die Geldautomaten in Gaststätten und Spielhallen als besonders suchtgefährlich gelten. Ebenso kann wohl auch kaum jemand erklären, wieso ein Fußball- oder Formel 1 – Tipp mehr Suchtpotenzial bietet als eine Pferdewette.
Der Heidelberger Professor kritisiert zahlreiche weitere Punkte. Dazu gehören die staatlichen Pläne, künftig selbst (wieder) Lotto und Spielbankangebote online anzubieten. Das sei gerade kein geeigneter Schritt, um die angeblich so gefährdeten Deutschen vor Glücksspiel zu schützen.
Europarechtlich hält der Gutachter die Pläne für nicht vereinbar mit der garantierten Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit. Auf nationaler Ebene sei die verfassungsrechtlich garantierte Berufsfreiheit nicht nur strapaziert, sondern faktisch außer Kraft gesetzt.
Die geplante weitere Abschottung der Deutschen vom Glücksspiel birgt also auch abseits der geplanten Netzsperren juristische Sprengkraft.
Anzeichen für ein Einlenken der Politik gibt es nicht. Die Ministerpräsidenten, so wird gemunkelt, sollen die Verabschiedung des Glücksspielstaatsvertrages bewusst auf den Oktober verschoben haben. Bis zum Jahresende muss wegen der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs nämlich eine Neuregelung her. Bei einer möglichst späten Verabschiedung wäre der Zeitdruck in den Länderparlamenten, die alle zustimmen müssen, viel größer. Somit dürften die Chancen steigen, dass Kritiker gar nicht erst gehört und das Gesetz einfach durchgewunken wird.
Bei manchen Meldungen zieht es einem wirklich die Schuhe aus. Verbraucherministerin Aigner soll jetzt damit liebäugeln, das deutsche Abmahnwesen auf eine höhere Ebene des Wahnsinns zu katapultieren – ausgerechnet im Interesse des Datenschutzes. Konkret: Werbekunden sollen künftig für Reklame abgemahnt werden können, bloß weil diese auf sozialen Netzwerken oder anderen Internetseiten erscheint, die ihrerseits nicht 100 % mit dem deutschen Datenschutzrecht kompatibel sind.
Gegenüber Christian Stöcker von Spiegel online hat ein Ministeriumssprecher bestätigt, man hoffe auf eine “disziplinierende Wirkung”, indem man die werbetreibende Wirtschaft indirekt für Datenschutzverstöße der Plattformen zur Verantwortung zieht und ihrer Konkurrenz die Möglichkeit zur (kostenpflichtigen) Abmahnung gibt.
Stöcker beschreibt anschaulich die wirtschaftlichen Auswirkungen:
Der Web-Werbemarkt würde sich potentiell in ein Minenfeld für deutsche Werbetreibende verwandeln – denn allzu oft ist nicht sicherzustellen, dass auch alles, was auf einer internationalen Plattform passiert, wirklich deutschen Datenschutzstandards entspricht.
Da nicht anzunehmen ist, dass die Welt am deutschen Wesen genesen wird, wäre also die deutsche Wirtschaft mehrfach gestraft. Onlinewerbung wäre für sie nicht nur im Inland riskant, sondern weltweit. Jedenfalls so lange, wie Facebook & Co. nicht Frau Aigner zu liebe eine abgeschottete Deutschland-Ausgabe eröffnet. Womit natürlich ebenso wenig zu rechnen ist.
Gut möglich, dass so eine Idee deutsche Firmen, die auf Onlinewerbung angewiesen sind oder nicht ohne sie auskommen möchten, komplett aus Deutschland vergrault. Schon allein der Gedanke, für die – ohnehin in vielen Fällen fraglichen – Datenschutzfehler Dritter ohne eigenes Verschulden als Prügelknabe herhalten zu müssen, würde mich als Unternehmer mehr als zornig machen.
Während also Unternehmen abwandern, bliebe uns ein neues Segment auf dem boomenden Abmahnmarkt. Das offensichtliche finanzielle Potential dürfte Frau Aigner in einschlägigen Kreisen schlagartig viele neue Freunde bescheren. Die sehen auch gerne darüber hinweg, dass die Politik mal wieder nur eigene Hilflosigkeit und ihr Unvermögen auf andere abwälzt.
