Auf eine Cannabiszigarette …

Wegen einer aktuellen Beratung mache ich mal einen kleinen Schlenker ins Mietrecht. Die Frage:

Kann der Vermieter dem Mieter Cannabiskonsum in seiner Wohnung verbieten, wenn der Mieter ein Cannabisrezept vom Arzt hat und ausschließlich Stoff aus der Apotheke raucht?

Der Vermieter ist gesetzlich verpflichtet, dem Mieter den „Gebrauch der Mietsache“ zu gewähren. Dazu gehört die übliche Nutzung. Auch das Zigarettenrauchen gilt (noch) als übliche Benutzung – wenn der Mieter nicht übermäßig raucht und die anderen Bewohner nicht übermäßig beeinträchtigt werden.

Auf illegalen Cannabiskonsum lassen sich diese Grundsätze nicht 1:1 übertragen. Zwar ist Drogenkonsum als solcher nicht strafbar, wohl aber der Besitz. Wenn jemand dann regelmäßig zu Hause Gras raucht, spricht natürlich vieles dafür, dass ihm der Stoff nicht einfach so zufliegt. Überdies riecht Cannabis ja doch etwas anders. Mitmieter können sich also durchaus schneller gestört fühlen, und der Vermieter muss strafbares Verhalten in seinem Haus nicht dulden – zumindest wenn es von außen wahrnehmbar ist.

Ganz anders ist es aber wiederum, wenn es um Arzneimittel geht. Ärztlich verordnetes Cannabis aus der Apotheke ist – dank einer noch gar nicht so alten Gesetzesänderung – keine illegale Substanz, sondern ein Medikament. Seine Arznei darf ein Mieter aber auf jeden Fall zu sich nehmen, das gehört sicher zum üblichen Gebrauch einer Mietsache. Die Grenze der Unzumutbarkeit für die Mietmieter ist dann auf jeden Fall sehr, sehr weit nach oben verschoben. Die Nachbarn werden es also dulden müssen, wenn es künftig ab und zu etwas süßlich riecht.

Schlecht geparkt

Der Mandant hat einen Anhörungsbogen der Polizei bekommen. Ihm wird fahrlässige Körperverletzung im Straßenverkehr zur Last gelegt. Klingt erst mal recht alltäglich, solche Verfahren gibt es jeden Tag im Hunderterpack. Interessant wird es aber beim eigentlichen Tatvorwurf:

Am 23.05.2019 gegen 11.34 h ereignete sich ein Verkehrsunfall mit Personenschaden in G. auf der H-Straße Höhe Haus-Nr. 44. Ihr Fahrzeug war dort verkehrswidrig geparkt, so dass einer der Unfallbeteiligten als Einfahrender in den fließenden Verkehr keine Einsicht hatte und es zum Unfall kam. Machen Sie Angaben zum Tatvorwurf.

Schon sportlich, diese „Anklage“. Das kann man nicht anders sagen. Ich wage mal die Prognose, dass man aus der Sache mit einigen guten Argumenten problemlos rauskommen kann, wenn die – noch ausstehende – Akteneinsicht keine allzu großen Überraschungen mit sich bringt.

Bei all der Verwunderung über den Vorwurf als solchen darf man aber nicht den Fehler machen, auf Vorwärtsverteidigung zu schalten. Der Mandant ist nämlich nur Halter des Fahrzeuges, es kann also auch ein anderer gefahren sein. Diese Verteidigungsoption sollte man sich auf keinen Fall selbst wegnehmen, indem man sich selbst als Fahrer outet.

Auch wenn ich natürlich davon lebe, ist es sicher nicht ganz dumm vom Mandanten, wenn er sich aus der Sache erst mal zurückzieht und mich die Lage sondieren lässt.

Verschubt

Ein Mandant muss sich zum Strafantritt in Nordrhein-Westfalen stellen. Nun ja, er musste sich zum Strafantritt stellen. Die Frist lief vor geraumer Zeit ab; deshalb dürfte er jetzt gesucht werden.

