Wenn der Postmann nicht klingelt

Sonntags müssen Arbeitnehmer nicht mit Post vom Chef rechnen. Schon gar nicht mit einer Kündigung. Wirft der Arbeitgeber die Kündigung am Sonntag in den Briefkasten, gilt sie erst am Montag als zugestellt. Dies hat das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein entschieden.

Eine Anwaltskanzlei wollte einer Mitarbeiterin innerhalb der Probezeit kündigen. Die Probezeit lief am Sonntag ab, und am letzten Tag der Kündigungsfrist von zwei Wochen landete auch das Schreiben der Kanzlei im Briefkasten. Persönlich eingeworfen von einem Mitarbeiter der Anwaltskanzlei. Die Mitarbeiterin wollte jedoch zwei weitere Wochen Lohn, da sie die Kündigung erst am Montag zur Kenntnis genommen hatte – da war die Probezeit schon abgelaufen und es galt eine längere Kündigungsfrist.

Die Frau bekam vom Landesarbeitsgericht Recht. Begründung: Ein Arbeitnehmer muss seinen Briefkasten nur an Tagen leeren, an denen die Post zustellt. Das gelte selbst dann, wenn der Arbeitnehmer auch sonntags arbeite.

Die Entscheidung spiegelt an sich nur, wie das Bürgerliche Gesetzbuch seit jeher den Zugang von Briefen regelt. So wäre die Kündigung wohl auch zu spät gewesen, wenn sie schon am Samstagabend eingeworfen wurde. Denn ab Samstagnachmittag muss in normalen Zustellgebieten nicht mit mehr mit Post gerechnet werden (Aktenzeichen 2 Sa 149/15).

Rauchen auf der Terrasse bleibt erlaubt

Auf dem eigenen Grundstück rauchen bleibt uneingeschränkt erlaubt. In Dortmund sind zwei Ehepaare mit dem Versuch gescheitert, ihren Nachbarn den Zigarettengenuss auf der Hausterrasse zu untersagen. Das Amtsgericht verneint in seinem Urteil eine „wesentliche Beeinträchtigung“ durch den Zigarettenrauch.

Die Nachbarn hatten sich beschwert, dass der Rauch des Ehepaars in ihre Schlafzimmer zieht. „Das stinkt erbärmlich“, zitiert die WAZ einen der Kläger. „“Wir können nachts die Fenster nicht mehr öffnen.“

Hiergegen wandten die Beklagten ein, sie würden pro Tag höchstens 16 Zigaretten rauchen. Sie wehrten sich deshalb auch gegen eine zeitliche Einschränkung des Rauchens. Die Kläger hatten verlangt, dass ab 21 Uhr auf der Terrasse gar nicht mehr geraucht wird.

Die Richterin verschaffte sich nach dem Bericht einen persönlichen Eindruck vor Ort. Sie kam zu dem Ergebnis, der Rauch sei keine „wesentliche Beeinträchtigung“, welche ein Rauchverbot auf der Terrasse rechtfertige. Die Beklagten dürfen also weiter rund um die Uhr rauchen.

Kein geheimer Zugriff

In Ermittlungsverfahren werden gerne die Mail-Konten von Beschuldigten beschlagnahmt. Das gibt den Behörden erst mal Zugriff auf die gesamte Korrespondenz, die auf den Servern gespeichert ist. Allerdings darf das alles nicht im Geheimen geschehen. Vielmehr muss der Besitzer des E-Mail-Kontos informiert werden, so eine aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofs.

Ein Beschuldigter hatte erst nach einiger Zeit erfahren, dass die Polizei die Daten auf seinem Mailserver sichergestellt hatte. Unmittelbar nach der Maßnahme war er nicht informiert worden.

Das geht so nicht, sagt der Bundesgerichtshof und verweist auf die geltende Rechtslage. Die Beschlagnahme sei keine Ermittlungsmaßnahme wie etwa das Abhören von Telefonen, bei der das Gesetz ausdrücklich eine spätere Benachrichtigung der Betroffenen erlaubt. Ohne gesetzliche Regelung gelte der Grundsatz, dass Betroffene informiert werden müssen.

