Bloße Vermutungen

Vor einiger Zeit hatte ich am Beispiel dieser Beschwerde gezeigt, wie Ermittlungsrichter ins Blaue hinein und über das Ziel hinaus schießen. Die betreffende Richterin hatte die Durchsuchung der gesamten Geschäftsräume meiner Mandantin angeordnet. Und das nur, weil meine Mandantin einen neuen Mitarbeiter eingestellt hatte, der von seinem früheren Arbeitgeber verdächtigt wurde, Firmenunterlagen mit nach Hause genommen zu haben.

Die Durchsuchungsansordnung hätte im schlimmsten Fall dazu geführt, dass die Polizei die ganzen Rechner meiner Mandantin einpackt, auswertet – und das Ergebnis dann in die Ermittlungsakte kommt. Am besten noch mit allen Geschäftsgeheimnissen meiner Mandantin – sicherlich sehr zur Freude der Konkurrenzfirma, welche die Strafanzeige gegen ihren früheren Mitarbeiter erstattet hat.

Der gesamte Sachverhalt beruhte auf bloßer Spekulation. Vor allem jener Teil, wonach der neue Angestellte die möglicherweise entwendeten Daten in seine neue Firma mitgebracht habe und sie – über seinen Arbeitsplatz hinaus – verwende.

Im Gegensatz zur Richterin, die an ihrem Beschluss festhielt, hat das Landgericht die Problematik erkannt. Die Strafkammer erklärte die Durchsuchung für rechtswidrig, soweit sie über den Arbeitsplatz des neuen Mitarbeiters hinausging.

Aus den Gründen:

Auf die Beschwerde … wird festgestellt, dass der Beschluss insoweit rechtswidrig war, als er die Durchsuchung der Geschäftsräume der Beschwerdeführerin auch über den Arbeitsplatz des Beschuldigten hinaus anordnete.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen der Beschwerdeführerin werden der Staatskasse auferlegt.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht unter anderem die Durchsuchung der Geschäftsräume der Beschwerdeführerin angeordnet. Dies hat das Gericht damit begründet, dass zu vermuten sei, dass die Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln gegen den Beschuldigten, namentlich von weitergeleiteten Dateien beziehungsweise Ausdrucken von Dateien führen werde, die als Beweismittel für das Verfahren von Bedeutung seien und der Beschlagnahme unterlägen.

Die Durchsuchung der Geschäftsräume der Beschwerdeführerin ist am 27. September 2010 durchgeführt worden. Am 29. September 2010 hat sie Beschwerde eingelegt, soweit der Beschluss des Amtsgerichts die Durchsuchung ihrer Geschäftsräume auch über den Arbeitsplatz des Beschuldigten hinaus anordnete.

Die Beschwerde ist zulässig und begründet. …

Soweit das Amtsgericht in dem angefochtenen Beschluss vom 2. August 2010 die Durchsuchung der Geschäftsräume der Beschwerdeführerin über den Arbeitsplatz des Beschuldigten hinaus angeordnet hat, fehlte es hierfür an dem Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des maßgeblichen § 103 StPO.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 103 StPO waren nach Aktenlage nicht erfüllt, denn es lagen zwar auf kriminalistischer Erfahrung basierende Vermutungen, aber keine Tatsachen (vgl. Meyer-Goßner, StPO, § 103 Rn 6 m.w.N.) vor, aus denen zu schließen war, dass sich – über den Arbeitsplatz des Beschuldigten hinaus – die gesuchte Spur in den zu durchsuchenden Räumen befand.

Soweit in dem angefochtenen Beschluss angeführt wird, dass der Beschuldigte nach dem gegenwärtigen Ermittlungsstand Geschäftsgeheimnisse, insbesondere Auftragsbestätigungen, an seine private Email-Adresse versandt habe, so stellt dies keine Tatsache dar, aus der sich darauf schließen ließ, diese Daten befänden sich – über den Arbeitsplatz des Beschuldigten hinaus – nunmehr in den Räumlichkeiten der Beschwerdeführerin. Dies ließ sich lediglich vermuten.