Der Rest sollte das aber nicht tun und dieser Ministerin die rote Karte zeigen. Es könnte irgendwann nämlich auch um den eigenen Arbeitsplatz gehen.
In der Diskussion um die Notwendigkeit einer Vorratsdatenspeicherung hat Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) nun einen Gesetzentwurf vorgelegt. Einzelheiten sind zwar noch nicht bekannt, aber offensichtlich rücken die Liberalen von ihrem grundsätzlichen Nein gegen eine flächendeckende Speicherung von Kommunikationsdaten ab.
Ich habe deshalb, wie viele andere auch, einen offenen Brief an die FDP-Bundestagsabgeordneten unterzeichnet mit der Bitte, bei der alten Linie zu bleiben. Kernaussagen des Schreibens:
1. IP-Adressenspeicherung schafft den gläsernen Internetnutzer
2. Strafverfolgung funktioniert auch ohne Vorratsdatenspeicherung
3. IP-Vorratsdatenspeicherung ist schädlich für Deutschland
4. Vorratsdatenspeicherung hilft nicht bei der Bekämpfung sexuellen Missbrauchs
5. Das Netz braucht keine Verbote, sondern intelligente Regelungsansätze
Der Brief ist hier veröffentlicht.
Vorzeitig abgebrochene Auktionen auf ebay sind ein ständiges Ärgernis. Immer wieder kommt es dann zum Streit darüber, ob der Höchsbietende Käufer geworden ist und die Ware beziehungsweise Schadensersatz verlangen kann. Der Bundesgerichtshof musste jetzt diese Frage jetzt für den Fall klären, dass die Kaufsache dem Anbieter vor Ende der Auktion gestohlen wird.
So war der Ausgangsfall:
Der Beklagte stellte am 23. August 2009 eine gebrauchte Digitalkamera nebst Zubehör bei eBay für sieben Tage zur Auktion ein. Am folgenden Tag beendete er das Angebot vorzeitig. Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger mit einem Gebot von 70,00 € der Höchstbietende. Er fordert vom Beklagten Schadensersatz in Höhe der Differenz zwischen seinem Gebot und dem von ihm behaupteten Verkehrswert (1.142,96 €) der Kamera nebst Zubehör. Der Beklagte beruft sich darauf, die Kamera sei ihm am Nachmittag des 24. August 2009 gestohlen worden.
Entscheidend für den Fall ist, wie man die Allgemeinen Geschäftsbedingungen von ebay auslegt. In § 10 Abs. 1 heißt es:
Bei Ablauf der Auktion oder bei vorzeitiger Beendigung des Angebots durch den Anbieter kommt zwischen Anbieter und Höchstbietendem ein Vertrag über den Erwerb des Artikels zustande, es sei denn der Anbieter war gesetzlich dazu berechtigt, das Angebot zurückzunehmen und die vorliegenden Gebote zu streichen.
Ergänzend wird in den ebay-Hinweisen als Grund für eine vorzeitige Angebotsbeendigung auch der Verlust des angebotenen Artikels genannt.
Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs ist der Diebstahl der Ware ein “gesetzlicher” Grund, um von der Auktion zurückzutreten. Diese Formulierung verweise nicht lediglich auf die gesetzlichen Bestimmungen, sondern allgemein auf die gültigen “Spielregeln” für ebay-Auktionen, so weit sie für alle Kunden der Plattform erkennbar seien. In den Hinweisen sei der Verlust ausdrücklich genannt. Unter Verlust sei auch der “Diebstahl” zu verstehen.