Ein Beweisverwertungsverbot nimmt das Gericht im konkreten Fall aber nicht an. Allerdings erfolgt der klare Hinweis, dass ein Verwertungsverbot in Frage kommen könnte, wenn die Beschlagnahme geheim gehalten wird, um sie in regelmäßigen Abständen zu wiederholen (Aktenzeichen 3 StR 162/15).

Verteidiger als Zaungäste

Im Münchner NSU-Verfahren geht es derzeit anscheinend drunter und drüber. So berichtet Gisela Friedrichsen auf Spiegel Online von den neuesten Bemühungen der Zschäpe-Anwälte aus der ersten Stunde, endlich aus dem Verfahren rauszukommen. Wie es aussieht, liefert ihnen ausgerechnet der Gerichtsvorsitzende die hierfür nötigen Argumente.

Die Anwälte Sturm, Stahl und Heer wehren sich dagegen, dass der Vorsitzende anscheinend hinter ihrem Rücken intensiv mit dem neuen, vierten Pflichtverteidiger Mathias Grasel kommuniziert. Wobei es weniger die Kommunikation als solche ist, sondern vielmehr der Umstand, dass der Vorsitzende Manfred Götzl die anderen Verteidiger hierüber nicht informiert. Dass der Vorsitzende sogar mit einem Anwalt sprechen soll, der gar nicht Verteidiger von Zschäpe, sondern „nur“ der Sozius von Grasel sein soll, macht die Sache sicher nicht einfacher. Zumal es ja um die Frage zu gehen scheint, ob Beate Zschäpe eine Strategiewende vollzieht und aussagt.

Nach meinem Verständnis zu Recht monieren Sturm, Stahl und Heer, dass das Gericht sie bisher im wahrsten Sinne des Wortes in die Pflicht genommen hat. Eine Entpflichtung der bisherigen Verteidiger wurde nach Grasels spätem Auftauchen mit dem Hinweis abgelehnt, dass auch die bisherigen Pflichtverteidiger dafür da sind, Zschäpes ordnungsgemäße Verteidigung zu gewährleisten. Das wäre aber wirklich nur noch eine Fassade, wenn das Gericht die Verteidiger nicht mal darüber informiert, welche weichenstellenden Dinge mit Grasel besprochen werden.

Befangenheitsanträge können die Alt-Verteidiger allerdings nicht so einfach stellen. Denn die Besorgnis der Befangenheit können nicht Anwälte hegen, sondern immer nur ihre Mandanten. Sofern Zschäpe sich die Bedenken ihrer Verteidiger nicht zu eigen macht, bleiben denen derzeit nur gehaltvolle Protestnoten, die den Prozess jedoch kaum zum Platzen bringen können.

Allerdings kann die nicht ordnungsgemäße Verteidigung der Angeklagten ein späterer Revisionsgrund sein. Fragt sich halt nur, ob Zschäpe diese Gründe überhaupt vorbringen würde. Derzeit versucht aber auch noch der Angeklagte Ralf Wohlleben über seinen Anwalt, aus dem Zschäpe-Durcheinander einen Befangenheitsgrund zu modellieren. Immerhin wird er ja auf gewisse Art und Weise mit in den Strudel gerissen. Gut möglich, dass es über ihn am Ende klappt.

Nicht zu früh lächeln

Das Amtsgericht verurteilte meinen Mandanten zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und drei Monaten. Ein denkbar blödes Ergebnis, denn ab zwei Jahren und einem Tag kann eine Strafe nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden.

Gleichzeitig sind solche Urteile aber häufig auch ein Signal der Richter: Wir wollen zwar kein übermäßig hartes Urteil sprechen, aber auch keine Bewährung geben. Geh also mal in Berufung, lieber Angeklagter. Bis das Landgericht entscheidet, ist ein weiteres Jahr vergangen. Wenn du bis dahin keinen weiteren Ärger hattest, kriegst du die Bewährung dann halt in der nächsten Instanz.

