Beamte mit Online-Talenten

Auf einen lukrativen Nebenverdienst müssen künftig zwei Wachtmeister eines NRW-Gefängnisses verzichten. Das Ehepaar, beide als Beamte im Staatsdienst tätig, betrieb neben der Arbeit einen Erotik-Chat.

Die Leiterin der Justizvollzugsanstalt hatte den beiden im September 2011 erlaubt, nebenher ein Internet-Portal zu betreiben. Dass es sich um einen Erotik-Chat handelte, war damals nicht bekannt.

Moralische Bedenken führten jetzt aber nicht dazu, dass die beiden mit dem Chat aufhören müssen. Oder ihrem Justizjob. Vielmehr war es der Jahresgewinn von 80.000 Euro, den der Chat einbringt. Dieser Gewinn liegt über dem Einkommen der beiden Beamten.

Ab einem Nebenverdienst von mehr als 40 % des Einkommens spreche eine Vermutung dafür, dass dienstliche Belange beeinträchtigt sind, urteilte jetzt das Verwaltungsgericht Aachen. Unabhängig von der Moral könnten sich die Betroffenen auch „angreifbar“ machen, wenn ihre Tätigkeit in der Haftanstalt bekannt werde (Aktenzeichen 1 K 908/14 und 1 K 909/14).

Legal brutal

Für Wirbel sorgt die „Festnahme“ eines Diebstahlsverdächtigen in der Kreuzberger Markthalle Neun. Das Video einer Zeugin zeigt eine reichlich rüde Behandlung des Mannes durch das Personal. Diskutiert wird nun, ob das noch vom Festnahmerecht (§ 127 StPO) gedeckt ist.

Das Video ist in diesem Bericht der Berliner Zeitung verlinkt, der auch ausführlich die Positionen der Beteiligten wiedergibt.

Grundsätzlich kann man das Festnahmerecht so zusammenfassen, wobei ich der Einfachheit halber aus dem Beck’schen Online Kommentar zur Strafprozessordnung zitiere:

Das Festnahmerecht enthält die Befugnis, den Täter festzuhalten, ihm Sachen wegzunehmen, um die Fortbewegung zu verhindern, ihn vorübergehend in der Privatwohnung zu verwahren und ihn zur nächsten Polizeiwache zu bringen.

Der Festnehmende darf im Rahmen des Erforderlichen und unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes physische Gewalt anwenden. Die ernsthafte Beschädigung der Gesundheit des Straftäters oder die unmittelbare Gefährdung seines Lebens, etwa ein lebensgefährdendes Würgen, ist nicht erlaubt.

Grundsätzlich geht es deshalb in Ordnung, wenn Geschäftsinhaber mutmaßliche Diebe mit körperlicher Gewalt festhalten. Das gilt aber nur für den Fall, dass der mutmaßliche Täter auch tatsächlich ein Dieb ist. Stellt sich seine Unschuld heraus, kann es für den Festnehmenden schnell eng werden. Ein möglicher Irrtum ist regelmäßig sein juristisches Risiko.

Oft wird auch übersehen, dass der Täter „auf frischer Tat“ ertappt worden sein muss. Ich hatte es neulich zum Beispiel mit dem Fall zu tun, dass Mitarbeiter eines Elektromarktes meinten, mein Mandant habe vor einiger Zeit in dem Laden geklaut. Das war keine „frische Tat“, weswegen jetzt gegen die ebenfalls burschikosen Mitarbeiter des Marktes wegen Nötigung und Körperverletzung ermittelt wird.

Zu dem Berliner Video lässt sich derzeit nur sagen, dass die Situation schon grenzwertig erscheint. Jedenfalls, was ein mögliches Würgen des Betroffenen angeht. Am Ende ist es wie so oft Wertungssache für die beteiligten Juristen. Klar dürfte aber sein, dass die Ermittlungsbehörden kaum was gegen das Marktpersonal unternehmen werden, sofern der mutmaßliche Dieb keinen Strafantrag stellt.