Da er sich seit geraumer Zeit in Norddeutschland aufhält und dort mehr oder weniger etwas Wurzeln geschlagen hat (Freundin), kam ihm der Gedanke, sich auch dort oben zu stellen, da er keinen Bock auf eine Fortsetzung seiner „Flucht“ hat. Seine Hoffnung: Wenn er im hanseatischen Raum auf eine Polizeiwache geht, darf er dann vielleicht auch gleich seine Strafe dort oben verbüßen.

Gut überlegt, wird aber so nicht klappen. Der Mandant würde zwar sofort festgenommen, wenn er sich in Norddeutschland bei der Polizei offenbart. Aber die dortige Justiz hätte sicher schon aus Kostengründen keine Lust, ihn einfach so vom Land Nordrhein-Westfalen zu „übernehmen“. Vielmehr würde der Mandant auf große Fahrt begeben, und zwar mit dem behördeneigenen Reisedienst. Für die sogenannte „Verschubung“ gibt es in Deutschland ein richtiges Liniennetz, das von Justizbussen bedient wird (siehe auch diesen Bericht in der Süddeutschen Zeitung).

Problem ist: Die Verschubung fühlt sich genau so an, wie sie klingt. Die Reise dauert schon mal 7 – 10 Tage, und jede Nacht ist Station in einer anderen Vollzugsanstalt. Die Gefangenen haben nur ihre persönliche Habe bei sich, die Unterbringung in den einzelnen Knästen für die Durchreisenden liegt durchaus unter dem ohnehin schon oftmals fragwürdigem Standard. Auch der Transport selbst ist keine Reise im herkömmlichen Sinn. Die Einzelkabinen der meisten Busse sind sehr eng, die Möglichkeit zu einem Toilettengang besteht regelmäßig nicht. Was ich von Mandanten so höre, ist das Ganze jedenfalls nichts für Weicheier.

Nicht dass ich den Mandanten als solches betrachte, aber ich habe ihm trotzdem dringend von dieser Form des Abenteuerurlaubs abgeraten. Bin gespannt, ob er auf mich hört.

Kameras am Balkon

Der Eigentümer einer Wohnung darf von seinem Balkon aus keine Überwachungskamera auf den Gemeinschaftsgarten eines Hauses richten. Dabei spielt es nach einer Entscheidung des Amtsgerichts München keine Rolle, ob es sich um eine echte Kamera handelt. Oder um eine Attrappe.

Der Bewohner einer Eigentumswohnung hatte in etwas zehn Metern Höhe eine Kamera installiert, die den Gemeinschaftsgarten zumindest teilweise filmen konnte. Das wollte ein Miteigentümer nicht hinnehmen, er wollte sich im Gemeinschaftsgarten nicht ständig beobachten lassen.

Das Amtsgericht München hält die Überwachung für rechtswidrig. Selbst wenn in dem Objekt schon mal eingebrochen worden ist und dem Sohn des Beklagten Fahrräder aus der nahegelegenen Tiefgarage geklaut wurden, sei die Videobeobachtung des Gartens nicht zulässig. Das gelte auch für eine Kameraattrappe, denn schon diese sorge für einen unzulässigen Überwachungsdruck.

In einer Wohnungseigentümergemeinschaft bedürfe es außerdem regelmäßig eines Mehrheitsbeschlusses. Hier hatte die Eigentümergemeinschaft den Antrag auf Genehmigung einer Kamera noch nicht mal auf die Tagesordnung gesetzt (Aktenzeichen 484 C 18186/18 WEG).

Geld nur gegen Karte?

Die Situation wird dem einen oder anderen bekannt vorkommen. Man hat noch Restguthaben auf einer SIM-Karte, die man nicht mehr braucht. Außer Frage steht, dass Mobilfunkanbieter dieses Guthaben spätestens mit Vertragsende erstatten müssen. Aber dürfen sie verlangen, dass der Kunde im Gegenzug die SIM-Karte zurückgibt? Diese Frage musste das Landgericht Düsseldorf beantworten.