Das klingt natürlich nach einem großartigen Schlupfloch für alle Anbieter, die mit dem Verlauf einer Auktion nicht zufrieden sind. Allerdings hat der Kläger im entschiedenen Fall nicht bestritten, dass die Kamera tatsächlich gestohlen wurde. Wer dies in anderen Fällen behauptet, wird den Diebstahl möglicherweise beweisen müssen. Wer noch dazu allzu oft mit dieser Erklärung kommt, wird früher oder später auf jeden Fall Probleme bekommen.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 8. Juni 2011 – VIII ZR 305/10
Dem Anwalt des Klägers war ein Lapsus unterlaufen. Er hatte zwar, wie üblich, Zinsen für die Klageforderung geltend gemacht. Aber leider hatte er nicht geschrieben, ab wann er Zinsen möchte. In der mündlichen Verhandlung fragte die Richterin heute:
Und ab wann verlangen Sie Zinsen?
Diese Frage ließ den Kläger, der bislang friedlich neben seinem Anwalt stand, aufschrecken.
Zinsen? Das geht nicht. Das will ich nicht. Das verbietet meine Religion.
Sein Anwalt erklärte ihm, dass Klageforderungen in Deutschland verzinst werden. Bei der Summe, um die es gehe, könne da am Ende ein schöner Batzen zusammen kommen. Doch der Kläger erwies sich als Mann mit Prinzipien. Er werde seine Religion nicht wegen ein paar Euro verraten, sagte er.
Sein Anwalt ließ auftragsgemäß den Antrag auf Zinsen weg. Damit hatte sich die Frage der Richterin erledigt, wenn auch auf überraschende Art und Weise.
Unseren täglichen Gratisfilm gib uns heute – mit kino.to war das für viele Internetnutzer eines Selbstverständlichkeit. Doch damit scheint vorläufig Schluss zu sein, denn die Seite zeigt seit heute nur noch – Achtung, der Link führt zu kino.to – folgenden Inhalt:
Startseite von kino.to
Die Staatsanwaltschaft Dresden hat in einer groß angelegten Aktion die vermuteten Hintermänner von kino.to festnehmen lassen. Insgesamt, berichtet Spiegel online, sollen 13 Personen in Haft genommen worden sein, davon 12 in Deutschland, eine in Spanien. Ein Verdächtiger werde noch mit Haftbefehl gesucht.
Mit kino.to sollen siebenstellige Gewinne erzielt worden sein.
Vom letzten Satz auf der neu designten Startseite von kino.to sollten sich Nutzer der Seite nicht zu sehr verängstigen lassen. Es ist keineswegs ausgemacht, dass das bloße Betrachten von Streams, wie sie kino.to angeboten hat, eine Urheberrechtsverletzung darstellt. Es fehlt nämlich an der notwendigen Vervielfältigung des Films, da auf dem Rechner des Nutzers keine Kopie gespeichert wird.
Wenn die Polizei also tatsächlich meinen sollte, die einfache Nutzer von kino.to belangen zu können, begäbe sie sich auf ziemlich glattes Parkett.
Strafrichter haben nicht die Möglichkeit, die Pressefreiheit zu beschränken. Das ist die Lehre aus einem Beschluss des Bundesgerichtshofs, welcher der Bild-Zeitung einen späten Sieg beschert. Die Zeitung hatte Fotos eines mittlerweile veuurteilten Terrorhelfers aus dem Gerichtssaal unverpixelt abgedruckt – obwohl das Gericht die Aufnahmen nur unter der Bedingung gestattet hatte, dass das Gesicht des Angeklagten bei einer Veröffentlichtung verpixelt wird.
Bild hielt sich nicht hieran. Der mittlerweile zu sieben Jahren Haft Verurteilte klagte und bekam in den ersten beiden Instanzen recht. Der Bundesgerichtshof hatte nun keine Probleme mehr mit den Bildern. Die Richter kommen zu dem Ergebnis, der Terrorprozess sei ein wichtiges Ereignis gewesen. Der Angeklagte habe die Veröffentlichung deshalb hinnehmen müssen.
Auf die “sitzungspolizeiliche” Anordnung des Vorsitzenden geben die Karlsruher Richter nichts. Der Richter habe keine gesetzlichen Möglichkeiten, die Pressefreiheit über das zulässige Maß einzuschränken. Deshalb habe sich Bild nicht an die Anordnung halten müssen.