Genau das war jetzt auch das Ziel, das ich mit meinem Mandanten am Landgericht verfolgte. Nach einem langen, durchaus kontroversen Verhandlungstag verkündete die Vorsitzende das Urteil. Zwei Jahre Haft. Genau die drei Monate weniger, die wir für die Bewährung brauchten. Juchu.

Doch ganz so erfreulich lief es dann doch nicht ab. Die Reduktion der Strafe auf ein bewährungsfähiges Maß bedeutete bei diesem Gericht keineswegs, dass es auch Bewährung gibt. Die Strafaussetzung wurde vielmehr im Ergebnis trotzdem verweigert. Mit reichlich lakonischen Argumenten. Böswillig will ich ja nicht sagen.

Alles halb so wild, könnt man denken. Immerhin kann mein Mandant ja noch Revision einlegen. Dumm nur, dass die Bewährungsentscheidung nach Auffassung der Gerichte nur sehr eingeschränkt kontrolliert werden darf. Es gilt bei den meisten Gerichten der Grundsatz, dass nur völlig unvertretbare Bewährungsbeschlüsse aufgehoben werden. Damit soll der weite Spielraum akzeptiert werden, der den unteren Gerichten in der Bewährungsfrage zugebilligt wird.

Ich darf das Revisionsgericht jetzt also mit goldenen Worten davon überzeugen, dass die verweigerte Bewährung doch krass böswillig war. Ich werde es in andere Worte verpacken, aber am Ende läuft es darauf hinaus.

Jedenfalls werde ich künftig bei einer Urteilsverkündung nicht mehr erfreut lächeln, wenn die Strafe aufs bewährungsfähige Maß reduziert wird. So erspare ich mir das lange Gesicht, wenn ich am Ende auf den Bewährungsbeschluss warte – der dann nicht kommt.

„Der Beschuldigte ist Ausländer“

Der Dresdner Rechtsanwalt Mark Feilitzsch twittert eine Strafanzeige der Chemnitzer Polizei. Dabei handelt es sich um das Deckblatt zur Anzeige, in dem es darum geht, ob eine „gütliche Lösung“ mit dem Beschuldigten angedacht wurde.

Zum Beispiel, indem er den Vorwurf durch Zahlung einer Auflage aus der Welt schafft, worauf das Verfahren nach § 153a StPO eingestellt werden könnte. Das Formblatt sieht diese Möglichkeit ausdrücklich vor.

Mit dem Beschuldigten hat die Chemnitzer Polizei aber nicht in diesem Sinne geredet. So heißt es.

Ein Angebot auf Zahlung eines Geldbetrages nach § 153a StPO wurde von hier an die/den Beschuldigten nicht herangetragen, □ weil aus folgendem Grund: Der Beschuldigte ist Ausländer.

Rechtsstaat sieht anders aus.

Alle Jahre wieder: Anwaltskalender zu gewinnen

Die Tage werden kürzer, Weihnachten rückt näher. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass es im law blog mal wieder was zu gewinnen gibt. Auch dieses Jahr verlose ich nämlich den lustigen Anwaltskalender des Düsseldorfer Karikaturisten wulkan.

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Praktischerweie handelt es sich um den Kalender 2016, so dass sich die Teilnahme als zukunftssichere Sache darstellt. Der Anwaltskalender enthält zwölf Motive aus dem Juristenalltag. Insgesamt gibt es zehn Kalender zu gewinnen. Fünf stiftet das law blog, weitere fünf wirft der Karikaturist in den Ring.

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Es ist denkbar einfach, einen Kalender zu gewinnen. Bitte einen Kommentar zu diesem Beitrag schreiben. Wichtig ist es, eine gültige E-Mail-Adresse zu hinterlassen. Die Gewinner werden ausschließlich über die angegebene E-Mail-Adresse informiert. Sie erhalten den Kalender rechtzeitig vor Weihnachten ins Haus. Möglich ist auch der Versand an eine andere Adresse, zum Beispiel als Geschenk. Kommentare, die bis zum 16. November 2015 eingehen, machen bei der Verlosung mit.