Weiterer Bericht in der Welt

Portugal plant Zensur

+++ Portugals Politiker wollen die Medien disziplinieren. Parteiübergreifend planen sie eine Vorabzensur der Wahlberichterstattung. Unter anderem sollen Medien Bußgelder zahlen, wenn ihre Journalisten angeblich immer nur dieselben Politiker kritisieren. Betroffen wären auch die privaten Medien. +++

+++ Wer als Fahrzeughalter bei einem Verkehrsverstoss einen im Ausland lebenden Fahrer angibt, riskiert nach einem aktuellen Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf eine Fahrtenbuchauflage. Eine Frau hatte gesagt, ein Rumäne, dessen Adresse sie auch mitteilte, sei gefahren. Allerdings konnte gegen den Mann letztlich kein Bußgeldbescheid erlassen werden (Aktenzeichen 6 K 7123/13). +++

+++ Dreieinhalb Jahre lebten Tagesmütter mit dem Vorwurf, ihre Schützlinge missbraucht zu haben. Auslöser für die Ermittlungen waren wohl weder konkrete Vorwürfe, sondern eher „Stille Post“ – ausgelöst von einer Praktikantin. Jetzt wurden die Frauen freigesprochen. +++

+++ Die Todesstrafe ist und bleibt ein barbarischer Akt, wie dieser Bericht aus Indonesien zeigt. +++

Der Totschläger gehört meiner Frau

Was zum Schmunzeln hatten die Richter am Bundesgerichtshof ganz sicher, als sie die Revision mit dem Aktenzeichen 2 StR 414/14 prüften.

Beim Angeklagten war ein Totschläger gefunden worden. Hierzu heißt es im Urteil:

Das Landgericht hat zwar die dazu abgegebene Einlassung des Angeklagten, es habe sich um ein von ihm und seiner Ehefrau genutztes Sexspielzeug gehandelt, rechtsfehlerfrei für widerlegt erachtet.

Beim Angeklagten waren auch halbautomatische Waffen, Munition und Sprengstoffe gefunden worden. Das wird seine Glaubwürdigkeit bezüglich des Totschlägers nicht erhöht haben.

Zur freien Nutzung

Es gibt durchaus großzügige Menschen. Wie etwa einen vermögenden Mann aus Nordrhein-Westfalen, der seiner Haushaltshilfe eine Visakarte „zur freien Nutzung“ für eigene Zwecke zur Verfügung stellte. Monatlicher Verfügungsrahmen: 5.000 Euro.

Die Haushaltshilfe nutzte diese Kreditkarte auch nach dem Tod des Mannes und hob noch knapp 5.000 Euro ab. Die Erben des Mannes waren weniger großzügig und überdies höchst erzürnt. Sie zeigten die Frau wegen Untreue an.

Während die Frau vom Amts- und Landgericht verurteilte wurde, konnte das Oberlandesgericht Hamm als letzte Instanz keine Strafbarkeit erkennen. Eine Untreue (§ 266 StGB) setze eine „Vermögensbetreuungspflicht“ voraus. Hier habe sich die Frau aber gerade nicht um die Vermögensinteressen ihres früheren Arbeitgebers kümmern müssen, heißt es recht trocken in dem Urteil:

Inhalt der Vereinbarung mit dem Verstorbenen war gerade nicht eine Fürsorge für dessen Vermögensinteressen, sondern gerade dessen Vermögensminderung bis zur Höhe des Kreditkartenlimits von 5.000 Euro je Monat.

Der Fall läge natürlich komplett anders, wenn die Haushaltshilfe mit der Kreditkarte für den Haushalt des Mannes hätte einkaufen müssen. So aber hätten die Erben nach dem Tod die Nutzung der Kreditkarte erst mal untersagen müssen. Das haben sie aber zunächst nicht gemacht (Aktenzeichen 1 RVs 15/15).