Auch der Umstand, dass der Beschuldigte entgegen seinen früheren Angaben gegenüber seinem früheren Arbeitgeber zu einem direkten Konkurrenten seines früheren Arbeitgebers gewechselt war, stellte keine Tatsache dar, aus der zu schließen war, dass sich die gesuchten Daten in den Geschäftsräumen der Beschwerdeführerin befanden. Vielmehr begründeten diese Erwägungen – dies ergibt sich auch aus den Ausführungen des Amtsgerichts – lediglich eine Vermutung, die jedoch für die Bejahung der Voraussetzungen des § 103 StPO (objektivierbare Tatsachen) nicht ausreichte.

Landgericht Düsseldorf 020 Qs – 120 Js 1048/10-90/10

Stapelweise Gerichtsbeschlüsse

Die Aufregung ist groß, verständlicherweise. Twitter soll an die US-Regierung sämtliche Nutzerdaten über WikiLeaks-Aktivisten und WikiLeaks-Sympathisanten herausgeben. Grundlage ist der Beschluss eines US-Bundesgerichts. Dieser Beschluss ist überhaupt erst bekanntgeworden, nachdem sich Twitter erfolgreich gegen eine Geheimhaltungsauflage gewehrt hat. WikiLeaks selbst twittert heute morgen sogar, alle 637.000 Follower des WikiLeaks-Accounts müssten damit rechnen, dass Ihre Kontaktinformationen und Verbindungsdaten an die US-Behörden geliefert werden.

Übertragen auf Deutschland ist so ein Gerichtsbeschluss juristisch kein großes Ding – von der politischen Dimension und der Zahl möglicher Betroffener mal abgesehen. Auch bei uns werden tagtäglich stapelweise Gerichtsbeschlüsse erlassen und vollstreckt. Darin werden Provider und soziale Netzwerke zur Herausgabe aller Daten des Nutzers verpflichtet, die sich auf den Servern befinden. Hierzu gehören dann auch nicht nur die sogenannten Bestandsdaten (Benutzerkonto, Logindaten), sondern auch alle Inhalte, die sich in den Mailboxen und auf Profilseiten befinden.

Praktisch alle großen Anbieter arbeiten mit den deutschen Behörden zusammen, auch wenn sie (offiziell) gar keinen Sitz in Deutschland oder der EU haben. Wer also denkt, seine Daten bei Google, Facebook oder Twitter seien schon irgendwie vor dem Zugriff deutscher Behörden geschützt, irrt. Ich habe noch nie erlebt, dass einer der Global Player im Web 2.0 einen deutschen Gerichtsbeschluss ignoriert oder sich ihm widersetzt hat. Wie auch – den Verantwortlichen des Anbieters drohen Ordnungsgelder und Zwangshaft.

Wohlgemerkt, wir reden über richterlich angeordnete Maßnahmen. Unter diesem Level gibt es aber noch die einfachen Anfragen der Polizei, welche Person hinter einem Account steht. Diese Anfragen sind zahlenmäßig viel häufiger. Denn die Polizei fragt mittlerweile schon fast routinemäßig und inflationär Bestandsdaten ab, wenn sie eine Anzeige mit Internetbezug auf den Tisch bekommt.

Die meisten Internetanbieter haben für die Polizei sogar eigene Faxanschlüsse geschaltet. Um die Auskunft zu erhalten, genügt dann ein einfaches Musterschreiben des Polizeibeamten. Die Begründung tendiert regelmäßig gegen Null („Ermittlungsverfahren wegen Warenbetrug“, „üble Nachrede/Beleidigung“). Aber die Auskunft wird, so jedenfalls meine Erfahrung, anstandslos erteilt.

Wenn man die Provider kritisieren möchte, dann an diesem Punkt. Zwar stellt sich die Polizei regelmäßig auf den Standpunkt, sie dürfe Bestandsdaten abfragen. Damit hat sie natürlich recht. Fragen darf jeder. Allerdings muss der Provider, der die Rolle eines Zeugen einnimmt, nicht antworten.