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Wer sich nicht auf sein Glück verlassen möchte oder gar mehrere Kalender haben möchte, kann diese auch kaufen. Es gibt den Kalender nur im Direktvertrieb bei wulkan. E-Mail: wulkan@arcor.de. Telefon: 0172 200 35 70. Der Kalender kostet 20,95 Euro zuzüglich 5,00 Euro Versandpauschale. Der Kalender ist auf hochwertigem Papier gedruckt und mit einer Spiralbindung versehen.

Allen Teilnehmern viel Glück.

Das Ende des Routerzwangs

Der Routerzwang ist Geschichte: Internetanbieter können ihre Kunden künftig nicht mehr zwingen, von ihnen vorgeschriebene Modems und Router zu benutzen. Der Bundestag verabschiedete gestern ein entsprechendes Gesetz.

Die neuen Regeln definieren, bis wohin die „Macht“ der Anbieter reicht: bis zur Netzanschlussdose. Dahinter darf dem Kunden künftig nicht mehr vorgeschrieben werden, welche Geräte er benutzt. Konkret werden die Anbieter verpflichtet, dem Kunden auf dessen Wunsch die Zugangsdaten für das Netz zu sagen, so dass diese sich auch mit kompatiblen Geräten anderer Hersteller können.

Das Gesetz soll sechs Monate nach Verkündung in Kraft treten. Zunächst muss das Paket aber noch durch den Bundesrat, der aber nicht zustimmungspflichtig ist.

Link zum Gesetzentwurf

Tank leer, bitte weiterfahren

Die Tankanzeige eines Autos muss nicht erst dann „0“ anzeigen, wenn der Tank tatsächlich leer ist. Ein Porschekäufer hatte gegen einen Fachhändler geklagt, weil der Bordcomputer seines dort gekauften Porsche 911 Turbo S Cabriolet (Preis 176.500 Euro) schon nach Verbrauch von 59 Litern die Restreichweite „0“ anzeigte – tatsächlich fasst der Tank aber 67 Liter Benzin.

Das Oberlandesgericht Hamm sieht darin keinen Mangel. Es entspreche dem Stand der Technik, dass die Benzinpumpe nicht jede Restmenge Treibstoff aus dem Tank befördern kann. Bei dem Porsche waren es 3,3 Liter, die laut Hersteller zum Schutz vor schädlichen Schwebeteilchen stets im sogenannten „Pumpensumpf“ des Tanks verbleiben.

Daneben lässt die Restreichweitenanzeige des Porsche immer weitere 3,1 Liter Benzin unberücksichtigt. Auch das geht in Ordnung, so die Richter. Der Hersteller habe den Computer aus nachvollziehbaren Gründen so eingestellt. Das solle verhindern, dass der Tank so weit leer gefahren wird, dass die Kraftstoffpumpen Luft ansaugen. Das könne vor allem bei extremen Kurvenfahrten passieren, was den Motor kaputtmachen könne.

Der Porsche zeige also nur die Reichweite an, bei der noch gefahrlos weitergefahren werden könne, so das Gericht. Insgesamt, so das Gericht, sei das Auto nicht mangelhaft (Aktenzeichen 28 U 165/13).

Airline muss ehrlich informieren

Das Landgericht Berlin hat der Fluggesellschaft Germania untersagt, Kunden im Internet falsch über ihre Rechte bei großen Verspätungen und Überbuchungen zu informieren. Die Richter gaben damit einer Klage des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) statt, der ein Informationsblatt der Airline als teilweise irreführend kritisiert hatte.

„Das Landgericht hat klargestellt, dass eine Fluggesellschaft ihre Kunden eindeutig und vollständig über ihre Rechte informieren muss. Sie darf wichtige Kundenansprüche nicht einfach weglassen,“ sagt Kerstin Hoppe, Rechtsreferentin beim vzbv.

Germania hatte auf ihrer Internetseite ein Informationsblatt über Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen im Fall von Überbuchungen, Annullierungen und großen Verspätungen veröffentlicht. Die Rechtsansprüche der Kunden wurden darin allerdings missverständlich und teilweise falsch wiedergegeben.