Dem Angeklagten geben die Richter den nachträglichen Hinweis, er hätte vor der Verhandlung ja sein Gesicht verbergen können. Das hat er vermutlich nicht getan, weil er das Pixelgebot des Gerichts für wirksam hielt.
Immerhin weiß man nun in der Zukunft, woran man in solchen Verfahren ist. Also lieber Baseballcap und einen Schal bereithalten. Viele Verteidiger haben solche Utensilien übrigens stets im Kofferraum…
Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. Alle? Der Düsseldorfer Richter Lutz B. ist schon ein besonderer Mensch. Wenn der 63-jährige aus dem heimischen Wegberg nach Düsseldorf gefahren ist und seinen Arbeitsplatz erreicht hat, parkte er seinen schwarzen Mercedes stundenlang im absoluten Halteverbot – direkt an seinem Arbeitsplatz, dem Oberlandesgericht.
Der Vorsitzende des 3. Strafsenats könnte sein Auto genauso gut auf einen der 77 Stelllpätze in der Tiefgarage des Gerichts bugsieren. So wie es andere Justizbedienste auch machen. Die Dienstparkplätze sind kostenlos. Doch B., der sich schon einen Namen als „Rasender Richter“ und „Richter Bleifuß“ gemacht hat, nimmt wieder mal ein Sonderrecht in Anspruch. Er hat sich beim Ordnungsamt der Stadtverwaltung Düsseldorf eine Ausnahmegenehmigung besorgt. Sie gilt für die Gegend um das Oberlandesgericht, eine vielbesuchte Zone, in der tagsüber nur schwer Parkplätze zu finden sind. Die Genehmigung liegt hinter der Windschutzscheibe von B.s Wagen. Sie schützt ihn zuverlässig vor teuren Knöllchen, selbst im Halteverbot.
Richterauto im absoluten Halteverbot. (Foto: pbd)
Es ist nicht die erste Vergünstigung, die sich der Senatspräsident in eigener Sache verschafft hat. B. hatte, wie berichtet, per Beschluss einen Autofahrer vom Vorwurf der Geschwindigkeitsüberschreitung rechtskräftig freigesprochen. In diesen Beschluss flocht er aber eine Klausel ein, die helfen konnte, seine eigenen Temposünden entfallen zu lassen. Motto: Ihr Richter bei den unteren Instanzen, beachtet meine Rechtsauffassung gefälligst bei meinen Taten!
Aus dieser Verfehlung zog Anne-José Paulsen seinerzeit die Konsequenzen. Die verärgerte OLG-Präsidenten ließ ihrem Kollegen per Präsidialentscheidung die Zuständigkeit für Ordnungswidrigkeiten entziehen.
Da ahnte Paulsen jedoch noch nichts von einem anderen Trick. Vor gut einem halben Jahr sollte sich B. vor dem Amtsgericht Erkelenz verantworten, weil er mal wieder zu schnell gefahren war und deshalb ein einmonatiges Fahrverbot kassierte. Doch der OLG-Senatspräsident verhöhnte den Amtsrichter. Dem ließ er – nach vergeblichen Ausflüchten zur Verlegung des Termins – ein ärztliches Attest zukommen. „Verhandlungsunfähig krank“ sei B., so hieß es. Am Verhandlungstag wurde B. jedoch munter im Düsseldorfer OLG beobachtet.
Überrascht zeigte sich die OLG-Präsidenten auch über die Tatsache, dass ihr Kollege unbehelligt sein Auto im absoluten Halteverbot parkt: „Das wusste ich nicht“, sagt sie und betont: „Es bestehen keine dienstlichen Gründe, Herrn B. eine Ausnahmegenehmigung zum Parken im Halteverbot ‚im Umfeld des OLG’ zu erteilen.”
Warum das Düsseldorfer Ordnungsamt dieses Sonderrecht, mit dem es sonst äußerst zurückhaltend umgeht, ausgerechnet dem Richter genehmigt hat, mochte die Stadtverwaltung Düsseldorf nicht offenbaren. Sie verweigert bislang nähere Auskunft. Auch B., zu seinen Motiven gefragt, mag sich nicht äußern.