Besoffen Radfahren gefährdet den Führerschein

Wenn man ordentlich was getrunken hat, ist das Taxi eine Alternative zum Auto. Das eigene Fahrrad nicht. Das Gesetz gilt für alle „Fahrzeuge“, und das Fahrrad ist nun mal ein solches.

Wer also mit 1,6 Promille oder mehr radelt, riskiert deshalb akut seinen Führerschein. Auch wenn er sich auf dem Rad gar nicht verkehrswidrig verhalten oder gar einen Unfall gebaut hat.

Gerichte kennen bei stark angetrunkenen Radlern kein Pardon und sorgen konsequent dafür, dass künftig auch das Auto stehenbleibt. Das zeigt zum Beispiel dieses Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Bayern.

Frau muss für Selbstmordversuch zahlen

Das Amtsgericht München hat eine Frau zu 1.500 Euro Schmerzensgeld verurteilt, weil sie einen Selbstmordversuch begangen hat. Die 23-Jährige hatte sich vor einen Zug geworfen, überlebte aber.

Die Zugführerin machte vor Gericht geltend, sie leide an einem posttraumatischen Belastungssyndrom und sei einen Monat krankgeschrieben gewesen.

Die zuständige Amtsrichterin bejahte eine Körperverletzung. Für die Beklagte sei vorhersehbar und erkennbar gewesen, dass sie bei dem Sprung vor den einfahrenden Zug bei dem Zugführer einen psychischen Schaden verursachen wird.

Das ist im Ergebnis nachvollziehbar. Allerdings wäre die junge Frau um eine Zahlung herumgekommen, wenn sie ausreichende Atteste für ihre Schuldunfähigkeit im Unfallzeitpunkt vorgelegt hätte. Das versäumte sie aber (Aktenzeichen 122 C 4607/14). Mein Kollege Carsten R. Hoenig diskutiert in seinem Blog auch die strafrechtliche Seite.

Vor der Selbstaufgabe?

+++ Für Bundesverfassungsrichter Andreas Paulus gehört das Recht auf Privatheit noch längst nicht der Vergangenheit an. „Wir sollten nicht einfach hinnehmen, dass wir in einer globalen Überwachungssituation leben“, sagte Paulus auf einem Kongress. Der Richter warnte vor der „Selbstaufgabe des Grundrechtsstaats.“ +++

+++ Der SPD-Bundestagsabgeordnete Dirk Wiese sprach in der Bundestagsdebatte zu neuen Sicherheitsgesetzen schöne Worte. Kein Staat dürfe tatenlos zusehen, wenn seine Bürger Tod und Elend in die Welt tragen. Überraschenderweise bezog sich seine Rede gar nicht auf die deutsche Rüstungsindustrie. +++

+++ Wer von einem Waffenbesitzer eine legale Schusswaffe erbt, darf diese unter Umständen behalten. Allerdings können die Behörden verlangen, dass die Waffe wirksam blockiert wird. Diese Pflicht gilt unabhängig davon, wann der Erbfall eingetreten ist, urteilt das Bundesverwaltungsgericht (Aktenzeichen 6 C 31.14). +++

+++ Die katholische Kirche durfte einer Erzieherin kündigen, die in ihrer Freizeit Pornofilme drehte und online veröffentlichte. Der Nebenjob verstoße gegen die kirchliche Sozialethik und sei als schwerwiegende sittliche Verfehlung einzustufen, urteilte das Landesarbeitsgericht München. +++

Justiz öffnet sich Tattoos

Eine kleine Tätowierung am Handgelenk ist kein Einstellungshindernis für Justizwachtmeister. Das hat das Verwaltungsgericht Berlin in einem Eilverfahren entschieden.