Wie jeder andere Zeuge kann er von seinem Recht Gebrauch machen, nicht mit der Polizei zu sprechen. Dann müsste zumindest der Staatsanwalt persönlich die Daten anfordern, was zumindest eine gewisse Kontrolle mit sich bringt.

Ich habe in letzter Zeit Provider unterstützt, die einfach nicht mehr bereit waren, schwammige Anfragen der Polizei zu beantworten. Das ging teilweise so weit, dass ohne jede nachvollziehbare Begründung die Nutzerdaten von 350 Kunden gleichzeitig eingeholt werden sollten. Wenn man die Polizei abblockt und zumindest auf eine Anordnung durch den Staatsanwalt besteht, kam es in etwa der Hälfte der Fälle zu einem erstaunlichen Effekt. Es herrschte Schweigen im Walde. So wichtig können die Informationen also nicht gewesen sein…

Im Fall WikiLeaks könnte man also auf Twitter schimpfen, wenn das Unternehmen eine einfache Anfrage der Behörden beantwortet hätte. Aber sich einem Gerichtsbeschluss zu widersetzen, das erscheint mir doch etwas viel verlangt.

Internet-Law zum gleichen Thema

Links 579

Richter und Staatsanwälte gegen Vorratsdatenspeicherung

Hochvermögender Banker soll sich selbst angeschwärzt haben

Prominenter Insolvenzverwalter geht selbst pleite

Bei der Tätigkeit eines Tätowierers handelt es sich um eine künstlerische Leistung. Daher liegt auch keine Verpflichtung vor, im Schaufenster einen Preisaushang anzubringen

Mitarbeiter der Kreiswehrersatzämter drehen Däumchen

Uni will Praktikum bei der NPD nicht anerkennen

Flattr: Jetzt auch Einzelspenden möglich

Keine Impressumspflicht für Baustellenseite

Das altbekannte Baustellenschild auf einer Internetseite sollte einem Unternehmer zum Verhängnis werden. Ein Mitbewerber verlangte von ihm 651,80 € Abmahnkosten. Der Konkurrent hatte gerügt, dass auf der ansonsten nicht genutzten Seite kein Impressum vorhanden war.

Das Landgericht Düsseldorf konnte allerdings keinen Verstoß gegen die Impressumspflicht erkennen. Völlig zu Recht weist das Gericht darauf hin, dass nur „geschäftsmäßig“ betriebene Seiten ein Impressum haben müssen. Eine geschäftsmäßige Betätigung liege aber bei einer „Vorschalt- bzw. Wartungsseite“ nicht vor:

Die unter der Internetadresse zu diesem Zeitpunkt abrufbare Vorschalt- bzw. Wartungsseite enthielt als einzigen Hinweis auf Dienste der Beklagten, dass diese sich mit »alle[m] für die Marke« befasst; im übrigen wurde der Besucher auf einen späteren Besuch verwiesen. Damit hatte der Internetauftritt zu diesem Zeitpunkt nicht den Zweck der Verfolgung wirtschaftlicher Interessen, denn die Beklagte hat keine konkreten Leistungen beworben, auch die Angabe »alles für die Marke« stellt sich dem Besucher als bloßer Slogan dar, vermittelt ihm aber keine Informationen zu ihrem tatsächlichen Tätigkeitsfeld.

Fazit: Es gibt keine Impressumspflicht für Baustellenseiten.

Link zum Urteil

Von heute auf morgen

Schreiben eines Kleinunternehmers an seinen Angestellten, der schon zwei Jahre bei ihm arbeitet:

Ratingen, 30. Dezember 2010. Hiermit kündige ich Sie fristgerecht aus betriebsbedingten Gründen zum 31. Dezember 2010.

Nun ja, ich gehe davon aus, er hat sich schlicht mit dem Datum vertan, zu dem das Arbeitsverhältnis enden soll. Deshalb versuche ich es erst mal mit einer Mail – und einem dezenten Hinweis auf die gesetzlichen Kündigungsfristen.