Auslöser waren Bedingungen von Aldi Talk (E-Plus). Danach sollte der Kunde sein Guthaben nur bekommen, wenn er die SIM-Karte zurückgeschickt hat. Einen richtigen Sinn konnte der Bundesverband Verbraucherzentrale in der Klausel nicht erkennen. Er klagte gegen den Mobilfunkanbieter.

Das Landgericht Düsseldorf sieht ebenfalls keinen Grund für eine Rückgabepflicht der SIM-Karte. Vielmehr würden Kunden durch so eine Hürde eigentlich nur davon abgehalten, ihr Guthaben einzufordern. Von einer gesperrten oder deaktivierten SIM-Karte gehe auch keine konkrete Gefahr des Datenmissbrauchs aus. Aldi Talk hatte dann noch behauptet, man wolle die SIM-Karten dem Wertstoffkreislauf zuführen. Das hielt das Gericht nicht für sonderlich überzeugend. Aldi Talk habe noch nicht einmal dargelegt, dass zurückgesandte SIM-Karten tatsächlich aufbereitet werden (Aktenzeichen 12 O 264/18).

Bargeld senden – am besten als DHL-Paket

Manche Geschichten schreibt das Leben. Wie die einer Hausdurchsuchung, bei der knapp 2.500 Euro Bargeld sichergestellt wurden. Nicht irgendwelches Bargeld. Sondern Scheine, bei denen die Polizei vermutete, dass sie früher mal jemand anderes gehört haben und die, sagen wir es mal abstrakt, zu Unrecht in den Besitz meines Mandanten gelangt sind.

Das wollte man natürlich überprüfen, indem man die Fünfhunderter untersuchen lässt. Auf Fingerabdrücke, insbesondere auf solche des möglichen früheren Besitzers. Die Untersuchung hätte man am Sitz der ostdeutschen Polizeidienststelle machen können, wo die Durchsuchung stattfand. Da gibt’s tolle Abteilungen dafür. Hätte man, tat es aber nicht. Stattdessen ordnete jemand an, dass die Geldscheine in dem Polizeipräsidium untersucht werden, welches die Ermittlungen führt. Das wiederum ist in Westdeutschland.

Wie transportiert die Polizei also Bargeld? Vorschläge? Nun ja, offensichtlich sagte jemand: Schick doch ein Päckchen. So geschah es dann auch. Zwei Polizisten übergaben das Geld in einer „Versandtasche“, die angeblich keinen Rückschluss auf ihren Inhalt zuließ, an einem schönen Nachmittag an die DHL-Filiale direkt neben ihrer Wache. Und zwar, sozusagen als Upgrade zum Päckchen, als DHL-Paket (DHL ExpressEasy National, Standard-Transportversicherung bis 2.500,00 €). Ein paar Tage später, die Empfänger nölten wohl schon, bemühten die Versender die Sendungsverfolgung und stellten fest, die Sendung ist gar nicht aus der Filiale rausgekommen. Was vielleicht auch ein klein wenig daran daran lag, dass die Schalterkraft in der Filiale die Sendung in einen dieser gelben Körbe klatschte, die in den DHL-Filialen halt mehr oder weniger offen rumstehen, bis sie jemand ausleert. Dass ihr Paket insoweit keine Vorzugsbehandlung erfuhr, daran erinnern sich die Polizisten noch genau.

Das ist jetzt über zwei Monate her. Laut Sendungsverfolgung, ich kann die Nummer ja der Ermittlungsakte entnehmen, wartet DHL immer noch auf die Sendungsdaten. Wir können wohl davon ausgehen, dass die Scheine eher nicht mehr auftauchen. Gut, mein Mandant hat sich jetzt auch keine großen Sorgen gemacht, dass die Fingerabdruck-Suche irgendwas erbringt. Aber, um es wiederum abstrakt zu formulieren, noch angenehmer als auf diesem Wege kann sich eine kriminalistische Spur natürlich nicht auflösen.