In der Information fehlte etwa der Hinweis auf Ausgleichszahlungen von 250 bis 600 Euro, die Fluggästen bei großen Verspätungen nach der Rechtsprechung zustehen. Lückenhaft informierte die Airline auch über die Rechte von Kunden, die ihren Flug wegen einer Überbuchung nicht antreten dürfen. Unerwähnt blieb, dass sie neben der Erstattung des Flugpreises einen kostenlosen Rückflug zum Ausgangsflughafen ihrer Reise verlangen können.

Passagieren, die etwa wegen einer Annullierung ihres Flugs die Nacht vor Ort verbringen müssen, sollte laut Informationsblatt „notfalls“ eine Hotelunterbringung angeboten werden. Die Formulierung ist nach Auffassung der Richter missverständlich: Mancher Kunde werde sie so verstehen, dass ein Hotel nur in Ausnahmefällen beansprucht werden kann und er sich zunächst selbst um eine Unterbringung kümmern muss oder, sofern ihm möglich, die Nacht auf dem Flughafen verbringen soll.

Tatsächlich sind die Fluggesellschaften stets dazu verpflichtet, Fluggästen eine Hotelunterbringung anzubieten, falls ein Aufenthalt über Nacht erforderlich wird (Aktenzeichen 52 O 102/15).

12 Seiten

Für eine Hauptverhandlung hatte ich eine Stellungnahme vorbereitet. 12 Seiten. Eigentlich hatte ich ja gehofft, mit der Richterin vorher mal über die Sache am Telefon über die Sache sprechen zu können. Mit ein wenig guten Willen wäre vielleicht eine Einstellung machbar gewesen.

Doch leider gelang es mir partout nicht, die Vorsitzende ans Telefon zu bekommen. Obwohl ich sogar ihre Durchwahl besaß. Laut Auskunft ihrer Mitarbeiterin war sie an sich jeden Tag im Gericht; aber ich rief anscheinend immer zum falschen Zeitpunkt an.

Nun ja, dann nahm ich mir also die Zeit, um eine schönes Opening Statement zu Papier zu bringen. Ich war also gut vorbereitet, als der Prozess aufgerufen wurde. Die Richterin schaute höflich in die Runde, dann sagte sie, die Staatsanwältin fest im Blick:

Bei der Vorbereitung der Akte habe ich mir gedacht, das könnte die einzige Einstellung des Tages werden. Ich hoffe, Sie sehen das ähnlich. § 153 StPO, Kosten und notwendige Auslagen trägt die Staatskasse.

Die Frau Staatsanwältin unterlag sofort der Anziehungskraft einer vorzeitigen Kaffeepause. Sie stimmte zu. Mein hoch erfreuter Mandant natürlich auch.

Zum Glück hatte ich vorher mit dem Mandanten abgestimmt, dass ich wegen der Nichterreichbarkeit der Richterin doch besser eine umfangreiche Stellungnahme vorbereite. Somit wird er hoffentlich keinen Herzschlag bekommen, wenn ich auch dafür das vereinbarte Zeithonorar abrechne…

Ablaufdatum für Denkzettel

Viele Gerichte arbeiten langsam. Dafür gibt es zahlreiche Gründe. Eine Verfahrensverzögerung kann sich zum Beispiel auch positiv für Verkehrssünder auswirken. Denn nach einem gewissen Zeitraum dürfen keine Fahrverbote mehr verhängt werden. Die Frage ist nur: Ab wann ist das der Fall?

Die meisten Gerichte gehen davon aus, dass ein Fahrverbot zwei Jahre nach der Tat nicht mehr in Frage kommt. Dann, so die Argumentation, kann die Sanktion schon wegen des Zeitablaufs einen Betroffenen nicht mehr wirksam belehren und warnen (Denkzettelfunktion).

An die Zwei-Jahres-Grenze kommt man übrigens öfter, als man denkt. Wenn sich das Amtsgericht Zeit lässt und die zuständige Berufungskammer am Landgericht – wie so oft – ihre Termine wegen vorrangiger Haftsachen schieben muss. Das Terminsdilemma vieler Berufungskammern kennen Verteidiger natürlich. So manche Berufung, die natürlich das gute Recht eines Angeklagten ist, hat sich da schon gelohnt, auch wenn das Urteil bestätigt wurde. Wenn am Ende auch ohne Fahrverbot.