Ablaufdatum für Musik und Filme

Viele Abgemahnte wundern sich, woher die Musik- und Filmindustrie eigentlich ihren Namen und ihre Adresse hat. Die Lösung findet sich in einem Gerichtsbeschluss, welcher der Abmahnung meistens beigefügt ist. In diesem Beschluss hat das für den Provider des Abgemahnten zuständige Landgericht angeordnet, dass der Provider dem Rechteinhaber sagen muss, welchem seiner Kunden die festgestellte IP-Adresse zugeordnet war.

Diese Auskunft durchbricht faktisch das Telekommunikationsgeheimnis. Deswegen hat der Gesetzgeber gewisse Hürden aufgestellt. Herausgegeben werden dürfen nur Daten von Kunden, die in „gewerblichem Ausmaß“ Urheberrechte verletzt haben. Das bedeutet aber nach Auffassung der Gerichte nicht, dass der Filesharer selbst finanzielle Vorteile gehabt haben muss. Vielmehr reicht es für sie, wenn dem Rechteinhaber ein wirtschaftlicher Schaden entsteht.

Aber wann ist das der Fall? Das Oberlandesgericht Köln, zuständig für den größten Provider Telekom, hat seine Maßstäbe jetzt in einem aktuellen Beschluss noch einmal zusammengefasst.

Bei kommerzieller Musik bejahen die Richter ein gewerbliches Ausmaß regelmäßig in den ersten sechs Monaten nach Veröffentlichung. Das ist die „Abverkaufsphase“, in der die meisten Umsätze erzielt werden.

Sind diese sechs Monate vorüber, fordert das Oberlandesgericht Köln „besondere Umstände“, um eine Urheberrechtsverletzung noch als „gewerblich“ gelten zu lassen. Das kann der Fall sein, wenn ein Album noch in den „Top 50“ vertreten ist oder eine Singleauskopplung sich in den Charts hält.

Für Hörbücher und andere „nicht aktualitätsbezogene“ Werke legt sich das Gericht zeitlich nicht fest. Diese könnten sich durchaus auch länger als sechs Monate in der Abverkaufsphase befinden, je nach Verkaufserfolg und Umfang des Titels.

Bei Filmen wenden die Richter am Oberlandesgericht Köln ebenfalls die Sechsmonatsfrist an. Diese beginnt aber nicht schon mit dem Kinostart, sondern erst mit der DVD-Veröffentlichung.

Bei älteren Werken müssen die Rechteinhaber den Gerichten also genau darlegen, wieso die Urheberrechtsverletzung noch ein gewerbliches Ausmaß erreichen soll. Dies alles geschieht aber, bevor der Filesharer überhaupt angeschrieben wird. Bewilligt ein Gericht fälschlich die Herausgabe seines Namens und seiner Adresse, kann er selbst sich dagegen nicht mehr wehren. Er hat kein Rechtsmittel. Die Preisgabe der persönlichen Daten lässt sich also nicht rückgängig machen.

Trotzdem bleibt es natürlich ein gutes Argument gegen die Abmahnung selbst, dass die Urheberrechtsverletzung wegen des Alters der abgemahnten Titel jedenfalls kein gewerbliches Ausmaß hatte. Es lohnt sich also immer, das juristische Verfallsdatum der fraglichen Werke zu prüfen.

OLG Köln, Beschluss vom 27.12.2010 – 6 W 155/10

RapidShare gewinnt gegen Rechteinhaber

Der Filehoster RapidShare aus der Schweiz steht seit langem im juristischen Sperrfeuer der Musik-, Film- und Spieleindustrie. Nun hat das Unternehmen in einem Rechtsstreit vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf bestätigt erhalten, dass es sich ausreichend darum bemüht, Urheberrechtsverletzungen zu verhindern.