Die Polizisten, denen das Geld abhanden kam, erwähnen in ihrer Schadensanzeige übrigens mehrfach, die Luftpolstertasche sei ja wenigstens versichert gewesen. Keine Ahnung, wie sie darauf kommen. Bargeld ist laut den DHL-Bedingungen ein verbotenes Gut (jedenfalls ab einem Betrag von 500 Euro). Verbotene Güter sind aber nicht versichert. Dem Mandanten kann es letztlich egal sein. Die Geldscheine waren beschlagnahmt, sogar richterlich. Wenn danach etwas verloren geht, haftet auf jeden Fall der Steuerzahler.

Zocken mit dem Grundgesetz

Grundrechte Quartett

Vor einiger Zeit habe ich es schon mal auf Twitter erwähnt: das neue Grundrechte-Quartett. Es handelt sich dabei um eine klassische Freizeitbeschäftigung aus dem analogen Zeitalter, die heute womöglich etwas unter die Räder gekommen ist.

Beim Grundrechte-Quartett stechen keine Pferdestärken, sondern die Artikel des Grundgesetzes. Eine hübsche Spielerei, gerade für unterwegs im Auto oder an verregneten Tagen, mit der man gerade Kids erst mal überhaupt nahebringen kann, was denn da so drinsteht in unserer Verfassung. Die Macher, sehr nette Juristen von der Bochumer Ruhr-Uni, haben das Quartett über eine Crowdfunding-Aktion finanziert, jetzt ist es zum Preis von 7 Euro zuzüglich Versand hier erhältlich.

Der Polizist wunderte sich kurz

Ich habe es dem Mandanten mehrfach erklärt, wie das bei uns läuft mit der Polizei. Dass er als Beschuldigter nicht verpflichtet ist, einer „Vorladung“ zu einer Vernehmung Folge zu leisten. Dass es erst mal völlig ausreicht, wenn ein Anwalt sich für ihn meldet und Akteneinsicht beantragt.

Weil ich die Skepsis des Mandanten bemerkte, habe ich dem Polizeibeamten nicht nur einen Brief geschrieben, sondern diesen auch angerufen. Damit er wirklich Bescheid weiß, dass der Mandant – auf meinen Rat – nicht erscheint. Das habe ich natürlich auch dem Mandanten gesagt.

Jetzt erzählt mir der Mandant am Telefon, er war am Freitag bei der Polizei. Und zwar pünktlich zum ursprünglichen Termin gemäß Vorladung. Der Beamte habe sich zwar etwas gewundert, ihn dann aber natürlich trotzdem gerne befragt. Gut, demnächst bekommen wir dann Akteneinsicht. Mal schauen, in welchem Umfang sich der Mandant um Kopf und Kragen geredet hat.

Natürlich habe ich den Mandanten gefragt, wieso er nicht auf meinen Rat hört. Er hätte Angst gehabt, sagt er. In seinem Heimatland gebe es Ärger, wenn man sich so verhält, wie ich ihm das raten würde. Deshalb sei er dann doch zur Polizei gegangen.

Okay, schauen wir mal, ob ich dem Mandanten demnächst erfolgreicher für das Geld helfen kann, das er an mich zahlt.

Handy „in Betrieb“

Erfolgsmeldung der Polizei Rheinland-Pfalz:

Bei Verkehrskontrollen in Lambrecht und Neustadt wurden zahlreiche Verkehrsverstöße geahndet. Insgesamt wurden 11 Autofahrer wegen Nichtanlegen des Sicherheitsgurtes verwarnt, zwei Fahrer hatten ihr Handy in Betrieb und einmal wurde die Ladung nicht ordnungsgemäß gesichert.

Der Jurist sucht in solchen Meldungen natürlich immer nach dem vorwerfbaren Verhalten, das ein Bußgeld rechtfertigen könnte. Ein Handy in Betrieb zu haben, wie es die Polizeimeldung formuliert, reicht aber auch nach der letzten, fast schon maßlosen Erweiterung des § 23 StVO nicht aus. Das Handy muss vielmehr in der Hand gehalten und dabei (irgendwie) genutzt werden. Oder es darf nur „kurz“ drauf geschaut werden.