Die Zwei-Jahres-Grenze ist aber nicht unbedingt starr, wie sich aus Beschlüssen des Oberlandesgerichts Zweibrücken ergibt. Dieses hat schon in der Vergangenheit ein Fahrverbot schon nach einem Jahr und neun Monaten für entbehrlich gehalten. In einem etwas neueren Beschluss, auf den Rechtsanwalt Detlef Burhoff hinweist, senken die Richter die Grenze auf ein Jahr und acht Monate.

Noch tiefer wird es wohl aber in Zweibrücken nicht gehen. Einen Fahrverbotsverzicht schon nach einem Jahr und sieben Monaten lehnt das Gericht in einer Entscheidung aus dem Oktober kategorisch ab. Aber auch so ist der Spielraum, den die Entscheidungen nach unten eröffnen, aus Sicht eines Betroffenen natürlich nicht zu unterschätzen.

Hoeneß beantragt Halbstrafe

Uli Hoeneß hofft auf eine kurze Haft. Der Fußballmanager hat nun beantragt, seine Gefängnisstrafe schon nach der Hälfte zur Bewährung auszusetzen. Das ist möglich, aber eine Ausnahme, und zwar sowohl nach den Vorgaben des Gesetzes und in der praktischen Umsetzung.

„Normal“ ist bei Freiheitsstrafen, dass diese nach zwei Dritteln zur Bewährung ausgesetzt werden. Einzige Voraussetzung ist hierfür neben der Zustimmung des Angeklagten zur vorzeitigen Entlassung, dass die Bewährung „unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann“. Um das zu beantworten, müssen das Vorleben des Angeklagten, die Tat, Rückfallgefahr, sein Verhalten im Vollzug und andere Faktoren berücksichtigt werden.

Für eine Entlassung schon zur Hälfte verlangt das Gesetz in § 57 StGB „besondere Umstände“, jedenfalls bei Strafen über zwei Jahren. Die Prüfung der besonderen Umstände erfordert eine „Gesamtwürdigung von Tat, Persönlichkeit der verurteilten Person und ihrer Entwicklung während des Strafvollzugs“.

In der Praxis bedeutet das: Die Halbstrafe gibt es nur für waschechte „Musterschüler“, und das meinen die zuständigen Richter in der Regel ziemlich ernst. Gleichwohl dürfte Uli Hoeneß sicher nicht die schlechtesten Chancen haben, dass in seinem Fall die „besonderen Umstände“ bejaht werden. Alles andere würde mich schon sehr überraschen.

Keine Revision ohne Auftrag

Ein Angeklagter darf nicht darauf vertrauen, dass sein Verteidiger ohne seine konkrete Anweisung gegen das Urteil Berufung oder Revision einlegt. Darauf weist der Bundesgerichtshof in einem aktuellen Beschluss hin.

Eine Angeklagte, die aus den Niederlanden stammt, wollte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, weil ihr Pflichtverteidiger innerhalb der einwöchigen Frist keine Revision eingelegt hatte. Der Anwalt berief sich aber darauf, die Frau habe ihn im Gerichtstermin nicht mit einer Revision beauftragt. Spätere Versuche, die Angeklagte zu erreichen, seien erfolglos geblieben. Sie habe sich auch nicht bei ihm gemeldet.

Es sei Aufgabe des Angeklagten, die Frage eines Rechtsmittels mit seinem Anwalt rechtzeitig und eindeutig zu klären, befindet der Bundesgerichtshof. Der Anwalt sei auch nicht verpflichtet, ohne eindeutigen Auftrag vorsorglich ein Rechtsmittel einzulegen.

Ich persönlich halte es so, dass ich im Zweifelsfall das Rechtsmittel einlege. Ich nehme die Berufung oder Revision dann halt zurück, nachdem ich mit dem Mandanten sprechen konnte. Das ist immer noch einfacher und folgenloser, als bei Gericht um Wiedereinsetzung betteln zu müssen (Aktenzeichen 4 StR 364/15).