RapidShare hatte Berufung gegen eine Entscheidung des Landgerichts Düsseldorf vom März 2010 eingelegt, wonach das Unternehmen keine ausreichenden Maßnahmen ergriffen habe, um die Verbreitung des Atari-Computerspiels „Alone in the dark“ über seine Plattform zu verhindern. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat das ursprüngliche Urteil des Landgerichts Düsseldorf nun aufgehoben und die Klage abgeweisen.

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Düsseldorf hat RapidShare im konkreten Fall genug getan, um die illegale Verbreitung des Spiels zu verhindern. Weitere Maßnahmen, wie von der Klägerin gefordert, seien unzumutbar oder nicht zielführend.

So könne RapidShare beispielsweise nicht auferlegt werden, per Wortfilter alle Dateien aufzuspüren und zu löschen, in deren Dateinamen bestimmte Schlüsselbegriffe vorkommen. Hierdurch entstehe nämlich die Gefahr, dass auch legale Dateien gelöscht werden, deren Dateinamen die entsprechenden Schlüsselbegriffe enthalten. Auch eine manuelle Überprüfung von Inhalten, bei denen der Verdacht auf Rechtsverletzungen besteht, stehe wegen des damit verbundenen personellen Aufwands in keinem angemessenen Verhältnis zum Erfolg.

Atari hatte außerdem gefordert, dass RapidShare Suchanfragen in bestimmten Linksammlungen unterbinden solle. Das Gericht wies auch diese Forderung zurück, da RapidShare mit den genannten Websites in keinerlei Verbindung stehe und es dem Unternehmen folglich unmöglich sei, Einfluss auf deren Inhalte zu nehmen.

RapidShare-Anwalt Daniel Raimer: „Das Urteil zeigt einmal mehr, dass RapidShare ein völlig legales Angebot betreibt und Maßnahmen gegen den Missbrauch seiner Dienste ergriffen hat, die über das rechtlich gebotene Maß hinausgehen. Wir sind guter Dinge, dass sich diese Erkenntnis allmählich auch bei den Rechteinhabern durchsetzt.“

(Oberlandesgericht Düsseldorf, I-20 U 59/10)

Einer ist am Ende tot

Der Straftatbestand Totschlag heißt so, weil am Ende jemand tot ist. Daran dachte das Landgericht Bonn offenbar nicht, als es einer Frau im Urteil strafschärfend ankreidete, sie habe nicht nur ihren Gatten getötet, sondern durch die Tat auch ihren Kindern den Vater genommen.

Der Bundesgerichtshof merkt dazu trocken an, es gehöre nun mal „zu den regelmäßigen Tatfolgen eines vollendeten Tötungsverbrechens, dass der Täter den Angehörigen des Opfers Leid zufügt“.

Aufgehoben wurde die sechsjährige Freiheitsstrafe gegen die Frau letztlich aber wegen eines anderen Fehlers. Das Landgericht Bonn hatte der Angeklagten außerdem zur Last gelegt, der durch Beleidigungen und frühere Tätlichkeiten des Ehemanns ausgelöste tödliche Stich sei eine „völlig unangemessene Reaktion“ gewesen.

Dazu sagt der Bundesgerichtshof, mit einer Tötung auf Kränkungen zu reagieren, sei immer unangemessen. Allerdings dürfe das den Blick nicht darauf verstellen, dass Provokationen – der Ehemann hatte seine Frau ordentlich getriezt – grundsätzlich strafmildernd zu berücksichtigen sind.

Über das Strafmaß muss nun eine andere Kammer des Landgerichts Bonn neu entscheiden.

(Link zum Beschluss / gefunden im LexisNexis Strafrecht Online Blog)

Anlageprotokolle: Bloß nichts unterschreiben

Bereits seit dem 1. Januar 2010 müssen Banken über jede Anlageberatung zu Wertpapieren ein schriftliches Protokoll anfertigen und dem Privatanleger vor Vertragsabschluss aushändigen. Statt die Qualität der Anlageberatung dadurch zu verbessern, versuchen einzelne Anbieter mit den Protokollen nur ihr eigenes Haftungsrisiko zu minimieren. Dies hat die Verbraucherzentrale festgestellt. „So lange Anbieter Gesetze missachten und den Schutz vor Falschberatung sogar ins Gegenteil verkehren, sollte sich niemand zur Unterschrift drängen lassen“, rät Andreas Gernt, Finanzexperte der Verbraucherzentrale.