Der bloße Betrieb ist dagegen nicht ordnungswidrig. Sicher nur ein lässlicher Formulierungsfehler der Pressestelle, aber der schafft es im ungünstigsten Fall ja genau so in die Zeitung oder ins Wochenblatt.

11 x geblitzt – in 60 Minuten

Das ist schon ein bemerkenswerter Stunt, den sich ein 24-jähriger Autofahrer im Raum München geleistet hat. In etwas mehr als einer Stunde fuhr der ausgebildete Anlagenmechaniker und derzeitige Meisterschüler kurz nach Mitternacht in insgesamt 11 Radarfallen im Stadtgebiet – mit Tempoüberschreitungen bis zu 64 km/h. Das Amtsgericht München kam ordentlich ins Rechnen, um die richtige Geldbuße für den flotten Fahrer festzulegen.

Doch der Reihe nach. Mangels näherer geografischer Kenntnis zitiere ich die Tempoverstöße nach der Pressemitteilung des Gerichts:

Am 23.05.2018 um 00.19 Uhr fuhr der 24-jährige ausgebildeten Anlagenmechaniker und derzeitige Meisterschüler aus München-Obermenzing mit seinem PKW Peugeot im Petueltunnel in östlicher Richtung und überschritt dabei die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um 34 km/h und um 00.22 Uhr im Richard-Strauss-Tunnel in südlicher Richtung unter Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h m 39 km/h, um 00.33 Uhr im Luise-Kieselbach-Tunnel in nördlicher Richtung bei höchstens erlaubten 50 km/h um 46 km/h, um 00.34 Uhr auf der Landshuter Allee in nördlicher Richtung bei maximal erlaubten 50 km/h um 52 km/h. Der Betroffene fuhr um 00.57 Uhr im Heckenstaller Tunnel Richtung Osten und überschritt dabei die zum Fahrtzeitpunkt zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um 51 km/h. Um 01.07 Uhr fuhr er wieder im Luise-Kieselbach-Tunnel in nördlicher Richtung und überschritt die zulässige Höchstgeschwindigkeit nun um 61 km/h, um 01.09 Uhr auf der Landshuter Allee um 55 km/h, um 01.12 Uhr im Petueltunnel in Fahrtrichtung München um 47 km/h, um 01.17 Uhr im Richard-Strauss-Tunnel in südlicher Richtung um 57 km/h, um 01.26 Uhr im Luise-Kieselbach-Tunnel in nördlicher Richtung um 52 km/h und schließlich um 01.27 Uhr auf der Landshuter Allee um 64 km/h.

Bei den ersten beiden Verstößen ging das Gericht noch von Fahrlässigkeit aus. Ab der dritten Geschwindigkeitsüberschreitung auf einer Fahrt könne das aber nicht mehr angenommen werden. Vielmehr liege Vorsatz vor. Eine juristische Wertung, der man sich nur schwer entziehen kann.

Immerhin kam das Gericht dem Betroffenen trotzdem noch entgegen. Es fasste die Geschwindigkeitsübertretungen 1/2, 3/4, 6/7/8 und 10/11 zu einheitlichen Taten zusammen. Ausgehend vom Bußgeldkatalog ergab sich dann folgende Berechnung:

Für die Geschwindigkeitsüberschreitungen Nr. 1 und Nr. 2 sehe der Bußgeldkatalog bei tateinheitlicher Verwirklichung eine Regelgeldbuße von 160 Euro vor. Die Geschwindigkeitsüberschreitungen 3 und 4 seien tateinheitlich mit einer Regelgeldbuße von 560 Euro wegen der Vorsatztat zu ahnden. Für die Geschwindigkeitsüberschreitung 5 ergäbe der Regelsatz bei vorsätzlicher Begehung 560 Euro. Die Geschwindigkeitsüberschreitungen 6, 7 und 8 tateinheitlich verwirklicht seien bei vorsätzlicher Begehungsweise mit 960 Euro anzusetzen. Die Geschwindigkeitsüberschreitung Nr. 9 sei als Vorsatztat mit einer Regelgeldbuße von 560 Euro zu bewerten. Die Geschwindigkeitsüberschreitungen Nr. 10 und Nr. 11 tateinheitlich verwirklicht und als Vorsatztat ergäben eine Regelgeldbuße von 960 Euro. Dies hätte insgesamt eine Summe von 3.760 Euro ergeben.