Die 21-jährige Antragstellerin bewarb sich im September 2014 um die Einstellung als Justizhauptwachtmeisteranwärterin. Die Präsidentin des Kammergerichts lehnte ihre Bewerbung mit der Begründung ab, dass ihre 5 x 3 cm große Tätowierung beim Tragen der Dienstkleidung sichtbar sei. Diese befindet sich in unmittelbarer Nähe zum Handgelenk und wäre beim Heben des Arms trotz eines Langarmhemdes zu sehen.

Das Verwaltungsgericht sieht darin kein Hindernis. Die Tätowierung wecke keine Zweifel an der persönlichen Eignung der Bewerberin. Zwar dürfe der Dienstherr Anforderungen an das äußere Erscheinungsbild von Beamten stellen; ein Verbot sichtbarer Tätowierungen dürfe sich aber nur auf plausible und nachvollziehbare Gründe stützen und müsse aus dienstlichen Gründen erforderlich sein.

Dies sei hier nicht der Fall. Tätowierungen, so die Richter, seien mittlerweile als Modeerscheinung in allen Gesellschaftsschichten verbreitet und würden nicht mehr bereits per se als Ausdruck einer bestimmten gesellschaftlichen Haltung oder Einstellung angesehen.

Die Bewerberin hatte sich einen heulenden Wolf auf den Unterarm tätowieren lassen. Die Tätowierung sei klein und der Wolf werde nicht als aggressives oder gefährliches Tier dargestellt. Das Tier sei auch – unabhängig von der Art seiner Darstellung – kein Symbol der rechtsextremen Szene.

Von daher bestehe kein Anlass zur Sorge, dass das Ansehen der Justiz schaden nimmt. Das Land Berlin kann Beschwerde einlegen (Aktenzeichen VG 36 L 83.15).

Offenbach ist kein Einzelfall

Heute begann in Darmstadt der Prozess gegen einen jungen Mann, der vor einem Schnellrestaurant in Offenbach den Tod der 23-jährigen Tugce A. verursacht haben soll. Die Einzelheiten lassen sich in zahlreichen Berichten nachlesen. Ich möchte nur auf einige Punkte hinweisen, die mitunter etwas verzerrt rüberkommen:

-> Die Anklage lautet auf Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB), nicht auf Totschlag oder gar Mord. Staatsanwaltschaft und Gericht gehen also davon aus, dass der Angeklagte Sanel M. den Tod des Opfers gerade nicht wollte. Es handelt sich also, was die Todesfolge angeht, nicht um eine Vorsatztat im engeren Sinn.

-> Der Angeklagte Sanel M. war zum Tatzeitpunkt 18 Jahre alt. Er ist also „Heranwachsender“ im Sinne des Jugendgerichtsgesetzes. Dem Gericht wird nach Lage der Dinge kaum etwas anderes übrig bleiben, als bei Sanel M. das Jugendstrafrecht auch anzuwenden. Damit gilt auch die normale – hohe – Mindeststrafdrohung von drei Jahren aufwärts für Körperverletzung mit Todesfolge nicht.

Vielmehr wird das das Gericht auf den ganz normalen Strafrahmen der Jugendstrafe zurückgreifen. Dieser liegt bei sechs Monaten bis zu zehn Jahren.

-> Im Jugendstrafrecht geht es ausschließlich um den Erziehungsgedanken. Die Frage lautet also, welche Maßnahmen erforderlich sind, um den Täter – und niemanden sonst – wieder „in die Spur“ zu bringen. Das Gericht darf also gar nicht auf einen Abschreckungseffekt durch ein explizit hartes Urteil mit Signalwirkung für andere Gewalttäter abzielen, wie das teilweise erhofft und gefordert wird.

-> Das ungefähre Strafmaß für Sanel M. lässt sich durchaus eingrenzen. Es gibt nämlich praktisch täglich ähnliche Fälle, bei denen Gewalt durch junge Leute aus dem Ruder läuft. Die Verteidiger werden sicher ein ambitioniertes Ziel verfolgen, ohne dafür gleich als anmaßend dazustehen: nämlich eine Bewährungsstrafe.