Von der Stadt war lediglich zu erfahren, dass B. die Sondererlaubnis nun zurückgeben wird beziehungsweise dies schon getan hat. (pbd.)
Schwarzfahren – Straftat oder Kavaliersdelikt? Berliner Richter stehen jedenfalls vor einem Berg von Verfahren gegen Schwarzfahrer. Bis zu jeder dritte Prozess gegen Erwachsene soll sich in der Hauptstadt um dieses Delikt drehen, bei Jugendlichen jeder Fünfte. Einige Richter wollen jetzt die Notbremse ziehen. Sie fordern nach einem Bericht des Tagesspiegel, Schwarzfahren nur noch als Ordnungswidrigkeit zu ahnden und Hartz-IV-Empfänger kostenlos fahren zu lassen.
Wäre Schwarzfahren kein Fall mehr für die Strafgerichte, würde das nach Auffassung eines Richters “unglaubliche Kräfte freisetzen”. Derzeit seien viele Ressourcen mit der Verfolgung von Ticketsündern gebunden. Das gilt auch für die Gefängnisse. Schon länger ist bekannt, dass in der Berliner Justizvollzugsanstalt Plötzensee ein Drittel der Gefangenen wegen Schwarzfahrens einsitzt. Das kostet den Steuerzahler laut Tagesspiegel rund 80 Euro pro Tag.
Mutig finde ich den Vergleich des erwähnten Richters, wonach Schwarzfahren auch nichts anderes ist, als wenn ein Autofahrer sein Auto parkt und keinen Parkschein zieht. Jedenfalls führt das zum Kern der Frage, der schon seit jeher diskutiert wird: Wieso sorgt der Staat für “Abschreckung”, bloß damit Verkehrsbetriebe weitgehend auf Eingangskontrollen in den Bahnhöfen oder sonstige effektive Ticketsysteme verzichten können?
Diese offensichtlich gewollte Quersubvention stellt Juristen seit jeher vor Probleme. Der Straftatbestand selbst sah so was nämlich gar nicht vor. Er heißt “Erschleichen von Leistungen”. Dass heute jeder Fahrgast einfach so in Busse und Bahnen einsteigen und mitfahren kann, passt schon nicht zum Begriff des Erschleichens. Denn dieser hat mit Tricksen, Tarnen und Täuschen zu tun. Generationen von Richtern haben sich damit beholfen, dieses Erfordernis auszuhebeln. Sie gingen und gehen nach meiner Meinung über die Grenze des Wortlauts hinaus, indem sie postulieren, es genüge für ein Erschleichen auch, wenn sich jemand “den Anschein des Ordnungsgemäßen” gebe.
Man müsste sich eigentlich nur darauf besinnen, dem Gesetz die gewollte Bedeutung zuzugestehen. Schwarzfahren wäre dann nur möglich, wenn jemand funktionierende Kontrollen aktiv umgeht. In Zeiten der “Near Field Communication” müssten das ja auch keine Drehkreuze mehr sein.
Der Ball läge dann im Spielfeld der Verkehrsbetriebe. Und die Justiz hätte mehr Zeit, sich um die wirklich wichtigen Fälle zu kümmern.
Was sind die Beweggründe der Staatsanwaltschaft Mannheim, im Verfahren gegen Jörg Kachelmann Revision einzulegen? Im Gespräch mit Focus online äußert Jura-Professorin Monika Frommel ihre Ansichten. Unter anderem sagt sie:
Eine Berufung scheidet ohnehin aus, weil die Staatsanwaltschaft dann neue Beweise vorlegen müsste.
Diese Erwägung ist, nun ja, etwas neben der Spur. Wenn die Strafkammer am Landgericht wie im Fall Kachelmann in erster Instanz geurteilt hat, gibt es keine Berufung. Das einzig mögliche Rechtsmittel ist die Revision zum Bundesgerichtshof.
Eine Berufung wäre nur möglich, wenn das Amtsgericht gegen Jörg Kachelmann verhandelt hätte. Hat es aber nicht.