Diese Geldbuße reduzierte das Gericht dann mit Blick auf die wirtschaftliche Situation des Betroffenen auf 40 %, das heißt am Ende blieb eine Geldbuße von immer noch stolzen 1.504 Euro. Dazu kommt ein dreimonatiges Fahrverbot. Einen Rabatt beim Fahrverbot lehnte das Gericht ab, weil der Autofahrer schon früher Bußgelder und Fahrverbote erhalten hat.

Der 24-Jährige soll gegen die Entscheidung Rechtsbeschwerde eingelegt haben, obwohl er zugab, gefahren zu sein. Ich habe das leise Gefühl, dass er noch wesentlicher schlechter davongekommen wäre, wenn ihn die Polizei nicht nur geblitzt, sondern auch angehalten hätte. Aber andererseits dürfte einer TV-Karriere als „Deutschlands dümmster Autofahrer“ oder als Werbefigur für Blitzer-Apps kaum noch was entgegenstehen.

Gerichts- und Geburtstermine

Um 12 Uhr hatte ich heute einen Haftprüfungstermin. Es ging darum, ob der Mandant wirklich bis zum Urteil in Untersuchungshaft bleiben muss.

Um 14 Uhr stand noch ein anderer Termin an. Der geplante Kaiserschnitt, mit dem die Lebenspartnerin des Mandanten Mutter werden sollte. Es ist das dritte gemeinsame Kind.

Was soll ich sagen? Die terminliche Situation war natürlich reiner Zufall, weil der Richter den genauen Entbindungstermin zunächst ja gar nicht kannte. Aber geschadet hat die Konstellation jedenfalls nicht. Der Mandant wurde von der Untersuchungshaft verschont.

Und was ist mit dem Baby?

Just als wir im Gericht saßen und über den Haftbefehl verhandelten, hat der Arzt den Kaiserschnitt kurzfristig verschoben. Das Baby soll jetzt Montag oder Dienstag auf die Welt gebracht werden. Irgendwie hatte ich mich schon gefreut, den Mandanten noch ganz schnell in die Klinik zu chauffieren, was ja fast schon filmreif gewesen wäre.

So ging es nur zu seiner Wohnung. Die beiden Kinder rechneten aber nun gar nicht damit, dass der Papa schon heute von seiner langen Auslandsreise zurückkommt. Auch die Szene war nicht schlecht. Es wurde viel geweint und gelacht.

Manchmal macht mir mein Job wirklich Spaß.

Unzufrieden

Aus dem psychiatrischen Fachgutachten über die Schuldfähigkeit eines Angeklagten, es geht um Betrugsvorwürfe:

Bei der Anwendung des Prognoseinstruments Psychopathy Checklist Revised (PCL-R) erzielt der Proband in Pseudologie und betrügerisch-manipulatives Verhalten Werte im oberen Bereich, in dem Faktor Trickreich den Höchstwert.

Kommentar des Mandanten:

Gegen die ersten beiden Punkte möchte ich vorgehen. Ich bin doch nicht Mittelmaß.

Airline muss auch den Anwalt zahlen

Falls ihr mal mit einer Fluggesellschaft über eine Entschädigung wegen Verspätung/Annullierung streitet, wird euch dieses Urteil interessieren. Unter bestimmten Voraussetzungen muss die Airline nämlich auch eure Anwaltskosten ersetzen, selbst wenn sie schon vor einer eventuellen Klage die Entschädigung freiwillig zahlt.

Der Flug eines Ehepaars war annulliert worden. Die Fluggesellschaft händigte den Reisenden aber keine schriftliche Information über ihre Rechte aus – wie es an sich vorgeschrieben ist. Die Betroffenen gingen deshalb gleich zum Anwalt, der die Entschädigung erfolgreich geltend machte. Den Anwalt wollte die Airline aber nicht zahlen; dessen Beauftragung sei nicht erforderlich gewesen.