Dazu werden sie insbesondere herausarbeiten, was für ihren Mandanten spricht. Dazu gehört insbesondere auch die Vorgeschichte, nämlich wie sich alle Beteiligten vor der Tat verhalten haben. Oder etwa der Grad der Alkoholisierung. Und nicht zuletzt den Umstand, dass der Tod in Folge eines Sturzes eher die Ausnahme ist als die Regel.

Ob es am Ende für eine Bewährungsstrafe reicht, ist sicher fraglich. Auf der anderen Seite wird der Prozess nach meiner Einschätzung aber auch nicht mit einem Urteil enden, das drei, maximal vier Jahre übersteigt.

Die Ermittlungen dauern an

Gegen meinen Mandanten wird ermittelt. Das hat er, sagen wir es mal so, aus einer eher fischigen Quelle erfahren. Ich habe natürlich geschwind Akteneinsicht beantragt, auch wenn mir klar ist, dass dies den Staatsanwalt zum jetzigen Zeitpunkt gar nicht freut. Auf meinen Brief kriegte ich folgende Antwort vom Staatsanwalt:

… auf Ihr Schreiben vom 15. April 2015 teile ich Ihnen mit, dass Akteneinsicht derzeit nicht gewährt werden kann, da die Ermittlungen andauern (§ 147 Abs. 2 S. 1 StPO).

Nun ist es gerade Alltag, dass die Ermittlungen andauern. Trotzdem wird Verteidigern sehr häufig, ja fast immer schon während der Ermittlungen Akteneinsicht gewährt. Das ist oft ja sogar sinnvoll, zumal der Beschuldigte ja vielleicht sogar zu den Vorwürfen Stellung nehmen möchte. Jedenfalls ist die Fortdauer der Ermittlungen gerade kein Versagungsgrund.

Der so ziemlich einzige Versagungsgrund ist laut dem Gesetz vielmehr, dass die Einsicht „den Untersuchungszweck gefährden kann“. Genau darauf bezieht sich das Schreiben aber nicht. Ich habe deshalb meinen Antrag noch mal mit dem Hinweis geschickt, dass ich die Akte gerne hätte, weil ja schon nach dem eigenen Schreiben des Herrn Staatsanwalts keine gesetzlichen Gründe gegen die Einsicht sprechen.

Ich werde die Akte nicht kriegen. Aber manchmal muss man als Verteidiger auch pain in the ass sein. Das gehört zum Job.

Voller Sendeeifer

Immer mehr Smartphone-Nutzer sind voller Sendeeifer. Mit YouNow oder der Twitter-Software Periscope verwandelt man das eigene Leben ganz leicht in einen Livestream. Sozusagen ein Youtube 2.0, das nicht aus der Konserve kommt.

Aber auch beim Streamen ins Netz gelten Spielregeln. Das Urheberrecht zum Beispiel. Oder der Schutz der Privatsphäre. In meiner aktuellen Kolumne für die ARAG beleuchte ich die wichtigsten juristischen Aspekte dieses neuen Zeitvertreibs.

Zum Beitrag.

Die Sache mit dem Männerhaar

Ältere Männer mit „normalem“ Haarausfall können sich von der Krankenkasse keine Perücke zahlen lassen, urteilt das Bundessozialgericht (Aktenzeichen B 3 KR 3/14 R).

Aus der Begründung:

Der alleinige Verlust des Kopfhaares bei einem Mann ist jedoch nicht als Krankheit zu werten, weil er weder die Körperfunktionen beeinträchtigt noch entstellend wirkt. Die überwiegende Zahl der Männer verliert im Laufe des Lebens ganz oder teilweise ihr Kopfhaar. Dadurch erregen Männer aber weder besondere Aufmerksamkeit im Sinne von Angestarrt-Werden noch werden sie stigmatisiert.