Die Äußerung der Juristin offenbart eines der großen Rätsel der Strafprozessordnung. Bei harmloseren Anklagen, die am Amtsgericht verhandelt werden, hat der Angeklagte zwei Rechtsmittel. Die schon erwähnte Berufung, über die dann tatsächlich das Landgericht entscheidet. Und dann die Revision gegen die Berufungsentscheidung des Landgerichts, die am Oberlandesgericht verhandelt wird.
Wer wegen einer schwereren Straftat direkt am Landgericht angeklagt wird, kann dagegen nur in Revision gehen. Die Frage einer Berufung stellt sich im Fall Kachelmann also nicht.
Auch der Hinweis Frommels, wonach eine Berufung zwingend neuer Beweismittel bedarf, ist so nicht richtig. Weder die Staatsanwaltschaft noch der Angeklagte sind gezwungen, neue Beweismittel zu nennen. Die Sache muss bei fristgerecht eingelegter Berufung immer neu verhandelt werden, so weit das Urteil angefochten wurde. Nur bei Bagatelldelikten (Geldstrafe bis 15 Tagessätze) hat das Landgericht die Möglichkeit, die Berufung ohne Hauptverhandlung zu verwerfen.
Ich halte es übrigens für sehr wahrscheinlich, dass der Interviewer nichts verstanden und/oder einiges durcheinander geworfen hat.
Tiananmen protesters still jailed in China, 22 years on
JVA Freiburg soll Zentralstelle für Sicherungsverwahrte werden
Katholische Ärzte wollen Schwule „heilen“
„Die Pflaster aus dem Müll werden ausgekocht und dann wird die Flüssigkeit gespritzt“
„Krieg gegen Drogen ist gescheitert“
Once Upon a Time in New York: The Birth of Hip Hop, Disco and Punk
“Haben wir nicht gekriegt.”
Ein Satz, den man durchaus öfter in Behörden hört. Fehlt – aus welchen Gründen auch immer – ein wichtiges Schreiben in der Akte, sucht man die Schuld ungern bei sich selbst. Vielmehr soll der Bürger büßen. Anträge werden abgelehnt, Leistungen gekürzt. Immerhin, so heißt es dann gerne, hätte der “Kunde” seine Mitteilung ja per Einschreiben schicken können.
Selbst schuld?
So einfach dürfen es sich Ämter aber dann doch nicht machen. Dies hat das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz klargestellt. Ein junger Mann sollte Ausbildungsbeihilfen zurückzahlen. Ein Schreiben, in dem er auf eine Änderung seiner Lebensverhältnisse hinwies, hatte die Agentur für Arbeit angeblich nicht bekommen. Die Behörde hielt es für “grob fahrlässig”, wenn ihre Kunden Briefe mit normaler Post schicken.
Das sehen die Richter anders. Sie weisen darauf hin, einfache Post sei keine unsichere Versendungsform. Was sich unter anderem daraus ergebe, dass die Agentur für Arbeit die weitaus meisten ihrer Bescheide selbst nur per “normalen” Brief versende. Auch wenn ein geringer Bruchteil der Sendungen verschwinde, dürfe der Bürger darauf vertrauen, dass ein Brief normalerweise den Empfänger erreicht.
Hier konnte der Betroffene eine Zeugin aufbieten. Seine Mutter bestätigte, sie habe das Formular ausgefüllt und ordnungsgemäß an die Agentur für Arbeit geschickt. Mehr sei nicht zu verlangen, konstatiert das Landessozialgericht. Es gebe auch keine Pflicht nachzufragen, ob das Schreiben tatsächlich angekommen ist.
Diese Sicht der Dinge ersparte dem Kläger eine Rückforderung von etwas mehr als 1.000 Euro.
Es kann also nie schaden, wenn man einen glaubwürdigen Zeugen hat. Bestätigt dieser, dass der Brief auf den Weg gegangen ist, kann man den Kampf aufnehmen gegen ein lakonisches “Haben wir nicht gekriegt”.
Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 29. Oktober 2010, L 1 AL 49/09