Dies sieht das Landgericht Köln anders. Die Fluggesellschaft müsse ihre Kunden von sich aus schriftlich über ihre Rechte informieren – und nicht nur, wenn die Kunden nachfragen. Tue sie dies nicht, sei die Einschaltung eines Anwalts durchaus sinnvoll. Die Fluggesellschaft hatte auch geltend gemacht, es gebe einen Aushang am Flughafen. Ein Aushang reicht laut dem Urteil aber nicht aus (Aktenzeichen 11 S 265/17).

Anwälte sollen weiter Robe tragen

Die Robe als Berufstracht bleibt uns Anwälten auch in Zukunft erhalten. Die Satzungsversammlung der Bundesrechtsanwaltskammer lehnte einen Antrag ab, die in § 20 BORA Robenpflicht aufzuheben.

Eine Anwältin hatte beantragt, dass Anwälte künftig selbst entscheiden können, ob sie vor Gericht eine Robe tragen oder nicht. Die Mehrheit der Satzungsversammlung meint aber, auf eine verbindliche Regelung nicht verzichten zu können. Die genauen Gründe sind noch nicht überliefert. Aber ich vermute stark, es hat was mit der „Würde der Justiz“ zu tun und dem Umstand, dass Rechtsanwälte als „Organ der Rechtspflege“ gelten.

Ein wenig gelockert wurde die Robenpflicht aber schon in der Vergangenheit. Am Amtsgericht dürfen Anwälte in Zivilsachen auf die Berufstracht verzichten. Nach meinem Eindruck wird von dieser Möglichkeit aber eher wenig Gebrauch gemacht.

Ein(e) Schröder zu viel

Etwas bizarr klingt es schon, was Ex-Kanzler Gerhard Schröder seiner Ex-Frau Doris Schröder-Kopf ansinnen soll. In einem Interview erzählt Schröder-Köpf, Gerd habe sie aufgefordert, das Schröder aus ihrem Namen zu streichen. „Er vertritt die Auffassung, dass immer nur die aktuelle Ehefrau seinen Namen tragen soll“, heißt es bei Spiegel Online.

Fragen kann Gerhard Schröder natürlich. Seine Ex-Frau hat nämlich durchaus die Möglichkeit, das Schröder aus dem eigenen Namen zu tilgen. Wie jeder Ehegatte kann sie nach der Scheidung auf den angeheirateten Teil des Namens verzichten. Den Widerruf müsste Schröder-Köpf beim Standesamt oder bei einem Notar erklären. Dabei spielt es auch keine Rolle, wie lange die Scheidung schon zurückliegt; das Recht zur Aufgabe des neuen Namens erlischt nicht.

Auf juristischem Weg zwingen kann der Ex-Kanzler seine frühere Gattin aber nicht. Denn das Gesetz sieht dafür keine Möglichkeit vor. Diskutiert wird höchstens ob in krassen Ausnahmefällen ein Namensverzicht erzwingbar ist. Das war sogar schon mal Thema vor Gericht. Damals ging es um die Frage, ob ein Mann, der seine Ehefrau erschlagen hatte, auf den bei der Heirat angenommenen Namen der Getöteten verzichten muss. Selbst in dieser Konstellation lehnten die Gerichte einen erzwungenen Namenswechsel ab.

Gerhard Schröder kann also höchstens fragen, möglichst höflich natürlich. Oder aber er macht seiner Ex ein unschlagbares Angebot. Die Motive für die Namensänderung muss der scheidungsbedingt wechselberechtigte Ehegatte nämlich nicht begründen. Theoretisch könnte sich Schröder-Köpf den Namenswechsel also sogar bezahlen lassen. Wobei allerdings Vorkasse zu empfehlen wäre. Es ist nämlich höchstrichterlich nicht geklärt, ob ein Namensverzicht gegen Geld mit den guten Sitten vereinbar ist.