Anders ist es laut dem Gericht bei Frauen:

Demgegenüber tritt bei Frauen aus biologischen Gründen in der Regel im Laufe des Lebens kein entsprechender Haarverlust ein. Eine Frau ohne Kopfhaar fällt daher besonders auf und zieht die Blicke anderer auf sich. Dieser bei Frauen von der Norm deutlich abweichende Zustand ist ‑ wenn er entstellend wirkt ‑ krankheitswertig, sodass die Versorgung mit einer Perücke bei Frauen Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung sein kann.

Jetzt wissen wir Bescheid.

Urteil: Dashcam-Bilder sind verwertbar

Dürfen Dashcam-Aufnahmen in Strafprozessen verwendet werden? Das Amtsgericht Nienburg hatte diese Frage zu entscheiden. Nach Auffassung des Gerichts bestehen keine grundsätzlichen Bedenken, Bilder von Dashcams als Beweismittel zu verwerten. Bislang gibt es nur Urteile zu Dashcams von Verwaltungs- und Zivilgerichten.

In dem Fall ging es um eine mögliche Nötigung im Straßenverkehr, die das mutmaßliche Opfer mit der Dashcam dokumentiert hatte. Das Amtsgericht Nienburg hat keine Probleme damit, die Aufnahmen im Prozess zu verwenden. Umfangreich begründet das Urteil, warum die Bilder mit dem geltendem Datenschutzrecht vereinbar sind.

Bedenken hätte das Gericht nur für den Fall, dass Autofahrer gezielte Verkehrsüberwachung betreiben, etwa um massenhaft vermeintliche Verkehrssünder anzuzeigen. Hier ging es aber wohl nicht um einen derartigen „Hilfssheriff“. Vielmehr hatte der Kamerabesitzer die Dashcam nach eigenen Angaben erst aktiviert, nachdem er bedrängt worden war.

Die Brille

So schnell kann es gehen. Mein Mandant fand sich auf der Anklagebank wieder, weil mit einem Auto, das auf seine Firma zugelassen ist, ein Verkehrsdelikt begangen worden sein soll.

Schon früh hatte ich dezent darauf hingewiesen, es sei ja wohl eher unwahrscheinlich, dass der Geschäftsführer einer mittelgroßen Firma ausgerechnet mit einem der Lieferwagen durch die Gegend fährt und nicht mit dem Dienst-Daimler.

Und natürlich, dass die Beschreibung des Fahrers extrem vage ist. Sie passt so ziemlich auf jeden männlichen, weißen Mitteleuropäer mit etwas lichtem, dunkelblonden oder braunem Haar. Mehr konnte die einzige Zeugin nämlich zum Fahrer nicht sagen. Außer, dass er eine Brille trug.

Auch die Richterin fand es nicht sonderlich gut, dass die Staatsanwaltschaft meiner Bitte nicht gefolgt ist, der Zeugin im Vorfeld Vergleichsfotos zu zeigen. Zumal die Zeugin schon gegenüber der Polizei ihre offenkundigen Erinnerungslücken mit ziemlich steilen Behauptungen wettmachte.

Denn es ist immer blöd, wenn nur eine Person auf der Anklagebank sitzt. Mit Ausnahme des Anwalts, der ja allerdings eine Robe trägt. Wie bei dieser Konstellation nicht anders zu erwarten, war sich die Zeugin schon nach einem Blick auf meinem Mandanten sicher, dass er der Fahrer ist. „Ich erinnere mich genau an das Gesicht dieses Menschen“, sagte sie. „Er ist es zu 100 %. Genau so hat er ausgehen.“

Ich hatte der Richterin vor der Verhandlung extra gesagt, mein Mandant werde sich ohne Brille hinsetzen. Und dass die Zeugin die Brille im Gegensatz zu ihrer früheren Aussage von sich aus garantiert nicht erwähnt, wenn sie den Angeklagten ohne sieht.

Der Freispruch ließ keine fünf Minuten auf sich warten.