Die Verbraucherzentralen haben im vergangenen Jahr immer wieder festgestellt, dass viele Protokollvordrucke nicht die gesetzlichen Vorgaben erfüllen und stark verbesserungsbedürftig sind. Sofern überhaupt ein Protokoll ausgehändigt wird, entsprach der Inhalt auch nicht dem Inhalt des Beratungsgesprächs oder es wurde ein Produkt empfohlen, das nicht zum Anlageziel oder Risikoprofil des Kunden passte.

Hauptärgernis war allerdings, dass häufig Protokolle auch vom Kunden unterzeichnet werden mussten, obwohl der Gesetzgeber ausdrücklich bestimmt hat, dass nur der Anlageberater das Protokoll unterschreiben muss.

Deshalb weisen die Verbraucherzentralen nochmals darauf hin, dass die Unterschrift des Verbrauchers unter dem Beratungsprotokoll nicht erforderlich ist, auch nicht zur Bestätigung der Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben oder zum Empfang bestimmter Unterlagen. Andreas Gernt: „Jeder seriöse Anbieter wird Verständnis dafür haben, wenn ein Kunde die Aushändigung ohne Unterschrift verlangt, um sich den empfohlenen Vertragsabschluss nochmals in Ruhe überlegen zu können.“

Weitere Hinweise zum richtigen Umgang mit den Beratungsprotokollen bietet das Faltblatt „Beratungs- und Dokumentationspflichten bei der Anlageberatung“ der Verbraucherzentrale. Es kann hier heruntergeladen werden.

Unendlich erleichtert

Aus der Vernehmung eines Beschuldigten:

Seit dem Besuch der Polizei bin ich froh, dass diese Angelegenheit für mich erledigt ist. Hier muss ich nochmal sagen, auch in Absprache mit meinem Verteidiger, der mich insoweit unterstützt hat, dass ich das alleine nicht geschafft hätte. Ohne die Durchsuchung hätte ich weitergemacht und es ist gut, dass diese Durchsuchung bei mir stattgefunden hat, um mir das Ganze aufzuzeigen.

Ist halt immer Geschmacks- und Mentalitätsfrage, wie sehr man auf die Tränendrüse drückt. Auf den folgenden Seiten liefert der unendlich Erleichterte dann übrigens ungerührt seine „Kunden“, unter anderen meinen Mandanten, ans Messer, um sich einen kleinen Strafrabatt zu erkaufen.

Ob man sich am Ende der Vernehmung in den Armen lag, ist nicht festgehalten.

Nur ein Staatsanwalt

Zumal in der Weihnachtszeit gäbe es für den Wuppertaler Oberstaatsanwalt K. ein Geschenk – das er allerdings für eine Selbstverständlichkeit hält. Eine vermeintliche Belanglosigkeit ist es, die ihm bislang das Justizministerium versagt: die korrekte Amtsbezeichnung auf dem Dienstausweis. Ohne die wäre, beispielsweise, ein Hauptwachtmeister zwar ein Mensch mit Haupt, aber kein Meister der Wacht. Geschweige denn: einer ihrer Anführer.

Es geht also um den beruflichen Rang eines Menschen in einer Behörde, landläufig auch als Dienstgrad bekannt. Nun hat es allerdings der Landesregierung gefallen, dergleichen abzuschaffen. Korrekt: Es war der „Interministerielle Ausschuss für Organisationsfragen“, der diese Vorgabe für die neuen Dienstausweise gemacht hat.

Die Umstellung läuft auf Hochtouren, sie soll bis zum Ende nächsten Jahres abgeschlossen sein. Mittendrin traf es nun den Herrn K. – er ist einer von rund 14.700 in der Justiz, für die es einen dieser neuen Dienstausweis (zum Anschaffungspreis von je 3,10 Euro) gibt.

Allerdings nennt der Ausweis nur die „Funktionsbezeichnung“. Herr K. ist, folgerichtig, auf dem Ausweis kein Oberstaatsanwalt. Sondern gemäß seiner Funktion nur „Staatsanwalt“. So was fuchst ihn; er ärgert sich, fühlt sich nahezu entehrt. So sehr, dass er sich, soweit bekannt als einziger Justinzangehäriger bisher, bis hin zum Justizministerium beschwerte.

Vergeblich.

Wie steht er nun da, der Herr Ober, wenn er sich dann mal ausweist, ohne sein „Ober“? Ihm kann geholfen werden. Ein Blick auf die Rückseite des Ausweises bietet möglichen Trost. Da steht „Es wird ersucht, … dem Inhaber/der Inhaberin notfalls Schutz und Hilfe zu gewähren.“ (pbd)

Frohe Weihnachten

Ich wünsche allen Lesern des law blog frohe Weihnachten und erholsame Festtage.

Nur zur Erinnerung. Wir sind momentan im Urlaubsmodus; regulär geht es ab dem 4. Januar 2011 weiter.

Ex-Jugoslawen fragen nach Asyl

Sie kommen, frei von jeder Visumpflicht, in Gruppen aus Serbien und Mazedonien. Bürger aus diesen Ländern reisen in Bussen an – vorgeblich zu Besuch am Niederrhein und in Düsseldorf. Doch hier angekommen, ersuchen sie um Asyl und versuchen auch, sich dieses Recht auf juristischem Weg zu erstreiten. Am Verwaltungsgericht Düsseldorf sind Verfahren mit Bezug auf diese Herkunftsländer in den vergangenen sieben Monaten „explosionsartig angestiegen“.

Während im Mai die Verwaltungsrichter noch mit 20 neuen Asylverfahren beschäftigt waren, kamen im vorigen Monat 240 solcher Klagen gegen ablehnende Entscheide des Bundesamtes für Flüchtling rein.

„Wir mussten“, erklärt Behördensprecher Gerd-Ulrich Kapteina, „die zuständigen Kammern von einer auf drei aufstocken.“ Die Klagen selbst blieben letztlich meist erfolglos, auch weil sich die Sicherheitslage in den Herkunftsländern gebesssert habe.

Weil nun auch seit drei Tagen die Visumspflicht für Besucher aus Bosnien-Herzegowina und Albanien abgeschafft worden ist, könne sich die Belastung des Verwaltungsgerichts noch verschärfen. (pbd)

Beamter leidet an Frauenbild

Die E-Mail eines Dienstvorgesetzten hat bei einem Beamten einer Landesbehörde „krankhafte Gedanken und Impulse“ ausgelöst. Diese Mail zeigte im Anhang freizügige Fotos von Frauen „in anstößiger Art und Weise“. Der Vorgesetzte hatte die Mail als eine Art „Kettenbrief“ an seine Untergebenen geschickt.

Die Mail führte bei dem Beamten laut Feststellung seiner Ärzte zu Gefühlen und Vorstellungen, die vom ihm als unsinnig, übertrieben oder quälend erlebt werden. Sie führten, so jedenfalls ein medizinisches Gutachten, „regelhaft zu deutlicher Beeinträchtigung in den Alltagsfunktionen“.

Die Krankheit sei „sehr schambesetzt, quälend und immer wieder von Zweifeln bestimmt“. Aufgrund dieser Störungen klagte der Beamte gegen das Land Nordrhein-Westfalen und bekam Zustimmung vom Verwaltungsgericht Düsseldorf (AZ: 23 K 5235/07). Die E-Mail des Vorgesetzten habe eine Erkrankung ausgelöst, die als Dienstunfall zu werten sei.

Für die Behandlungskosten und Spätfolgen hafte demnach der Staat. (pbd)